Nr. 209.
1865.
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Social- Demokrat.
Diese Zeitung erscheint täglich Organ des Allgemeinen deutschen Arbeiter- Vereins.
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der Sonn- und Fefttage.
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,,§. 223. Da der Richter bei allen Verhaftungen mit Schonung verfahren muß, so kann er nach dent Stande, Range oder andern persönlichen Verhältniffen des zu Verhaftenden, oder auch nach Verhältniß ber mehreren oder minderen Wahrscheinlichkeit des Ent weichens, burch Ankündigung des Stadt- oder Haus Beschlagnahme der Reisepässe oder Effecten u. f. w. arrestes, Observation, Bewachung in eigener Wohnung, Sicherheitsmaßregeln treffen. Sind diese aber unzu länglich, so muß der zu Verhaftende in das Gefängniß gebracht werden."
Sehen wir uns nunmehr die gesetzlichen Bestimmungen über die untersuchungshaft an, so fiaben wir die er alten Criminal- Ordnung vom 11. December 1805, selben freilich nirgends anders, als in einigen Paragraphen welche nicht blos in ihren Principien, sondern auch in ihren Stipulationen so vollständig dem schon seit sieben zehn Jahren beseitigten Inquisitionsproceß angehört, daß fie mit dem jetzt giltigen Anklageproceß fast überall im Es erhellt hieraus vor allen Dingen, daß die Unter schreiendsten Widerspruche steht, so daß die Anwendung suchungshaft überhaupt nur für gemeine und für ihrer nicht ausdrücklich aufgehobenen Bestimmungen auf schwere Verbrecher angeordnet ist; daß sie bei * Ueber Schweiger's Verhaftung bringt die Criminalfälle unserer Zeit zu den allerbetrübendsten eigentlichen Vergehen und namentlich bei Preß. die Staatsbürgerzeitung" einen durchweg fachlich Rechtsconflicten führt. vergehen gar nicht vorgesehen ist; daß sie bei gehaltenen Artikel, mit dessen Anschauungen wir Trotzdem und all dem würde man es noch immer nicht gemeinen Berbrechern jedenfalls nur eintreten völlig einverstanden sind und den wir, der Wichtig erträglich finden können, wenn die Bestimmungen dieser könnte, wenn die voraussichtliche Strafe ein Jahr Ge feit der Sache wegen, um die es sich dabei handelt, in der Ausdehnung zur Anwendung fämen, die sich aus die Dauer der Untersuchung besteht, nach Beendi alten Criminal- Ordnung über die Untersuchungshaft nur fängniß übersteigt, daß sie endlich überhaupt nur für um die Rechtssicherheit bezüglich der persönlichen einer stricten Interpretation derselben ergiebt. Denn gung derfelben aber nur noch den Zweck haben kann, Freiheit nämlich, also um das Höchste aller poli- wenn ein seinem Principe nach obsolet gewordenes Ge- den Verhafteten an einer Fincht zu hindern, was indeß lischen Güter, unsern Lesern unverkürzt mittheilen fetz auch formell noch zur Anwendung gebracht werden nach den Bestimmungen des§. 223 auch durch eine muß, so ist wenigstens die engste Auslegung desselben Caution, durch Ankündigung von Stadt- und Haus, eine selbstverständliche Pflicht des Richters!- arrest, durch Observation, Paß oder Effecten Beschlag Ob nun eine solche engste Auslegung der Bestim- nahme bewirkt werden kann. mungen der Criminal- Ordnung über die Untersuchungs. Der Dr. v. Schweißer nun ist während der haft bei der Verhaftung des Dr. v. Schweißer statt- Untersuchung nicht verhaftet gewesen, einmal weil gefunden hat, wolle der Leser aus den nachfolgenden es sich bei ihm nicht um ein gemeines Verbrechen, sondern nur um mehrere Preßvergehen gehandelt hat, zum Paragraphen ermessen: andern, weil die ihn voraussichtlich treffende Strafe ein Das Urtheil Jahr Gefängniß nicht überstieg. erster Instanz ist gesprochen; es lautet nicht über ein Jahr Gefängniß, und doch wird Dr. v. Schweißer Das kann ver iegt zur Untersuchungshaft gezogen. nünftigerweise nur heißen: man besorgt, er werde sich der Strafe durch die Flucht entziehen.
wollen.
Das genannte Blatt schreibt nach einer kurzen Einleitung, worin sie den Sachverhalt mittheilt, wie folgt:
Zuvor aber haben wir wiederholt zu bemerken, daß es nach preußischem Gesetz eine bloße Sicherheitshaft, d. h. eine Haft, deren Zweck es ist, sich der Person eines Staatsbürgers zu versichern, über die Zeit von S. 206. Die Verhaftung eines Verdächtigten setzt vierundzwanzig Stunden hinaus überhaupt nicht giebt, aber allemal voraus, daß die Existenz eines Verbrechens sondern daß jede Haft von längerer Daner sich entweder wahrscheinlich sei, wenn auch der Thatbestand noch nicht als Straf- oder als Untersuchungshaft charakterisirt. vollständig festgestellt worden." Die Strafbaft kann nur in Folge eines rechts- ,,§. 207. In wie fern der gegen eine bestimmte Berfräftigen Urtheils eintreten, ein erst und zweit son obwaltende Verdacht zur Verhaftnehmung hinreichend instanzliches Urtheil aber wird erst rechtskräftig, wenn sei, muß von dem Richter in jedem einzelnen Falle mit vom Tage seiner Publication an gerechnet, zehn Tage pflichtmäßiger Sorgfalt erwogen werden. Hierbei ist vorverstrichen sind, ohne daß der Verurtheilte bei freizüglich auf die Größe des Verbrechens und auf die größere oder geringere Besorgniß, daß der Verdächtigte sich durch die Flucht der ferneren Untersuchung entziehen werde, Rücksicht zu nehmen."
fönnen.
gegen
-
Allein der Richter hat dabei jedenfalls übersehen, daß nach den Bestimmungen der Criminal- Ordnung selbst in diesem Falle die Untersuchungshaft nicht eintreten soll, wenn die Strafe nur ein Jahr Gefängniß beträgt. Das Gesetz geht dabei offenbar von der An sicht aus, daß bei nicht gemeingefährlichen Verbrechern die Flucht, d. b. die Selbstverbannung aus dem Lande eine eben so harte Strafe sei wie ein einiähri ges Gefängniß.
nicht.
sprechenden Urtheilen die Staatsanwaltschaft daffelbe das zuständige Rechtsmittel eingelegt hat. Es ergiebt sich hieraus zweierlei: erstens, daß die über Dr. Schweißer jetzt verhängte Haft keine Straf ,,§. 208. Diebe, Betrüger und ähnliche Verbrecher haft sein kann, sondern nur Untersuchungshaft; werden in der Regel jederzeit verhaftet; andere Verbrecher zweitens daß er dadurch in die Lage gebracht worden in der Regel nur, wenn die Strafe, welche sie zu erwarist, die ihm gesetzlich zustehendenden Rechtsmittel der ten haben, wahrscheinlich einjährige Einsperrung überMan hat noch darauf aufmerksam gemacht, daß Dr. Appellation und der Nichtigkeitsbeschwerde, deren Absol- steigt." virung mindestens einen Zeitraum von sechs Monaten ,,§. 209. Ist durch das Bekenntniß oder durch einen Schweizer nicht Breuße, sondern Ausländer ſei in Anspruch nimmt, sich nur durch das Opfer einer vollständigen Beweis die Person des Thäters ausgemittelt, Dies ist indeß gleichgültig. Denn den Schutz der mindestens sechsmonatlichen Hafterbuldung erkaufen zu so muß in den Fällen des vorstehenden Paragraphen, und preußischen Gesetze genießen Ausländer eben so wie allemal, wenn der Richter die gegründete Besorgniß hat, ber enthält das Gesetz über die Untersuchungshaft Preußen; und Ausnahme beſtimmungen für Auslän Es ist nämlich einer der zahllosen Uebelstände, an daß der Verbrecher seine Freiheit zur Flucht oder zur denen das preußische Rechtswesen leidet, daß die in erster Verdunkelung der Wahrheit und Erschwerung der UnterInstanz Verurtheilten, wenn sie in der Untersuchungshaft snchung mißbrauchen werde, zur Haft geschritten werden." fitzen, sich in der traurigen Alternative befinden, entweder ,,§. 210. Treten jedoch besondere Umstände ein, welche auf die ihnen gefeßlich zustehenden Rechtsmittel der den Verbrecher der Flucht oder des Mißbrauches der Appellation und der Nichtigkeitsbeschwerde, die doch so Freiheit zur Verdunkelung der Wahrheit nicht verdächtig Schweißer nicht Ausländer ist, sondern schon Hierzu haben wir nur zu bemerken, daß manche Aenderung des ersten Urtheils zuwege bringen, machen, oder leistet er nach der Bestimmung des Richters verzichten zu müssen, oder ihre weitere Untersuchungs- eine annehmliche Caution, so kann er während der Unter- seit einem Jahre das preußische Bürgerrecht er haft, deren Dauer ihnen auf die Strafbaft nicht ange fuchung auf fresen Füßen gelaffen werden, wenn die ihm worben hat. rechnet wird, bis zur Erledigung dieser Rechtsmittel zu bevorstehende Strafe wahrscheinlich eine dreijährige Geverlängern.- Wie mancher von denen, die in zweiter fangenschaft nicht erreicht." oder dritter Instanz ein milderes oder vielleicht gar frei-§. 211. Hat der Angeschuldigte wahrscheinlich cine sprechendes Urtheil erzielt bätten, bat nicht schon diese dreijährige Strafe verwirkt, so fann er unter feiner Be beiden Instanzen fahren lassen, blos um nicht bis zu dingung während der Untersuchung von der Haft befreit ihrer Absolvirung die angebliche Untersuchungshaft, die werden, wenn die Erfordernisse des§. 209 dazu voraber in Wahrheit eine Haft bebuss der bereits geschloffenen handen sind."
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Hiernach können wir die über den Dr. v. Schweiger verhängte Untersuchungshaft als gesetzlich gerecht fertigt nicht erkennen.
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* Berlin , 29. Nov.[ In der Herzogthü merfrage] ist eine Pause von vorläufig unberechen barer Dauer eingetreten. Wir haben bereits mehr fach der dazwischen laut gewordenen Gerüchte in entzo Unte
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