Rr. 1417. Berlin , Mittwoch den 12. September 1866. Zweiter Lahrgaag. SodlUGtmolinit. Diese Zeitung erscheint drei Mal wöchentlich und zwar- Dienstag«. Donnerstag« und Sonnabends Abends. Organ der social-dcmokratischcn Partei. Redaction und Expedition- Berlin . Alte Jakobstraße Nr. 67. Abonnements-Preis für Berlin incl. Bringerlohn: vierteljährlich 15 Sgr., mo- natlich 5 Sgr., einzelne Nummern 1 Sgr.; bei den Königl. preußischen Post- ämtern 15 Sgr., bei den preußischen Postämtern im nichlpreußischen Deutsch - land I2>/2 Sgr., im übrigen Deutschland 26 Sgr.(fl. 1. 10. südd., fl. 1. öfter r. Währ.) pro Quartal. Bestellungen werden auswärts auf allen Postämtern, in Berlin auf der Expedition» von jedem soliden Spediteur, von der Expreß-Tompagnie, Zimmerstraße 48», sowie auch unentgeltlich von jedemrothen Dienstmann" entgegen genommen. 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Die Ratification der- jenigen Verträge, mit welchen die Regierungen von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg -Etrelitz diesem Bündnisse beigetreten sind, ist am 10. Sept. erfolgt. Die Verhandlungen mit Sachsen neh- inen dagegen einen sehr langsamen Fortgang und beziehen sich, nach derNordd. Allg. Ztg.", über- Haupt noch nicht auf die zukünftige Stellung Sach- sens im norddeutschen Bunde. Preußen stellt als Vorbedingung für die Friedensverhandlungen die militärische Räumung der Festung Königstcin, eine Forderung, die jedoch bis jetzt noch nicht zugestan- den ist. Die durch dieDebatte" verbreitete Nach- richt, daß der König von Sachsen zu Gunsten sei- nes Sohnes abdanken wolle, entbehrt ebenfalls der Bestätigung. DieFrance " will sogar wissen, daß die Hoffnung nicht ungerechtfertigt sei, daß ein zwischen den Souveränen von Preußen und Sach- sen bestehender Briefwechsel, zu dem König Johann die Initiative ergriffen habe, nicht ohne Einfluß auf die Entschließungen des Berliner Cabinets sein werde. Die Bestätigung dieser Mittheilung wird jedoch sehr abzuwarten sein. Die sogenannte de- mokratische Partei in Sachsen hat ein Programm veröffentlicht, in welchem sie von ihren Kandidaten zum Parlament des norddeutschen Bundes verlangt: daß sie bei ihrem Eintritt in den norddeutschen Reichs- tag gegen die Dreitheilung, wie gegen jedwede Theilunz und Verkleinerung Deutschland « prolestiren, und die nord- deutschen Staaten, wenn auch zeitweilig von Süddeutsch- land getrennt, nur als einen Theil Deutschlands be< trachten; daß sie die Zusammenstellung eines Parlament« fordern, da« von allen deutschen Staaten, selbstverständ- lich mit Einschluß Deutsch -Oesterreichs , beschickt wird, und mindestens mit derjenigen Machtvollkommenheit auö- gestattet ist, welche die deutsche Reichsverfassung von 1849 vorschreibt, und endlich ein dann folgendes Programm zur Richtschnur annehmen und zu verfechten entschlossen ist, das so viel Forderungen enthält, daß, wenn sie überhaupt alle zur Ausführung kommen können und sollen, die demokratische Partei in Sachsen die Vorbereitungen auf einen Kampf von mindestens einem paar hundert Jahren wird treffen müssen. UnS beschäftigen vorläufig besonders einige Fra - gen, die für die Bildung des Parlaments für den norddeutschen Bundesstaat von Wichtigkeit sind. Tie Ccmmission des preußischen Abgeordnetenhauses hat alle Zusatzbestimmungen zun, Wahlgesetz für das Parlament über Diäten, Reisekosten, Stell- vertrelungSkosten, Verhaftung der Mitglieder des Parlaments, und straflose Berichterstattung über seine Verhandlungen in der Presse abgelehnt, weil es nicht zuträglich erscheine, für weitere Bestimmun- gen, die nicht in das Wahlgesetz gehörten, die Jni- tiative zu ergreifen und weitläufige Detailfragen zu ordnen, die zwar von höchster Bedeutung für die Constituirung und Wirksamkeit eines Parla- mentes, aber doch nickt absolut nothwendig für seine Thätigkeit sind, namentlich so lange es sich um eine einmalige, sck Koo berufene Versammlung handelt. Wenn es nun auch richtig ist, daß diese Bestimmun- gen nicht unmittelbar in den KreiS des Wahlgesetzes gehören, so ist eS doch auch richtig, daß diese Be- stimmungen von der größten Wichtigkeit für den Charakter des norddeutschen Parlaments, ja sogar für die Annahme desselben von Seiten des deutschen Volkes sind. Die Commission hätte deshalb unseres Erachtens die Pflicht, sich über diese Bedingungen, wenn sie auch nicht in das Wahlgesetz aufgenommen werden sollen, zu vergewissern. Die Fortschritts­partei hat zwar immer das allgemeine gleiche Wahl- recht im Princip anerkannt, nur war es ihr be- quem, dasselbe nicht auf ihr Programm zu stellen, weil es ihr noch nicht zeitgemäß erschiene. Vielleicht wäre ihr auch jetzt eine Hinterthür für das allge- meine gleiche Wahlrecht bequem, die dasselbe zwar anerkannte, aber doch nur Rentner wählbar machte. Der officiöse Wiener Correspcndent derKarls- ruher Zeitung" bemerkt zu dem Text des öfter- reichisch-preußischen Friedensvertrags: Ich weiß nicht, ob es schon irgendwo hervorgehoben ist, da der Text des österreichisch -preußischen Friedens- verirags in seinem politisch- inlernalionalen Theil fast wörtlich den französischen Entwurf wiedergiebt, wie er durch den Herzog von Gramont im Auftrag seiner Re- gierung redigirt und zur Annahme empfohlen war. Daß Artikel 4 des Vertrages eine wesentliche Abweichung von der betreffenden Festsetzung der Präliminarien enthält, insofern erst im Vertrage der Bildung eines süddeutschen Staatenbunde« mit der den Präliminarien nicht einver- leibten ausdrücklichen Maßgabe gedacht wird, daß der- selbe eineinternatiouale, unabhängige Existenz" haben soll, ist, soviel ich mich erinnere, bereits anderweitig be- merkt. Auch dieser auf nachträgliche Reklamation aus- genommene und sicher nicht bedeutungslose Zusatz cnt- spricht vollständig dem französischen Original, welche» jenem Bundune existence internationale et indepen- dante" vindizirt. DieNordd. Allg. Ztg." sprach sich kürzlich nach- drücklich, fast drohend, gegen die preußenfeindliche Haltung der belgischen Presse aus, so daß man versucht ist, in diesen Drohungen einen Borboten zu Verbot belgischer Blätter, wenn nicht zu weiter- gehenden Vorgängen, zusehen. DieFrance "' sagt: Das balboffizielle Journal des Berliner Cabinets führt gegen Belgien ungefähr dieselbe Sprache, wie gegen die annectirlen deutschen Staaten. Es bedroht diese« Land mit dem Zorn Preußen«, wenn die belgische Presse fortfahre, von der Politik des Grafen Bismarck anders alsSiäcle" undOpinion nationale" zu sprechen. Will denn Preußen in Europa die Polizei führen? DieNordd. Allg. Ztg." läßt sich indeß da- durch nicht abhalten, in ihrer neuesten Nummer wegen der Haltung der österreichischen Presse eine noch drohendere Sprache gegen Oesterreich zu füh- ren. Sie sagt unter Anderm: Die österreichische Regierung trifft hier eiue sehr schwere Verantwortung, sie läßt dasselbe Treiben gegen Nachbarstaat und früheren Verbündeten wieder hervor- brechen, welches vor dem Kriege so herrlich in Bliithe stand. Will man sich in Wien durch diese Bedrohung, Verhöhnung und Verachtung des kaum abgeschlossenen Friedens den Schein vollster politischer Unabhängigkeit geben? Das dürfte doch vergeblich fein. In Europa ist kein Zweifel darüber daß Oesterreich nur al» franzS- sischer Protectionsstaal existirt. Oesterreich hätte sich nach den Niederlagen in Böhmen leicht mit Preußen verstän- digen und günstigere Bedingungen, als die gegenwärligeN erhalten könne», aber e« verschmähte die Verhandlungen mit seinem früheren Bundesgenossen, e« begab sich unter sremdem Schutz und rief die Intervention des Kaiser» Napoleon an. Oesterreich wollte den Frieden, seine In- tegrität lieber der französischen Hülfe, als der Versländi- gung mit dem deutschen Preußen verdanken, es gab der Stellung al« französischer Protektionsstaat den Vorzug- Alle Schmähungen der Presse auf das preußische Volt und seine Regierung vermögen dieses Verhältniß nicht zu verhüllen. Die bereits mehrfach behinderte Adresse an den König von Preußen auf Erhaltung der Selbststäm keit Hannovers, welche mit 72,400 Unterschristea versehen und noch mit etwas mehr als 400 Er- gänzungserklärungen an ihr Ziel gelangt ist. hat diesen Weg zum großen Erstaunen der dortigen Behörden gefunden, trotzdem sie durch die verschie- denen Behinderungen und ConfiScationen die Sacke längst erledigt glaubten. Vom preußischen Civil- commissar ist deshalb an das hannoversche Ministe- rium die Anweisung ergangen,diesem agitorischeN Treiben durch geeignete nachhaltige Maßregeln Ein- halt zu thun, um sich nickt der persönlichen streng- sten Verantwortung durch Unterlassung derselben auszusetzen." In einer stattgefundenen Bersamm- lung liberaler Mitglieder des vormalig nassaui- scheu Landtages ist einstimmig beschlossen worden, eine Adresse an den König von Preußen und an den Grafen Bismarck zu richten. Die Adresse soll cie Anerkennung der Annexion Seitens der libera- len Landtagsmitglieder aussprechen und wegen einer dem Landesinteresse entsprechenden Verfügung übel die Domainen Vorstellung machen. Eine aus siebe» Mitgliedern bestehende Deputation wird die Adresse überreichen. DasFranks. Journ." versichert, daß der Krön- prinz von Preußen zum Vicekönig von Hannover bestimmt ist und bezeichnet als wahrscheinlich, daß Prinz Friedrich Carl in Zukunft in Frankfurt , vielleicht abwechselnd mit Kassel und Wiesbaden , residiren werde. Die Gerüchte einer Ministerkrisis' im österreichischen Kaiserstaate erhalten sich trotz aller Dementis, welche von den Organen vor