Nr. m Berlin , Dienstag den 27. Februar 18K6. Zllltiter Jahrgang. Diese Zeitung erscbeint tiiglicb mit Ausnahme der Sonn- und Festlage. Organ der social-demokratischen Partei. Redigirt von I. 8.». Hofstetten und I. 8. V. Schweitzer. Redaktion und Expedition- Berlin , Dresdnerstraße Nr. 85. UionnementS-Preis ftir Berlin incl. Bringcrlohn: vierteljährlich 18 Sgr., monatlich 6 Sgr., einzelne Nummern 1 Sgr.; bei den Königl. preußischen Post- ämtern 22>/» Sgr., bei den preußischen Postämtern im nichtpreußischen Deutsch - land I3Yj Sgr., im übrigen Deutschland 1 Thlr.(st. 1. 45. südd., st. 1. 50. österr. Währ.) pro Quartal. Bestellungen werden auswärt « aus allen Postämtern, in Berlin auf der Expedition von jedem soliden Spediteur, von der Expreß-Eompagnie, Scharrenstraße 1, sowie auch unentgeltlich von jedem„rothen Dienstmann" entgegen genommen. Znfcrote(in der Expedition aufzugeben) werden pro dreigespaltcne Petit-Zeilc bei Arbeiter-Annoncen mit 1 Sgr., bei sonstigen Annoncen mit 3 Sgr. berechnet. —» Agentur für England, die Eoloiiieen und die überseeischen Länder: lir. Bender, 8. Linie New-Port-Street, Leieester-Square W. C. London . Agentur für Frankreich :<1. A. Aleiiindre, Strassbonrg, 5. Rue Brulee; Paris , 2. Conr du Commerce Saint-Ändre-des-Arts. politischer Theil. Deutschland . * Berlin , 28. Febr. � D i e M o b i l m a ch u n g s- Gerüchte� behaupten hartnäckig ihren Platz. Uedri- gens soll es sich nur um eine sogenanute„suppo- nirtc" Mobilmachung gehandelt haben, d. h. um einen Befehl au die verschiedenen Truppencomman- do's, die nöthigen Borbereitungen zu den Maß- regeln zu treffen, welche die endgültige Ordre zur Mobilmachung erfordern würde. Säbclgerassel, zur Beschäftigung politischer Kannegießer und etwaigen Einschüchterung friedliebender Mächte; im Uebrigen keineswegs ernstgemeint! Daß aber dergleichen mög- lich ist, haben wir nur den Fortschritilern zu ver- danken. —[Aus den Elbherzogthllmern� geht den Blättern eine Erklärung zu, welche nun auch die meisten preußischen„Fortschrilts"-Blätter— um sich jetzt an dem Grase» Bismarck zu reiben— veröffentlichen, was ihnen schwer genug fallen mag. In jener Erklärung heißt eS unter Anderem: Nach Abschluß des Wiener Friedens, der den von Dänemark befreiten Herzogihümern auf Grund ihres am 28. Mai 1864 in den Londoner Conferenzen von de» beiden Deutschen Großmächten nicht minder als dem Deutschen Bunde vor Europa proclamirten Rechte« eine baldige, dem Deutschen Rechte und dem Deutschen Interesse entsprechende definitiv« Eonstiluirung in Aus- ficht zu stellen schien, versuchte eine kleine Anzahl von Männern in der sogenannten Siebenzehner-Adresse das Land einem Ziele znzusühren, welches im direktesten Widerspruch mit dem Rechte und Willen de« Lande«, wie nicht minder der feierlichen Deklaration der Deut- scheu Mächte vom 28. Mai 1864 steht. Bei der Brach- tung, welche dieses Bestreben an hoher Stelle fand, war e« im Interesse des Lande» geboten, einen unzweidcuti- gen Ausdruck der wahren Ueberzeugung und de« wirk- lichen Willens der Gesammtbevölkerung zu veranlassen. Diesem Umstände verdankt die Erklärung vom Januar 1865, die sogenannte Vierziger-Erklärung, ihre Enlste- hung. Sie lautet, wie bekannt, folgendermaßen: „Wir unterzeichnete Bewohner der Herzogthllmer SchleSwig-Holstein erklären hiermit, gegenüber der Adresse des Baron Scheel-Plcssen und Genossen, wie folgt: Im Bewußtsein der Uebereinstimmung mit dem Willen und der Rechtsüberzeuzung der Gesammtbevölkerung unsere« Lande« und in der Ueberzeugung, zum Besten unsere« Vaterlandes zu handeln, halten wir fest an der auf Grund de« Rechts unserem Herzog Friedrich VIII. gelobten Treue; halten wir fest an der Forderung, daß bei der zu beschleunigenden Ordnung unserer staatlichen Ver- Hältnisse, sowohl im Inneren als in Beziehung zu Deutsch - land, dem Herzoge und den gesetzlichen Vertretern deS Landes eine entscheidende Stimme zustehe." Diese Erklärung ward in wenig Wochen von 54,655 selbstständigen schleswig-holsteinischen Männern unterzeich- net, darunter außer den circa 76 großen Grundbesitzer» und Mitgliedern der Ritterschaft, von 14,793 Hufncrn und Besitzern größerer Landstellen, 2383 Käthnern, 735 Altentheilern, 19,322 Handwerkern, 2212 Kaufleuten, 327 Fabrikdesitzern, 752 Lehrern, 9983 Arbeitern, 317 Rentier». Die übrigen Unterzeichner gehören größten- theil« dem Beamten- und Gelehrten-, sowie dem Künst- lerstande an. Dabei ist zu bemerken, daß nicht wenige ländliche Conimnnen durch ihre Communevorsteher die Zustimmung sämmtlicher selbstständiger Mitglieder ange- zeigt haben, ohne jedoch die Zahl derselben anzugeben. Außerdem sind um dieselbe Zeit von verschiedenen Ge- genden des Lande« Erklärungen ganz gleicher Tendenz selbstständig»usgegangcn. Dieselben sind, soweit die« aus den Zeitungen bekannt geworden ist, von 6754 selbst- ständigen Männern unterzeichnet, so daß sich die Ge- sammtzahl derjenigen, welche sich in solcher Weise gegen die Siebenzehner-Adresse und deren politische Ziele aus- gesprochen haben, aus mindestens 66,866 beläuft. Daß das den Herzogihümern gegenüber beob- achtete Regime keine andere Stimmung erzeugen konnte, ist sehr natürlich. Jammervoll aber ist die Schwärmerei für den angestammten Augustenburger, die ihre» Ursprung in den Agitationen der Fort» schrittlcr hat, wie denn Alles, was aus dem Schooße der Bourgeoisie hervorgeht, den Stempel des Klein- lichen und Erbärmlichen an sich triizr. |—[DaS Revolutiönchen in Bucharestj kann, unter Uniständen, von betententen Folgen begleitet sein. Eö wird ohne solche vorübergehen, falls die Mächte den Frieden erhalten wollen. Ist jedoch dieser Wunsch kein allgemeiner und aufrich- liger, so bietet gerade dieser rumänische Putsch die schönste Gelegenheit,„die orientalische Frage" neuer- dings auf die politische Tagesordnung der Kabinete zu setzen. Die Berufung des reichen Grafen von Flandern auf den rumänischen Thron beweist, daß die provisorische Regierung beabsichtigt, die Uuab- hängigkeit der Fürstenthünier von der Pforte zu proclamiren. Rußland aber hat ein Interesse daran, daß sich kein neuer und unabhän- gigcr Staats zwischen türkischem und russischem Gebiete festsetze; es würde seine traditionelle Politik wieder aufnehmen. England sowohl als Oesterreich werden das bestehende SuzeränitätS- Berhältniß Rumäniens zur Pforte aufrecht er- halten wissen wollen. Preußen würde sich je nach seinen Interessen auf die eine oder andere Seite schlagen. Frankreich wird jedenfalls aus der Si- tuation Kapital für sich zu schlagen und neue pvli- tische Jntriguen einzufädeln, vielleicht auch dieselbe für das Congreß-Project zu verwerthen suchen. —[Das allgemeine gleiche und directe Wahlrecht in Preußen betreffend! bringt die Correspondenz 8t.-A.. den Bericht des Abg. Jung über die bekannte Petition des Berliner Arbeiter-Vereins, sowie den Inhalt der darüber stattgehabten Berathung der Cominisflon für Peti. tionen. Die Eommission lehnte ein Vorgehen des Abgeordnetenhauses in dieser Sache, als zur Zeit inopportun, ab. Eine von dem Referenten vorge- schlage»« Resolution spricht sich über die Motive einer solchen Ablehnung aus. Wir werden darauf eingehend zurückkommen. —[Zur bekannten fortschrittlichen Schmähschrift gegen die social- demokra- � tische Partei! sucht der als Verfasser derselben' im„Deutschen Wochenblatte" genannte Hugo Weise sich gegen verschiedene Anschuldigungen zu vertheidigen. Das Wesentlichste davon ist, daß er erklärt, von der Mitarbeiterschaft an der officiösca Kammercorrespondcnz Stern sofort nach erhaltener Kenntniß von dem Charakter derselben zurückgetre- ten zu sein. In Bezug auf die Broschüre hat er die Unverschämtheit, zu schreiben: Was zunächst die Behauptung anbetrifft, daß ich der Verfasser der erwähnten Broschüre sei, so din ich weder J berechtigt, noch verpflichtet, hier auseinanderzusetzen, ob und in welchem Berhältniß ich zu derselben stehe, zu« mal e« mir zur Ehre gereichen könnte, wenn der Kar- respondenl Recht hätte. Offenbar bekennt er sich, wenn auch nicht offen, als Verfasser des Machwerks.„Weß Brod ich esse, deß Lied ich singe"— und wenn auch das Lied eine Gemeinheit wäre. Die Zeit wird aber nicht ausbleiben, wo auch den Preßknechten der Bourgeoisie der verdiente Lohn zu Theil wird. —[Die Berliner „BolkSzeitung" be- I reffe»dj schreibt man dem„Deutschen Wochen- blatt" aus Berlin : Man schreibt mir au« Leipzig , daß der Vorstand des dortigen Arbeiterbildungsvereins(eines der größten in Deutschland ) einstimmig die Abschaffung der „Volkszeitung", als eine« der Arbeiters ach« feindlichen Blattes, beschlossen hat, und daß im ganzen Verein nicht Eine Stimme zu Gun- sten de«„Organs für Jedermann aus dem Volk" laut geworden ist! Herr Duncker wird jetzt die Leipziger Arbeiter unter die„Ungebildeten" zählen. Mit der Zeit scheinen also die Arbeiter doch zur Einsicht zu kommen. Rur Geduld! Es werden noch allen die Augen aufgehen, über die Bour- geois- Presse, wie über die fortschrittliche Bour- geoisic selbst. —[Preußische Preß- Schicksale.! EonfiS- cirt: die Steltiner„Oderzeitung" wegen einer Stelle au« der Gneist'schen Rede in der letzten Sitzung de« Abgeordnetenhauses. Man mag dieser Anklage mit einer bei verhärteten Preßgemüthern seltenen Spannung e�it- gegen sehen.— Nachträglich ist auch die Mittwochnum- mer der„KönigSb. Neuen Ztg." confiscirt worden, die Veranlassung„konnte uns nicht näher bezeichnet wer- den",— schreibt da« Blatt. Wien , 24. Februar.[MinisterkrisiS.! Die „Wiener Zeitung " bezeichnet alle Gerüchte über be- vorstehende Personaländerungen im Ministerrathe, so wie die daran geknüpften Combinationen, als rein aus der Lust gegriffen. Ausland. * Paris , 22. Febr.[Tagesbericht: Das „Kind von Trankreich" als Ehrenpräsi- dent. Girardin. Theresa. Marschall Forey. Herr Eloin. Der Staatsstreich in Bucharest.„Memor. Diplom." über Preußen und Oesterreich.! Die Erneimung des kleinen„Kindes von Frankreich " an Stelle des rothen Prinzen zum Ehrenpräsidenten der WeltauS- stellung soll ein Sieg der Kaiserin Eugenie sein,
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2 (27.2.1866) 48
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