Nr. 131. Berlin  , Mittwoch den 8. August 18K6. Zweiter Zahrgaug. flnuUlfimrluat Diese Zeitung erscheint drei Mal wöchentlich und zwar: Dienstag«, Donnerstag« und Sonnabend« Abend«. Organ der social-dcmokrailslhcn Partei. Redigirt von I. V. v. Hofstetten und I. B. v. Schweitzer. Redaction und Expedition- Berlin  , Alte Jakobstraße Nr. S7. UbounementS- Preis für Berlin   incl. Bringerlohn: vierteljährlich IS Sgr., mo> natlich 5 Sgr., einzelne Nummern 1 Sgr.; bei den Königl. preußischen Post­ämtern 15 Sgr., bei den preußischen Postämtern im nichtpreußischen Deutsch  - land 12'/, Sgr., im übrigen Deutschland 20 Sgr.(st. 1. 10. südd., st. 1. österr. Währ.) pro Quartal. Bestellungen werden auswart« auf allen Postämtern, in Berlin   auf der Expedition, von jedem foliden Spediteur, von der Expreß-Compagnie, Zimmerstraße 48», sowie auch unentgeltlich von jedemrothen Dienstmann" entgegen genommen. Inserate(in der Expedition aufzugeben) werden pro dreigespaltene Petit-Zeile bei Arbeiter-Annoncen mit 1 Sgr., bei sonstigen Annoncen mit 3 Sgr. Rechnet. Agentur für England, die Tolonieen und die überseeischen Länder: dir. Bender, 8. Little New-Port-Street, Leicester-Square W. C.   London  . Agentur für Frankreich  : G. Ä. Alexandre, Strassbonrg, 5. Rue Brulee; Paris  , 2. Cour dn Commerce Saint-Andrä-des-Ärts. i- politischer Theil. Berlin  , 7. August. Einer preußischen Thronrede sah man, seitdem Preußen ein constitutioneller Staat gewor- den, im gesanttntcn deutschen   Baterlande schwerlich jemals mit solcher Spannung entgegen, als bei der diesmaligen Eröffnung des Landtages. Gar viele Fragen hat das deutsche   Volk jetzt an seine Zu- kunfl zu stellen und wenigstens auf einige erwartete est Antwort. Seine Erwartung wurde getäuscht. Die Thron- rede sucht einen Schleier über die Vergangenheit zu decken und hüllt die Zukunft, einer Sphinx gleich, in Räthsel. Wenigstens forscht das Volk vergebens nach einer Andeutung, die seinen Hoff- nungen und Erwartungen,der nationalen Ent- Wickelung Deutschlands   die Bahn zu ebnen," Rech- nung trägt. Die Thronrede verheißt, daß von der prenßi- schen Regierung für die ohne StaatShauShallSetat geführte Verwaltung der letzten Jahre Indemnität nachgesucht werden soll. Indemnität   setzt aber das Zvgcständniß begangenen Unrechts voraus und giebt damit zugleich die Erklärung ab, daß eine gleiche Rechtsverletzung, wie die begangene, in Zu- kunft nicht zulässig sei. In diesem Sinne jedoch ist die in der Thron- rede in Arisstcht gestellte JndemnitätSnachsuchung nicht zu verstehen. Die Thronrede betont und de- kräftigt im Gegenlheil ausdrücklich die bisherige Regierungsaufsassnng des Artikels 99 der preußische» Verfassung. Nach dieser Auffassung soll zwar all- jährlich eine Vereinbarung der Regierung mit der Landesvertretung über den StaatShauShallSetat zu Stande kommen; verweigert indeß die Regie- rnNg den Beschlüssen einer oder beider Kammer» die Zustimmung, so ist sie nach ihrer Ansicht dann befugt, nach Vertagung der Kammern, die von ihrem Belieben abhängt, auch ohne die gesetzliche Grundlage eines scftgestelllen StaaiehauShaltsetats die Verwaltung des Staates nach den von ihr vorgelegten, von einer ober von beideit Kammern aber verworfenen Positionen fortzuführen. <-! Diese Befugniß der Regierung wurde jedoch von den preußischen Abgeordneten bisher gerade be- stritten, und die Regierung sucht nun formell eine Entlastung für ihre bisherige budgetlese Verwaltung nach, bebaut jedoch factü'ch bei ihrer bisherigen Auslegung des Art. 99, Die auszusprechende In- demnität wendet sich somit nach zwei Richtungen. Einmal spricht sie daS Abgeordnetenhaus stillfchwei- gend für sich selbst aus, weil sie Beschlösse gefaßt, die für die Regierung im GlaatSintipege absolut unausführbar waren, und dann spricht sie offen die Entlastung für die Regierung ans, weil letztere in Folge jener unuizssührbaren Beschlüsse gezwun- gen war, den Art. 99 der Verfassung zu verletzen. Was uns betrisit, so haben wir uns niemals ' für den langjährigen Streit über den Art. 99 der preußischen Verfassung erwärmen können. Wäre er ehrlich gemeint gewesen, so würde von vorn herein, statt jahrelang ausgesponnener Sophismen, von conservativer und fortschrittlicher Seite zuge- standen sein, daß mit diesem Artikel 99 im Streit- falle überhaupt nichts anzufangen ist. Die Ver­fassung schreibt keinem der drei gesetzlichen Factoren Nachgiebigkeit vor. Ein jeder hat das Recht, bei denjenigen Positionen, welche er für noihwendig und gerechtfertigt hält, zu verharren, und ein jeder ist sentit für das NichtzustandekvMmen des jähr- lichen Budgets in gleicher Weise verantwortlich. Der einzige Weg, aus diesem Labyrinth heraus- ! zukommen, hätte in einer Revision der Verfassung gelegen, auf Grund deren eine Indemnität für die ! Vergangenheit gerechtfertigt und eine Verständigung über die zukünftige Festellung des jährlichen Staats- ' Haushaltsetats hätte erzielt werden müssen. Jetzt freilich haben die politischen Verhältnisse eine wesentlich andere Gestalt angenommen. Jetzt sollder nationalen Entwickelung Deutschlands   die Bahn geebnet werden" und damit gewinnt der preußische Budgetstreit zugleich eine nationale Be- i deutung. Beharrt die Regierung bei ihrer Aus- legung des Art. 99 und hegt gleichwohl die Er- Wartung, daß durch eine Indemnität  der bisherige I Constict für alle Zeit zum Abschluß gebracht werde", so wird eine solche Erwartung nur dann erklärlich, wenn vorausgesetzt wird, daß auch die Budgetfrage in den festzustellenden deutschen   Grund- rechten, nach welchen die Specialverfassungen zu modificire» sind, ihre Erledigung finden soll. j Doch von einer derartigen Um- und Neugestal- Alling Deutschland« sagt die Throstjedc nichts. Im | Gegenlheil, sie scheint die innere Einheit, jene Ein- heit, welche allein die Bürgschaft einer freien Ent- ! Wickelung Deutschlands   gilbt und um deswillen seit j einem halben Jahrhundert vom Volke so heiß er- strebt ist, ausdrücklich abzulehnen. Die Thronrede spncht von der Erweiterung der preußischen Grenzen uUd von der Einrichtung eines einheitlichen Bundesheeres unter Preußens Füh- rung, dessen Lasten von allen Genossen des Bun- des gleichmäßig getragen werden.Ist diösev Beziehung" sollen dendtzr�ußfschey Abgeordneten- Hause behufs Einberufung einlr Pclksvertrltiing der Bundesstaaten die erforderlichen Vorlagen un- rerzüglich gemacht werden. Daß außer der Ein- heit in den militärischen Lasten dem deutschen   Volke auch eine Einheit seiner politischen Rechte, eine ' Einheit in den Gruudgesetzen, zugeständen werden soll, daran scheint wenigstens bei Abfassung der ! Thronrede Nicht gedacht zu sein. Das aber hatte das deutsstie Volk, besonders in Preußen erwartet. Es will keine Einheit, die i dem mecklenburgischen Und hannoverschen Volke , seine provinziellen Verfassungen und Eigenlhüm- > lichkeiten, d. h. sein Iunkerregiment und feine- ! rcaukralische Bedrückung beläßt. DaS Volk in Preußen hat sich schnell für die Wassenerfolge der preußischen Regierung begeistert, das Volk in Preußen hat wiederum gezeigt, daß es hochherzig zu sein vermag. Möge die preußische Regierung sorgen, daß die Begeisterung nicht ebenso schnell wieder erkalte! Rundschau. Berlin  , 7. August. Die Friedensverhandlungen zwischen den Mäch- ten Deutschlandsi scheinen im schnellen Borschrei- ten begriffen zu sein. Die Friedenspräliminarien, welche auf dem Schlosse von Nicolsburg ach 26. Jult 1866 unterzeichnet wurden, bestehen aus neun Ar- tikeln. Als Bevollmächtigte Oesterreichs   unter- handeln in Prag   Graf Karolyi   und Baron v. Brenner, als Bevollmächtigter Preußens Graf Bismarck. Die Ratification des FriedenSinstru- mentes wird schon in nächster Zeit erwartet, und soll bis dahin auch die an Preußen zu zahlende Kriegsentschädigung in klingender MüNze entrichtet werden, damit die preußischen Truppen iNvgstchst schnell das Land verlassest. Bis auf den ver- gleichSweise geringen Betrag von i'f2 bis 2 Mil­lionen Gulden ist der Acceptationscredit bereits auf die an Preußen zu entrichtende baare Kriegs- entschädigung gezeichnet. Die DelstäxkationSlinie, welche die preußischen Truppen während deS Waf- fenstillstandes in den österreichischen Landen besetzt hallest, zieht sich westlich von Eger über Pilsen  , Tabor, ReuhauS, Zlabings»ach Znaini. Südlich macht die Thaia bis zu ihrem Einssusse in die Mar», östlich der letztgenannte Fluß aufwärts bis Nayajedl und von dort eine gerade-jListie bis nach Oderberg   die Grenze. Die von Rußland in Anregung gebrachte Congreßidee zu Gunsten der depossidirten deutschen   Fürsten   ist als im Sande  verlaufen zu betrachten. England selbst, westn eS die Einladung zu einem Congresse annimsttl, will sich in keiner Weise den Anträgen fgr oder gegen die Ausführung des CvstzreßprojecteS anschließen. Frankreich   kann den durch seine BeriNittelung her- beigeführten Territorialverästderstygen nstr günstig sein und Preußen wird die Congreßidee voraus- sichtlich überhaupt bekämpfen. Mit der Cvngreß- Idee im Zusammenhange bringt derEjäs" wohl die Viittheilung aus Volhynieu, daß Rnßl'andTrUP- pen bei Luck concentriren will. Zwei Corps, das eine unter dem Befehl deS Grafen Mzewinski, das andere unter dem des Generals Kvtzebue, hatten be- reitS Ordre bekommen, sich marschbereit zu halten. Was an dieser Mittheilung ist, die wohl blo« drc- hende Fühler ausstrecken soll, bleibt abzuwarten. Nur nicht ängstlich, sprach der Hahn zum Regen- wurm! Die preußische Maistarmee Und das IX Reserve« Corps sind in die durch ten Waffenstillstand mit den deutschen   Bundesstaaten ihnen eingeräumte Demarkationslinie eingezogen. Mainz   muß von