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zu den Vereinigten Staaten , neben dem Wohlergehen der Ro­lonie von der prompten Lösung dieser Frage abhängen, ging das Bestreben der Sklavenhalter dahin, die im Prinzip nicht mehr zu vermeidende Aufhebung der Sklaverei in der That möglichst lang hinauszuziehen, um wie ein Mitglied gerade heraus sagte- die gesunden Sklaven noch möglichst ausnügen und bis zu den Befreiungsterminen für eine hin­reichende Rulieinwanderung sorgen zu können."

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Und dieses infame Klassenintereffe trug vollständig den Sieg davon. Nach dem angenommenen Gesezentwurf sollen von den faft 200,000 Sklaven nur jene sofort freigegeben werden, welche 55 Jahre alt sind und die feit 4. Juli 1870 geborenen Kinder. Am 17. September 1880 sollen dann alle Sklaven im Alter von 50 Jahren für frei erklärt werden; an demselben Tage des Jahres 1882 die von 45 Jahren, 1884 die von 40 Jahren, 1886 die von 35 Jahren, 1888 die 30jährigen und am 17. September 1890 alle bis dahin noch unfreien Stlaben. Ferner soll schon von jetzt ab eine nach Alter und Berufsart der Sklaven wachsende Lohnzahlung" stattfinden. Dann sollen in das Budget der Insel Cuba vom nächsten Jahre ab zur Entschädigung der Sklavenbefizer jährlich 700.000 Piafter zum Lostauf von 2000 Stlaven eingestellt werden, zum Preise von 350 Piafter per Kopf."

Daß dieser Sklavenhalter Gesezentwurf im Verein mit der damit im tausalen Zusammenhang stehenden Verzögerung frei händlerischer Handelsreformen und der Ablehnung der Aus­dehnung des Stimmrechts auf Cuba sehr böses Blut machen muß, ist selbstverständlich und es ist sehr wahrscheinlich, daß die Voraussage des Generals Martinez Campos in Erfüllung geht: daß sich Neger und Creolen nicht wieder wie im Jahre 1866 mit leeren Versprechungen und Vertröstungen abspeisen lassen und daß demnächst der Aufstand auf neue und kräftiger als je emporlod ert und schließlich zur Losreißung Cuba's von Spanien führt.

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Ueber die Zustände in Polen , über welche bisher so wenig Verlässiges in die Oeffentlichkeit drang, sind wir durch die erfreuliche Gründung eines polnischen Parteiorgans, des schon erwähnten Rownosch", nun in der Lage versetzt, uns genauer

informiren zu können. Allerdings wendet sich das in polnischer Sprache geschriebene Organ außer an seine Landsleute nur an einen sehr kleinen Kreis dieses Jdioms Mächtiger. Aus diesem Grunde veröffentlichen die Genossen als Beilage zum Rownosch" ein in französischer Sprache erscheinendes Bulletin", damit Europa die sozialistische Bewegung kennen lerne, welche sich in Polen erzeugt und damit es alle Gewaltthaten erfahre, welche die drei Regierungen gegen die polnischen Sozialisten verüben, und um die sozialistischen Organe, die Freunde der polnischen Sache sind, in die Lage zu versezen, die Arbeiter über alles zu informiren, was in dem Polen geschieht, welches sich anschickt, in die, allmählig in alle Länder der zivilisirten Welt eindringende, sozia­listische Bewegung einzutreten." Der ersten Nummer des von uns willkommen geheißenen Bruderorgans entnehmen wir nach­folgende interessante Mittheilungen.

Die Mauern der Warschauer Citadelle umschließen gegenwärtig 60 gefangene Sozialisten, von denen ein Theil im August 1878, der andere vor ungefähr sechs Monaten verhaftet worden ist. Unter der letzteren Gruppe befinden sich auch 6 Frauen. Das Hauptfontingent zu den Eingeferkerten lieferte die eigent: liche Arbeiterklasse; die Minderheit besteht größtentheils aus An­gehörigen der studierenden Jugend. Unter den Frauen befinden fich eine Petersburger Studentin und eine Landschullehrerin; die übrigen find Arbeiterinnen. Um einen Begriff von den kaiserlich russischen Gefängnissen zu geben, mögen die folgenden Thatsachen genügen. Einer der Gefangenen, der Arbeiter Baité, wurde von dem Posten getödtet, weil er aus dem Fenster seiner Zelle ges sehen hatte. Die über diese Schandthat empörten Leidensgenossen des unglücklichen Baité beschwerten sich über diese Art der Be­handlung eines Untersuchungsgefangenen, verlangten eine Unter­suchung und da ihre berechtigten Forderungen keinerlei Gehör fanden, so revoltirten sie. Natürlich verschlechterte sich infolge der hierauf eingeleiteten Untersuchung ihre Lage noch mehr. Ein Kriegsgericht wurde eingesezt und verurtheilte den 20jährigen Arbeiter Ladislas Sieroschewsky zu 8 Jahren und den Veterinär­schüler Liandy zu 12 Jahren Zwangsarbeit. General Rotzebue wandelte indeß diese Strafe in Deportation nach den entfernteren Gegenden von Sibirien um, und wurden Sieroschewsky und Liandy sofort nach Irkutsk verschickt", in dessen Umgegend sich beide nach dem Rownosch" zugegangenen Berichten vor Kurzem befanden. Werden sie in dieser Stadt internirt oder müssen sie die Erin­nerung an ihren, durch die Willkür eines Postens, den ein be­liebiger Korporal das Leben eines Sozialisten nicht schonen hieß, gemordeten Genossen noch weiter tragen? Während dessen aber ist der Henker- Soldat durch dasselbe Kriegsgericht freigesprochen worden.

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Dem Sozialismus und was mit ihm auch nur im entfernte­ften zusammenhängt, gegenüber unterscheidet sich das liberale" und, tonstitutionelle" Desterreich nur wenig von dem heiligen Rußland ". Alles wird dagegen in Bewegung gesezt und für die Verbreiter der Jbee gibt es keine gesetzliche Garantie. Früher gewährte doch die Censur, diese nothwendige Institution des Polizei staates, dem Verfasser Sicherheit vor polizeilichen Verfolgungen. Heute aber und den Sozialisten gegenüber gibt es auch das nicht mehr und während der Censurstempel einerseits seinen ganzen gehäffigen Charakter beibehalten hat, hat er dabei auch diesen geringen Werth verloren. In Rußland verbüßt Tschernischewsky mit lebenslänglichem Eril für Schriften, welche unbeanstandet die Censur pasfirt hatten, und in Desterreich sind vierzig Ge­nossen auf keinen andern Grund hin in die Krakauer Rerter geworfen worden, als weil die Polizei bei ihnen sozialistische Schriften fand, welche das Imprimatur des Censors trugen. Die Verfolgungen und Verhaftungen in Krakau , Lemberg , Wien , sowie in den Provinzen nehmen kein Ende. Einige Verhaftete befinden sich schon 6 bis 8 Monate ohne Urtheil im Gefängniß. Es sind meistens Arbeiter und Studenten; auch ein mehr als 60jähriger Mann, der Chef eines faufmännischen Geschäftes, be findet sich darunter. Jeder junge Mann, der einen russischen Accent hat, ist des Sozialismus verdächtig, und bei den Ver haftungen wird mit der größten Leichtfertigkeit verfahren; man nimmt einen Lupinsky für einen Lubienski, was die Polizei nicht hindert, die irrthümlich Verhafteten auf's elendeste zu behandeln. Die Untersuchungsgefangenen befinden sich in den schlechtesten

hygienischen Verhältnissen. Die Luft, welche sie athmen, und die Nahrung, welche sie genießen müssen, erzeugen Typhus und hißige Fieber. Der Student Ludwig Warynski ist daran zu Grunde gegangen, indem er sich durch Verhungerung tödtete, weil die Behörden den Kranken weder in's Spital aufnahme, noch ihm bessere Nahrung gaben! Um Geständnisse von den An­geklagten zu erpressen, warf sie der Untersuchungsrichter in Ketten und unterirdische Kerkerlöcher. Als Zeugen wurden neben Polizei­spionen und Dieben 10jährige Kinder angenommen und diesen in den Protokollen das vom Gesetz zur Zeugenschaft verlangte Alter beigelegt. Und als die Angeklagten die Aufnahme ihrer Beschwerden in das Protokoll forderten, hatte der Untersuchungs­richter die Frechheit, ihnen anzusinnen, sie sollten sich nur auf seine Ehrenhaftigkeit" verlassen... Fügen wir dem Gesagten nur noch hinzu, daß die geringste Beschwerde genen all diese Infamien dem Angeklagten 48 Stunden Dunkelarrest einbringt oder daß man ihm wie Dombrowski buchstäblich nichts zu essen gibt.

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Berichte.

B. Solingen, 25. Oftober. Am 17. os. war gegen den Genossen Jakob Nahl von hier Hauptverhandlung vor der Strafkammer des Elberfelder Landgerichtes angesetzt, auf Grund der Anklage, die Freiheit" verbreitet zu haben. Trotz aller Mühe, die sich die Staatsanwaltschaft in den 11 Wochen, während welcher Nahl in Untersuchangshaft war, gegeben hatte, war es derselben doch nicht gelungen, andere belastende Momente beizubringen, als die Anzeige des Polizeikommissärs von So. lingen. Man kann sich demnach das Erstaunen des Auditoriums denken, als dieser Grund- und Strebepfeiler der Anklage und wirklich klassische" Haussuchungen leider nicht im Stande gewesen sei, für die Behauptung Zeuge erklärte, daß er trotz seiner eifrigsten Nachforschungen, trotz aller der Anklage, daß Nahl die Blätter verbreitet, auch nur den gering sten Anhaltspunkt zu gewinnen. Mit einem sehr begreiflichen polizei­lichen Seufzer rief er klagend aus: Ja, bei dieser Partei verräth eben Keiner den Andern!" Nichtsdestoweniger aber versuchte der Staats­anwalt die Anklage aufrecht zu halten, von der wunderbaren Rechts­anschauung ausgehend, daß, weil an einen A. Nahl verschiedentliche Packete mit Freiheit" pr. Poft eingegangen, der angeklagte Jakob Nahl der Verbreiter der hier und da bei Einzelnen gefundenen Exem plare früherer Nummern der" F" sein müsse!" Natürlich hatte die Vertheidigung leichtes Spiel, die Nichtigkeit der Auflage zu beweisen, und nach kurzer Berathung fällte das Gericht ein freisprechendes Urtheil! Der schuldige Nahi hätte, wenn der Gerichtshof dem beantragten Strafmaß des Staatsanwaltes entsprochen, 6 Wochen Gefängniß zu ,, verbüßen" gehabt, der unschuldige Nahl hatte 11 Wochen im Gefängniß als Untersuchungsgefangener gesessen, war als Sträfling eingekleidet worden und wurde geschlossen, wie der gemeinste Verbrecher über die Straße geführt.

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Und alle diese unerhört schändlichen Dinge geschehen in einem Staat, dessen Verfassung die Freiheit der Presse und der Rede gewährleistet! Aber welche Verfassung hält ihre Ver: sprechungen, sobald die Staatsraison" es anders fordert? Man spricht jetzt so viel von einer Allianz, welche die Wiener Regie­rung mit Bismarck geschlossen haben soll. Aber schon seit langem gibt es ein anderes Bündniß zwischen dem konstitutionellen" Desterreich und dem zarischen Rußland: die Gendarmen Alexander II. sind stets willkommen auf dem Gebiet Franz Josefs, um denun­ziatorische Aufschlüsse über Angeklagte zu geben, deren Heimath auf alle Fälle! Der Aktenschluß läßt sich ja beliebig verzögern und die Unter­sich unter der Knute des garen befindet.

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Die russische Regierung hat gegenwärtig entschieden Pech und zwar nicht nur in Europa , sondern auch in ihrer eigentlichen Domaine und Heimath Asien. Die Nachricht, daß die zarischen Truppen bereits bis Merw vorgedrungen seien, hat sich als eine große Lüge herausgestellt. Vielmehr sind die Russen von den große Lüge herausgestellt. Turkmen en jämmerlich geschlagen und haben über 1000 Mann, sowie einen Theil ihrer Artillerie verloren, so daß sie sich schleu­

nigst nach rückwärts konzentriren mußten. Die zusammengeschmol­zene Expedition befindet sich gegenwärtig in einer sehr gefährlichen

Lage. Jedenfalls brauchen sich da die Engländer vor der, zur Zeit des letzten türkischen Krieges gang und gäben, russischen Prahlerei, daß der Zar seine unzählbaren Kriegsschaaren nach Indien hinab: steigen lassen und dort England in seinen vitalsten Interessen berlegen werde, nicht allzu sehr zu fürchten, da schon ein zwar friegerisches, aber in der zivilisirten" Mordkunst doch noch wenig fortgeschrittenes Wüstenräubervolk den edlen Kriegern Alexanders so viel zu schaffen macht.

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Eine zweite, wenn auch unverhältnißmäßig kleinere, doch für die Zustände im absolutistischen Zorenreich bezeichnende Schlappe haben die Russen in Ostsibirien erlitten. Zwei kirgisische Gemeinden russischer Zugehörigkeit wollten sich der sanften Ge­walt der Petersburger Regierung entziehen und zogen deßhalb mit ihren Heerden auf chinesisches Gebiet. Sobald aber der Gouverneur von Semipalatinsk von diesem Verbrechen" ver nahm, hieß er den Kirgisen eine Abtheilung Kosaken nachsetzen und sie zur Rückkehr nach Rußland bewegen". Die Kosaken er reichten denn auch die Auswanderer bald, nahmen ihnen ihr gesammtes Vieh weg und ließen nun auch den Kirgisen ihre bekannten Liebenswürdigkeiten angedeihen, welche diese indessen so falsch verstanden, daß sie die armen Kosaken sammt und son­ders mit Knütteln todtschlugen.

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Desto mehr Bravour entfalteten dagegen die zarischen Soldaten gegen unbewaffnete Menschen, als es am 15., 16. und 17. ds. in Kasan gelegentlich der Entdeckung einer nihilistischen Verschwörung" Verschwörung" also gibt's doch noch Nihilisten?- zu Unruhen und Straßenaufläufen kam. Polizisten und Gensdarmen feuerten rücksichtslos in die versammelte Menge und die Kosaken hieben auf die Studenten mit Säbeln ein, während sie die zusammen­gepackten Mädchen bei den Haaren nach dem Gerichtsgebäude schleppten, das die armen Opfer des infamsten Despotismus natürlich nur verlassen, um an den Galgen, in die Bergwerke oder nach Sibirien zu wandern.

Um aber das kleine Kulturbildchen aus dem heiligen Russen­reich zu vollenden, muß noch ein Strich hinzugefügt werden, der dem Ganzen erst das rechte Licht gibt. Vor einiger Zeit haben 17 abergläubische, viehisch rohe Bauern im Bezirk Nowgorod ein armes altes Weib, das sie für eine" Here" hielten, lebendig verbrannt. Am 25. Oktober nun ist gegen diese Mörder das Urtheil gesprochen worden und zwar wurden 14 Theilnehmer ganz freigesprochen, die drei überwiesenen und für schuldig erkannten Anstifter des Mordes aber vom Gerichtshof zu einer ,, tleinen Kirchenbuße" verurtheilt!

Die Mörder frei, die Barbaren begünstigt, die Todtschläger in Amt, die Schufte am Kommando, die Vorkämpfer der Kultur und Freiheit aber auf dem Schaffot, auf der Folter und lebendig begraben welch herrliches, starkes Reich und wie große Ver­brecher die, welche sich erkühnen, dieſem geordneten Zustand so oder so ein Ende zu machen!

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- Der vielbesprochene kommunistische" Aufstand in einem weltverlorenen Nest der Republik Columbien hat sich nun wirk­lich als das herausgestellt, was wir von Anfang an muthmaßten. Es handelt sich einfach um einen ganz gewöhnlichen Banditen­streich, indem eine Bande beutegierigen Gesindels unter Anfüh­rung eines abgesetzten Alcalden( Gemeindebeamten) die Kauf­mannshäuser und zwar namentlich die ausländischen, reicheren an­griff und sie ausplünderte, wobei es zwischen den angreifenden Banditen und den sich vertheidigenden Kaufleuten zu einem Kampf kam, in welchem verschiedene der letzteren, namentlich mehrere deutsche, getödtet wurden. Daß diese, übrigens alsbald nach ihrem Ueberfall mit der Beute eiligst entflohenen Räuber von dem die Nachricht zuerst mittheilenden zentralamerikanischen Journalisten kurzweg zu, Kommunisten" gestempelt wurden, kann nicht Wunder nehmen, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Vorstellungen sich der europäische Durchschnittsbourgeois von den Kommunisten" macht und mit wie viel Infamien und Dummheiten über sie die , aufgeklärte" europäische Presse jahraus jahrein angefüllt ist. Kommunismus heißt ja dem Gros unserer Feinde nichts anderes als Theilen", wobei das kapitalistische Ausbeuterthum nur das Eine vergißt, daß es selbst in diesem Sinne ein weit gefähr licherer Kommunist" ist, als die Beutemacher von Buccaramagna.

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Man sieht, die preußischen Staatsanwälte gehen sicher. Gelingt es, die Anklage durchzusetzen, um so besser, dann tritt zur Vorhaft noch die Strafbaft hinzu; gelingt das nicht, dann hat der unschuldige Angeklagte immerhin mehr Wochen abgesessen, als wozu er im Schuldfalle verur­theilt worden wäre! Brummen muß er aber, wenn er Sozialist ist.

suchungshaft dadurch ganz nach Wunsch verlängern. Eine prächtige Inftiz­pflege, bei der man rechtlos der Willkür des Staatsanwaltes Preis gegeben! So schwere Opfer den einzelnen Genossen aber durch derartige ge­feßliche" Ungeheuerlichkeiten auch auferlegt werden, so wenig gelingt es und wird es je gelingen, die Begeisterung für die Prinzipien des So­zialismus und das treue standhafte Festhalten daran zu unterdrücken. Im Gegentheil bringen alle derartigen schreienden Ungerechtigkeiten auch den befangensten Kopf zum Nachdenken und damit zur Erkenntniß des rechten Weges. Einen Beweis dafür erlebten wir noch während der obigen Verhandlung im Zuhörerraum des Gerichtes. Vivant sequentes!

G. Tübingen, 24. Oktober. Heute wurde hier vor der Straffammer des Landgerichts ein Sozialistenprozeß verhandelt. Als Angeklagte erschienen die beiden Reutlinger Sozialisten: Apotheker Fehleisen und Tuchmacher Walz, unter der Beschuldigung, verbotene Schriften verbreitet zu haben. Wie neurer Beit üblich, war es die Post, die diesen Prozeß veranlaßte und zwar diesmal die in Mühlhausen im Elsaß . Dieses red­liche Institut überlieferte ein an Walz und ein an Fehleisen adressirtes Couvert, je mit einer Nummer der Freiheit", der Staatsanwaltschaft. Darauf wurden die Adressaten behaussucht und verhört. Obgleich nun nicht der geringste Beweis gegen ihn vorlag, ließ sich Fehleifen durch die gesetz. widrige Drohung des Untersuchungsrichters, ihn im Falle er nicht gestehe, sofort verhaften zu lassen, einschüchtern und gab unvorsichtiger Weise zu, daß er das Londoner Blatt verbreitet habe. Walz dagegen bestritt das und wurde hierauf verhaftet; indeß entließ man ihn nach 8 Tagen wieder, ohne daß er etwas gestanden hatte. Angeklagt wurde er aber trotzdem und zwar aus einem überaus lächerlichen ,, Grunde". Von den ge- stieberten Blättern war nämlich das an Walz adressirte Nr. 31, das an Fehleisen adres­firte Nr. 32. Daraus schloß nun der Staatsanwalt, ein Herr Scheuerle, Beide hätten das Blatt gemeinschaftlich bezogen, so daß immer eine Num mer an Walz und die nächste an Fehleisen adressirt worden sei und einer habe dem andern die Nummer, die er erhalten, zugestellt, das Blatt also ,, verbreitet." Dem Staatsanwalt schienen indessen doch selbst 3weifel aufgestiegen zu sein, ob eine solche Anklage zu einer Vernrtheilung führen fönne. Denn furz vor der Verhandlung verfiel er auf ein originelles Mittel, um weiteres Material gegen Walz zu bekommen. Er ließ sich nämlich von der Reut linger Polizei die Proffriptionsliste sämmtlicher Reutlinger Sozialisten geben und lud von den darin Genannten acht( meist Tuchmacher) als Zeugen darüber vor, ob Walz ihnen verbotene Schriften gegeben habe. Diese Beugen wußten aber glücklicherweise nichts Gravirendes, so daß der Staats­anwalt mit seinem schlauen Auskunftsmittel abfiel.

Es war daher für Walz, der sich glänzend vertheidigte, ein Leichtes, die Anklage in ihr Nichts zurück zu schleudern. Er wurde freigesprochen, Fehleisen dagegen nach einer brillanten Rede seines Vertheidigers, Advokat Becher, zu M. 100 Strafe und die Kosten verurtheilt. Die Ge noffen allerwärts im Reiche mögen aus dem Vorgehen des hiesigen Staats­anwaltes eine gute Lehre ziehen: Wer zukünftig verbotene Schriften ver­breitet, der thue das womöglich anonym, so daß Derjenige, dem man etwas zustellt, gar nicht weiß, woher es kommt! Man werfe das betreffende Blatt dem Genossen in die Stube, man stecke es ihm unversehens in die Rocktasche u. s. w. u. s. w. Wer dann von irgend einem pfiffigen Staatsanwalt als Beuge vorgeladen wird, kann ruhig schwören: Der Angeklagte hat mir nie etwas Verbotenes gegeben."

Noch eines verdient aus diesem Prozeß bemerkt zu werden: in der ,, Freiheit", vom 13. September erschien eine Reutlinger Korrespondenz, worin das Verfahren gegen Walz treffend geschildert wurde. Diesen Ar­tikel schnitt das Berliner Polizei- Prafidium aus und sandte ihn dem Staats­anwalt hieher, mit der Aufforderung, er möge.Nachforschungen nach dem Artikelschreiber anstellen.

Die Mainzer Bentral- Untersuchungs- Kommission seligen Angedenkens ist also wieder auferstanden als Berliner Polizei- Präsidium und der preußische Stieber streckt seine langen Finger unbehindert bis an die Ufer des Neckars.

Filialexpeditionen des ,, Sozialdemokrat.".

In London

ist der ,, Sozialdemokrat" zu beziehen und zwar frei ins Haus 2 Sh., selbst abgeholt bei der untenstehenden Adresse und in den Versammlungen 1 Sh. 6 d. per Quartal, durch

W. Hoffmann,

37 A. Prince Street Leicester Square London W.

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liefern den ,, Sozialdemokrat" im Monats- und Quartalsabonnement: Blum, 66 rue Montorgueil

Trapp, 65 rue de Madame, Hotel Baldrian Voss, 6 rue de Levis.

Im unterzeichneten Verlag erscheint demnächst:

Rechenschaftsbericht

der

socialdemokratischen Mitglieder

des deutschen Reichstages. über ihre parlamentarische Thätigkeit während des Jahres 1878-79.

Preis 25 Cts. 20 Pfg.

Bestellungen auf dieses, für die Kenntniss der politischen Geschichte Deutschlands und der Stellung und Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie seit den Attentaten sehr wichtige Aktenstück werden schon jetzt entgegengenommen und zwar ausser beim Verleger bei allen bekannten Agenten des ,, Sozialdemokrat", sowie bei der Schweizerischen Volks­buchhandlung in Hottingen - Zürich .

A. HERTER, Industriehalle, Riesbach - Zürich .

Schweiz . Vereinsbuchdruckerei Hottingen - Zürich .