Rr. 12«. Berlin , Freitag den 13. Juli 1866. Zweiter Zchrgang. -Demokmt. Diese Zeitung erscheint drei Mal wöchentlich und zwar: Dienstags, Donnerstags und Sonnabends Abends. Organ der social-dcmokratischen Partei. Redigirt von Z. 8. v. Hofstetten und I. B.». Schweitzer. Redaction und Expedition: Berlin , Alte Jakobstraße Nr. 67. AtonnemrntS-Preis für Berlin incl. Bringerlobn: vierteljährlich 15 Sgr., monatlich 5 Sgr., einzelne Nummern 1 Sgr., bei den Königl. preußischen Post- ämtern 15 Sgr., bei den preußischen Postämtern im nichtpreußischen Deutsch - land ILVs Sgr., im übrigen Deutschland 20 Sgr.(st. 1. 10. südd., st. 1. österr. Währ.) pro Quartal. Bestellungen werden auswärts auf allen Postämtern, in Berlin auf der Expedition, von jedem soliden Spediteur, von der Expreß-Eompagnie, Zimmerstraße 48», sowie auch unentgeltlich von jedem„rothen Dienstmann" entgegen genommen. Inserate(in der Expedition auszugeben) werden pro dreigespaltene Petit-Zeile bei Arbeiter-Annoncen mit 1 Sgr., bei sonstigen Annoncen mit 8 Sgr. berechnet. Agentur für England, die Tolonieen und die überseeischen Länder: Mr. Bender, 8. Little New-Port-Street, Leicester-Square W. C. London . Agentur für Frankreich : G. A. Alexandre, Strassbonrg, 5. Kue Brnlee; Paris , 2. Cour da Commerce Saint-Andre-des-Arts. Arbeiter! Das alte Deutschland geht in Trümmer— neue Staalsverhältnisse sind in der Bildung bc- griffen. Wollt Ihr unthalig zusehen, wie das Neue sich gestaltet oder wollt Ihr, thatkräftig eingreifend, Eure politische Reife bewahren? Ihr müßt endlich einmal zeigen, daß Ihr nicht fürdcr gesonnen seid. Euch bevormunden zu lassen, sondern daß Ihr mit selbstbewußter Thatkraft für Eure eigenen Interessen eintreten wollt. Nur Ein Mittel giebt eS für Euch, selbststän- digen Einfluß auf die Regierungen und dadurch auf die Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten zu gewinnen: das allgemeine, gleiche und directe Stimmrecht mit geheimer Abstimmung. Dieses allgemeine Stimmrecht also gilt es vor Allem zu erringen; eS ist die unerläßliche Voraus- seßung und Grundlage für jede Verwirklichung und Sicherstellung der Volksrechte und für alle weitere Förderung der VolkSsachc; eS ist das erste und vorzüglichste Mittel zur friedlichen Erreichung eines den Interessen des wirklichen Volkes entsprechenden Staatszustandes. Aus einem doppelten Grunde, Arbeiter, seid Ihr berechtigt, ja verpflichtet, mit äußerstem Nach- druck in diesem entscheidenden Augenblicke Eure Forderung nach dem allgemeinen Stimmrecht zu erheben. Ihr müßt es thnn im Interesse der Nation— Ihr müßt eS thun in Eurem eigenen Interesse. Warum im Interesse der Nation? In diesen letzten Jahrzehnten war es überall in Deutschland die besitzende Bürgerklasse, die Bourgeoisie, welche die agitatorische Tbätigkeit in der Hand hatte. Ihre Kammern, ihre Zeitungen, ihre Vereine, ihre Versammlungen waren es, die das große Wort führten und den Regierungen Op- positiv» machten. Und was haben sie geleistet mit all' ihrem Geld unv all' ihrem Schreien? In Sachen der Freiheit haben sie sich unter die absolutistische Willkühr der Regierungen beugen müssen— in Sachen der nationalen Einheit haben sie sich so ohnmächtig erwiesen, daß ein deutscher Bürgerkrieg möglich wurde. Die besitzende Klasse hat ihre Unfähigkeit, etwas zu leisten für die Nation, unzweideutig an den Tag gelegt; das Volk selbst muß den Schauplatz betrc- ten, wenn Hoffnung zum Besseren werden soll. Die besitzende Klasse fürchtet das Volk noch mehr als die Machthaber und kann darum den Kampf mit diesen niemals ernstlich aufnehmen; das Volk aber, das Vertrauen hat auf seine Kraft, wird die gerechten Ansprüche der Nation auf frei- heitlich-einheitliche Gestaltung zu verwirklichen wissen. Aber nicht nur im Interesse deS nationalen StrebenS, auch im eigenen Klasseninteresse müssen die Arbeiter sich einen entscheidenden Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheilen sichern. Je weiter die Industrie und der Handel sich entwickeln, desto mächtiger wird das Kapital, desto abhängiger vom Kapital wird die Arbeit. Die niedrigen Lohnsätze, die Beschränkung der Arbeiter- bevölkcrung selbst in sogenannten guten Zeiten auf daS Nothwendigste, was zum Lebensunterhalt er- forderlich ist, die gänzliche Arbeits- und Erwerbs- losigkeit in schlechten Zeiten— dies Alles sind deutliche Zeichen von dem ungesicherten, traurigen Lose des Arbeiters. Die Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital muß aufhören— dem Arbeiter muß ein menschenwürdiges Dasein gesichert werden. Aber niemals darf die Arbeiterklasse erwarten, daß ihre Sache von den Regierungen- oder von' der besitzenden Klasse aus eigenem Antriebe gefördert werde— nur die eigene Thatkraft, nur ein kräf- tiges und entschiedenes Auftreten der Arbeiterklasse im Bewußtsein ihres guten Rechtes kann eine Ber- besserung ihrer Lage herbeiführen. Die Voraussetzung aber für eine geregelte und nachhaltige Agitation in diesem Sinne ist das all- gemeine Stimmrecht; nur durch dieses kann die Arbeiterklasse entscheidendes Gewicht im Staate ge- Winnen. Darum, Arbeiter, rafft Euch auf; fordert, un- bekümmert um das Geschrei Eurer Gegner in den Regierungskreisen und in der besitzenden Klasse, Euer gutes Reckt— wer will Euch widerstehen, wenn Ihr einstimmig aller Orten durchs ganze Vaterland, wenn Ihr mit Kraft und männlichem Ernste Eure Forderung stellt. Auf Euch am schwersten lasten die Bürden des Staats und der Gesellschaft— duldet nicht länger, daß man Euch wie unmündige Kinder behandle— verlangt Euren Aniheil am öffentlichen Leben der Nation, verlanget vor Allem das Mittel, durch welches Ihr Eure eigenen Interessen vertreten könnt. Haltet allerwärts Versammlungen ab, wo Ihr vor aller Welt erklärt, was Ihr wollt und � was man Euch gewähren muß. Arbeiterl Erhebet Euch einmüthig, mit voller Kraft, für Eure eigene Sache! Keine Macht der Erde wagt Euch zu widerstehen, wenn Ihr Ernst zeigt!- Politischer Theil. Rundschau. Berlin , 12 Juli. Der Waffenstillstand zwischen den kriegführenden Mächten in Deutschland und Italien ist, dies steht fest, bis zu diesem Augenblicke noch nicht ab- geschlossen. Wie es scheint, dürfte eine Berständi- i gung über Friedenspräliminarien auch in der näch- � sten Zeit nicht zu erwarten sein. Alle von öfter- reichlschen und österreichisch gesinnten Blättern ver-> breiteten Nachrichten von einer bereits erfolgten Verständigung sind daher als falsch zu betrachten. Außer dem Könige von Preußen, dem Kaiser Na- polcon und dem Grafen Bismarck kann Niemand über den derzeitigen Stand der Verhandlungen et- was Genaues wissen. Nach allen vorliegenden Thalsachen zu urtheilen, ist die Napoleonischc Ver- Mittlerrolle bis jetzt nichts weniger als von Erfol- ge» begleitet gewesen. Oesterreich selbst scheinr den Frieden mit Preußen nicht zu wollen. Sein Kaiser hat»ach der Niederlage in Böhmen folgendes Ma- nifest an die österreichischen Völker erlassen: DaS Unglück, welches die Nordarmee betroffen, hat mein Herz lief erschüttert; aber mein Vertrauen aus die Hingebung meines Volkes, auf den Muth der Armee, aus Gott und mein gutes Recht hat nicht gewankt. Ick habe mich an den Kaiser der Franzose» geweu« det,»in einen Waffenstillstand in Ilalien herbeizuführen. Der Kaiser ist dem nicht nur auf da« eifrigste entgegen- gekommen, sondern hat sogar noch aus eignem Antriebe seine Lermittelung angeboten, um einen Waffenstillstand mit Preußen und Unterhandlungen über FriedenSpräli- minarien herbeizuführen. Ich habe dies Anerbieten an- genommen und bin bereit, einen ehrenhaften Frieden ab- zuschließen. Aber ehe ich einem Frieden meine Zustim- mung gebe, der die Grundlagen der Macht meine« Rei- che« erschüttern könnte, bin ich zu einem Kriege auf Leben und Tod entschlossen. Alle disponiblen TruP- Pen sollen concentrirt werden, Rekrutirung und Frei- willige werden die Lücken ausfüllen. Die öfter- reichische Armee ist hart geprüft, aber nicht enlmnthigt und gebeugt. Niemals haben die Völker Oesterreich « sich großer gezeigt, als im Unglück. Also: Krieg mit Preußen auf Leben und Tod! Darauf antwortet die ministerielle„Nordd. Allg. Ztg.": Mag Franz Joseph diesen Entschluß vor Gott und seinem Gewissen und vor seinen Völkern verant- Worten. Preußen nimmt diesen Kamps an, ohne mit den Wimpern zu zucken. Wir können die« um so ruhiger, um so vertrauender in die allwaltcnde Vorsehung, al« wir wissen, waö Preußen gethan hat, um diesen Krieg zu vermeiden. Und mit einer Appellation an daS deutsche Volk sagt sie: Trotz aller Lügen, welche die österreichische Presse in die Welt ausstreute, bricht endlich allgemein die ein- zig richtige Ansicht durch, daß da« innerlich geschwächte, durch Frankreich und Italien äußerlich tief gedemlllhigle Oesterreich für die verlorene Hegemonie in Italien nnd die Lombardei seine Kompensation in Deutschland gesucht hat, auf Kosten Preußens und noch mehr— auf Kosten Deutschlands . Jahrelang wenigstens hat uns ja gerade die österrei- chilche Politik gesagt, die Minciolinie sei eine strategisch� Nothwendigkeit für Deulschland« Verlhcidignng. Jtht tritt dasselbe Oesterreich diese nach seinen eigenen Aenjj� rangen für die Bertheidigung Deutschland« nothwendigi Linie an Frankreich ad;— und weshalb? Um den Krieg gegen eine deutsche Macht„aus"e' ben und Tod" führen zu können. Kann hiernach in Deutschland ein Zweilel darilbs* obwalten, auf welche Seite sich da« deutsche Volk>» diesem Kampfe aus„Leben und Tod" zu stellen hat? Wir glauben, daß Niemand mehr im UnNaren darübt
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2 (13.7.1866) 120
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