Nr. 170.

Berlin , Mittwoch den 7. November 1866.

Zweiter Jahrgang.

Social- Demokrat.

Diese Zeitung erscheint drei Mal wöchentlich und zwar: Dienstags, Donnerstags und Sonnabends Abends.

H

Organ der social- demokratischen Partei.

Redigirt von J. B. v. Hofstetten und J. B. v. Schweizer .

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Redaction und Expedition: Berlin ,

Alte Jakobftraße Nr. 67.

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Agentur für England, die Colonieen und die überseeischen Länder: Mr. Bender, 8. Little New- Port- Street, Leicester- Square W. C. London . Agentur für Frankreich : G. A. Alexandre, Strassbourg , 5. Rue Brulée; Paris , 2. Cour du Commerce Saint- André- des- Arts.

Politischer Theil.

Berlin , 6. November.

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,, Vergeblich wird der Absolutismus sich dem freien Menschengeist entgegenstemmen. Die Rä­der der geistigen Vorwärtsbewegung werden ihn erreichen, erfassen, zermalmen.... Wir werden auf diese Gesichtspunkte zurück­kommen, wenn wir in Anknüpfung an die Arbeit, welche wir eben unter dem Titel ,, Unser Partei standpunkt" veröffentlichen, unfere social politische Stellung beleuchten werden.

fest, daß das einzig bindende Moment nicht in einem zwangsweisen Zusammenfassen von Elemen ten liege; das Brincip der Rechtsverwirkung sei unverträglich mit politischer Freiheit. In den letz= ten Ereignissen sehe die Regierung eine Mahnung Die Hecker'schen Briefe wurden von uns zur beschleunigten Verfolgung der betretenen Bahn. nach der Köln . 3tg." mitgetheilt. Nunmehr wer Die mit dem ungarischen Landtage über eine ge­den in der N. Bad. Landesztg." auch die in dem meinschaftliche Behandlung der gemeinsamen Inter­erstgenannten Blatte ausgelassenen Stellen mitge­effen gepflogenen Verhandlungen seien nun wieder theilt. Es sind vorzugsweise solche Stellen, welche aufzunehmen. Der Entwurf der Subcommission fich gegen die politische Natur der in Preußen maß­des Landtags biete beachtenswerthe Anknüpfungs gebenden Elemente richten. Indessen, die nachträg Rundsch a u. punkte für die Grundlage zur Verständigung dar. liche Veröffentlichung dieser Stellen ändert durch­Der Gedanke von der Zusammengehörigkeit der Berlin , 6. November. aus nichts an der Gesammttendenz und der Be­einzelnen Reichstheile zur Sicherung der wichtigsten deutung des Briefes. Denn es versteht sich von Noch immer ist es der Ministerwechsel in Dester Interessen sei darin anerkannt. Die Aufgabe der selbst, daß ein Republikaner mit dem in Preußen reich, sind es die sich daran knüpfenden Befürch) Regierung sei es, ihre Ansichten dem ungarischen herrschenden inneren Regime nicht zufrieden sein tungen und Hoffnungen für die fünftige Gestaltung Landtage in voller Offenheit darzulegen, damit bei fann, ja man braucht hierzu noch lange nicht Re- der Dinge in Deutschland , welche als Haupt- der Fortsetzung der Verhandlung diese Grundsäge publikaner zu sein. Was den Briefen Hecker's thema der politischen Tagesdiscussion erscheinen. consequent durchgeführt würden und practisch zur Interesse verleiht, das ist die Frage der nationalen Zur Beurtheilung des erwähnten Ereignisses liegen Geltung fämen. Das officiöse Wiener Journal" Einheit, und in dieser Beziehung treten drei Ge- inzwischen neue Materialien vor. Herr v. Beuft vom 4. November bringt einen längeren Artikel, sichtspunkte deutlich hervor: selbst hat gesprochen und die österreichische Regie- worin es u. A. mit Beziehung auf Beuſt beißt: rung in halb officiellen Stimmen sich vernehmen lassen. Ein gleichzeitig mit der Publikation des Rücktritts der Grafen Mensdorff und Esterhazy von der Wiener Zeitung " veröffentlichtes Rundschreiben an die kaiserlichen Missionen im Auslande, welches Herr v. Beust bei seinem Antritte erlassen hat, enthält nachfolgende Stellen:

1) Hecker freut sich der Demüthigung und Nie­derlage Desterreichs. Diese seine Anschauung con­centrirt sich in den Worten:

Daß Desterreichs Einfluß auf Deutschland dahin ist, halte ich für eins der glücklichsten Ereig­niffe. Diese mehr slavische Macht benutzte ihren Einfluß seit fast drei Menschenaltern nur gegen die Kraft und Machtentwickelung der deutschen Nation."

2) Hecker ist der Ansicht, daß durch das Vor­geben Preußens die deutsche Nation der Einheit, der nationalen Macht und Größe näher gebracht ist. Dies spricht er vorzugsweise in folgenden Worten

aus:

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Eines hat die Nation heute bereits gewon­nen. Sie fühlt, glaubt und sagt es, daß sie am Punkte steht, eine Machtstellung einzunehmen eine gewaltige Stellung innerhalb der Grenzen von Europa . Der Partikularismus versinkt. Die getrennten Glieder des Körpers formiren sich zum gewaltigen Leib."

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Die Vermuthungen, welche die Oppositionsblätter ihren Lesern mit großer Beharrlichkeit mittheilten, daß zwischen diesem Staatsmanne und dem Ministerpräsiden ten ein politisches Einvernehmen gar nicht berfustellen sei, sind in den letzten Tagen verstummt. Sie wurden selbstverständlich nie von besser unterrichteten Personen gehegt und verdanken ihren Ursprung keinen Thatsachen, sondern nur gewissen frommen Wünschen. Das Ministe So sehr es mein Wunsch ist, die auf einem rium hat jetzt an Kraft gewonnen, ohne im Geringsten anderen Felde der Thätigkeit gesammelten Er- etwas an Einigkeit eingebüßt zu haben... Desterreich fahrungen diesem Dienste nugbar zu machen, hat viele Gründe, sich auf sich selbst zurückzu­so betrachte ich mich gleichwohl als von meiner zieben, um fremden Interessen weber nahe zu politischen Vergangenheit von dem Tage an treten, noch dieselben zu seinen eigenen zu getrennt, wo ich nach dem Willen Sr. faiserlichen machen. Wir sind vor Allem der Ruhe bedürf Apostolischen Majestät Desterreicher werde und ich will tig und müssen danach trachten, diese für uns zu erhal­davon in meine neue Stellung nur das Zeugniß eines ten, selbst wenn andere Mächte, thatendurstiger als wir, tiefverehrten Fürsten hinübernehmen, dem ich mit Eifer den Frieden nicht als ihr erstes Ziel in's Auge fassen und Treue gedient zu haben mir bewußt bin. Nament sollten. Was Rußland nach dem Krimkriege versuchte, lich würde es heißen, mir bei dem Beginne meiner sich im Innern zu sammeln, Kraft zu gewinnen durch neuen Laufbahn ein seltsames Vergessen meiner Pflichten innere Thätigkeit, das muß auch jetzt unsere Aufgabe zutrauen, wollte man mich für fähig halten, Vorliebe sein. oder Groll hineinzutragen, wovon ich mich übrigens plomatische Thätigkeit des neuen Ministers wohl zumeist Obgleich die di­vollkommen frei fühle. in's Gewicht fallen muß, so legen wir darum feinen geringeren Werth auf den Nutzen, welchen sein Eintritt in die Regierung auch für die Entwicklung der innern Angelegenheiten haben wird. Freiherr v. Beust hat sich in einer langen öffentlichen Laufbahn als ein treuer An­hänger des konstitutionellen Prinzips bewährt(?). Wä­ren die Anschuldigungen in Wahrheit begründet gewesen, dere Minister der Krone gemacht wurden, daß sie An­welche öfters, wohl nicht in gutem Glauben, gegen an­hänger des Absolutismus wären, so würde allerdings unmöglich gewesen sein eine Einigung zwischen ihnen und dem jetzigen Minister der auswärtigen Angelegen heiten. Man kann ähnliche Ausstreuungen wohl jetzt als definitiv beseitigt ansehen. Noch in diesem Mo­nate werden im ganzen Kaiserstaate die Be strebungen der Regierung, eine Einigung des erzielen, in so unverkennbarer Weise hervor­Reichs auf parlamentarischer Grundlage zu treten, daß wohl Niemand hinfort wagen wird, den konstitutionellen Charakter des Ministe riums in Frage zu stellen. Wenn man nun den

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möge man nicht zweifeln, jener Politit des Friedens und der Versöhnlichkeit treu bleiben, die sie ieberzeit geübt hat.

standenen Kampfes ihr daraus eine Nothwendigkeit macht, Wenn aber der unglückliche Ausgang eines jüngstbe­so legt ihr derfelbe zugleich die Pflicht auf, mehr als je sich auf ihre Würde eifersüchtig

Die kaiserliche Regierung, die heute alle ihre An­3) Hecker und dies ist selbstverständlich strengungen dahin richten muß, die Spuren eines un­hofft, daß aus dem absolutistisch einheitlichen Deutsch - heilvollen Krieges verschwinden zu machen, wird, daran land zuletzt ein freies einheitliches Deutschland werde. Man hat so gethan, als werde durch die nachträgliche Veröffentlichung der erst ausgelassenen Stellen der Briefe der Character dieser letzteren völlig geändert. Es ist zwar klar, daß man jene Stellen von Anfang an mit zu veröffentlichen ver­pflichtet war; allein der Character der Briefe im zu zeigen. Großen und Ganzen ist durch) jene Auslassungen Die halbofficielle Wiener Abendpost" vom wenig verändert worden. 3. November constatirt in längerem halbofficiellem Der dritte Gedanke Heckers ist nämlich, wie Artikel, daß unter den Friedenswerken die Lösung bereits angedeutet, der: daß die Sache der Freiheit des innern Verfassungsconflicts die erste Aufgabe schließlich doch triumphiren müsse. Dieser Gedanke der Regierung sei. Der Weg, den die Regierung aber liegt, sehr kräftig ausgesprochen, vollständig in der von Anfang an veröffentlichten Stelle des zweiten Briefes, welche lautet:

bisher betreten, sei der Weg der Vereinbarung mit den Vertretungen der Länder der ungarischen Strone; die Regierung halte entschieden an dem Gedanken