Nr. 136. Berlin , Freitag den 17. August 1866. Zweiter Jahrgang. Socilll-Dcinolirnt. Diese Zeitimg ersckeint drei Mal wöchentlich und zwar: Dienstags, Donnerstags und Sonnabend« Abends. Organ der social-demottaUschen Partei. Redigirt von I. 8. v. Hofstetten und J. B. v. Schweitzer. Redaction und Expedition- Berlin , Alte Jakobstrajje Nr. 67. Udonnements- Preis für Berlin incl. Bringerlohn: vierteljährlich 15 Sgr., wo- natlich 5 Sgr., einzelne Nummern 1 Sgr.; bei den Sönigl. preußischen Post­ämtern 15 Sgr., bei den preußischen Postämtern im nichtpreußischen Deutsch - land 12Vs Sgr., im übrigen Deutschland 20 Sgr.(fi. 1. 10. sitdd., sl. L österr. Währ.) pro Quartal. Bestellungen werden auswärt » auf allen Postämtern, in Berlin auf der Expedition, von jedem soliden Spediteur, von der Expreß-Compagnie, Zimmerstraße 46», sowie auch unentgeltlich von jedemrothen Dienkmann" entgegen genommen. Zoscrate(in der Expedition auszugeben) werden pro dreigespaltene Petit-Zeile bei Arbeiter-Annoncen mit 1 Sgr., bei sonstigen Annoncen mit ll Sgr. berechnet. Agentur für England, die Eolonieen und die überseeischen Länder: dir. Bvcder, 8. Little New-Port-Street, Leicester-Squaro W. C. London . Agentur für Frankreich : G. A. Alexandre, Strassboarg, 5. Kue Brnlee; Paris , 2. Cour dn Commerce Saint-Andre-des-Arts. politischer Theil. Rundschau. Berlin , 16. August. Schnell wie das Gespenst von GedielSadtre- lungen Deutschlands an Frankreich hcraufbe- schworen wurde, suchen die officivscn Organe Frankreichs mit dein Sckweif der übrigen Presse quf gegebenen Wink die öffentliche Meinung wie- der abzuwiegeln. Es würden sich ihnen zufolge nach diesen« Zwischenfall die freundschaftlichen Be- ziehungen Frankreichs und Preußens sogar noch fester knüpfen. Man hat jedoch taS aufregende Gelärm der officiellen Allarmirommeln wie das jetzt konimandirle Friedensgeflöte mit gleicher Vor- sicht aufzunehmen, wenn auch vor der Hand zu keinerlei kriegerischen Befürchtungen Anlaß zu sein scheint. Zunächst läßt sich die preußischeProv.- Corr." über diesen diplomatischen Zwischenfall ans wie folgt: Die Stellung de« Kaiser« Napoleon zu den wichtige» Entwickelungen in Deutschland hat demselben seither die einmüthige Anerkenming aller deutschen Patrioten zuge- wandt und die Achtung erhöht, welche seiner einsichtigen und gemäßigten Politik seit Jahren in immer steigendem Maße gezollt worden ist. Um so mehr mußte ee über- raschen, al« französische Blätter und Korrespondenten vor etwa acht Tagen mit einer gewissen Zuversicht meldeten: die französische Regierung habe zur Ausgleichung de« Machtzuwachses, welchen Preußen in Folge des letzten Kriege« gewonnen habe, auch für Frankreich eine Ge- bietSerweiternng und zwar auf Kosten Deutschlands in Antrag gebracht. Die Bestimmtheit, mit welcher die Nachricht auftrat, rief überall in Preußen nnd in ganz Deutschland eben so großes Befremden, wie lebhafte Be- sorgniffe wegen einer neuen Störung de« Frieden« her« vor. Diejenigen freilich, welche die Politik des Kaisers Napoleon mit Aufmerksamkeit verfolgt hatten, hielten sich von vorn herein für berechtigt, an der Bcgründuiig jener Besorgnisse zu zweifeln. Sie waren überzeugt, daß der Kaiser die Politik der Weisheit nnd Gerechtig- keit, welche ihm die Anerkennuitg der Regierungen und der Völker nnd eine Stellung voll Autorität in Europa eingetragen hat, nicht plötzlich ausgeben würde, daß er zumal von der Achtung vor berechtigten nationalen Wünschen und Bestrebungen, welche ihn in seiner Hand- lungSweise seither geleilet hat, Deutschland gegenüber nicht abweichen würde. Die Anerkennung, welche die Politik des Kaisers überall in so vollem Maße gesunden hat, ist eine Quelle der Genugthuung und der Beriihi- gung für Frankreich eben so sehr, wie eine Grundlage mehr für die danernde Befestigung des Kaiserhauses in- mitten der europäischen Fürstenhäuser geworden. Die widerstrebendsten Geister haben sich der Macht dieser Thatsache nicht entziehen können. Welche« Interesse, welche Begehrlichkeit nach unbedeutendem Ländererwerb sollte den Kaiser bestimmen könneii, durch Abwendung von seiner bisherigen Politik die Gemüther, die er für sich gewonnen hat, sich zn entfremden? Die Thal« fachen stehen mit solchen Erwägungen im Einklänge. In dem Meinnngs-AuStausch über die politische Nenge- staltung Deutschlands hat sich stets und bis zur Stunde gezeigt, daß es der Regierung des Kaisers Napoleon , so sehr sie über den berechtigten Interessen Frankreichs wacht, doch fern liegt, au« den gegenwärtigen Verhält- nissen einen Anlaß zu Schritten zu entnehmen, welche die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Preußen irgendwie stören könnten, daß der Kaiser vielmehr in voller Uebereinstimmung mit de» bisherigen Grundsätzen seiner Politik entschlvsse» ist, Deutschland in der EntWickelung wahrhast nationaler Einrichtungen »ngehindert gewähren zu lassen. Wenn entgegengesetzte Aiiffaffungen auf Grund inißyerstaiidener Andeutungen über die Absichten de» Kaisers Verbreitung gefunden haben, so scheint die« vorzugsweise von dem Einflüsse der Parteien in Frankreich herzurühren, welche in Oppo- sition gegen die kaiserliche Regierung die französische Po- fitik in bedenkliche Bahnen zu drängen suchen. Gleicherweise gehl der vorgestrigeAbendmoni- leur" in seinen friedlichen Versicherungen noch wci- ter als die mehrfach angezogene Note desConsti- lutionell." Die cfficiöse französische Presse bemüht sich, die Meinung hervorzubringen, daß Frankreich der Gedanke eines Bruches fern liege. Doch muß man daran festhalten, daß die Verhandlungen we- gen Gebietscompensationen mit Frankreich nicht ge- schlössen sind. Die französische Regierung hat bis jetzt noch nicht auf jedes eigene Interesse für ihre Vermittlerrolle verzichtet und dehält sich ihr eigenes Programm vor, bis sie von Preußen die gewünsch. ten Aufklärungen erhalten. In demselben Sinne faßt auch der gewöhnlich gut unterrichtete Cor- rcspondent derKöln . Ztg." die Sachlage auf. Hoffentlich, sagt er, wird sich auch in dem weiteren Verlauf der Verhandlungen eine wirklich friedliche Absicht der französischen Regierung kund geben. Er will die Angabe auf sich beruhen lassen, daß Frankreich zn einem bedrohlichen Vorgehen, nament- lich mit seinem Pferdebestande, im Rückstände sei und was der pessimistischen Auffassungen mehr seien. Die Friedensverhandlungen zwischen Preußen und Oesterreich, schreibt dieProv.- Corr.", dürften bald zu einem erwünschten Abschluß führen; sie haben nur durch unumgängliche Aus- einandersetzungen eine kurze Verzögerung erfahren. Nicht geringe Schwierigkeiten bietet namentlich die Auseinandersetzung über den Antheil am Bundes- eigcnlhum dar. Die Verhandlungen mit den süddeutschen Staaten werden in Berlin von dem Ministerpräsidenten Grafen Bismarck selbst ge- leitet. Mit Würteniberg ist bereits ein Friedens- vertrag zu Stande gekommen, ein Gleiches dürfte Baden gegenüber bald erfolgen. Mit Darmstadt schweben die Verhandlungen noch. Mit Bayern haben die Verhandlungen eine Unterbrechung er- fahren, während der Wassenstillstand mit Bayern am 22. August abläuft. Als Grund der Unter- brechung wird bald das Verlangen Preußens wegen gewisser Gebietsabtretungen zur Entschädigung Hessen -Darmstadts angegeben, bald die Höhe der KriegSkostcn, welche in unverbürgter Weise auf 20 Millionen Gulden veranschlagt worden. Man vermuthet, daß partikularistische Einflüsse, die auf einen Conflict mit dem Auslände spcculiren, auf Bayern einwirken. Wie dieKreuz-Ztg." erfährt, hat sich Würkemberg verpflichtet, an Preußen 8 Millionen Gulden zu zahlen, wogegen dem Groß- herzogthnni Hessen-Darmstadt eine Kontribution von 7 Millionen auferlegt sei. Wie bestimmt verlautet, ist die Einverleibung von Hanno- v e r, K u r h e s s e n, Nassau und Frankfurt in Preußen entschieden und sollen die betressenden Vorlagen sogar schon in nächster Zeil den preußi« schcn Kammern dieRhein.-Zig." will wissen, schon in nächster Sitzung unterbreitet werden. Die Verhältnisse Oberhessens können nur durch den Friedensschluß mit Darmstadt geregelt werden, welcher wieder mit dem Friedensschluß mit Bayern insofern zusammenhängt, als das letztere zu einer GebielSentschädigung an Darmstadt veranlaßt wer- den soll. DieProv.-Corr." äußert sich folgender- gestalt über die bevorstehende Einverleibung der von Preußen besetzten norddeutschen Staaten: Die norddeutschen Staate», welche auf Grund des rechtswidrigen Beschlusses de« früheren Bundestage« vom 14. Juni die Waffen gegen Preußen ergriffen haben, sind in Folge der Siege unserer Heere durchweg i» Preußens Hand. Unsere Regierung ist nach dem Böl- kerrecht befugt, die betreffenden Länder dauernd in Besitz zu nehmen, und bei den seitherigen Friedensverhand- lungen ist dafür gesorgt worden, daß ihrer völlig freien Verfügung darüber, außer in Betreff Sachsen?. kein« Bedenken entgegentreten. Bei der weiteren Entscheidung über die in Rebe stehenden Länder kann nur da« ge- ineinsame Interesse Preußen» und Deutschlands maßge- bend sein, vor welchem alle sonstigen Rücksichten unbe- dingt zurücktreten müssen. Vor Allem muß dabei in Betracht kommen, daß jene Länder, wenn sie in ihrer volle» Ausdehnung oder auch in geringerem Umsauge eine selbstständige Regierung behielte», vermöge ihrer Lage mitten inne zwischen den bisher getrenuten Thei- len Preußens bei einer feindlichen oder irgend iinsichere» Stellung den Aufgaben unserer Politik die erheblichsten Hindernisse bereiten und einen Heerd gefährlicher Wüh- lereien gegen Preußen bilden könnten. Die preußische Regierung wird daher von dem Recht, welche« sie durch die Entscheidung der Waffen errungen hat, vollen Ge« brauch machen und mit den erforderlichen Maßregeln zur Vereinigung der betreffenden Länder mit Preußen unverweilt vorgehen. Sie darf vertrauen, durch Festig- keit und zugleich durch schonende Behandlung berechtig- ter Eigenthiimlichkeiten und Empfindungen die Bevölke- rungen der neu erworbenen Länder allmälig eben so fest und innig mit dem Scepter der Hvhenzollern»nd mit dem preußischen Staate zu verknüpfen, wie alle die Lan- destheile, welche im Laufe einer wunderbareu Geschichte im Osten und Westen zu dem ursprünglich kleine» Kern der brandenburgischen Lande hinzugetreten sind. Be- reit» sind Schritte geschehen, um die Verwaltung der in Besitz genommenen Staaten weiter zu regeln. Der Ge- ueral v. Voigts-Rhcy, einer utiserer angesehensten Generale(bisher Ehef de« Generalstabes der zweiten Armee), ist zum General-Gonverneur von Hannover er- nannt, der frühere Finanzminister, Freiherr v. Pa- tow, mit der oberen Leitung der gesammten Berwal- tung der»euerding« von der Main -Armee okkupirten Staaten(Frankfurt a. M., Nassau, Oberhesseu nud Fran­ken) beauftragt worden. Die Verwaltungsverhältnisse