Wahlkampf.
Den frechsten Schwindel,
1893 Hat Herr Paasche die gleiche Vielseitigkeit an den Tag' gelegt und doch war er nachher den Bündlern noch gerade gut Anfreizung zur Wahlbeeinflussung
genug.
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Humoristische Flugblätter werden von offiziöser Seite in Masse verbreitet. Es wird die Unterhaltung eines Landwehrmannes mit einem Bauern ettva nach Art der bekannten Kladderadatschgespräche von Schulze und Müller
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der uns in der jezigen Wahlbewegung vorgekommen ist, treiben doch die Konservativen. Vor uns liegt ein Flugblatt, worin begeht die„ Deutsche Tageszeitung" das Organ der Thomas- Phos- wiedergegeben. Der Landwehrmann schildert dem Bruder Bauer den Wählern der Ost prieguiß die Wahl des Herrn Sigismund phatmehl- Frigen, indem sie schreibt:„ Auf zur Wahl! Keiner bleibe die Männer mit den rothen Halstüchern". die Flugblätter vertheilen, v. Dallwig in Tornow empfohlen wird. In diesem Flugblatt wird zu Hause! Jeder suche seine Freunde und untergebenen auf und die sich aufblähen wie Windbeutel(!), die wie die Stetten zuſammenbehauptet, der Vorwärts" habe im Jahre 1891 geschrieben: gehe mit ihnen hin, um sein größtes politisches Recht auszuüben!" halten, so daß gegen sie schwer aufzukommen ist. Aber die muthigen Die Ernte gehört nicht den Bauern, sondern allen Menschen; Wenn die Anhänger der„ Deutschen Tageszeitung" dieser Aufforde- Streiter für König und Vaterland verzweifeln nicht; sie beabsichtigen, privates Eigenthum an Grund und Voden ist niemand zuzu- rung folgen, so fönnte ihnen das unter Umständen übel bekommen; die ganze rothe Sippschaft" zu Baaren zu treiben und den billigen." sie müßten dann, da das ein Grund zur Kassirung der Wahl ist, Rothen bet den Wahlen einen tüchtigen Denkzettel zu verWenn der Bauer liest, daß die Ernte, das Produkt seiner eventuell noch einmal ihre Untergebenen" an die Wahlurne schleppen fezen. Und so kommen sie denn auf den Gedanken, sich zu Arbeit, nicht ihm, dafür aber allen anderen gehören soll, so muß er und solcher Aufopferung sind die Herren doch nicht fähig. organisiren und den„ erbärmlichen Kerls mit den rothen Abzeichen" die Sozialdemokratie selbstverständlich für seine ärgfte Feindin halten. zu zeigen, wo ihr Weg wieder nach Hause führt. Nachdem sie diesen Was hat nun der Vorwärts" wirklich geschrieben? Wir lassen Konservative Wahllügen freifinnig propagirt. Kühnen Entschluß gefaßt haben, scheiden sie von einander in dem Bedie Stelle, die sich, nebenbei bemerkt, gegen die freisinnige Die geistige Armuth der freisinnigen Presse zeigt sich in einem wußtsein, daß wenn in jedem Orte sich auch nur eine kleine Schaar Agitation auf dem Lande richtete, hier folgen. Sie lautete: Artikel der„ Eberswalder Zeitung", die wörtlich das Flugblatt Nr. von Männern zusammenfindet, die so wie sie denken und handeln, Wer dem Bauer weismachen kann, daß sein wirthschaftliches des Wahlvereins der deutschen Konservativen abdruckt. Das öde Ge- sie dann getrosten Muthes am 16. Juni zum Wahlkampf ausziehen Heil in der Zerschlagung der großen Güter in eine Menge fleiner Güter schimpfe, die gemeinen Verdächtigungen gegen unsere Partei müssen tönnen. Wenn sich der brave Landwehrmann und der biedere Bauer bestehe, der muß wenigstens theoretisch mit dem Güterschlächter auf einer diesem Blatt so vorzüglich gefallen haben, daß es nicht besser die nur nicht täuschen! Mit den Waffen, die sie zur Bekämpfung der Stufe stehen. Daß der mittlere und kleine Bauer den Groß- immige Gesinnungsverwandtschaft zwischen Freisinn und Junterpartei Männer mit den rothen Halstüchern übrig haben, können sie ihnen grundbesitzer als feinen wirthschaftlichen und politischen Gegner befunden fonnte, als durch Abdruck dieses Pamphlet. Und diese höchstens die rothen Tücher fortnehmen, und die wollen wir ihnen betrachtet, ist vernünftig; daß er demselben aber den größeren Jämmerlinge wollen gegen die Reaktion kämpfen, der sie die gern lassen, wenn sie sich mit solchem Puzz freuen. Die Männer Besitz neidet, weil er ihn nicht hat und nur selber haben will, Waffen zur Bekämpfung der Sozialdemokratie entlehnen? aber bleiben auch ohne rothe Halstücher treue Sozialdemokraten. muß jeden kalt lassen. Ebenso wenig, wie es uns einfallen fönnte, den Proletar der Städte zum Hausbesizer zu machen oder Die Antisemiten haben keine Zeit, die Rechte des Volkes. Von der Agitation. solchen Wünschen Vorschub zu leisten, ebenso wenig kann es uns in den wahrzunehmen. Sinn kommen, den Privateigenthums- Bestrebungen der Bauern auf Grund und Boden irgendwie förderlich zu sein. Die Erde gehört nicht den Bauern, sondern allen Menschen; privates Eigenthum an Grund und Boden ist niemand zuzubilligen. Das Privateigenthum an Grund und Boden nützt auch dem Bauer in der Zeit der Geldwirthschaft nichts mehr, wenn er kleiner oder mittlerer Besizer ist. Er bleibt Sklave des Kapitals, dessen rücksichtslosester politischer Ausdruck die freisinnige Partei ist." Man mag mit dieser Auffassung der Agrarfrage einverstanden fein oder nicht, jedenfalls enthält die Notiz nicht ein Wort davon, daß es uns einfallen könnte, dem Bauer das Eigenthumsrecht an der Frucht seiner Arbeit, jein Eigenthumsrecht an der Ernte abzusprechen. Das Wort„ Erde " ist von konservativer Seite einfach in" Ernte" umgefälscht worden, und das kann nur absichtlich geschehen sein, sonst hätte die Notiz des„ Borwärts" auf dem Lande überhaupt nicht gegen unsere Partei verwerthet werden können, denn nur eine kleine Anzahl von Bauern sind noch wirkliche Besizer des Grund und Bodens, der vielmehr fast überall in den Händen der Hypothekengläubiger ift.
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Der Eid des Beamten
In Unterteichniß bei Spremberg fand am Sonntag eine Versammlung statt, die äußerst gut besucht war. Das Referat hatte Genosse Stabernack aus Berlin übernommen. In dem Dorfe Boiz, das nahe bei dem Versammlungsort liegt, hatte der Gutsbesitzer seine sämmtlichen Arbeiter zum Freibier eingeladen, damit sie von der sozialdemokratischen Versammlung fern blieben. Das geschah auch, aber die Versammlung erfreute sich trotzdem eines lebhaften Zuspruchs.
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In Breslau wurden am Montag in einer Versammlung zwei sozialdemokratische Flugblattverbreiter verhaftet und die Flugblätter fonfiszirt. Die Herren Bolizeibeamten können sich wohl absolut nicht daran gewöhnen, die Verbreitung der Flugschriften ungehindert zu gestatten.
" Ja, wenn die Herren teine Zeit haben"- mit diesen Worten entschuldigte der Mischmaschkandidat Dr. Bachler seine Freunde, als ihm fürzlich in einer Versammlung nachgewiesen, daß die Antisemiten bei den wichtigsten im Reichstage erörterten Fragen gefehlt haben. In der That beweist ein Rückblick auf die abgelanfene Legislaturperiode, daß diese Herren im Reichstag höchst überflüssig sind, denn bei 45 namentlichen Abstimmungen, die seit November 1895 bis Juni 1897 stattfanden, waren im Durchschnitt mir die Hälfte der Antisemiten anwesend, und auch diefe Hälfte wußte bisweilen garnicht, um was es sich eigentlich handelte. Die meisten fehlten ohne Entschuldigung. und die zugegen waren, stimmten getrennt oder enthielten sich der Abstimmung. Besonders deutlich fällt das ins Auge, wenn man bedenkt, daß bei der Abstimmung über das Bürgerliche Gesetzbuch von 16 Antisemiten 9 gefehlt, 6 sich der Abstimmung enthalten und einer dafür gestimmt hat. Und dabei wagt es diese Gesellschaft, das Bürgerliche Gesetzbuch als die größte Errungenschaft des Jahrhunderts zu bezeichnen und den Sozialdemokraten vorzuwerfen, daß fie dagegen gestimmt haben. Vor den Wahlen versprechen die AntiDer Brief des Reichskanzlers liegt den Konservativen semiten ihren Wählern goldene Berge, nach den Wahlen kümmern Die National- Sozialen des 1. Berliner Wahlkreises sie sich wenig um ihre Pflichten; es genügt ihnen, wenn sie die schwer im Magen, sie wollen noch immer nicht daran glauben, R. werfen im letzten Moment einen Wahlaufruf für Tisch en dörfer drei Buchstaben M. 5. 9. auf ihre Visitenkarte segen dürfen. Nun, daß Fürst Hohenlohe so unstaatsmännisch und unverständlich" in die Masse, in welchem der Satz vorkommt:" Hervorragende helden nichts wissen will. werfen im letzten Moment einen Wahlaufruf für Tischendörfer der 16. Juni wird zeigen, daß das deutsche Volk von diesen Maul- gehandelt haben könnte, einen ausgesprochenen Gegner der Politik der Sammlung gegen einen Freund derselben im freisinnige und tonservative Männer, sowie der sozialWahlkampfe beizustehen, denn der Kanzler habe ja von dem demokratische Kandidat, Herr Poetsch erklärten wiederholt: bekannten Wahlbriefe des Grafen von Posadowsky Kenntniß; " Die National- Sozialen meinen es durchaus ehrlich mit dem Volte." wird in dem Flugblatt zu gunsten des Kandidaten der konservativ gehabt und den Inhalt desselben gebilligt. Aber liegt denn In dieser allgemeinen Form ist der Ausspruch seitens des antisemitischen Partei des zweiten Berliner Wahlkreises, PostGenossen Poe is ch nicht gethan worden. Dieser hat vielmehr mur assistenten Stodmann, ins Feld zwischen dem Posadowsky'schen Brief und dem Hohenlohe'schen wird geführt. Es in einer Versammlung erklärt, daß er nicht anstehe, zu erklären, er dem farblosen Flugblatt, das die reaktionären Absichten Telegrammt ein so gewaltiger Unterschied? Der Brief predigt nehme an, die sozialen" Bestrebungen der National- Sozialen, der junterlichen Reaktionäre sorgsam verschweigt und lediglich doch in erster Linie den Kampf gegen die Sozialdemokratie, die Versprechungen derselben auf diesem Gebiete seien, ehrlich" allerlei Rebensarten enthält, gesagt, der Eid des Beamten verbiete und mit dieser Partei hat, soviel uns bekannt, Prinz zu gemeint und gewollt. Nichts mehr! diesem, sozialdemokratisch zu stimmen. Die Stöcker'schen Stockmann Schönaich- Carolath trok seines Beinamens Der rothe niemals Freunde behaupten da wieder etwas, was der Wahrheit platt ins Bring" Neue Verleumdungen gegen die Sozialdemokratie. etwas zu thun gehabt. Die AufDie Konserv. Korrefp." sucht aus der Mittheilung des Vor- daß ein Beamter nicht für eine bestimmte Partei stimmen darf. darüber verschnupft sind, weil der Kanzler ihnen nicht den Gesicht schlägt. Der Eid des Beamten enthält keine Silbe davon, regung stammt einfach stammt einfach daher, daß die Reaktionäre wärts", daß es für die Sozialdemokratie ein leichtes jei, tausende Im Gegentheil. Nach seinem Eid hat der Beamte die Gesetze, Willen thut. Genossen zu unentgeltlicher Hilfeleistung beim Flugblattvertheilen insbesondere die Verfassung zu achten. Die Verfassung enthält als Warum soll denn Fürst Hohenlohe nicht heranzuziehen, Kapital gegen unsere Partei zu schlagen. Sie be hauptet, wie es sich für die Ritter ohne Furcht geziemt, kühn und Grundlage der Einheit Deutschlands das allgemeine, gleiche auch einmal seine eigene Meinung haben? Vollkommen überunmittelbare, geheime Wahlrecht. Der Beamte hat nach der Ver- flüssig erscheint uns die Forderung der„ Kons. Korresp." auf dreist, von den verschiedenen Hunderttausenden, die die Sozial- fassung, die zu halten er im Eid gelobt hat, lediglich nach Veröffentlichung des vollständigen Wortlautes des Brief- und demokratie gesammelt hat, bekommen die Arbeiter, die gern einer Ueberzeugung zu stimmen. Fürst Bismarck erkannte, Depeschenwechsels. Die Thatsachen sind ja zur genüge beeinen Groschen extra verdienen, nichts ab. Das verbrauchen die hochmögenden Herren, die an der Krippe und in der daß der Gid, die Gewissenspflicht und die Ueberzeugung des Beamten kannt. Wir verstehen es ja, warum die Herren sich über die Agitation fizen." Im Gegensatz dazu sollen die bürgerlichen geordneter aufzutreten. diesen nöthigen könnten, gegen die Regierung als Ab Angelegenheit so sehr aufregen; aber Spaß macht es uns als Parteien, die ihre Flugblätter durch bezahlte Arbeitskräfte vertheilen 28. März 1867 warm vertheidigten Vorschlag, Deshalb machte er den von ihm am völlig unbetheiligte doch, daß auf der einen Seite die kon lassen, wahre Arbeiterfreunde sein; denn sie sind der Ansicht, daß die passive Wählbarkeit zum Abgeordneten zu nehmen. servative Presse dem Kanzler so grimmig zürnt, während die jede Arbeit ihres Lohnes werth sei, sie bezahlen also trozdem Antrag wurde abgelehut. Freilich feste man nicht als Hegel voraus, Greifinnigen, die sonst, wenn ein hoher Staatsbeamter gegen sie weit weniger Wahlfonds als die Sozialdemokratie haben die unteren Arbeitskräfte und sparen nach oben". Ja, wenn die An- daß ein Beamter sich als Kandidat aufstellen lassen würde, der sie agitirt, nicht genug von Wahlbeeinflussungen reden können, hänger der bürgerlichen Parteien auch sonst in ihren glaubt, nicht an feine, sondern an die Ueberzeugung der Rejetzt, wo sie selbst einmal einen Vortheil davon haben, vor geschäftlichen Betrieben nach oben sparen und die Arbeiter gierung gebunden zu sein. Herr Stockmann dürfte nach seiner Freude fast aus dem Häuschen sind.- besser bezahlen wollten! Das thun sie aber leider nicht, und wenn verlangt. Der zweite Berliner Wahlkreis, insbesondere auch seine unhaltbaren Theorie vom Eid nur so stimmen, wie die Regierung es ihnen nur möglich wäre, so würden sie auch gern die Wahlarbeit durch unbezahlte Kräfte verrichten lassen. Aber die Ar- Beamten, mag heute durch den Stimmzettel fitr den sozialdemofratischen Kandidaten, den bewährten Genossen Richard Fischer die beiter, die einzige Klasse, die noch opferwillig ist, wollen von ihnen richtige Antwort auf den Versuch, die Heiligkeit" des Eides und der nichts wissen, und ihre Anhänger bringen für die Partei keine Opfer, Ueberzeugung den Beamten zu nehmen, geben. Abfuhr den Stöcker sie lassen sich dafür sehr gut bezahlen. Aus dem gehässigen Artikel lingen und Strohmännern und Sieg dem Genossen Richard Fischer geht deutlich hervor, wie die bürgerlichen Parteien uns um den wird der heutige Tag bringen, wenn alle Wähler ihrer Ueber Opfermuth unserer Genossen beneiden. Und unsere Genossen werden zeugung getreu wählen. am Wahltage von neuem diesen Opfermuth bethätigen und nicht nur unentgeltlich die schwere Arbeit im Interesse der Partei verrichten, sondern auch unentgeltlich für die sozialdemokratischen Kandidaten stimmen.
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Der Abgeordnete Müller- Fulda
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läßt verschiedenen Blättern durch seinen Anwalt in der bekannten Wahlrechts Angelegenheit folgende Berichtigung zugehen:
„ Die Herrn Müller- Fulda zugeschobene Aeußerung, der von ihm gemeinte Bundesstaat sei das Großherzogthum SachsenWeimar- Eisenach, ist vollständig aus der Luft gegriffen, ebenso unwahr sind alle daran geknüpften weiteren Darlegungen. Herr Müller hat sich niemand gegenüber ausgesprochen, welchen Bundesstaat er gemeint habe."
Ein Ehrlicher.
Der Kandidat des Bundes der Landwirthe für den Wahlkreis Heilbronn , Oberbürgermeister Hegelmaier, äußerte in einer Versamm lung zu Lauffen :
„ Wir vom Bauernbund werden unter Umständen keinen Anstand nehmen, einer Abänderung des geheimen Wahlrechts zuzustimmen."
Der morgige Tag hat zu entscheiden, ob zu den wenigen ehrlichen sich genügend verkappte Gegner des allgemeinen Wahlrechts zusammenfinden, um dem Volte sein oberstes Recht entreißen zu tönnen.
Noch ein Ehrlicher.
Für eine Aenderung des Reichstags- Wahlrechts hat sich der Kandidat des Bundes der Landwirthe Vissering im zweiten hannoverschen Wahlkreise Aurich ausgesprochen. Das wahlfähige Alter solle nicht mit dem 25. Lebensjahr anfangen; auch solle der Wahlzivang eingeführt werden.
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Paasche wieder abgehalftert.
den Beamten Der
Die nationalgefinuten Arbeiter der königlichen Werkstätten in Spandau haben in einem Flugblatt die Wahl des Konservativen Pauli empfohlen, in den folgender sinnreiche Bassus vorkommt:
Alle die Ihr in Königlichen Werkstätten arbeitet. Habt Ihr Ursache Sozialdemokrat zu sein. Eine Sozialdemokratie, aus Noth und Elend geboren, ließe sich verstehen, Ihr aber könnt, wenn Ihr ehrlich sein wollt, nicht von Noth und Elend sprechen und deshalb ist es nur Uebermuth zu nennen, wenn Ihr diese Partei unter stützt."
Die Arbeiter der Militärwerkstätte werden den National gesinnten" schon zeigen, daß sie in den Militärwerkstätten nicht vom Uebermuth geplagt sind, sondern daß aus ihrem Arbeitsverhältniß der Nährboden für die Sozialdemokratie kräftig gedingt wird.
Ein sächsisches Amtsblatt im Kriege mit den Konservativen. Das„ Radebeuler Wochenblatt", Amtsblatt für die Gemeindebehörden der Orte Radebeul , Serkowig und Oberlößniß bei Dresden schreibt:
" Unseren geehrten Lesern können wir die fröhliche Mittheilung machen, daß das konservative Wahlkomitee Hönerbach in die Fuß stapfen der Sozialdemokraten insofern getreten ist, als es sich im Bohtottiren übt. Ein Donnerstag hier und in der Umgegend verbreitetes Flugblatt enthält diesen fürchterlichen Schritt. Wünschen wir dem Komitee viel Glück zu dem neuen Unternehmen. Bedauerlich bleibt jedoch, daß die hiesigen Polizeiorgane das Flugblatt, obgleich es während des ganzen Donnerstag und theils schon am Mittwoch Abend verbreitet wurde, nicht auf grund des groben Unfug- Paragraphen tonfiszirt haben."
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Der Grund des konservativen Boykotts ist, daß das„ Radebeuler Wochenblatt" unter der Rubrik Wahlnachrichten" nicht nur den Konservativen, sondern auch den Nationalliberalen für ihren Der engere Vorstand des Bundes der Landwirthe veröffentlicht Kandidaten Prof. Dr. Böhmert Raum für Artikel zur Verfügung die folgende Erklärung: stellte, die„ Unwahrheiten, Berdächtigungen und Gehässigkeiten" gegen „ Herr Professor Dr. Paasche ist für die bevorstehende Reichstags: den konservativen Kandidaten enthalten haben sollen. Der wahl im Wahlkreise Rostock als Kompromißkandidat der Konser- Kammerherr v. Blumenthal ist höchst eigenbeinig in die vativen, der Nationalliberalen und des Bundes der Landwirthe Redaktion des Amtsblattes gekommen und hat dem Redakteur Voraufgestellt worden. Sodann ist er im Wahlkreise Meiningen 1 aufhalt gemacht, wie er dazu fomme, mit einem Male so für gestellt, wo ihm ein ebenfalls agrarisch gesinnter antisemitischer die Nationalliberalen einzutreten. Der aber hat den Nacken steifer geKandidat gegenübersteht. Im Wahlkreise Meiningen haben die halten, als das bei Amtsblatt- Redakteuren gewöhnlich der Fall ist Vertrauensmänner des Bundes der Landwirthe fich mit Majorität Das konservative Wahlfomitee sette dann die Wähler von Radebeul für Herrn Professor Paasche gegen den antisemitischen Kandidaten und Umgegend in einem Flugblatt von der fürchterlichen Thatsache erklärt. in Kenntniß, daß es mit dem„ Radebeuler Wochenblatt" alle BeInzwischen hat sich Herr Professor Dr. Paasche im Wahlkreise ziehungen abgebrochen habe. Und der Redakteur droht nun den Hamm - Soest gegen den Bundeskandidaten Herrn Sümmermann- konservativen Boykottirern mit der Staatsanwaltschaft und bemerkt: Scheda, und für dessen nationalliberalen Gegner, Herrn SchulzeSteinen, in öffentlicher Versammlung ausgesprochen.
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Angesichts dieser Thatsache erachten wir den Beschluß der Vertrauensmänner Versammlung des Bundes der Landwirthe im Wahlkreise Meiningen 1 zu gunsten des Herrn Professor Dr. Paasche für unhaltbar."
" Ich werde es nicht zugeben, daß Unwahrheiten oder Wortverdrehungen, deren Thatsachen ich selbst mitgehört habe und worüber ich viele Zeugen stellen könnte,( von konservativer Seite) mit meinem Stillschweigen veröffentlicht werden. Wer das verlangt, möge sich ein Blatt aussuchen, wo eine Holzpuppe oder ein Strohmann Redakteur ist."
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Die schutzöllnerische Gesinnung der Sozialdemokratie, das ist die neueste Entdeckung einiger unserer bürgerlichen Blätter, allen voran die Tante Voß. Den Anlaß dazu bietet ihnen ein Artikel unseres Genossen Calier in der„ Neuen Zeit" über die Vorbereitung neuer Handelsverträge, der sich für die Schaffung eines mitteleuropäischen Zollbündnisses ausspricht. Seit jcher, sagt die Bossische Zeitung", hat die deutsche Sozialdemokratie schutzöllne rische Neigungen gezeigt, der Abgeordnete Kayser hat 1879 für die Eisenzölle gestimmt und der Wydener Kongreß ist über die Frage des Schutzzolls und Freihandels zur Tagesordnung übergegangen. Und nun ersteht im wissenschaftlichen Organ der Sozialdemokratie ein Vertreter des Schutzzolls.
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Auf die Sozialdemokratie scheint also in den kommenden Kämpfen um die Handelsverträge tein Verlaß zu sein.
Daran ist so viel richtig, daß unsere Partei teine manchesterliche ist, daß ihr der Freihandel nicht als ein Universalheilmittel erscheint, welches unter allen Umständen aufs wohlthätigste wirkt. Es widerspricht nicht ihren Grundsäßen, unter Umständen Schutzölle ffir geboten zu halten. Daß aber diese Umstände für Deutsch land nicht bestehen, das hat in derselben„ Neuen Zeit" schon 1888 Friedrich Engels in seinem Artikel über Schutzzzoll und Freihandel", und 1891 Karl Kantsky in einem Artifel über Deutsche und amerikanische Zollpolitik" nach gewiefent.
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Und wie immer einzelne Parteigenossen über die Schutzölle denken mochten, in einem Punkte war die Partei stets geschlossen: in der Verwerfung der indirekten Steuern, also auch sämmtlicher Lebensmittelzölle. In diesem Punkte ist das Proletariat eines jeden Landes heute der entschiedenste und zuverlässigste Vorkämpfer des Freihandels, entschiedener und zuverlässiger als jede bürgerliche Schicht oder Partei. Gerade dieser Punkt ist aber heute der entscheidende. Keine Partei steht so geschlossen und unbeugsam dem agrarischen Ansturm gegenüber wie die Sozialdemokratie. Daran ändert der Artikel des Genossen Calwer gar nichts.
Der wissenschaftliche Charakter der„ Neuen Zeit" besteht nicht darin, daß sie Parteidogmen in gelehrtem Gewande predigt, sondern darin, daß sie eine Stätte der Kritik, auch der Selbstkritik, und der Diskussion ist, nicht der Propaganda. Das macht sie aber gerade zum Publikationsort für Meinungen, die von denen der Masse der Parteigenossen abweichen.
Um aber in diesem Falle keinen Ziveifel daran zu lassen, daß die Ansicht des Genossen Calwver blos seine Privatansicht ist, hat die Redaktion der„ Neuen Zeit" in nicht weniger als drei ausführlichen Fußnoten ihren von dem seinen abweichenden, entschieden freihändlerischen Standpunkt gekennzeichnet. Endlich aber, und das ist das Entscheidende, ist das mitteleuropäische Zollbündniß, für das Genosse Calver eintritt, bloße Zukunftsnuifit, für die Gegenwart aber zeigt er sich auch in dem in Rede stehenden Artikel als ein entschiedener Gegner der Schutzöllnerei. Er weist eingehend nach, daß das bestehende Schutzzollsystem nicht nur über flüssig, sondern direkt schädlich ist, und fommt zu dent Schlusse: Wir glauben daher, daß die Arbeiter rücksichtslos nach wie vor ihren Standpunkt als Konsumenten geltend zu machen und im Interesse billiger Waarenpreise nicht eine Unterbindung, sondern eine Förderung der Weltmarktkonkurrenz anzustreben haben.
Was will also die„ Voffische Zeitung"? Wir wären zufrieden, wenn sie in der Bekämpfung des bestehenden Schußzzollsystems die gleiche Rücksichtslosigkeit empfähle, wie der sozialdemokratische Schutzöllner" Calier.
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