Nr. 79.Berlin, Sonntag den 8. April 1866.Zweiter Zahrgang.Social-Dtmokmt.Diese Zeitung erscieint drei Mal wöchentlichund zwar- Dienstags, Donnerstags undSonnabends Abends.Organ der social-demokratischen Partei.Redigirt von I. L. v. Hofstetten und Z. B. v. Schweitzer.Redaction und Expedition:Berlin,Dresdnerstraste Nr. 85.Abonnements-Preis für Berlin incl. 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Conr du Commerce Saint-Andre-des-Arta.Bestellungen für das zweite Onartal 1866 1werden fortwährend(auswärts auf den Post-ämtern) angenommen.politischer Theil.Rundschau.Verlin, 7. April.In Deutschland ist in der durck den Habö-burg-Hohenzollern'sche» Dualismus undPartie ularismuS hervorgerufenen Situatio» nochimmer keine Veränderung eingetreten. Die Kriegs-rüstungeu nehmen auf beiden Seilen ihren Fort-gang und die Mittel- und Kleinstaaten fangen gleich-falls an, ihre Armeen und Armee'chen zu mobili-firen. Wie man hört, weist die Antwort des preu-ßischen Kabinets auf die österreichische Note nach-'drllcklich auf die österreiästschen Rüstungen hin, welchedurch die Juden-Crawalle schon aus lokalen Grün-den nicht hervorgerufen sein könnten; auch könnte�sich Oesterreich nicht bedroht glauben, da eö sonstnach seiner eigenen Erklärung de» Artikel ll derBundes-Acte angerufen haben würde. Preußensmilitärische Vorkehrungen seien nur durch Oester-reichS drohende Haltung hervorgerufen, welche dieSpannung der Lage geschaffen hätte. Preußen weisedie Anklage der österreichischen Note, daß es den Frie-den stören wolle, zurück, und erkläre, daß es Oester-reich nicht angreifen werde. Tie persönlichen freund-schaftlichen Gefühle des Königs für den Kaiserbleiben von der politischen Lage unberührt. DieGefühle Oesterreichs für den preußischen Staat durchHandlungen zu bethätigen, werde sich Gelegenheitbieten. Auch spricht man von einer am 2. Aprilhier eingetroffenen zweiten österreichischen Depesche,die sich in der Richtung der Note vom 31. Märzbewege. Oesterreich soll darin auf Grund desArtikels 11 der Bundesactc den Vorschlag machen,den obwaltenden Conflict vor ein Bund es schied s-g er ich! zu bringen. Die neueste„Nordd. Allg.Ztg." schrieb gestern:„In der Situation hat sichnichts geändert". Das ministerielle Blatt nimnitseine, ein paar Tage sistirten Mittheilungen überösterreichische Truppenbewegungen wieder auf.Von den Mittelstaatcn verlautet, daß sie be-reitö Einleitungen zu einem Antrage beim beut-schen Bunde getroffen haben sollen, welcher dieKriegsbereitschaftsstellung der Bundes-Conlingentevon BnndeSwegen verlangt. Der Antrag soll,falls die Gefahr der Friedensstörung nicht beseitigtwird, ohne Aufschub gestellt werden. Natürlicl'kann eine Aufstellung der Bundes-Contingente aufden Ausgang des ConflictS zwischen Habsburg undHohenzollern um so weniger von Einfluß sein, alssich die Mittclstaaten— so viel bis jetzt bekanntgeworden— für bewaffnete Neutralität entschieden,haben. Aus Flensburg wird gemeldet, daß Sachsenchaselbst Pferdeeinkäufe machen läßt.— Die Gerüchtevon den Friedensvermittelungs-Versuchen des Her-zogs von Coburg bestätigen sich. Welchen AuS-gleichungsvorschlag aber der Schützen- Herzog kindweiland deutsche KaiserthronS- Candidat ausfindiggemacht haben soll, wird nirgends angegeben. Wahr-scheinlich ist er ihm selbst unbekannt.-In Frankreich begegnen wir als der wich-tigstc» sttachricht, der von der Räumung Mexi-ko's. Der„Moniteur" hat die Bteldung gebracht:„Die französischen Truppen werden Mexiko in dreiAbthcilungen räumen; das erste Detachemcnt rücktim November 1866, das zweite im März 1867und das dritte ini November 1867 ab. Es sindzwischen Frankreich nnd Mexiko Verhandlungen imGange, um Bürgschaften für die Vorschüsse Frank-reichs und für die in niexikanische» Anleihen ange-legten französischen Kapitalien zu erlangen." InMexiko soll jedoch dieses Abkommen, namentlich inden französischen Kreisen, ungünstig aufgenommenworden sein. Selbst der französische Gesandte amHofe Maximilians hat, wie mexikanische Berichtebehaupten, gegen Negoziationen auf einer derarti-gen Basis förmlich protestirt, und Marschall Bazainesoll seinen entgegenstehenden Ansichten noch in ent-schiedenerer Weise Luft gemacht haben, weil vommilitairischen Standpunkte ans für die Armee Nichtsbedenklicher sei, als ein Rückzug der französischenTruppen unter einer Art amerikanischer Pression.Auch sollen die in Mexiko etablirten Franzosen ingroße Aufregung versetzt worden sein und eineDenkschrift an den französischen Gesandten ge-richtet haben, worin sie besagen, daß sie ihreNiederlassungen nur in deni Vertrauen auf den per-niancnten Schutz Frankreichs in Mexiko gegründethätten. Dagegen soll Maximilian sich ohneWeiteres damit einverstanden erklärt, d. h. guteMiene zum bösen Spiel gemacht haben. Die Ina-risten suchen selbstverständlich die Situation so gutals möglich zu verwerthen. So soll der juaristischeGesandte in Washington, Sennor Nomero, anHerrn Seward einen Brief geschrieben haben, wo-nach, wie Romero aus den zuverlässigsten PariserQuellen erfahren haben will, der Kaiser Napoleonbeabsichtige, in der mexikanischen Frage den Wegeinzuschlagen, Maximilian aufzugeben und die mexikanische Republik mit dem Marschall Bazaine alsPräsidenten nck interim wiederherzustellen. Dochbedarf diese vorläufig noch unwahrscheinliche Nach-richt sehr der Bestätigung.— Ueber die HaltungFrankreichs zum HabSburg-Hohenzollern'schen Eon-flict spricht sich nun auch die„France" in dem-selben Sinne aus, wie es„Constitutionnel" und„Paps" gethan haben: für vollständige Neutralitätdes Kaiserreichs.— Die Conferenz für die Do-naufürstcnthiimer-Frage hat am 7. d. M. ihrevierte Sitzung abgehalten. Ueber die Berhandlun-gen herrscht das tiefste Schweigen. Die„Postztg."läßt sich sogar aus Paris telegraphircn, die Con-ferenz habe sich der Kriegsevcntualitat gegenüberauf unbestimmte Zeit vertagt.— In Rumänienmehren sich die Anzeichen ernster Ereignisse. DieBerichte der französischen Agenten sprechen von einergroßen Aufregung unter dem Landvolke, und manbefürchte den Ausbruch anarchischer Zustände, gegenwelche fremde Hülfe in Anspruch genommen werdenmüsse. BemerkenSwcrlh ist hierbei eine MittheilungI der„Gen.-Corr." aus Bucharest, wonach, bei demAusbruche eines Krieges zwischen Oesterreich undPreußen, Rußland die Walachei und die Moldau1 durch eine Armee occupiren werde. Bon großer Be-! deutung ist daher ohne Zweifel die jetzt schon imSüden Rußlands aufgestellte Militairmacht. ES� sollen dort 45 Bataillone Infanterie und 20 Schwa-dronen Kavallerie, sowie 140 Geschütze in der Nähe! von Balta zusammengezogen sein, welche auf derEisenbahn in wenigen Tagen- nach der rumänischenGrenze geschafft werden können. Und aus Bucharesterfährt man, daß man auch dort sich mit Rüstun-� gen beschäftigt. Der Kriegsminister hat einen Auf-.uf an die rumänische Jugend erlassen, worin er� den Wunsch ausspricht, daß dieselbe zwei Batail-lone Jäger und zwei Batterien Artillerie formire.Am 1. April bat eine große Truppenschau inBucharest stattgefunden. Wozu alle derartigen kriege-rischen Schauspiele, zumal da der Telegraph ver«sichert, daß die Wahlversammlungen in Rumänienmit der größten Ordnung vor sich gingen? Diese! Ruhe scheint indessen nur auf der Oberfläche zu� walten. Andere Nachrichten wollen wissen, daß die� Bevölkerung der Moldau bis auf eine verschwindendkleine Minorität gegen die Vereinigung der beidenFürstenthümer sei, und daß man fast allgemein denHerzog von Lcuchtenberg zum Hospodar für dieMoldau verlange. Weiteres ist allerdings noch ab-zuwarten; aber jedenfalls findet man in den oben-angeführten militairischen Vorkehrungen, wobei auchdie türkischen besonders in Betracht kommen,cinen neuen Grund zu Vermuthnngen, daß dieDonaufürstenihümer-Frage ohne gewaltsamere Er-schütterungen nicht gelöst werden dürfte.In England nimnit die Reformbewegunzfortwährend die Bemühungen der Radicalcn a laBright in Anspruch. In Sheffield und Edinburgwurden Meetings zu Gunsten der Regierungsbillzu Stande gebracht und die Freunde der Regierungsprengen das Gerücht aus, daß sich das Kabinetjetzt gesicherter fühle und auf eine Majorität von12 bis 14 Stimmen rechne. Gleichzeitig erfährtman aber auch, daß die Gerüchte von einer Par-lamentsauflösung wieder im Umlauf seien. DieReformfreunde glauben nämlich, daß eine solcheDrohung eine gewisse Pression auf das Parlamentausüben und den Erfolg der Reformbill sicher»werde, da eine Menge von Mitglieder» lieber fürdie Bill stimmen, als sich den Kostspieligkeiten einerneuen Wahl unterwerfen würden.— Hinsichtlichder Stellung Englands zum„Habsburg-Hohen-zollern'schen Conflict ist eS nach der feudalen„Zeidl. Correfp." unrichtig, daß das LondonerKabinet an die Regierung deS Kaisers der Fran-