Nr. 93.

Berlin  , Dienstag den 18. Juli

1865.

Social- Demokrat.

Diese Zeitung erscheint täglich Organ des Allgemeinen deutschen Arbeiter Vereins.

mit Ausnahme

der Sonn- und Festtage.

Redigirt von J. B. v. Hofstetten und J. B. v. Schweißer.

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Politischer Theil.

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Berlin  , 17. Juli. Der innere Konflikt in Preußen ist in ein neues Stadium getreten.

Das Unerhörte, das Unglaubliche ist geschehen: die preußische Regierung hat der Fortschrittspar­tei eine Gelegenheit zur Ehrenrettung in die Hand gegeben.

lichkeit trat, da betrad teten wir die Sache als eine

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mer eine geschlossene Gesellschaft und keine öffentliche commission der zweiten Kammer wurde die Festsetzun Versammlung im Sinne des Gesetzes. Auch das Banket dieser Bestimmung gefaßt, es seien darunter nicht die fann nicht als öffentliche Versammlung betrachtet werden, jenigen Vereine begriffen, die zum Gegenstande ihre denn es wird nicht berathen über öffentliche Angelegen Verhandlungen einen einzelnen selbstbestimmten Zwe beiten, sondern es ist nur eine Vereinigung zu einem im Sinne der englischen Meetings machen, z. B. di Festmahl mit passenden Toasten, Musik und Liedern. Wahl eines Abgeordneten, oder die Erreichung oder B Deshalb glauben wir gesetzlich nicht verbunden zu sein, seitigung einer einzelnen gesetzlichen Bestimmung, sonder das Banket als eine öffentliche Versammlung der Polizei- es seien solche Verbindungen gemeint, die zum Gegen Behörde anmelden zu müssen. Da wir aber nichts thun stande ihrer Erörterungen und Beschlüsse die Kritik de und reben, was die belle Sonne der Deffentlichkeit oder Regierungsmaßregeln im Allgemeinen machen. Wen die Anwesenheit obrigkeitlicher Commissare zu scheuen Abgeordnete außerhalb der Sitzungszeit zusammen fom Schildern wir furz den Sachverhalt: hätte, so nehmen wir keinen Anstand, der königl. Polizei- men, um gemeinschaftlich zu effen und dabei Betrach Als die erste Nachricht von einem beabsichtigten Behörde 24 Stunden vor dem Banket Anzeige zu machen, tungen über die Gegenwart anzustellen, so ist dies ein damit sie ihre Commissare in unsere Mitte entsenden gesellige Zusammenkunft, wie sie Gelehrte, Industriell großen Abgeordneten Feste in Köln   in die Deffent- könne, wie wir es bei dem vorigen Abgeordnetenfest auch und Künstler für ihre Zwecke feiern, und welcher über gethan haben ohne gesetzlich dazu verpflichtet zu sein. all die gebührende Hochachtung gezollt wird. Eine solch der herkömmlichen fortschrittlichen Spielereien; Die Dampfschiffe sind uns auch für Sonntag den darf das Land doch wohl von allen Parteien wie vo und hätte die Regierung sich nicht eingemischt, wir 23. d. fest verpachtet, so daß wir an dem Tage darüber der Regierung für die Vertreter ihrer höchsten Interesse hätten ohne Zweifel Recht behalten und es wäre wie über unser Eigenthum verfügen können. Der Rhein   in Anspruch nehmen. Im Jahre 1848, als die erste dieses Fest wie alle früheren wirkungslos ver- ist eine freie Wafferstraße, die allen Nationen offen steht, Nachrichten von der beabsichtigten Einschränkung de laufen. ohne daß polizeilich die Fahrten inbibirt werden können, Vereinsrechts umliefen, gaben die befragten Rechtsanwal die Erwählten der Nation, die Repräsentanten des Volkes, das Urtheil ab, daß die Vereine befugt seien, gegen jede die Faktoren unserer Gesetzgebung auf dem freien deut- unberechtigte Einschreiten der Polizei ihr Hausrecht& gebrauchen. Mit dem Beaufsichtigungsrecht, welches d fchen Rheine   in Schiffen festlich zu begleiten. Dieses zur gefälligen Nachricht, um alle Zweifel über Gothaer der Polizei nach Manteuffels Verlangen zuerthei unsere Haltung in der Fest- Angelegenheit zu beseitigen. ten, war diese im Stande, das ganze Vereinsrecht Viele Herren Abgeordnete haben ihr Erscheinen be- Grunde zu richten. Der Fendalpartei scheint auch dief reits brieflich zugesagt und zahlreich melden sich die Fest- Macht nicht mehr zu genügen; fie verlangt das Pre theilnehmer aus den Provinzen. ventivrecht gegen jede öffentliche Gesellschaft wie gege die Vereine. Das Versammlungsrecht wäre damit seiner Wurzel bedroht, und es gilt in Köln   den Schu eines Bürgerrechts, daß die Verfassung ertheilt ha Ließen wir uns dasselbe nehmen, so verdienten wir kei Verfassung.

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Aber es ist anders gekommen das Polizei­präsidium zu Köln   hat auf Grund desselben Ge­fetes, welches, nächst der Verfassung, das Vereins­recht für Preußen gewährleistet das Abgeord­netenfest verboten!! Die Regierung hat die Sache ernst genommen und dadurch ist sie ernst geworden. Das Fest- Komite in Köln   hat nemlich erklärt, sich dem ergangenen Verbote nicht fügen zu wollen. Nachstehendes Manifest ist ergangen: An die liberalen Bürger von Rheinland­Westphalen!

Die ,, Berl. Ref." bemerkt:

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Es gilt, der Welt zu beweisen, daß wir uns in der öffentlichen Ausübung der schönsten Pflicht der Gesittung nicht einschüchtern laffen- daß wir den Dank den Ver­tretern des Volkes zollen, den sie tausendfach verdient haben. Es gilt aber auch jetzt zu beweisen, daß wir unser Recht und unsere bürgerliche Freiheit, wie sie uns Zu unserer großen Ueberraschung hat das fgl. Polizei- durch die beschworene Verfassung und durch die Landes­Präsidium den einzelnen Mitgliedern des Fest Comitee's gesetze gewährleistet sind, boch und heilig halten. Zeigen benen die Prov. Corr." den Unfrieden im Lande b Sind das die Thaten" so frägt man- m auf Antrag des Herrn Regierungspräsidenten brieflich wir, daß wir der bewährten Vertreter würdig sind, die schwören will; stebt es denn nach dem Urtheile der  eröffnet, daß das Abgeordnetenfest im Regierungsbezirk wir als Gäfte geladen, und die mannhaft unser Recht nischen Polizei so schlimm, daß die Erinnerung an d Köln   nicht geduldet werden wird. und unsere Freiheit vertheidigen. Kann durch ein ein­Das Fest Comitee sab sich gedrungen, mit Berufung faches Scriptum eines Beamten ein Artikel der Verfassung muß? Man muß am Rhein   sehr gereizter Stimmun ,, Reformbantette" ihren warnenden Finger erhebe auf§. 29 der Verfassung: suspendirt werden, so ist die gesetzliche Freiheit zernichtet. " Alle Breußen sind berechtigt, fich ohne vorgängige Jede gesetzwidrige unlautere Absicht liegt uns fern, und ſein; denn aus solcher nur erklärt sich die gestern sche obrigkeitliche Erlaubniß friedlich und ohne Waffen in wenn von oben Gewalt an Stelle der Gejezze treten soll, berichtete Confiscation der Rhein  . 3tg." wegen, wie f geschlossenen Räumen zu versammeln", dem Herrn Polizei- Präsidenten freimüthig und offen zu heraufbeschwören! so mögen diejenigen die Folgen verantworten, die sie selbst heute anzeigt, eines Leitartikels, der so maßvol wie das nur in den gesegneten Marken der Königsberge erklären, daß wir keinerlei Mittheilung, welche außerhalb Die Anmeldungen zur Theilnahme am Feste nebst Breßfreiheit hätte geschehen können, das Vorgehen di gesetzlicher Vorschriften und gegen den§. 29 der Ver- den Beträgen für die Karten bitten wir erster Tage ein Polizeibehörde gegen das Abgeordnetenfest bespricht faffung an uns ergehe, Folge zu leiſten verpflichtet seien. zureichen, damit die Plätze und Karten zeitig vertheilt nach Darlegung der juristischen Sachlage zu dem Schluß kommt, daß allerdings weder mit der Verfassungsurkund noch mit dem Vereinsgesetze das Reskript des Herr Geiger sich messen läßt. Man hat die confiscirte Num mer sogar aus Privathäusern wieder fortgeholt und di Der Rhein  . Ztg." schreibt man von hier, Rhein  . 3tg." forbert heute die solchergeſtalt Betroffene ſpräch auf, ihr die Thatsachen zu weiterer Verfolgung mitzu welche Gefabr Mit großer Spannung sieht man hier dem Verlauf theilen. des 22. Juli in Köln   entgegen, denn nach der Erklärung Die Reform" fagt dann weiter, das Fe bescheid des dortigen Feftcomitee's ist man zu der Annahme be- müsse durchaus zu Stande gebracht werden un zu erin feine N Da wir uns streng auf gesetzlichem Boden bewegen, rechtigt, daß das angezeigte Bankett zu Ehren der libe- fährt hiernach fort, wie folgt: so haben wir die Vorbereitungen für das Fest thätig ralen Abgeordneten abgehalten werden wird. In dem Es ist vor Allem nothwendig, daß die 253 ein widerte fortgesetzt. Der große Gürzenich Saal ist für den 22. Juli Vereinsgesetz ist kein Paragraph zu finden, welcher geladenen Ehrengäste auch möglichst vollzählig et gefällig uns schriftlich von der städtischen Verwaltung zum be- der Polizeibehörde das Recht gäbe, eine Gesellschaft scheinen. Der Saß, daß die Pflicht, ein öffent reiflic stimmten Breise vermiethet, und wir sind mit den erfor- zu verhindern, welche den Vorschriften gemäß angekün- licher Mann zu féin, mit der Kammerfessio über di berlichen Einrichtungen und der Ausschmückung beschäf- bigt wird. Selbst politische Vereine sollen Be- selbst ihr Ende finde, wird hier nicht mehr vo tigt, damit der Gaal im Feftgewande, die geehrten 26- fchränkungen und berübergegeben Berne   sollen Be selbst ihr gut fi burch die Hindernisse, die ihm ham mo geordneten und Fefigenoſſen bis über 1000 an der Zahl Wege der Gesetzgebung unterworfen werden. Die Polizei reitet werden, eine politische That geworden, bei be zur Tafel aufnehmen kann. Da der Saal an dem Ban- fann Vereine vorläufig suspendiren, hat aber dann die man sich ni.bt ,, zu Protokolle" betheiligen kann und dar alle sie kettage unser ist, so ohne ein

Ein heiliger Schwur bindet die Regierung, verfassungs­mäßig zu regieren. Zugleich haben wir gegen besagtes Schreiben des Herrn Polizeipräsidenten   Beschwerde bei dem königl. Ministerium des Innern erhoben, indem dasselbe berechtigt und berufen ist, darüber zu wachen, daß kein preußischer Staatsbürger im Genuß seiner ver. faffungsmäßigen Rechte und seiner gesetzlichen Freiheit von irgend einer Behörde behindert oder beeinträchtigt werde.

werden können.

Köln  , den 13. Juli 1865.

14. Juli, wie folgt:

Das Fest Comité.

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