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ung vom 13. 68. gelegentlich der Berathung über den Etat der d. Landes- Heil-, Straf- und Versorgungsanstalten. Jm Deputa­tionsbericht war ausgerechnet, daß die im neuen Strafvollzugs­gefeßentwurfe berücksichtigte Jsolirhaft Sachsen über 10%, Millionen kosten würde. Dadurch kam die Debatte auf den Strafvollzug und die Ursachen der Vermehrung der Verbrechen. Der Depu­tationsbericht hatte sich in unzweideutiger Weise dahin ausgesprochen, daß das Gefängnißwesen und das Strafsystem durch zu weit gehende Humanität(!) die Mitschuld trage an der außerordent lichen Vermehrung der Verbrecher, und daß die Strafgesetzgebung dafür sorgen solle, die Strafe auch ein Strafübel sein zu lassen". Außerdem war liebevoll und verständnißinnig auf die berüchtigte Mittelstätt'sche Prügel- Schrift Bezug genommen worden. Der Abg. Pfeiffer aber nahm noch die Ergänzung vor, als bestes Straf: vollzugsmittel die Deportation zu empfehlen. Nachdem Freytag im Allgemeinen gegen die lächerliche Behauptung, daß das Gefängnißwesen und das Strafsystem durch zu weit gehende Humanität die Mitschuld an der Zunahme der Verbrechen tragen, protestirt hatte, ergriff Liebknecht zu einer eingehenden Erör­terung der Ursachen der Verbrechen und ihrer Zunahme das Wort. Nicht das Strafsystem trüge hieran die Schuld; denn alle Systeme, welche man bisher gehabt, seien gescheitert, weil man nur auf die Unterdrückung der Folgen, nicht aber auf die Ausrottung der Ursachen der Verbrechen denke. Die ersten und zwingendsten derselben seien Noth und Elend. Dazu komme mangelhafte Erziehung und Unwissenheit; dann fämen aber die Vorgänge der jeßigen Zeit, die beständigen Kriege, welche die Bevölkerung verwilderten, ebenso wie der 30jährige Krieg eine so ungeheure Verwilderung harvorgerufen habe. Der rohe thie­rische Muth werde verherrlicht in einer Weise, die auch im Pris vatleben zur Rohheit führe. Dazu komme die absolute Unsicher­heit der Erwerbsverhältnisse. Man sei in wirthschaftlicher Be­ziehung in einem vollständigen Chaos, die alte Gesellschaft sei in der Auflösung begriffen und in politischer Beziehung sei in Deutschland ebenfalls Alles aus Rand und Band. Wie solle das Rechtsgefühl in das Volk hineinkommen, wenn es sehe, wie biele Rechte in der letzten Zeit beseitigt worden feien auf gewaltsamem Wege, und welche Umgestaltun­gen die Gefeße in der letzten Zeit erlitten hätten. Man möge sich erinnern, wie im vorigen Jahre gehetzt worden gegen die Sozialdemokraten, ihnen die Schuld an den Attentaten in die Schuhe geschoben worden sei; man möge denken an die jetzt auf­tretende Judenhezze. Man klage über die kolossalen Kosten, die der Strafvollzug verursache. Das seien die Kosten der falschen Politik, die man in der letzten Zeit be folgt habe. Wenn man die kolossalen Summen, die für Kriege ausgegeben worden seien, zur Hebung der Bildung und des Wohlstandes des Volkes benutzt hätte, so hätte man auch die Quellen des Nothstandes mit verstopft!

In einer Entgegnung auf einige Einwürfe, namentlich seitens des Nationalliberalen Penzig betonte dann Liebknecht als einen Hauptgrund der Zunahme der Verbrechen die Erschütterung des Rechtsbewußtseins in Deutschland , an welcher in erster Linie Die jenigen mit die Schuld trügen, welche jeder Gewaltmaßregel der Blut- und- Eisen- Politik nach Außen und Innen Beifall flatschten. Die freche Behauptung, daß an der Zunahme der Verbrechen die Sozialdemokratie Schuld sei, weise er mit Verachtung zurüd. Dieselbe hätte nur dem Volk die Augen geöffnet über die Schä­den der Gesellschaft und des Staatslebens. Penzig habe es für nothwendig gehalten, vom nationalen Standpunkte gegen ihn zu reden. Da komme man auf die Theorie, welche die sozialdemo: kratische Partei als eine vaterlandslose hinstellt. Die Sozial demokraten seien mindestens ein eben so großes Stück vom Vaterland", als die nationalliberale Partei, und hätten ein Recht, über die Zustände anders zu denken, als die lettere. Der Richterspruch des Volkes werde einmal dahin lauten, daß in erster Linie die nationalliberale Linie Partei mit ihrer Wirksamkeit auf politischem und wirthschaftlichem Gebiete die Schuld trage. Seine Partei habe jedenfalls dem Vaterlande größere Dienste erwiesen, als diejenige Partei, welche e= fich national" und" liberal" nenne und doch bereitwillig zu dem größten Willkürakt mitgewirkt habe, indem sie durch An­nahme des Sozialisten, Gesezes" einen großen Theil der Nation rechtlos und mundtodt gemacht habe!

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Schließlich, als gegen die gewichtigen Anschuldigungen Lieb. knechts gar nichts verfangen wollte, wurde von dem schon ge­nannten Nationalliberalen auch noch der Sozialdemokrat" mit in die Debatte gezogen, indem der Mann eine angeblich zur Re: volution aufreizende" Stelle aus demselben verlas und daran die Bemerkung knüpfte: wenn diese Sprache nicht alle bösen Leiden­schaften der niederen Klassen" anfache, so wisse er nicht, wie das überhaupt geschehen könnte.

Liebknecht erwiderte hierauf, daß da, wo unterdrückt werde, naturgemäß auch die Reaktion gegen den Druck komme. Das verstehe sich von selbst und Penzig sollte doch aus der Geschichte 1. wissen, daß auch seine eigene Partei zu einer Zeit, wo sie unter­drückt worden sei, eine eben so heftige Sprache geführt habe. An dieser Sprache sei Niemand anders als allein Diejenigen Schuld, welche die sozialdemokratische Partei in Deutschland mundtodt gemacht und Al­les gethan hätten, sie auf einen ungefeßlichen Boden zu drängen!

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Die unerhörte Gemeinheit, sogar das Elend des Noth­standes gegen die verhaßte Sozialdemokratie aus: zubeuten, ist einem Berliner , liberalen" Vollblut- Bour: rt geois, der dabei völlig im Sinne, wenn nicht im Auftrag seiner De Gesinnungsgenossen gehandelt hat, vorbehalten geblieben. Wir ft lesen in der Nordb. Allgem. Ztg.":" Bezüglich eines Zwie fgesprächs der Kaiserin mit dem Eigenthümer des Hauses Müller: rn straße 182 in Berlin bei Eröffnung der Volksküche daselbst sind e nachträglich die widersprechendsten Versionen in Umlauf gefeßt worden, so daß zur Richtigstellung derselben jetzt von zuständiger Seite über jenen Vorgang Folgendes mitgetheilt wird: Als der ge Vorsitzende Herrn Stargardt als Wirth des Hauses der Kaiserin ad borstellte und diese sich über das freundliche Aussehen und die Ausdehnung der betreffenden Stadtgegend aussprach, welche sie seit Jahren nicht gesehen, sagte Herr Stargardt: Ja, Majestät, der Wedding ist besser, als sein Ruf." Hierauf die Kaiserin: " Ich habe noch niemals von einem schlechten Ruf- des Wedding gehört; denn wenn Sie nur die hier verbreitete Armuth meinen,

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so ist diese nur ein beklagenswerthes Unglück." Herr Stargard | entgegnete hierauf: Nein, ich meine die hier sehr ver­breitete Sozialdemokratie, die wir aber schon tüchtig in die Enge getrieben haben und die wir hoffen, auch ganz zu vertreiben", worauf die hohe Frau mit sichtbarem Erstaunen erwiderte: Wir haben in der Volks­küche mit keinem anderen Nothstande zu thun, als mit der Armuth." Ob die hohe Frau" die ihr in den Mund gelegte Aeußerung in der That und sichtlich erstaunt" gethan hat und wenn, ob es ihr dann damit ernst gewesen und sie sich nicht etwas ganz Anderes dabei gedacht hat, wollen wir dahin gestellt sein lassen, ist uns auch ganz gleichgültig. Aus der Antwort des Herrn Stargardt aber läßt sich ersehen, wie ernst es der jetzt mit Vor­liebe in Nothstandslinderung" machenden Bourgeoisie mit ihrer selbstlosen Wohlthätigkeit für das arme nothleidende Volk" ist! Wenn diese Leute aber vermeinen, das Maul des Hungrigen mit Bettelsuppen stopfen und den Schrei des Proletariats nach Frei­heit und Gleichheit durch Volksküchen unterdrücken und so die Sozialdemokratie tüchtig in die Enge treiben" oder gar ganz vertreiben" zu können, dann dürfte ihrer eine gewaltige Enttäuschung warten. Aber der Haß gegen das nach Emanzipation ringende Volk macht die herrschende Klasse blind, wie die Liebe den balzenden Auerhahn, der all seine sonstige Vorsicht und Klug­heit verliert und den Jäger nicht nahen sieht, dessen sichere Beute

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er wird.

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Die Briefstieberei macht in Deutschland immer größere Fortschritte, was unter den gegenwärtigen, im freieinigen Reich" herrschenden Verhältnissen allerdings nicht zu verwundern, sondern nur selbstverständlich ist. So wenig ein Dieb ohne Dietrich aus­tommt, so wenig kann eine Reaktion ohne schwarzes Kabinet aus­kommen. Und dieses ist bereits ganz systematisch organisirt. In zahlreichen Postbureaus größerer und zugleich als Hauptneſter der Sozialdemokratie verrufener Städte: Berlin , Dresden , Breslau , München 2c. ist ein regelmäßiger Polizeidienst eingeführt, so daß Tag und Nacht Polizeibeamte anwesend sind, welche sämmtliche ankommende und abgehende Briefe und Bäckereien besichtigen. Die Briefspitzeln sind mit Verzeichnissen bekannter Sozialisten der betr. Stadt, sowie mit Adressen und Handschriftenproben von im In- und Ausland wohnenden sozialistischen Führern" versehen. So sind vor wenigen Wochen der Post polizei wieder eine Anzahl ,, verdächtiger" Züricher Adressen mitgetheilt worden. Erscheint eine Sendung auf Grund irgend eines dieser Anhaltspunkte als verdächtig, so wird sie auf gehalten, und werden zum Zweck der Auskundschaftung dreierlei Verfahren angewendet. Entweder die Sendung wird, perlustrirt", d. h., wenn es ein Brief ist, durch Aufschneiden oder irrthüm liches Eröffnen von Amtswegen", wenn ein Backstück, durch gewalt­liches Eröffnen von Amtswegen", wenn ein Packstück, durch gewalt sames Stoßen und Quetschen eröffnet. Oder die Sendung wird einfach gestohlen. Oder aber endlich, wenn beides unmöglich oder bedenk­lich( wie bei eingeschriebenen Briefen oder bei sich öfter wieder­holenden Fällen), so wird die Ankunft der Sendung der bet.. Polizeibehörde avisirt, von dieser dem Postboten ein Polizeiagent Polizeibehörde avisirt, von dieser dem Postboten ein Polizeiagent mitgegeben und von diesem die Sendung sofort nach Abgabe beschlagnahmt.

Aber nicht genug, daß der Polizei in der Post ein ständiger Platz eingeräumt worden ist, daß ferner einzelne Postbeamte zum Zweck der Briefstieberei oder der Beihülfe hiezu entweder beſtochen worden oder deren selbstangebotene Dienste bereitwillig angenommen find: auch die Post selbst ist korrumpirt und die infame Briefschnüffelei, d. h. das schwarze Kabinet offiziell, durch geheime Erlasse des Generalpostmeisters und der Oberpostdirek tionen eingeführt. Ein solcher Erlaß des Generalpostmeisters hin­fichtlich der Perlustrirung" von Postsendungen, in denen ver botene Schriften zu vermuthen, wurde bereits in der Frühjahrs seifion des Reichstags zur Diskussion gebracht, wobei sich die Würdelosigkeit des Reichstags und speziell der Herren Liberalen wieder einmal im hellsten Lichte zeigte. Denn trotzdem sogar wieber einmal im hellsten Lichte zeigte. Denn trotzdem sogar Lasker nicht umhin konnte, die Sache für bedenklich" zu finden, und die Thatsache der Verlegung des Briefgeheimnisses außer Rweifel stand, hatte man nicht den leisesten Tadel für ein solches schändliches Gebahren: war es ja doch blos gegen die Sozia­listen gerichtet!

Heute sind wir nun in den Stand gesetzt, ein neues Beweisstück in Sachen der Reichspost- Briefstieberei beizubringen. An sämmt­liche Postamts- Vorsteher eines gewissen Kreises( wahrscheinlich auch an die anderer Kreise) erging im Laufe des November nach folgendes autographirtes Schreiben:

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Kaiserliche Ober- Post- Direktion N. N., den.. November 1879. Vertraulich! Nach einer hier vorliegenden zuverlässigen Mit­theilung wird in neuerer Zeit auf den zur Verbreitung in Deutsch­ land bestimmten, mit abwechselnden Titeln versehenen Nummern der in London erscheinenden Sozialistenzeitung Die Freiheit" behufs Täuschung der Behörden statt des Druckortes London " am Kopfe des Blattes der Ortsname Berlin " eingerückt, ferner werden die einzelnen Zeitungsnummern derart zusammengefaltet, daß der letztgenannte Name sofort in die Augen springt. Ew. Wohlgeboren werden hievon auf Veranlassung() in Kenntniß ge setzt, in Gemäßheit der Amtsblatts- Verfügung vom 6 Februar Nr. 19, S. 29 die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Der Kaiserliche Ober- Post- Direktor.( Unterschrift.)" An den Herrn Vor­steher des Kaiserlichen Postamts in N. N."

Wir wollen hiezu nur bemerken, daß das im Erlaß besprochene Blatt selbstverständlich in Deutschland , gleich dem Sozialdemo­krat", nur unter Briefverschluß versandt wird, so daß sich also die Anleitung, welche die Postbehörde ihren Beamten gibt, nicht auf Kreuzbandsendungen bezieht, deren Durchsicht der Post ja rechtlich zusteht. Uebrigens ist ja der Charakter dieser Diebs instruktion schon durch den Veisaz Vertraulich" d. h. geheim, zu verheimlichen genügend dargethan. Daß jedoch derartige Zusäße, welche gesetzwidrige und ehrlose Manipulationen der Behörden dem Volk verbergen sollen, nicht hindern, daß die sozialdemokratische Presse davon Kenntniß erhält, beweist unsere Mittheilung auf's neue. Es findet sich glücklicherweise früher oder später immer wieder ein ehrlicher Zufall, welcher die Schande offenbar macht!

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Voraussichtlich wird ein sozialdemokratischer Abgeordneter die infame Affäre nebst vielen andern im nächsten Reichstag zur Sprache bringen, und man darf begierig sein, was die Regierung zu entgegnen haben wird. Freilich fehlt es der leßteren weder an Frechheit, sich, wenn möglich, mit dreifter Stirn herauszulügen,

noch an Schamlosigkeit, die Sache, wenn kein anderer Ausweg vorhanden, nicht nur zuzugestehen, sondern sogar prahierisch als ein Verdienst um Staat und Gesellschaft anzurechnen. Das alte Weib Reichstag aber wird Beides gleichsehr billigen und wenn der Junker mit dem Pferdefuß etwa mit fynischer Offens heit Farbe bekennt und die Briestieber- Werkzeuge auf den Tisch des Hauses niederlegt, ebensowenig erschrecken und ebenso über den föstlichen Spaß unbändig lachen, wie das Scheusal in der Herenküche über das mephistophelische Wappen!

Beamtenproletarier. Veranlaßt durch die gegen­wärtig sich in erschreckender Weise mehrenden, zum großen Theil durch die Ermüdung, resp. verminderte Dienstfähigkeit der Bahnbeamten durch Arbeitsüberbürdung herbeigeführten Eisenbahnunglücke hat das preußische Ministerium der öffentlichen Arb iten vor kurzem einen Erlaß des Reichseisenbahn­amtes vom 21. Februar 1875 den Eisenbahndirektionen und Kommissionen in Erinnerung gebracht, welcher Vorschriften hin: fichtlich des täglichen Arbeits- und Dienststunden Maximus gibt. Diesem Erlasse zufolge foll eine tägliche Dienstzeit von vierzehn Stunden für Bahnwärter und Weichensteller das Maximalmaß sein; außerdem sollen diesen Beamten zwei dienstfreie Tage im Monat billigerweise nicht versagt werden." Bei Regelung der Dienststunden des Maschinen- und Fahrpersonals soll darauf Be­dacht genommen werden, daß die betreffenden Beamten nicht über­mäßig lange und über ihre Kräfe hinaus ununterbrochen Dienst zu thun haben und daß die Ruhepausen möglichst nach dem Stationsort des Betreffenden gelegt werden. Diese Vorschriften sind indessen, wenn sie je allgemein zur Ausführung gelangten, längst wieder in Vergessenheit gerathen.

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Nach neueren Erhebungen des Reichseisenbahnamtes beträgt das Dienstmaß, welches auf den einzelnen Eisenbahnen Teutschlands ( excl. Bayerns ) von den genannten Beamten in einem einmonat­lichen Zeitraum verlangt wird, im Durchschnitt für Bahnwärter 368 Stunden, für Weichensteller 364, für Schaffner 283, für Lokomotivführer 288 und für Lokomotivheizer 293. Ban ver­schiedenen Bahnen aber wird von diesen Turchschnittssäßen welche das Reichseisenbahnamt als, nicht übermäßig hoch" erachtet- wesentlich uno zum Theil in wahrhaft unerhörter weise abgewichen. So beträgt z. B. das in einem einmonatlichen Zeitraum zu leistende Dienstmaß bei einigen Bahnen für Bahnwärter 540 bis 555 Stuns den, für Weichensteller 555 Stunden und für Lokomotivführer und Heizer 522 Stunden, d. h. 17, 18, ja fogar 19 Stunden täglich bei nur zwei Ruhetagen im Monat! Ja stellen und zeitenweise kommt es noch ärger. So ist nach dem Opp. Wochenbl." seit Weihnachten auf der Kommissions­strecke Breslau- Cosel der Oberschlesischen Eisenbahn die Einrich­tung getroffen, daß die Stationsbeamten und Telegraphisten sieben Nächte hintereinander ihren beschwerlichen und verantwortlichen Dienst thun müssen, wobei ihnen, anheim­gestellt ist", dies noch weitere sieben Nächte freiwiuig" zu thun; die Weichensteller haben schon längere Zeit die gleich langen und noch längere Tienſtſtunden!

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Läßt sich insbesondere wenn man noch die elende Bezah lung der meisten Beamten in Betracht zieht eine infamere Ausbeutung des Arbeiters, ein gewiffenloseres Spiel mit Menschen­leben mit denen der abgeraderten Beamten selbst und denen der ihrer Dienstsorgfalt übergebenen Reisenden denken? Und ist es ein Wunder, wenn ein dergestalt total übermüdeter Beamter, dem von einer Sorge für seine Privatgeschäfte gar nicht zu reden nach dem anstrengenden Dienst kaum 5 bis 6 Stunden ungenügenden und oft unterbrochenen Tagsschlafes übrig bleiben, in seiner Schlaftrunkenheit die Weiche falsch stellt, ein grünes oder rothes Licht übersicht oder eine Tepesche verschläft und da­durch möglicherweise Unglück über Hunderte bringt? Geschieht aber ein solches Unglück, so ist alle Welt über den armen Beamten empört, er wird schnell vom Arm der Gerechtkeit" gefaßt und seine Familie vater- und brotlos gemacht; während der wahre und alleinige Schuldige, die menschenentwürdigende Ausbeutungs­sucht des Kapitals straflos ausgeht und immer neue Opfer erwürgt!

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Berlin , 19. Januar. Auch in Berlin wird die Sozial­demokratie demnächst die erwünschte Gelegenheit haben, die Probe auf das Sozialistengeset abzulegen. Der fortschrittliche Abgeord nete des 2. Reichstags- Wahlkreises, Hofmann, hat nämlich sein Mandat niedergelegt, und wird daher eine Neuwahl statt­finden. Wie die Bürger- 3tg." meldet, sollen die Sozialdemo kraten bereits ein Wahlkomite gebildet haben, wovon jedoch die Polizei Wind erhielt. Das Wahlkomite hielt in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch in der Wohnung eines seiner Mitglieder in der Heinersdorfer Straße eine geheime Sizung, als die Po lizei eindrang, den Berathungen ein Ende machte, die Mitglieder des Wahlkomites, 12 an der Zahl, verhaftete und sämmtliche vorgefundene Papiere mit Beschlag belegte. Wir wissen nicht, ob sich die Sache so verhält und ob nicht die Verhaftungen viel­leicht mit den jüngsten zahlreid en Haussuchungen und der be­kannten Weihnachtsverloosung zusammenhängen. Indessen ist der Gewaltstreich der Polizei in einem Falle so infam wie in dem andern. Denn eine Verloosung zur Unterstüßung nothleidender Frauen und Kinder wird jedem vernünftig Denkenden eben so wenig als ein Verbrechen" gelten, als Vorbereitungen zur Aus­übung des wichtigsten Bürgerrechtes, des Wahlrechtes. Doch wollen wir weitere Nachrichten abwarten.

* Leipzig , 17. Januar. Auf Grund des Sozialistengefeßes hat die hiesige Kreishauptmannschaft die von W. Hasenclever herausgegebene humoristische Zeitschrift: Das Lämplein" ver

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boten. Das Blatt soll, staatsgefährlich" gewesen sein, was gewiß jedem seiner Leser eine Neuigkeit gewesen sein wird. Wir wer den auf die famosen Motive" dieses Verbotes noch zurückfom

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-dt- München, 16. Januar. Belanntlich ist auch unser bajuvarisches Bierland so glücklich, eine Verfassung" zu besitzen. Wie gemüthlich" dieselbe aber gehandhabt wird, mag Ihnen Folgendes zeigen: Verfassungsgemäß dürfen die direkten Steuern nur auf Grund eines, alle Finanzperioden zu erneuernden Steuer­gesetzes eingehoben werden, und ist ohne ein solches Gesetz Nie­mand zum Steuerzahlen verpflichtet. Bis zum heutigen Tage aber ist der, allerdings von den Kammern genehmigte, neue