Nr. 180.

Berlin , Freitag den 30. November 1866.

Bweiter Jahrgang.

Social- Demokrat.

Diese Zeitung erscheint drei Mal wöchentlich und zwar: Dienstags, Donnerstags und Sonnabends Abends.

Organ der social- demokratischen Partei.

Redigirt von J. B. b. Hofstetten und J. B. v. Schweißer.

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Redaction und Expedition: Berlin ,

Alte Jakobftraße Nr. 67.

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Unser Parteiprogramm.

I.

Fest und unwandelvar, auf eberner Grund­lage ruhend, sind die Principien der socialen Demokratie, unwandelbar sind ihre Ziele und Zwecke.

Aber eine jede Partei bedarf gewisser Mittel zur Förderung ihres Strebens und ob auch das Streben selbst das gleiche bleibe die Mittel können sich ändern.

Aber darin find wir ja Alle einig, daß wir in seiner ganzen Fassung und den Hauptgrund­die sociale Lösung der Arbeiterfrage nur von lagen nach mit einem ältern Entwurf überein, welcher einem Voltsstaate verlangen fönnen, von aus den Commissions- Berathungen des Abgeord Er hat, wie einem Staate, in welchem die wesentlichsten netenhauses hervorgegangen war. Bolfsrechte sichergestellt sind und der Schwer- dieser, als leitende Grundsäße angenommen: 1) Daß die Genossenschaft unter einer bestimm punkt im Volke liegt. Nur von einem solchen ten Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten Staate kann die deutsche Social- Demokratie eingeben könne, und daß diese Firma auch bei dem die sociale Lösung der Arbeiterfrage verlangen: Wechsel der Personen als das berechtigte und ver denn niemals, niemals sollen die deutschen pflichtete Rechtssubject anzusehen sei. Arbeiter zum Werfzeuge herrschsüchtiger Junker 2) Daß die Genossenschaft nach außen hin heruntersinken. durch einen Vorstand nach allen Seiten hin ver­treten werde.

Insofern also, um dieses Gesichtspunktes Denn die äußeren Verhältnisse, in denen willen, ist die politische Seite der Sache auch eine jebe Partei sich bewegen muß, der that- eine Vorbedingung der focialen, und diese sächliche Grund, auf welchem sie fußet, die politische Seite gerade ist es, die wir nunmehr ganze politische Sachlage, können sich ja zu betrachten haben. ändern und es ist klar, daß mit solcher Aenderung der thatsächlichen Verhältnisse zwar nicht die Ziele, wohl aber die Mittel jeder vernünftigen Volkspartei sich ändern müssen.

Politischer Theil.

Berlin , 29. November.

3) Daß die Solidarhaft der Genossen auf eine

Solidarbürgschaft reducirt werde, welche dann in zur Befriedigung ihrer Gläubiger nicht ausreicht. Kraft tritt, wenn das Bermögen der Genossenschaft

Nur in einem sehr wichtigen Punkt besteht eine Abweichung, die, wie wir fürchten, das Zustande= kommen des Gesetzes verhindern könnte. Sie liegt im§. 4, welcher die ,, Anerkennung" der Genossen­schaft turch den Ober- Präsidenten der Provinz zur Oder glaubt man, dieselben Mittel, welche Bedingung für die Erwerbung der in dem ganzen z. B. eine französische Partei noch im Januar Die Schulze'schen Genossenschaften ha- Gesetze ausgesprochenen Rechte macht. Hiernac des Jahres 1848 für gut hielt, dieselben Mittel ben schon lange das Bestreben, in geordnete privat- beabsichtigt der Regierungs- Entwurf eine admini­rechtliche Stellung zu gelangen und mit Recht hat strative Einwirkung auf das Genossenschaftswesen, würde sie ruhig nach der Februarrevolution das preußische Abgeordnetenhaus sich dieser Sache welche seinem Charakter durchaus nicht entspricht. beibehalten haben. Glaubt man z. B., die angenommen. Es ist klar, daß auch wir jenten Die oben erwähnte vorberathende Commission­republikanische Partei, welche so trefflich die Genossenschaften bestes Gedeihen wünschen müssen, des Abgeordnetenhauses hat denn auch in ihrer ,, Reformbanquette" verwerthete, glaubt man, einmal darum, weil wir ja nie verkannt haben, daß Mehrheit diesen Paragraphen abgelehnt und die diese republikanische Partei hätte sich nach der jene Genossenschaften einiges Gute wirken fönnen, Erwerbung des Rechtes einer juristischen Persön Revolution noch weiter mit ,, Reformbanquetten" wenn man sich nur nicht einbildet, daß dadurch die lichkeit nur von der Eihtragung in das Handels­aufhalten sollen? Lage der Arbeiter nachhaltig und im Großen ge- register und selbstverständlich von der Uebernahme Auch wir leben in einer Zeit, wo es nöthig ändert werden könne; ferner aber auch darum, weil der sonst im Gefeße ausgesprochenen Pflichten ab­wir überhaupt wünschen müssen, daß man den Ar- hängig gemacht. Die Commission wollte jede be­ist, daß jede Partei neue thatsächliche Verhält beitern in ihren Bestrebungen, selbst wenn es irrige vormundende Einmischung ferngehalten wissen; die nisse an ihre bleibenden Principien halte, auf daß oder unnüße sein sollten, feine Hindernisse in den Mehrheit fürchtete, und mit vollem Recht, daß sie mit Sicherheit erkenne, welchen Weg sie Weg lege. Das Streben nach Freiheit und geord- neben den anerkannten" Gesellschaften die Cristenz am Besten wandle, um sich dem Ziele zu nähern. neten, jede Willkühr ausschließenden Rechtszuständen der nichtanerkannten gefährdet werde; daß diese Die Ereignisse dieses Jahres haben freilich ist uns gemeinsam mit den Anhängern der Schulze'- ,, Anerkennung" auf eine Concessionirung hinaus­nicht die tiefgehende Bedeutung einer französischen Richtung, und wir müssen daher auch wün- laufe, deren hemmender Einfluß auf anderen Ge­schen Februarrevolution, aber sie sind immer von schen, daß es allen bestehenden Genossenschaften ge- bieten schwer genug empfunden wird. Man fand entscheidendem Gewicht von entscheidendem lingen möge, die ihnen zukommende Rechtsstellung also in der betreffenden Bestimmung einen Rüd­Gewicht insbesondere für unser Vaterland. zu erlangen. Die Genossenschaften entbehren bis- schritt gegen die wirkliche Sachlage und machte das Prüfen wir also, was Angesichts des Neuen ber einer angemessenen Vertretung und der den Zustandekommen von dem Wegfallen jener Bestim juristischen Persönlichkeiten eigenen Erwerbsfähig mung abhängig. unser Parteiprincip von uns verlangt. feit, fönnen also auch nicht der Rechte theilhaftig Was wir in socialer Beziehung wollen, das werden, welche das deutsche Handelsgesetzbuch und kann durch politische Ereignisse, seien dieselben speciell die in diesem vorgesehene Publicität mittelft auch noch so bedeutend, nicht berührt werden. Eintragung in die Handelsregister bewirkt. Diesem Mag ja vorgehen in der Politik, was da will: Uebelstande muß sicherlich abgeholfen werden. Der Gegensatz von Kapital und Arbeit und Es würde hier zu weit führen, das Verhältniß mit diesem Gegensaze die Ausbeutung des der Genossenschaften zur bestehenden Gesetzgebung, Ueberhaupt muß bei dieser Gelegenheit hervor­Menschen durch den Menschen bleibt ja immer. besonders zum deutschen Handelsgesetzbuche, aus gehoben werden, daß die preußische Regie­In socialer Beziehung also ist die Sache führlich zu entwickeln, wie es in dem im Frühjahre rung, obschon ihr Mande gern den An­erstatteten Commissionsberichte des preußischen Ab- schein der Arbeiterfreundlichkeit geben gar einfach: Nach wie vor und wie auch immer geordneteuhauses geschehen ist. Aber wir wollen möchten, doch in Wahrheit noch nichts für die Dinge sich politisch weiter gestalten mögen, wenigstens furz bemerken, wie die Sache in Preußen die Arbeiter gethan hat, selbst da nicht, bleibt unsere sociale Forderung: Emancipation steht. wo gar ein wesentliches Hinderniß ents der Arbeit aus den Fesseln des Kapitals. Der Entwurf der preußischen Regierung stimmt gegenstand, z. B. in der Coalitionsfrage und in

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Die Aufrechterhaltung dieses Paragraphen in dem neuen Entwurf der preußischen Regierung deutet darauf hin, daß sie nicht gesonnen ist, in diesem Punkte nachzugeben und es würde also neuerdings eine im Interesse der Arbeiter liegende Sache ver­schleppt und hinausgezogen werden.