Nr. 161.Berlin, Mittwoch den 17. October 1866.Diese Zeitung erscheint drei Mal wöchentlichund zwar: Dienstag«. Donnerstag« undSonnabend« Abend«.Organ der social-demokratischen Partei.Redigirt von I. B. V. Hofstetten und I. B. v. Schweitzer.Zweiter Jahrgang.Redaction und Expedition-Berlin.Alte Jakobstrage Nr. 67.Abonnement«-Preis für Berlin incl. Bringerlohn: vierteljährlich IE) Sgr., monatlich 5 Sgr., einzelne Nummern I Sgr.; bei den Königl. preußischen Post«ämtern 1b Sgr., bei den preußischen Postämtern im nichtpreußischen Deutsch-land iLVs Sgr., im übrigen Deutschland 20 Sgr. sfl. 1. 10. südd., st. 1. österr.Währ.) pro Quartal.Bestellungen werden auswärt« auf allen Postämtern, in Berlin auf der Expedition,von jedem soliden Spediteur, von der Expreß-Tompagnie, Zimmerstraße 48», sowieau.ü unentgeltlich von jedem„rolhen Dienftmann" entgegen genommen.Inserate sin der Expedition auszugeben) werden pro dreigespaltcne Petit-Zeile beiArbtiter-Annoncen mit 1 Sgr., bei sonstigen Annoncen mir Sgr.»-rechnet.Agentur für England, die Colonieen und die überseeischen stäpder: dir.»rucker, 8. I,>ttls New-Port-Agentur für Frankreich: 0. A. Alexandre, StrasBbonrg, 5. Kue Brnlee; Paris, 2. CourStreet, Leicester-Square W. C. London.du Commerce Saint-Andre-des-Arts.Politischer Theil.Berlin, IK. October.Die Productiv-Assoctallonen haben unsin unserm vorige» Artikel beschäftigt und heulesollen sie noch einmal der Gegenstand unserer Be-sprechung werden.Auch die Bourgeoifie-Oekonouiie befürwortet dieGründung von Productiv-Asiociationen— freilichauf Grund de«„SparenS"; allein worin unter-scheiden sich die Productiv-Associationen, welche dieBourgeoisie für die Arbeiter will, von jenen Associationen, deren Idee sich auS der Arbeiterklasie selbstheraus entwickelt hat?Blicken wir aus Frankreick, dieses merkwürdigeLand, wo seil länger als einem Menichenaltcr derSocialismus nicht' nur tief wissenschaftliche Fehdenmit den Vorkämpfern der liberalen Bourgeoisie ge-führt, wo er auch Schlachten in den Straßen dergroßen Hauptstadt geschlagen und wo er friedlichund ruhig, aber zäh und beharrlich, in lebendigenEinzelschöpfungen sich versucht hat.Worin unterscheiden sich im innersten Grundealle jene französischen Arbeiter-Asiocialionen vonden Provuctiv- Associationen, welche die Bourgeoisieden Arbeitern anrälh?Die von der Bourgeoisie befürworteten Produc-tiv-Asiociationen sind Schöpfungen, welche auf demBoden des Bestehenden fußen. Es sind industrielleUnternehmungen wie alle andern, nur mit dein Un-terschiede, daß eine Anzahl Arbeiter in kleine Bour-geois verwandelt werden sollen: die Arbeiter näm-lich, die sich zur Association zusammenthun.Die Productiv-Asiociationen hingegen, die auSdem treibenden Inner» der französischen Arbeiter-klaffe hervorgegangen sind, waren von jeher auf dieErkenntniß gegründet, daß sie der Sacke der Zu-kunst, einem neuen Zustande, Bahn zu brechen hät-ten. Sie waren nicht gewöhnliche ErwerbSvereini-gungen zum Geldvertienen, sondern sie hatten einenallgemein socialen Charakter.DieS zeigte sich nicht nur in allen Einzelheiten.es zeigte sich vor Allem in zwei Punkten: einmaldarin, daß in den Statuten immer ausdrücklich da-für Vorsorge getroffen war, daß nicht nur die erstenBegründer, sondern auch in Zukunft alle Arbeiter,unter gewiffen unerläßlichen Voraussetzungen, ander Association und ihren Voriheilen sollten Theilnehmen können, und ferner darin, daß, mit erstererBestimmung i» Zusammenbang stehend, immer ei»gemeinsamer Fond gegründet und zu allmähligemAnwachsen bestimmt ward; ein Fond, der nicktden einzelnen Associirlen gehörte, sondern der alswirklich gemeinsames Eigenthum der Gesammtheit,allen gegenwärtigen und künftigen Mitgliedern derAssociation, zustand.Mit einem Wort: Die Productiv-Asiociationen,wie sie die Bourgeoisie für die Arbeiter will, sindgewöhnliche Erwerbsunternehmungen und Gelb-spekulationen ohne irgend eine liefere sittliche Grund-läge; die Productiv-Asiociationen, wie sie aus derfranzösischen Arbeiterklasie sich entwickelt haben,sind sociale, den ganzen Menschen berührende, aufeiner tief sittlichen Grundlage beruhende Versuchezur Verwirklichung einer großen civillsatorischenIdee.Darum dort gewöhnlicher Krämergeist— hierder großartigste Genieinsinn und Opfermuth!Wovon vielleicht ein ander Mal mehr!—Rundschau.Berlin, 16. October.Fast könnte es jetzt scheinen, als wenn in ganzDeutschland, v. h. auch zwischen Preußen undSachsen, ein Friedensschluß zu Stande kowmeusollte. So berichten wenigstens die meisten große-ren sächsischen und preußischen Zeitungen. Ueberden Inhalt herrscht freilich noch völlige Unsicherheit.Nach der„B. B.-Z." ist preußischerseits als rasMindeste die Räumung des linken ElbuferS vonsächsischen Truppen verlangt worden, während letz-lere das rechte Elbufer innehalten sollen. Nachder„N. Pr. Ztg." lst es gerade umgekehrt. EineCorreiponvenz der„Nat.-Ztg." aus Dresden be-stätigl die Anordnung der„N. Pr. Zig.". fügtaber bei, daß jetzt gar nicht ein definitiver Friede,sondern nur ein Abkommen zu. Stande gebrachtwerde, das seine endgillige Regelung durch dennorddeutschen Bund erhalten solle. Die öffentlicheMeinung, wie auch ein großer Theil der PressePreußens zeigen sich jedoch einer solcher Berein-barung wenig geneigt.— Die liberal-nationalePartei in Sachsen hat nach zweimonatlicher, inFolge des Verbots politischer Versammlnng erfolg-ter Unterbrechung in einer sehr zahlreich besuchtenVersammlung in Leipzig folgenden Beschluß ein-stimmig angenommen:Wir fordern wiederholt die sofortige Enttasiunz dersächsischen Soldaten in ihre Heimath und können nichtanerkennen, daß irgend eine andere als dynastische Rück-ficht den Ausschub dieser Entlassung rechtfertige. Wirpro'esliren zugleich dagegen, daß zur Erhaltung dieserArmee im fremden Lande der au« Sachsen sortgesührteStaatsschatz oder auch nur diejenigen Mittel serner ver-wendet werden, welche sogar von der letzten Stände-Versammlung nur zur Führung eine« BundeSkriege«,der nunmehr beendet ist, verwilligt worden sind.In Stuttgart ist die Adreßdebatle am 13. Oct.unter Annahme des Fünfzehnerentwurfs mit 61gegen 2b Stimmen beendet worden. Holder, Streich,Feiger, der Kammerpräsident Weber u. A. hattensich im Laufe ter Debatte für die„zwingende Roth-wendlgkeit des Anschlusies an Preußen" gegen denCommissionsanlrag ausgesprochen. Scholl, Mehlund besonders die Föderativ-Republikaner Oesterlenund Becker sprachen mit großer Heftigkeit gegen„die Gewaltpolitik, den preußischen Militärstaai"»c,und trugen den Sieg davon.— In Franksurlwurde am 8. October während der Feierlichkeitder Verkündigung des Besitzergreifungspalentes imKaisersaal zu Sachsenhausen eine schwarz-roth-gol«dene Fahne auf polizeilichen Befehl sofort nach demAufhissen wieder entfernt. Ebenso wurde die mitrpthen und weißen Rosen geschmückte ThemlS aufdem Brunnen vor dem Römer ihres Schmuckesentledigt, weil die Polizei darin eine Demonstrationgegen die neue Ordnung der Dinge zu erblickenglaubte. Neuerdings ist jedoch das durch den Gc»neral VoigtS-Rheetz erlassene Verbot des Gebrauchsvon außerpreußischen Flaggen wieder aufgehobenworden Ferner fand in voriger-Wocke zum erstenMale eine Ueberwachung der Frankfurter Mitglie-der des Allg. deutsch. Ärb.-Vereins statt, wie diesvon jetzt an bei allen politischen Versammlungender Fall sein wird.— Aus Wien wird der Rück-tritt des Grafen Meusdorsi als eine beschlosiencSacde bezeichnet. Die Stimmung im InnernOeslerreichs macht einen trostlosen Eindruck. DieNothwendigkeit innerer Refornieu ist alle» Parteienklar, aber sie stellen die verschiedenartigsten Partei». Programme auf und befehden sich dieserhalb aufdas heftigste, ohne irgend welche Annäherung gegen-scitig finden zu können.—In Hollund bringt der„Staats-Courant" vom12. October nach der Auflösung der zweiten Kam-iner der Generalstaaten eine königliche Proclaniation,aus welcher wir folgende bezeichnende Stelle her-� vordeben:Die Erfahrungen der letzten Zeit haben überzeugendbewiesen, daß eine Uebereinstimmung und ein Zusammen-wirken mit der zweiten Kammer der Generalstaaten inihrer jüngsten Zusammensetznng nicht zu erlangen war;da« fortwährende Wechseln Meiner verantwortlichenRathgeber muß aus die Dauer schädlich werden für diemoralischen und materiellen Interessen der Nation; e«erlabmt dadurch die Kraft der Regierung, während dieBeständigkeit einer Richtung dieselbe in ihren Absichtenund deren Ausführung stärkt.Belgien hat gegenwärtig, just wie vor KurzemDeutschland, seine Freude an einem großen Schützen-feste. Nur daß man in letzterem die EinigkeitDeutschlands beloastete, und in Belgien die Ver-einigung der Völker.„Seid umschlungen Millio-nen, diesen Kuß der ganzen Welt", könnte dabei ge-jungen worden sein.In Paris erwartet man durchgreifende Verän«derungen im Ministerium und zugletck eine neueEpocke inneren Ausbaues und ökonomischer Ent-Wickelung. Von politischen Reformen ist dabei jedochnickt die Rede. Persigny's Idee ter Friedens-Milliarde zur Ausführung öffentlicher Bauten undzum allgemeinen Landesbesten unter Leitung desHerrn Haußmann, als Minister der öffentlichenArbeilen, spielt dabei eine große Rolle. Das krankeKaiserreich macht krampfbafte Anstrengungen zurErhaltung seiner Dynastie und wird dabei m demselben Maße conservaliv, als es die Begehrlichkeitder Masse zufrieden stellen möchte.— In Tülle sind50,000 Chasiepol'sche HinterladunzSgewehre bestelltworden zum Preise von 70 FrcS. d as Stück, wäh'