hängern ganz unbekannt wäre!) und dem Fortschritt gedroht, daß, wenn durch seine Schuld in Wirklichkeit Magdeburg den Sozial­demokraten überlassen werde, dadurch nur ein weiterer Be­weis geliefert würde, daß die Fortschrittspartei in logischer Kon­sequenz ihrer Entwicklung unerbittlich und unabweislich zur So­zialdemokratie gelangt"." Merkt ihr den Zaunpfahl, Männer des Fortschritts?

Ob diefe und alle sonstigen Bemühungen, alle Nichtsozialisten ohne Rücksicht auf ihre sonstige Parteistellung und den Grad ihrer Freifinnigkeit unter Einen Hut gegen uns zu bringen, gelingen, ob insbesondere die Fortschrittler so schnell ihre Beschwerden und all ihren Groll gegen die Nationalliberalen vergeffen; oder ob sie in fluger politischer Erwägung vorziehen, durch N chtbegünstigung des Ordnungsmischmasch- Kandidaten das erfreuliche Anwachsen der Opposition im allgemeinen zu konstatiren: alles dies wollen wir bei der bekannten Wankelmüthigkeit und Unzuverlässigkeit der bürgerlichen Parteien dahin gestellt sein lassen. In wenigen Ta­gen, am 27. d. Mts., dem Tag der Stichwahl, werden wir ja überdies Gewißheit haben.

Daß unsere Magdeburger Geofsen sich durch diese Gewiß­heit des Erfolges aber nicht hindern lassen werden, alle Kräfte auf: zubieten, um dem sozialdemokratischen Kandidaten neue Hunderte und Tausende von Stimmen zuzuführen und unsern Feinden dadurch zu beweisen, was eine große und gerechte Sache trot der brutalsten Unterdrückung und gegen die vereinte Macht der politischen und ökonomischen Gewalt vermag: bessen sind wir ge wiß und bedarf es deßhalb keines Wortes, um fie an ihre Pflicht zu mahnen. Die deutschen Sozialdemokraten, entwickelt, zielbe wußt, fampfgewohnt, brüderlich vereint unter dem altbewährten Banner, sie sind sich ihrer Pflicht: allüberall, zu jeder Zeit, in jeder Weise und mit Aufgebot aller Kräfte für unsere große Sache einzutreten, ihr Ehre zu machen und Erfolge zu erringen, jeden Augenblick bewußt!

die deutsche

Darum sehen wir dem dritten Weihnachtsfeiertag nicht gleich unsern Gegnern mit Furcht und Bangen, sondern im sichern Be wußtsein unserer Stärte mit Ruhe entgegen. Möge das Resul Möge das Resul tat im engern Sinne sein, welches es wolle Sozialdemokratie wird auf alle Fälle die Magde: burger Wahl als einen neuen, bedeutsamen Sieg zu verzeichnen haben!!

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Zum Nothstand in Schlesien .

a Breslau , 9. Dezember. In unserem engeren Vater­lande, der Prøvinz Schlesien , steht es sehr trübe und traurig

Die Preffe von ganz Deutschland bringt seitenlange Be richte über den in Schlesien herrschenden Nothstand, der nament lich in Oberschlesien so überhand genommen hat, daß eine Hungers­noth in Aussicht steht, richtiger schon eingetreten ist. Die Ur­sachen, welche diese Wirkung hervorbrachten und hervorbringen mußten, haben wir Sozialdemokraten, so lange wir öffentlich in der Presse und in Versammlungen das Wort ergreifen konnten, in die Oeffentlichkeit gezogen. Das war aber den Machthabern und ihren Schleppträgern höchst unbequem, und wir wurden da: rum mundtort gemacht durch das Ausnahmegesetz. Nun aber wagen sich allmälig, wenn auch nur schüchtern, einzelne Stimmen in der gegnerischen Presse hervor und wiederholen fast genau bas, um dessentwillen man uns politisch todtschlug. So verstieg sich in diesen Tagen die Tribüne" zu folgendem Ausspruch: Aus der Unzulänglichkeit des Lohnes refultirt die unzweckmäßige, ungenügende Nahrung, resultiren alle sozialen Uebelstände, die den Hungertyphus, Rohheit, Unbildung, Verbreitung des Miß­brauches alkoholischer Getränke im Gefolge haben."

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Wir sind nur neugierig, ob das Ausnahmegese nicht auch bald dies und ähnliche liberale Blätter unter sein schützend Dach nehmen wird. Wir wünschen dies keineswegs, obgleich wir das Ausnahmegeset den Liberalen zu verdanken haben; denn andernfalls müßten wohl die armen Oberschlesier Hungers sterben, ohne daß ein Schmerzensschrei an die Ohren der satten, tugendhaften Bür ger bringen könnte. Und doch wird da jetzt so Manches zu Tage gefördert, was erhalten zu bleiben werth ist. So schrieb das Stadtblatt in Cosel ( Oberschlesien ) vor Kurzem folgender

maßen:

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" Daß die Noth vor der Thür ist, wird wohl jetzt Niemand mehr in Abrede stellen. Nach einem Sommer, wie der verflossene war, der durch Ueberschwemmungen und permanente Regengüsse alle Feldfrucht verdorben, in welchem die Verdienste für den Ar­beiter sehr spärlich waren, nach einem solchen Sommer ist es nicht wunderbar, daß wir den Ruf um Hilfe für unsere Noth­leidenden erheben müssen. Man möge die Noth nicht unter schäzen; grade in unserem Kreise, der nur auf Landwirthschaft augewiesen ist, macht sich der eingetretene Mangel viel empfind: licher fühlbar, als in der Hüttengegend. Jm Coseler Kreise allein haben im Laufe dieses Jahres 288 Subhastationen und Konkurse stattgefunden eine erschreckende Zahl. Wo kommen bei diesem Stande der Landwirthschaft die Nahrungsmittel her zur Ernährung der Kreisbevölkerung? Kartoffeln sind nicht vorhanden; die wenigen, die zu sehen sind, werden mit 6 Mr. 50 Pf. pro 100 Rilo verkauft( im Vorjahr 2 Mr. 60 Pf.); Kraut kostet das Schock 5 bis 6 Mr., gegen 1 Mt. im Vorjahre. Und bei die: sen enormen Preisen ist nirgends ausgiebiger Verdienst. Dem Allen entsprechen denn auch die Beobachtungen, die gemacht wor den find. Bei Gelegenheit der Aufnahme des Personenstandes ist bemerkt worden, daß die Leute statt der Kartoffeln gekochte Zuckerrüben mit Salz aßen, daß an Heizung der Wohnung oft gar nicht zu denken war, daß in fast unbewohnbaren Räumen Menichen hausten, die sich mit Mühe durch eine Strohdecke gegen die Kälte zu schützen suchten und denen der Hunger aus dem Gesicht blickte. Muß man nicht jeden Tag fürchten, daß der d.ohende Typhus zum Ausbruch kommt? Wahrlich, es ist hohe Zeit, daß wir mit kräftiger Hilfe bedacht werden und soweit es irgend in unsern Kräften steht, selbst helfen. Es genügt nicht mehr, die Privatwohlthätigkeit der Stadt Cosel in Anspruch zu nehmen, es ist geboten, auch von anderer Seite Hülfe in Anspruch zu nehmen. Was irgend geschehen kann, um die Arbeiter zu beschäftigen, das möge geschehen. Der Kreis freilich hat gethan, was er fonnte, um durch den Bau von Chauffeen und Vicinal. wegen Verdienst zu gewähren; bei der Witterung aber, wie wir fie jetzt haben, ist es ja unmöglich die Bauten fortzuführen.

Eine lohnende Beschäftigung auch für jest wäre die Zuschüttung der Festungsgräben um Cosel. Die Stadt freilich ist absolut nicht im Stande, die Mittel dazu zu beschaffen. Aber der Herr Oberpräsident der Provinz selbst hat anerkannt, daß die Kosten aus dem Meliorationsfond gedeckt werden müßten. Wenn es überhaupt geschehen soll, so wäre keine Zeit geeigneter dazu als die jetzige, wo die Arbeit billig ist und zur Erlösung wird für viele Hungernde. Noch einmal erheben wir unsere Bitte: Helft, helft den Nothleidenden, ehe es zu spät ist!" Sie sehen, daß die billige Arbeitskraft" hier als besonderer Sporn zu Nothstandsbauten angepriesen wird. Und doch ist ge= rade dieselbe billige Arbeitskraft, d. h. der geradezu hundemäßige Lohn neben der vollständigen Arbeitslosigkeit der hauptsächlichste Grund des gegenwärtigen Nothstandes. Die Ursache der Krank heit soll also zugleich deren Heilung sein!

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Auf welch unerhört miserable Weise sich ein Theil unserer schlesischen Bevölkerung zu ernähren gezwungen ist, ist u. A. aus einem Berichte der Schlesischen Zeitung" ersichtlich, welcher aus Guttentag in Oberschlesien Folgendes geschrieben wird:

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Es sind verschiedene Faktoren, die hier zusammenwirken, um zu den ernstesten Befürchtungen Veranlassung zu geben. Es ist die Arbeitslosigkeit der Bevölkerung, die den Nothstand hervor rufen, die geradezu erbärmliche Gesundheitspflege, die ihn ganz rufen, die geradezu erbärmliche Gesundheitspflege, die ihn ganz unendlich potenziren kann. Der Arbeitslohn für die Landbevöl­ferung steht jetzt auf 20-25 Pf. pro Tag und Kopf. Er hatte seine höchste Höhe während des ersten Schneefalles erreicht; die Gutsbesizer fürchteten, die Kartoffeln nicht rechtzeitig hereinzube: tommen, und erhöhten infolge dessen den Lohn auf 4-5-6-7 Sgr. pro Tag, der aber ebenso rapide bis auf den heutigen Lohnfaz fiel. Ich schrieb Ihnen schon von Malapane aus über die Gepflogenheit bet Lieferung von Streu aus den föniglichen Forsten und bedauerte nur, daß der frühzeitige Winter die Streu zum großen Theil unbrauchbar gemacht, was man in umschrei bender Form auch so lesen tann, daß die Auslieferung derselben rechtzeitig erfolgen möge. Wie wird dies von den Privatförstern gehandhabt? Auf vielen Privatgütern wird in den Wäldern die Streu für Arbeitslohn angewiesen, das durch Ausharken von Kartoffeln verdient worden ist. Erst nachdem die Kartoffeln sämmtlich geerntet, wird den Arbeitern das Stück Wald zum Abrechen angewiesen. Die hierbei gesammelte Streu ist natür lich schon von der Witterung feucht, und die Jahreszeit ist auch nicht mehr dazu angethan, die Streu zu trodnen. Es ist dies überhaupt ein wunder Punkt; man hört auf den Privatgütern alles Andere, nur feine bestimmte Antwort auf die auf Nothstand bezüglichen Fragen. Deutlich kann man die Frage von manchem Gesicht ablesen: Holla, welch Geisteskind 6 st Du?" Ueberhaupt scheinen Fragen um das Wohl und Wehe der hiesigen Bevölke rung berhaßt zu sein, und von vielen Seiten wird deßwegen ein ausnahmsweiser Nothstand geleugnet, um diesen Fragen zu entgehen. Den Hofe- Arbeitern wird von den Gutsforsten für den Winter Brennmaterial" geliefert. Ich habe dies Brenn material in einer Hütte an der Schönwalder Chaussee dicht bei material in einer Hütte an der Schönwalder Chaussee dicht bei Rosenberg besichtigt. Dies Brennmaterial besteht aus Reisig der erbärmlichsten Sorte, das zum Austrocknen der Hütte, deren Fuß boden die liebe Mutter Erde ist, verwandt werden soll. Die boden die liebe Mutter Erde ist, verwandt werden soll. Die Nahrungsmittel der Familie bestehen aus Kartoffeln und Kraut oder Zur; dies Nahrungsmittel besteht aus meistens auf der Handmühle geschrotetem Korn, das mit Wasser und Salz zube­reitet und gesäuert ist und in das die Kartoffeln gebrockt werden. Die Leute huldigen gezwungenermaßen meistens dem Vegetarianis mus, das ganze Jahr weist ihr Tisch kein Fleisch auf; aber ich habe sehr viel darüber schimpfen hören, daß diese ungebildeten Leute, deren Magen nur die derbsten, unverdaulichsten und ge säuerten Speisen aufnimmt, von ihrem geringen Arbeitslohne noch Mittel zum Schnapstrinken übrig haben." In den Hütten, die herrschaftliches Eigenthum und gegen Feuersgefahr versichert sind, werden die Fensterscheiben zu 2, von darüber geklebtem Zeitungs: papier vertreten. Um nun zum Erwärmen dieser luftigen, nur für den Sommer eingerichteten Hütten das nöthige Brennmaterial zu haben, steht der Forstdiebstahl in höchster Blüthe; den kleinen hängt man, den Großen läßt man laufen: wer erwiſcht wird bei solchem Holzdiebstahl, wird streng bestraft, er müßte denn mit Wagen und Pferden das Holz geholt haben! Hand in Hand mit dem Holzdiebstahl geht der Streudiebstahl. Als Muster der polnischen Bevölkerung werden dem Durchrei senden einzelne versoffene Edenſteher vorgeführt, an denen zur Evidenz erwiesen wird, daß die Bevölkerung einer Unterstützung nicht werth sei. Wenn die Kinder zur Jeztzeit noch barfuß in die Schule gehen, dann sind eben zum Theil die versoffenen El tern Schuld; unter den die Wachower Schule besuchenden Kin dern befinden sich 3, die jetzt und wahrscheinlich den ganzen Win­ter hindurch barfuß gehen. Troßdem kommt es vor, daß der intelligentere Theil der Bevölkerung, die Lastträger an der Bahn, die Lohnfuhrkutscher, den angebotenen Schnaps zurückweisen, weil fie prinzipiell keinen Branntwein trinken. So lange die Leute für ihr verdientes Geld sich Branntwein kaufen, verfällt der Ge bildete in moralische Krämpfe, findet es jedoch sehr angenehm, wenn er für geleistete Arbeit sich mit einem Schnaps abfinden kann."

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Aus Vorstehendem werden Sie ersehen, wie herrlich weit wir es gebracht haben. Aber glauben Sie ja nicht, daß es in hie­figer Metropole von Schlesien besser steht. Die Arbeiter laufen zu Tausenden arbeitslos, ein großer Theil auch obdachlos durch die Straßen, ohne jede Aussicht, ihren Hunger stillen zu können. Unsere Kaufleute stehen mit verzweiflungsvollen Gesichtern hinter ihrer Ladentafel und harren oft tagelang vergeblich auf Käufer. Mit einem Worte, die Situation ist eine nahezu unerträgliche geworden. Jeder sagt: schlimmer kann es nicht werden, die Befferung muß bald eintreten. Aber diese stehende Redensart geht schon einige Jahre von Mund zu Mund, ohne daß die ge­hoffte Besserung kommt. Der Bankerott unserer herrlich organi firten Gesellschaft rückt mit Riesenschritten näher.

Die Sta

tistik der Verhaftungen zeigt ebenfalls deutlich, in welchem Maße das Elend des Volkes zunimmt. Während im Monat November 1876 etwas über 900 Personen wegen Bettels, Diebstahls u. s. w. vrrhaftet wurden, sind im gleichen Monat dieses Jahres mehr als 1700 solcher Verhaftungen vorgenommen oder zur Anzeige gebracht worden!

Angesichts der vorstehend geschilderten Zustände kann man nur mit Staunen auf das Volk blicken, daß es alle diese Noth und das Elend fast ohne Murren trägt und nicht längst schon die

Gesellschaft, welche es so stiefmütterlich und herzlos behandelt, auf den Kopf gestellt hat. Aber es gibt ja bekanntlich kein gutmüthigeres Volk als das deutsche. Ihm ist Hunger und Entbehrung fast zur zweiten Natur geworden. Wenn stilles Leiden und lautloses Ertragen eine Tugend ist, dann ist das deutsche und speziell das schlestiche Volk überaus tugendhaft, ja seine Tugend erreicht einen Grad der bald an den Wahnsinn der Entbehrung grenzt! Aber Alles hat seine Grenze, selbst die Geduld des Deutschen . Vorläufig allerdings werden wir mit unsern 26 Tynastien, die dem Volke jährlich viele Millionen kosten und deren nothwendiges Anhängsel der Alles verschlingende Militarismus ist, noch manche Jahre die mit Hunger geprügelte Nation bleiben, so lange, bis das Volk, durch Schaden und Leid klug geworden, einsehen gelernt haben wird, daß es nur Einen Weg gibt, seinem Elende zu entrinnen und daß es sich diesen Weg selbst bahnen muß.- Denn, von der Regierung und vom Adel ganz abgesehen: das" freisinnige" Bürgerthum befindet sich in fetten Pfründen und kümmert sich um die Leiden des Volkes nur dann, wenn der ausgebrochene ansteckende Hunger typhus auch sein eigenes genußreiches Leben abzukürzen droht. Von wirklicher, dauernder Abhilfe der Volksleiden kann so lange keine Rede sein, als die heutige Produktionsweiſe beſtehen bleibt, deren Wesen es ist, das arbeitende, alle Reichthümer er­zeugende Volk zu Gunsten einer Handvoll Bevorrechteter zu Rechtlosigkeit und Elend zu verurtheilen.

Wer also die Möglichkeit, ja die Nothwendigkeit solcher Zu­stände beseitigen will, der trete mit uns ein für die Abschaffung der heutigen fapitalistischen Gesellschaft, der schließe sich den Reihen der Sozialdemokratie an!

Noch einmal die Eidfrage.

Wie wir erwarteten, ist die schon erörterte Frage der Eid­leistung der sozialdemokratischen Abgeordneten zum sächsischen Land­tag von den politisch reifen deutschen Genossen ganz in Ueber einstimmung mit den Ausführungen des Sozialdemokrat" auf­gefaßt worden. Nicht Eine Anfrage, viel weniger eine gegen­theilige Erklärung oder gar ein Protest ist eingelaufen; man sah die Haltung unserer Genossen Liebknecht , Freitag und Puttrich einfach für etwas Selbstverständliches an, über das weiter kein Wort zu verlieren sei. Nur ein augenblicklich in London lebender Genoffe,-,( der aber im Uebrigen mit der " Freiheit" nicht das Geringste zu schaffen hat) hat sich in seinem Gewissen beunruhigt gefühlt und sich deßhalb in einem sehr lehrreichen Briefe an Liebknecht gewendet.

Obgleich wir die Eidfrage"( welche für vorurtheilslose, auf geklärte Leute, welche Sozialdemokraten doch vor Allem sein sollen, freilich gar keine Frage ist) durch unsere früheren Erklärungen und die Uebereinstimmung der deutschen Genossen*) für längst und endgiltig erledigt ansehen, halten wir die nachstehende Antwort auf den von London an Liebknecht gesandten Brief doch für all­gemein interessant genug, um sie ihrem Wortlaut nach mitzu­theilen. Nur den Namen des Londoner Briefschreibers, eines sonst bewährten Genossen, halten wir für gut, wegzulassen, da es sich ja nicht um Persönliches, sondern allein um die Sache han delt; übrigens werden mit den Verhältnissen Vertrautere ihn ohnedies leicht errathen.

Der Antwortbrief lautet folgendermaßen:

Werther Genosse!

Unser beiderseitiger Freund Liebknecht , der keine Lust hat, persönlich Ihren Brief d. d. 21. November zu beantworten, hat mich ersucht, die Antwort für ihn zu schreiben. Ich würde dieses Gesuch zurückgewiesen haben, wenn es sich um private Ange­legenheiten Handelte; da Sie aber in ihrem Briefe eine allge­meine Parteiangelegenheit berühren, so stehe ich nicht an, auch Namens der übrigen Leipziger Freunde, soweit ich deren Gesin­nungen kenne, zu antworten

Liebknecht hat den Verfassungseid in der sächsischen Kammer geschworen und zwar deßhalb, weil man ihn andernfalls aus dem Landtage entfernt haben würde. Hätte Liebknecht nicht ge

schworen, so würden vielleicht einige Genossen im Auslande diese " Heldenthat" bejubelt, sie eine gloriose Demonstration genannt haben, während die deutschen Sozialdemokraten, die mitten im Rampfe stehen, nicht angestanden hätten, diese Heldenthat" eine Eselei zu nennen. Was bedeutet denn dieser Eidschwur? Wenn Paris eine Messe werth war, so ist mir das Wohl der Bartei 100,000 Eide werth" sagt Liebknecht .

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Treue gegen die sächsische Verfassung und den König ist kein Abschwur der republikanischen Gesinnung; derselbe bezieht sich nur auf Liebknechts landtägliche Thätigkeit und erlischt mit dem Mandate. Aber auch in Bezug auf die Landtagsthätigkeit Liebknechts würde ihn der Eid nicht einmal hindern, einen An­trag auf Einführung der Republit im Interesse des Königs" ( er hat nicht dem Königthum den Eid geschworen) und des Landes ftellen zu können. Daß er aber solche Kinderei nicht verüben wird, ist freilich selbstverständlich. Die Form des Eides aber: Bei Gott dem Allmächtigen 2c. 2c." ist doch einem wahr­haft freisin igen Manne gleichgültig! Wer sich besonders da ran stößt, fommt mir so vor, wie ein Kind, welches im Dunkeln laute Lieder fingt, um die Gespenster zu bannen; ein solcher " Freigeist" stedt noch tief in der Religion, mag er sich auch zu keiner von den beſtehenden Religionen bekennen. Von befreundeter Seite wurde der Gedanke ausgesprochen, daß Liebknecht den Eid unter Protest hätte leisten sollen; nachdem man aber Erkundigungen angestellt hatte, wäre die Folge davon

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*) Uebrigens denkt man in außerdeutschen sozialistischen Kreisen ganz ebenso. So schreibt das Organ des Schweizerischen Arbeiterbundes, die Tagwacht":" aum ist der sächsische Landtag eröffnet, so ist auch schon Liebknecht in altbekannter tapferer Weise ins Feld gerückt und hat damit am besten Diejenigen Lügen gestraft, welde ibn um einer simp len Formalität willen( Leistung des Abgeordneteneides) glaubten zu den Apostaten schieben zu dürfen. Nebenbei wollen wir hier ber. erken, daß ein solches Gebahren, wie es von radikal sein wollender Seite nun ge gen Liebknecht geübt wird, nachgerade läherlich wird. Nein, unser Ge­nosse Liebknecht ist der Alte geblieben und steht nach wie vor treu auf dem Plan." Der Antwerpener Werfer" eignet sich diese Auslassung nicht nur vollkommen an, sondern verstärkt sie noch, indem er die ,, Apo­ftat". Schreier mit flämischer Geradheit Lügner" neunt. Eine gegen theilige Ansicht ist uns im ganz n Umfang der sozialistischen Presse Eu­ ropas und Amerika's noch nicht begegnet!