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Nr. 19.

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für 1891 unter Nr. 6469.

Vorwärts

8. Jahra.

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Fernsprecher: Amt 6, Nr. 4106.

Berliner Bolksblatt.

Bentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Die Arbeiterschule, welche am 12. Januar dieses Jahres bei Lips, draußen im Friedrichshain , wo die Märztodten ruhn, von einer der größten Arbeiterversammlungen, die Berlin jemals gesehen hat,*) ins Leben gerufen wurde, ist, wie sich dies mit Bestimmtheit erwarten ließ, allen Feinden der Arbeiter­klasse ein Dorn im Auge. Die Feindschaft äußert sich auf alle mögliche Weise. Nachdem man es Anfangs mit dem beliebten Auskunftsmittel gehässiger Ohnmacht: dem Todtschweigen versucht hatte, änderte man hernach da das Todtschweigen dem Unternehmen keinen Abbruch that- die Taktik und bemüht sich jetzt, das Unternehmen nach jeder Richtung hin schlecht zu machen.

Diese Animosität( Gehässigkeit) ist recht charakteristisch. Unsere Gegner werfen der Sozialdemokratie bekanntlich bei jeder Gelegenheit vor, sie wende sich nur an die ,, niederen Leidenschaften" der Arbeiter, sie verachte die geistigen Errungenschaften, und wolle, statt Bildung zu verbreiten, blos Fanatismus erwecken.

Wenn es unseren Gegnern mit diesem Vorwurfe Ernst wäre, dann hätten sie sich doch über die Gründung einer Arbeiter Bildungsanstalt freuen, und uns das Zeugniß ausstellen müssen, daß wir nicht die Barbaren sind, für welche sie uns ausgegeben hatten.

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Das ist unseren Gegnern natürlich nicht eingefallen fie schimpfen nun erst recht, und beweisen dadurch wieder einmal ihre gewissenlose Heuchelei und Ver­logenheit.

Sie wußten von Anfang an, daß ihre Beschuldigung falsch war; und ihr Grimm über die deutsche Sozial­demokratie wäre nicht halb so arg, legten wir weniger Werth auf die Bildung der Arbeiter. Denn die Bildung, in erster Linie die politisch- ökonomische Bildung der Ar­beiter ist es, was die Feinde der Arbeiter- Emanzipation am Meisten fürchten. Mit rohen, der Leidenschaft blind folgenden Massen werden die Gewalthaber spielend fertig vermittelst Zuckerbrot oder Kanonen

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je nachdem.

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Peitsche

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*) Der ungeheuere Saal faßt mehr Menschen, als in unserem Bericht mitgetheilt war. Die Tische waren weggeräumt, so daß für über 5000 Personen Platz war. Schon um 7 Uhr war der Saal so überfüllt, daß die Polizei ihn absperrte; und die Zahl Derer, die zwischen 7 und 8 Uhr der Zeit der Eröffnung ankamen und unverrichteter Sache umfehren mußten, belief sich nicht auf Hunderte, sondern auf Tausende. Der Vortrag des Referenten mußte zweimal unterbrochen werden, weil in dem Gedränge Leute in Ohnmacht fielen und hinausgeschafft werden mußten. Wir erwähnen dies, weil von gegnerischer Seite Alles aufgeboten wird, um die Bedeutung jener Versammlung herab­zusehen.

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

Bei Mama.

[ 19

Freitag, den 23. Januar 1891.

Expedition: Beuth- Straße 3.

Ein Artikel, betitelt: Eine Hochschule für Arbeiter", größere Masse von Unsinn und falschen Behauptungen zu­der durch die reaktionäre, namentlich die nationalliberale sammenzudrängen. Presse läuft, besagt in seinem ersten Theile: Bei der Albernheit, daß die Gründung der Arbeiter­

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Giner der Führer der deutschen Sozialdemokraten, Herr schule eine Gegenmaßregel" gegen die preußische Schul­Liebknecht, hat vor einigen Tagen in einer zahlreich besuchten reform" sei, wollen wir nicht verweilen wenn unsere Versammlung in der Brauerei Friedrichshain in Berlin die Gegner sich dem Glauben hingeben, wir fühlten uns durch Gründung einer Akademie " für Arbeiter angeregt. Es scheint, diese Schulreform" die bis dato bloß eine Schul­daß dies die Gegenmaßregel gegen die von der irgend ge preußischen Regierung auf Veranlassung des Kaisers be desorganisation und eine Lehrerkonfusion ist triebene Reform der Schulen ist, durch welche die Sozial- fährdet, so wollen wir sie nicht daran hindern. demokratie die Folgen dieser hochwichtigen Veränderung ab- Glauben macht selig, und wir Sozialdemokraten lassen Jeden nach seiner Façon selig werden. We can afford it Liebknecht erklärt die Bildung, welche die Arbeiter in den wir fühlen uns stark genug, duldsam zu sein. Volts- und Mittelschulen erwerven, für ungenügend und für unzweckmäßig, als Vorbereitung für die Auf- Davon, daß der jetzige Schulunterrichtungenügend richtung des Zukunftsstaates, weil der Unterricht und unzweckmäßig sei als Vorbereitung für die Auf­in diesen Schulen nach den Begriffen der herrschenden richtung des Zukunftsstaats" ist, wie sich von selbst ver­Klaffen zugeschnitten sei und den Arbeiter für die Ausbeutung steht, niemals die Rede gewesen, wohl aber davon, daß durch den Kapitalismus in negativem Sinne empfänglich machen dieser Unterricht überhaupt nicht genügt, und solle. Die Sozialdemokratie sei zu dem Bewußtsein

wenden will.

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gekommen, daß Wissen Macht bedeute, und daß zwar auch nicht nach den Begriffen der herrschen. für die nächste Zukunft die herrschenden Klassen im heutigen den Klassen", die sich sehr wohl hüten, ihre Staate mit den Waffen des Geistes und der Aufklärung von Kinder in die Volksschulen zu schicken, Seiten des Proletariats bekämpft werden müssen, um den Zu­tunftsstaat, der kommen werde, vorzubereiten. sondern sie beiläufig größtentheils auf Kosten der steuerzahlenden Arbeiter des Unters Herr Liebknecht bestätigt durch seinen Antrag und dessen Begründung die Richtigkeit der durch das Verhalten der So richts der höheren und höchsten Schulen- zialdemokratie bezeugten Thatsache, daß diese Partei eine be= Realschulen, Gymnasien, Akademien, Universitäten fondere Art des Wissens für sich in Anspruch theilhaftig werden lassen, um sie zum Klassenkampf, nimmt, welche in den Rahmen der bestehenden Vertheidigungs- und Eroberungskampf gegen die Ar­

Bildungsanstalten nicht hineinpaßt. Bisher

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wurde der Mangel an Kenntnissen durch die Fiktion ersetzt, beiter zu befähigen.

daß der junge Sozialdemokrat nicht durch die Schule, sondern Was dem Einen Recht ist, ist dem Andern billig, durch das Leben in das Verständniß der Dinge eingeführt und wenn die Arbeiter sich für ihre eigenen ,, Arbeiter­werde, welche er nöthig habe, un fein Dasein mühelos und an- groschen" Bildungsanstalten errichten, die der Staat und genehm zu gestalten; jest kommen die Führer plötzlich zur Ein­sicht, daß die Bildung, welche der sozialdemokratische Nachwuchs die Gesellschaft ihnen verweigern, und wenn sie diese in der Schule erwirbt, nicht ausreicht, um ihn zum geistigen Bildungsanstalten dazu benüßen, sich zum Klassen= Kampf gegen die herrschenden Klassen zu befähigen. Das ist ein kampf: Vertheidigungs- und Befreiungs­Grad von Selbsterkenntniß , welcher bisher in fampf gegen die Bourgeoisie und den Kapitalismus zu sozialdemokratischen Kreisen nicht an­getroffen wurde, man war vielmehr Daran befähigen, so haben die Herren Bourgeois kein Recht zur wöhnt, dort eine solche Summe von Anmaßung Beschwerde, denn es wird ihnen einfach mit gleicher und Ueberhebung zu finden, daß der Satz als fest Münze gedient als fest Münze gedient nur mit dem Unterschied, daß die Sache stehend galt: der Sozialdemokrat, wie er sein soll, ausgestattet der Unterdrücker schlecht, die der Unter­mit vollständiger Beherrschung der Volks­

ge=

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wirthschaft und der Einsicht in die Aufgaben drückten gut ist.

unserer Zeit, werde geboren, nicht aber Die Haltlosigkeit der Behauptung, die Sozialdemo­allmälig herangebildet. Mit zwanzig Jahren sollte fratie sei jetzt auf einmal zum Bewußtsein gekommen, daß der gesammte sozialdemokratische Bildungsgang vollendet sein, Wissen Macht ist" wird am Schlagendsten durch

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so daß die jungen Leute ebenso befähigt fein sollten, ihre Die Thatsache widerlegt, daß Liebknecht schon zu Anfang eigenen Interessen, wie die der Gesammtheit zu vertreten und

wahrzunehmen. Jegt ist ihnen plöglich klar ge- des Jahres 1872, also vor neunzehn Jahren, worden, daß die hoffnungsvollen Sprößlinge des sozialistisch einen, als Broschüre herausgegebenen Vortrag über das gearteten Proletariats eigentlich doch auf einer zu niedrigen Thema:" Wissen ist Macht" hielt, und damals schon den Bildungsstufe ins Leben hinaustreten und daß es ihnen an den Vorbedingungen fehlt, um den Kampf gegen den Kapitalis Nachweis lieferte, daß die Arbeiter der geistigen Waffen" mus fiegreich zu bestehen, so lange er mit geistigen Waffen ge- zum Sieg bedürfen, daß das Wissen ihnen von den Ge­führt wird." walthabern vorenthalten wird, und daß jeder Arbeiter sich selbst so viel Wissen als möglich erwerben müßte, um

Es dürfte schwer sein, in den gleichen Raum eine

Sie ging früh in's Bett; sie hatte Kopfschmerzen. Wenn Du Dich nur nicht dort im Theater verkühlt haft", sagte Mama; natürlich begriff sie gar nichts davon. Fanny schmiegte sich in die Dunen; sie versuchte zu weinen, allein es ging nicht; hierauf schlief sie ein und war in Wirklichkeit ziemlich überzeugt, daß ihr eigener Name auf dem

,, was ist Dir, Fanny? was ist's denn? nun will ich es wissen! Du mußt es mir sagen, Fanny! ja, Du mußt!" aber da würde sie mit stillem Lächeln antworten:" mögest Du glücklich sein, Emilie!" Und man fragte bis nach Kristiansborg hin. Und es kamen Gina und Ebba, vielleicht auch Frau Kahrs; Frau Lehmann und Frau Storm und Frau Mühlberg und alle anderen sorgten sich und schrieben Bettel stand. Roman von Arne Garborg . Briefe; nein, denkt Euch blos,- der Krauskopf, der so munter Am nächsten Morgen erwachte sie voll guten Muthes. Ja, nun war sie also unglücklich. Gottlob, daß sie Mama und lebhaft war!" Aber Niemand sollte etwas erfahren; Der Zettel war der allererste Gedanke, der ihr einfiel; sie nicht daheim, fand. Sie warf sich über das Bett hin und be- sie würde ihr Geheimniß mit in's Grab nehmen; jedoch zog ihn hervor und öffnete ihn. Sie las; Dich selbst, sag' grub das Gesicht in den Kissen. Nun war alles vorbei. Nun auf ihrem Herzen würde man einen Brief finden.... es aber nicht weiter!" wollte sie nur mehr an's Theater denken. Aber beim Theater huhuhu-! " Dich selbst! Dich selbst!" D, dieser prächtige Bursch! schien es auch keine Unterhaltung mehr; nichts war mehr Fanny lag eine ganze Weile im Bett und weinte; dann Sie hüpfte aus dem Bett heraus, lachte, tanzte, rieb sich die unterhaltend; ach, sie fühlte sich so schrecklich unglücklich; hörte sie ihre Mama im Vorzimmer; sie fuhr empor und Hände; mich selbst, mich selbst! Nein, wie luftig! Denkt mun würde sie nur mehr hinwelken und sterben. wusch sich; den Zettel verbarg sie unter ihrem Kopfkissen. Euch, verlobt! Und Senkt Euch nur, mit ihm!- Du Sinwelten wie eine geknickte Lilie. Schon morgen würde Heute Abends konnte sie ihr Unglück nicht ertragen; aber mein, wie würden sie sie beneiden, Indeborg und Anna! sie viel blässer sein. Still und seltsam würde sie werden, Morgen, da würde sie stark sein und da sollte ihr Schicksal Ja, denn wenn sie Dir einredeten, sie werde William mit so daß man sie nicht wieder erkennen konnte. Nein, was sich entscheiden. Sie betrachtete sich im Spiegel; vielleicht ihnen theilen, so irrten sie sich! Natürlich würden sie nicht geht denn mir mit Fanny vor?" sagten sie dann," Fanny, begann sie schon bleich zu werden. Aber nein, sie war roth, derartig mit ihm leben, pfui, nein! aber allein haben wollte die sonst so lebhaft und munter war?" Mama" würde allzu roth. O, das kam vom Weinen; wartet nur bis sie ihn doch o! Ach, wie angenehm sollte das werden! ängstlich werden und sie ernstlich ausfragen. Jedoch sie morgen... Sie schrie vor Glück und Seligkeit; sie war so froh, daß es würde nur ihr Haupt neigen und eine Thräne zer- Sie fühlte Hunger und tüchtig zu Abend, und das sie förmlich kitelte. Und dann vielleicht hie und da, wenn " Mama, ich bin so schrecklich unglück ärgerte sie. Jedoch morgen, wenn ihr Schicksal besiegelt es recht finster war, hui nein! Das ging nicht; sie lich!... ich," hu, hu"... Ach, nun weinte sie schon; war, morgen würde sie nichts essen. Nur welken und hin- stürbe vor Verlegenheit; aber... wenn er jo an einem schwinden. Ganz wie Frene; o, sie merkte es ganz dunkeln Abend mit ihr auf einem Sopha saß und da ohne Nein, nie mehr auf Erden würde sie froh. Es deutlich. weiteres... uff, es müßte eigentlich angenehm sein, einen würde ihr gehen wie der schönen Irene... unglückliche Mama fragte sie um das Theater und plöglich ertappte Burschen zu küssen. Und schon gar wenn er es war, dieser Liebe verzehrte sie in ihrer Jugend Leuz; niemand wußte sich Fanny, wie sie da saß und lachte und erzählte und süßße, hübsche William.. und nachdem sie verlobt waren.. was ihr fehlte, ehe sie auf ihrem Sterbebette lag nnd munter war. Nein, Mama, dieser Johannes Brun! Du Wenn er nur nicht zu schüchtern war; obschon natürlich, von ihrem theuren Carlos phantasirte; jedoch da war es kannst Dir nicht vorstellen, wie komisch er ist!" Maina jekt, als Bräutigam schon zu spät. O, nun kamen sie bald alle insgesammt, schien keine Ahnung zu haben, daß ihre Tochter unglücklich Emilie an der Spize, nnd begriffen nicht und fragten: war. Aber hui, wartet nur, morgen.

drücken...

oh... oh

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Das wurde ein langer Tag. Die Schule war schreck­licher denn je; sie sehnte sich so nach dem Mittagessen und