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Dis Neue Welt. Ilustriertes Unterhaltungsblatt.

„ Ist es wahr? Willst du mir soviel leihen?" rief sie ganz beglückt und begeistert. O ich freue mich närrisch, was meine Freundinnen für Augen machen werden. Und das da fie brückte mir leck ihren Fuchsfellmuff ins Gesicht: Rate, wem?" Auch die molligen Schwänze des Kragens mußte ich betaften.„ Denk dir, vom alten Herrn Hirsch zu Weihnachten! Und wenn ich jetzt dazu noch Halifagen be­tomme - 0 Gott!"

Don

Ich nichte nur, damit die liebevolle Brust fich nicht verrate. Mit dieser Ausfuht als Vorspann wollte sie den Weg zum Hafen natürlich nur noch im Trabe zurüflegen. Sie entschied auch sofort, daß wir nach Wei­ ningen   laufen und dort im Bären", wo nur die feinen Leute einfehrten, Grog frin­ten und Kuchen schmausen würden. Wie fchwerfällig mußte ich ihr verfommen! Wahrhaftig, mich drückte immer noch der moralische Kauffhilling, den ich für die gemeinsame Freiheit erlegt hatte. Sie aber war schon völlig losgebun­den, ausgelüftet und blickte auch im Geiste nicht mehr nach dem Björiner­häuschen zurück. Das war fein Gehen mehr; fie tanzte, schwebte vor Beha­gen und Erwartung. Singende Seele, Rauschgoibherz!

Als ich dann meine alten, längst zu kurzen Schlittschuhe herunterholte, schlug ihr doch ein wenig das Ge­wissen. Da wollte sie durchaus nur ganz einfache taufen. Ich mußte thr hoch und heilig schwören, daß ich nur deshalb keine neuen anschaffe, weil ich mich so sehr an die alten ge­wöhnt hätte.

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Schon von weitem spürten wir den Wirbel der Luftbarkeit, die lange Pro­zession der Narretei. Der ganze Hafen vom Kornhaus bis zum Leuchtturm war mit bunten Papierlaternen über­zogen( das Nachtleben auf dem Eise mit Mufit und Feuerwerk übte, das versteht sich, den größten Reiz aus); überall in Ufernähe sah man aufgeschlagene Belte, italienische Maroniröster und Punsch­brauer, Mastenzüge, Stoßschlitten um­fchwärmt von unzähligen Schlittschuhläufern. Was verschlug es diesem ausgelassenen Bolt, daß die Kunde von einem neuen Unglück die Runde machte? Maria und ich vernahmen fie, noch eh' wir den Hajen erreichten. Drei junge Menschenleben zwei Kantons­schüler und die einzige Tochter des Eisen­händlers Knecht waren auf einen Schlag vernichtet. Die beiden Knaben hatten das Mädchen in die Mitte genommen und waren weit draußen auf ungeprüfter Fläche eingebrochen und rettungslos versunten. Der und jener hatte die anmutige Troita hinaus­fahren sehen, wo die Sonne blutigrot, ver­lockend durch den Nebel brach, und andere wollten sogar Hilferufe vernommen haben, ohne zu wissen, wohin sie sich wenden soll­ten. Nur ein Shultamerad der Berunglück­ten war ohnmähtiger Augenzeuge ihres Un­terganges gewesen. So glich die magnetische Dede einem von Elementargeistern ausge­worfenen Fangneh mit liftig gezogenen Maschen und Rissen zum Unheil derer, welche die Gefahr mehr als die Weisheit liebten. Umsonst waren die Schiffer mit Tauen und Enterhafen hinausgezogen. Die drunten gaben den Raub nicht her, wie sehr auch die Mütter weinten und lehten. die Arme eishauchender Undinen, die nach der Glut der Menschenjugend schmachten,

In

blieben all die Opfer gebettet, bis der Tau­wind fam und den unheimlichen Kristall­palast in Trimmer legte

Sollte uns die Trauerbotschaft eine letzte Warnung sein? Nicht nur fannten wir die Berfunkenen; ihr Ende mahnte uns peinlich an das unredliche Mittel, wodurch wir un­sere Freiheit erlangt hatten, und pflanzte das Gefühl der rägenden Nemesis in unsere Brust.

Bär s nicht gescheiter, wir gingen wirt­lich ins Konzert statt aufs Eis?" sagte ich, von meiner veren Berantwortung durch­drungen.„ Ach warum nicht gar! Wenn man in der Nähe des Ufers bleibt, wie wir es mashen wollen, oder nur in den abge= steckten Bahnen fährt, fann einem ja nichts passieren!" suchte Maria die Gespenster zu verscheuchen, starrte dabei aber selbst mit Grauen auf das forglose Gewimmel, darin jeder dem Glauben an eine eigens über ihm

Heimkehr.

Durch die Lande brauft der Zug, Brauit durch die Nacht, den drängenden Tag,- Mir aber geht es nicht schnell genug! Raicher eilt meiner Wünsche Flug, Eilt meines Herzens fehnender Schlag. Ein Sterben war's all die Jahre lang: Verweht, verwandelt Liebe und Luft, Verftummt, verklungen der letzte Sang, Erítickt des Lebens mächtiger Drang, Erítickt das Lachen in bangender Bruft. Nun aber durch den ftarren Cod Brandet und brauft meiner Sehnsucht Flut! Sterben war unfer täglich Brot- Nun ist vergeffen all die Not: Leben! Leben! jauchzt mein Blut.

Kurt Heilbut.

waltende Vorsehung zu leben schien. Ueber­dies tönte vom Dom herab gerade die Besperglocke und flang seltsam fremd hinein in all den Mummenschanz, daß man sich in eine Märchenwelt versetzt wähnte und man­ches Auge bang nach dem signalgebenden Feuer des Leuchtturms blickte, ob nicht mit dem Wechsel des Lichts das Feld der Freude sich verwandle in Schrecken und Untergang.

Doch schneller als ich dachte, erfaßte auch uns die Lebenshochflut. Hand in Hand mit der reizenden Maria überwand ich endlich alle Scheu, Shwerfälligkeit und lähmenden Unwertgefühle. Leicht und beherzt glitten wir hinaus, die uns vertrauten, gemeinsam erlernten Bogen ziehend, so daß ich aus manchem Auge freundliches Lob und Stau­nen lesen fonnte. Auch Maria wußte um die anerkennenden Blicke, ohne daß sie diese herausforderte. Entgegen ihrer begehrlichen Natur hatte sie unter fremden Menschen nichts Redes an sich, und doch lag darin, wie sie meist lächelnd zu Boden sah, eine über­raschende, aufreizende Gewißheit ihrer Wir­fung.

Aber mein war der Stolz, mein der Lohn! Manchen Frühlingsmorgen muß ich loben, wann ich mit gehobener Brust, ver­jüngtem Blid und neuer Hoffnung durch leuchtend grüne dampfende Fluren dem un­bekannten Glüd entgegenschritt; doch keiner ließ meine Gefühle so hoch steigen wie jener rauschende, glitzernde Winternachmittag.

Leuchtgarben gleich schossen sie durch die Ne­bel himmelan, den Schöpfer zu grüßen, der mir glühende Liebe ins Herz goß, indes Feld, Wald und See vor Kälte erstarrten.

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Durch unsere vereinten Hände strömte das wärmende Leben hinüber herüber, und die schrankenlose Bewegung, die wunderlich dräuende Gefahr unter den Füßen ver­mehrte noch den Ueberschwang. Wohl hatte Maria Grund genug, mir gerade heute von Herzen dankbar zu sein. Aber sie war mehr als das zärtlich, schmiegsam, ganz mei­nem Willen hingegeben. Wie oft ging fie sonst versennen neben mir her und ließ es mich bitter fühlen, daß sie in Gedanken an­derswo weilte. Diesmal aber war sie mit Leib und Sesle bei mir, als brauchte sie, um vor Abschweisungen geschüßt zu sein, nur einen Bli auf ihre funkelnden Schlittschuhe zu tun, die ihr vollends den Anschein eines wohlgeborenen Fräuleins liehen.

Grunde

Baum dreihundert Meter vom Ufer entfernt, liefen wir dem näch sten Städthen zu. In dem sich ver­dichtenden Nebel war mitunter fein Mensch zu sehen; um uns her wuchsen die Schauer und in uns eine Slim­mung von schwindelnder Seligkeit, von Liebe, die über dem Abgrund schwebend, auf Erfüllung hofft und vor des Rätsels Lösung zittert. D, wie es mich aufhob und forttrug, wenn Maria, bie zuweilen schalkhaft Extratouren machte, beim Krachen des Eises schnell wieder zit mir ge­stürzt fam und meine Hände fester umflammerte, als hätte sie einen all­mächtigen Beschüßer zur Selte, der zu ihr fprechen fonnte: Fürchte dich nicht, ich bin bei dir!..

Ja, hinfnien möchte ich und beten zu meinem trägen Herzen:„ Sing mir noch einmal den Reigen der Liebe in tausend Gefahren; ruf mir zurück die stürmischen Gefühle, daß fie leuchten mit Regenbogenfarben­pracht auf deinem gewitterdunklen

Indessen ging der furze Nachmittag schnell zu Ende. Vor dem Untergang schien sich die Sonne noch einmal mit ihrem Herz­blut durch den Nebel kämpfen zu wollen; der nahe Horizont war eine purpurne, die Blicke mächtig bannende Lohe. Ich dachte, in der nächsten Sekunde werde die letzte Hülle zerreißen und eine blendende Licht­flut über uns ergehen. Statt dessen pfiff uns der Wind immer schärfer um die Ohren, und in der kälteren Luft wurde der von einem Ufer zum andern laufende Donner so gewaltig, daß wir zuweilen ein leises Auf und Ab unter den Füßen zu spüren mein­ten und darum das sich schnell nähernde Ziel dankbaren Gemütes ins Auge faßten.

Als Maria den Fuß auf festen Boden fette, sah sie noch einmal aufschauernd die lange Bahn zurück bis zum Leuchtturm von Treustadt. Rot   blitzte es auf; dann folgte das grüne Fanal, die Läufer zur Heimkehr mahnend, zurück in den sicheren Hafen.

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Ich hätte nicht gedacht, daß es so schön sein könnte. Aber zurüd fahre ich doch mit ich dem Zug. Mir zittern die Beine weiß nicht, ob von der ausgestandenen Angst oder von der großen Anstrengung. Zief Atem holend, ließ sie sich auf ein Bänk­lein von ungezimmertem Holz finken, die Füße Schwingend, den Muff ins Gesicht gedrüft, damit das verfrorene Näschen, die blaugeränderten Ohren wieder auftauen