Die Neue Welt. Illustriertes Unterhaltungsblatt.

Marianne trat auf sie zu und nahm ihr bie Taffe ab. Ich trage fie selbst hinein," fagte fie. Bring Dich in Ordnung."

Die Heinrita entfernte sich schweigend. Marianne aber trat in ble Nebenkammer. Diese war freundlicher als die Wohnstube. Das tannene Gerät mar neu, und die wet Ben Bezüge der zwei nebeneinander stehen­den Betten wie die Borhänge brachten eine schöne Helligkeit hinein. In dem einen der Betten lag Denier reglos. Es war nichts von ihm zu fchen; denn der Kopf war mit weißen Binden ganz umwunden, und die Arme, von denen der rechte gebrochen war, lagen unter der Decke. Marianne trat zu ihm, und als fie auf ihn niedersah, schauderte fie. Es war nicht zu glauben, daß dieser hilflose Lelb bemfel­ben starten Menschen angehörte, der sie vor wenigen Tagen aus bem väterilchen Hause geholt hatte.

" Bist Du's?" lallte der Kranke, die Worte maren faum verständ lich; denn die Sprache fam ihm langsam zu rück, würde vielleicht nie mehr die frühere Deutlichkeit gewinnen, wie der Arzt fagte.

" Ich bringe die Milch," gab fie Be Scheld. Da öffnete er den Mund, und sie begann, ihm Löffel um Löffel die Milch einzugießen. Einmal lallte er wieder ein

paar Worte. Es war, als ob er fagte, daß thm fein Glied ganz fei. Blöglich brach er In ein fürchterliches Schluchzen aus. Ma­rianne jegte die Laffe belleite und bog fich

zu ihm nieder, die Qual, die aus ihm schrie, erschütterte fie fo, daß auch ihr die Tränen famen. Gei rubig," sagte fie mit engem Atem, wir müssen lernen, es ge­

buldig zu tragen.

Das Schluchzen

nahm nach einer Weile

Allerlei Schulfürsorge

Die findliche Faulheit hat verschiedene Ursachen. Sie ist eine Erscheinung, welche beim Rinde eines der größten Hindernisse für eine regelmäßige Erziehung bildet. Das, was man aber mit Saulheit" bezeichnet, fann seinem Wesen wie feiner Ursache nach so verschiedenartig sein, stellt so start von einander abweichende Arten in der Ver­änderung und Störung der findlichen Be­tätigungsweise bar, daß man eigentlich diese Derschiedenen Formen der findlichen Faul heit auch mit verschiebenen Ramen bezeich nen müßte. Manchmal beziehen sich näm

Karl Walser  : Landwehrkanal

ab und verlor fich. Denier lag wieder reg­los. Dann schlief er vor Schwäche ein.

Bon seinem Bett hinweg fuhr Marianne dann fort, sich in ihrer neuen Umgebung umzusehen. Das Haus war groß und hatte viele leere Räume. Sie besah es vom Bo­ben bis zum Keller. Unterwegs traf sie die Heinrika. die fich ordentlicher trug. Sie sandte sie in die Wohnstube hinauf, damit sie in der Nähe sei, falls der Kranfe eines Dienstes bedürfe. Sie selber ging mit siche. rer Bewußtheit ihres Weges. Sie fühlte, daß sie die Zügel des Hauswesens in die Hand nehmen mußte, und wollte heute wissen, wo sie regierte. In der Küche traf fie auf die Köchin Aloisia. Die war dabei. gewesen, als sie mit Denier ins Haus ge­tommen

Bortlegung folat)

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ein Kind aus Ermüdung faul, entweder übersteigt das ihm auferlegte Schulpensum feinen Borrat an Kräften, oder die in der Familie angewandte förperliche und erziehe rische Behandlung ist unvernünftig oder vollkommen verfehrt. Manchmal ist das Kind des Abends zu viel oder zu spät, der Schlaf ist infolgedeffen aufgeregt und bringt für den nächsten Tag feine Erholung. Manchmal geht das Kind zu spät schlafen, nachdem es den Eltern oder älteren Ge­schwistern als Spielzeug gedient, oder gar an den Abendfeftlichkeiten der Erwachsenen teilgenommen hat. Die Folge davon find aufregende Träume. Alpbrüden und unge­nügende Ruhe. In den Kreisen, wo Elend,

Unwissenheit und Ab­

wesenheit der Eltern vorherrschen, find ge= sundheitliche und sitt­fiche Störungen die Ursache der Faulheit. Andere Kinder müssen wieder oft bis spät in die Nacht arbeiten und find dann am fol­genden Lage leistungs­unfähig. Außerdem müssen sie oft noch in fchlecht gelüfteten Zimmern schlafen, die für die Anzahl der darin haulenben Ber­fonen viel zu flein  find; hinzu tommt dann noch der schwä dhende Einfluß einer fchlechten und unregel mäßigen Ernährung, der Mangel an Ge fundheitspflege über­haupt und schließlich ganz besonders das Beispiel der Faulheit. Arbeitsicheu ww.durch Erwachsene. Neben diesen Ursachen gibt es auch solche, die mit Störungen des ganzen Organismus oder der leitenden Funktionen der verschiedenen La­tigkeiten innig ver­bunden sind. Am häu figften zeigt fich die Faulheit bei einem geichwächten oder gar franten Befen, so be­fonders auch bei Er­nährungsstörungen, Ferner ist hinzuweisen auf nervöse Leiden als einer Uriache zur Ber­langsamung der Dent­und Willensfunttio­nen, die wir wie die Hysterie, die Melan­cholie usw. als pin­chische Erkrankungen bezeichnen, und auf gewiffe Arten der geistigen Schwäche( Be­fchränktheit, blöder Sinn) oder gar be­stimmte Formen des Wahnsinns, die alle legten Endes auf gewisse Störungen der normalen Hirnfunktion beruhen.

( Berkleinerung aus dem Kalender: Kunst und Leben". Berlag Frig Hender, Berlin- Zehlendorf)

lich diese Veränderungen nur auf einen Teil, manchmal jedoch auf das Ganze der findlichen Tätigkeit. So tann z. B. ein, Kind nur während der Schulstunden faul fein, d. h. fich gleichgültig, interessenlos eder langfam im Denken während des Unterrichts zeigen, dagegen ist es Feuer und Flamme beim Spiel unter feinesgleichen. Der Er wachsene ist nun immer gern geneigt, die Ursachen für die findliche Faulheit in einem böfen Willen des Kindes zu suchen. Oft aber find äußere Umstände oder innere Ber­änderungszustände( Krankheiten) bie Ur­fache der sogenannten Faulheit. Die Faul heit ist also durch physiologische Faktoren bestimmt. Immer ist sie z. B. eine Folge von vorübergehender oder dauernder för. perlicher oder geistiger Ermüdung; nur längere Ruhe allein fann zur Abstellung des Uebels führen. Defter als man glaubt, ist

Die Beziehungen zwischen Kopfgröße und Intelligenz bei Schulkindern sind neuer­dings eingehend untersucht worden. Der Wormfer Arzt Bayerthal hat durch zahl­reiche Messungen, die er an Röpfen von Schulkindern anstellte, ein sehr wertvolles Material geschaffen, das uns nicht nur ge statiet, die schon seit langem in der Wissen. schaft diskutierte Frage nach den Beziehun gen zwischen Schädelumfang und Jatelligenz ganz allgemein mit einer Bejahung der Existenz folcher Beziehungen zu beant­worten, sondern auch schon erlaubt, einige prinzipielle Gefehmäßigkeiten für diese Be.