los. Die Abschaffung des Militarismus auf gütlichem oder gesetzlichem Wege ist einfach unmöglich, sie kann und wird erst erfolgen durch die herannahende soziale Revolution.
Nichts destoweniger aber kann und muß auch unsererseits der Kampf gegen den Militarismus als gutes Agitationsmittel benutzt und fortge setzt werden, und unsere Schlußmoral und das Ende vom Lied" hieße demnach, wie seither:
,, Nieder mit dem Militarismus!" Aus Schwaben , im April 1880.
K.
,, Ausschreitungen" der preußischen Polizei. Polizei.
Eine zeitgemäße Erinnerung.
Motto: Zwischen uns sei Wahrheit." Friedrich Wilhelm IV. , König von Preußen Woher kommt es wohl, daß in unserer Heimath keine Behörde dem Volke widerwärtiger erscheint, keine mehr Haß und Verachtung gegen sich erregt, als gerade die Polizei? Warum ist es sogar eine strafbare Injurie( nach einem Königsberger Richterspruch), einen Polizisten einen Polizisten zu nennen? Warum ist bei jeder Volksbewegung der erste Stein noch immer in die Fenster eines Polizeigebäudes geschleudert worden? Liegt es im Charakter oder auch nur im Interesse des Volkes, den berufenen Wächter seiner Person und seiner Habe zu hassen und zu verabscheuen, ihn womöglich zu mißhandeln?
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Man wird uns einwenden, daß die von der Polizei im Jnteresse des Allgemeinen gehandhabte Ordnung eine rücksichtslose Strenge der Ausführung fordert, die ihr den Haß der Vielen zuzieht, die sich solcher Ordnung nur mit Widerstreben fügen. Dies ist aber grundfalsch. Es bedarf nur eines Blickes auf England, um uns eines Besseren zu belehren. Warum gehört dort die Polizei zu den geachtetsten Behörden im Lande? Warum findet dort der unterste Konstabler, der dem Publikum durch keine Bickelhaube, kein beklunkertes Schwert an der Seite imponirt, im dichtesten Volksgedränge achtungsvollen Gehorsam für seine Anordnungen ,, im Namen des Gesetzes?" Warum lassen sich respektable englische Bürger freiwillig als Polizeimänner einschwören, um sich der Polizei im Falle ihrer Unzulänglichkeit zur Verfügung zu stellen, während bei uns im ähnlichen Falle der bewaffnete Bürger die gefährdete öffentliche Ordnung nur dadurch herzustellen vermag, daß er die verhaßte Polizei aus den Augen des Volkes verschwinden läßt? Woher dieser Unterschied zwischen zwei Nationen, auf deren germanische Stammverwandtschaft die Kulturgeschichte so oft hingewiesen?
Die Erklärung liegt auf der flachen Hand, wie die Erscheinung selbst. Weil, was drüben Vernunft ist, bei uns Unsinn, was drüben Wohlthat, bei uns Plage geworden, weil drüben in England die Polizei dient und weil sie in Deutschland herrscht. Der aus unserm Säckel besoldete Wächter hat den ihm anvertrauten Spieß umgekehrt. Er wacht nicht über das Volt, er überwacht es; er hat sich zu seinem Vormund aufgeworfen, zu seinem Tyrannen. Daß die öffentliche Meinung im Lande wenig Veranlassung hat, einer derartigen Polizei absonderlich hold zu sein, ist begreiflich.
Treten wir gleich für das in Bezug auf unsere Polizei Gesagte den Beweis an. Wir werden nachstehend Thaten höherer, ja höchster preußischer Polizeibeamten aus der Geschichte der letzten 30 Jahre mittheilen, die Manchem unglaublich vorkommen dürften, deren buchstäbliche Wahrheit
wir aber mit unserer Ehre verbürgen. Wer nicht begreifen kann, wie ein an und für sich untergeordneter Faktor des staatlichen Organismus, die Polizei, sich eine Macht aneignen konnte, die sie in Stand setzte, alle andern Funktionen des Staats lahm zu legen oder ihrem Zwecke zu unterwerfen, ja sich geradezu an die Stelle des Staates selbst zu setzen, den laden wir ein, zunächst mit uns einen Blick auf den Ursprung unserer Tendenz oder politischen Polizei zu werfen, und es wird ihm dann leicht sein, das Räthsel zu lösen.
Der in ein Syſtem gebrachte deutsche Polizeiſtaat iſt eine Errungen
schaft des deutschen Befreiungskrieges", wie seiner Zeit der
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heilige Alliance- Krieg offiziell betitelt wurde. Um nicht mißverstanden zu werden: wir sprechen hier von dem Befreiungskriege vom Jahre 1813/15, wo den zu Vasallen Napoleons herabgejun fenen oder auch flüchtigen Fürsten das Volk mit seinem Blute wieder zu ihren Thronen und Kronen verholfen hatte und„ Mein Volt" seinerseits sich zum Lohn gehorsam st und demüthigst in Ketten schlagen ließ. Die Wirkungen der französischen Revolution von 1789 für deutsche Unterthanentreue unschädlich zu machen, dazu genügte bis dahin vollkommen die Stockpolizei der alten patriarchalischen Hausordnung und die Zensur. Der gedachte Befreiungskrieg jedoch hatte das deutsche Volk in eine politische Quer stellung zu seinen befreiten Fürsten gebracht. Man begreift: nichts erregt mehr den Argwohn, ja geradezu den Haß der Machthaber, als denen zu Dank verpflichtet zu sein, die zu beherrschen sie sich berufen fühlen. Die Noth der schweren Zeit hatte den befreiten deutschen Fürsten ihrem Volke gegenüber Versprechungen abgerungen, die zu halten sie niemals gesonnen gewesen; um so verdächtiger daher das Volk, vor Allem da s Volt, welches aus dem Befreiungskriege als Volk zurückgekehrt war. Die„ Landesväter" waren restaurirt, allein es fehlten ihnen die zu„ Unterthanen" restaurirten Landeskinder. Die heißen Stichworte der Erhebung: Freiheit, Vaterland, Sklavenjoch, Geistesknechtschaft, heilige Volksrechte u. dgl. waren den befreiten Fürsten um so fataler geworden, als sie selbst es gewesen waren, welche dieselben in
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schwungreichen Aufrufen zündend in das Volk geschleudert hatten. Noch immer sang das Volk die Schlachtenlieder des Befreiungskrieges, von Freiheit, die ich meine", von Gott, der Eisen wachsen ließ", und keine Knechte wollte, das Arndt'sche Lied vom deutschen Vaterlande u. dgl. Es schmückte sich mit den Farben und Symbolen eines einigen Deutsch land , es stärkte turnend am Reck den Körper zu männlichen Thaten, es fühlte einen nicht zu bändigenden Thatendrang und wußte nicht, auf wen und was es mit der nervigen Faust losschlagen sollte. Wohl war trotzdem nichts ferner von einer Revolution als die damalige Stimmung in Deutschland , die uns jetzt fast wie eine Art von erhabener Narrheit erscheint. Aber doch war etwas darin, was die befreiten deutschen Fürsten nicht mißverstehen konnten nämlich das unverkennbare Gefühl, daß das Volk sich nicht befreit fühlte, wie es ihm im Ideal vorgeschwebt, und daß es noch viel überschüssige Kraft zu verwenden hatte. Der fieberhafte, unregelmäßige Pulsschlag ließ befürchten, daß das Volk aus dieser Krisis zu einer Nation genesen könnte.
Bedenkliche Symptome für den restaurirten Absolutismus! Die be freiten Fürsten riefen die Polizei zu Hülfe. Ganz Deutschland wurde wegen Verdachts demagogischer Umtriebe unter Polizeiaussicht gestellt. Seitdem und erst seitdem haben wir eine in ein System gefaßte politische oder Tendenz- Polizei, welche die Vollmacht erhielt, mit dem Volte nach Gutdünken zu schalten und zu walten. Ob sie es gethan hat und wie? ( Fortsetzung folgt.)
Sozialpolitische Rundschau.
* Der arme Bismard! Die armen, schwachen„ Nerven" des Blut und Eisen- Mannes! Sie haben jetzt erschrecklich viel zu leiden. Die famose Samoa- Vorlage endgiltig abgelehnt, Tabakmonopol und Einschluß von St. Pauli in den Zollverein vor ihrer Einbringung abfällig beurtheilt, der ganze Segen von. Steuervorlagen in den Wartewinkel zurückgestellt, ein weiterer Sozialdemokrat in den Reichstag gewählt, dagegen der Oberoffiziöse und kanzlerische Leitpreßlakai gerichtlich zu Gefängniß berurtheilt das ist zuviel für eine Woche. Und was das Nervenerregendste ist: der sonst so wohldressirte, bismarckergebene Reichstag, das eigenste Geschöpf und Werkzeug des Herkules unserer Zeit ist es vor allem, welches sich plößlich in empörender Disziplinlosigkeit und schnödem Undank gegen den Herrn und
Meister erhebt und ihm brennende Wunden schlägt. Wen kann Les da Wunder nehmen, wenn es im Kanzler- Palast grout und wetterleuchtet und sich ein Unwetter zusammenbraut, dessen Entladung wol kaum lange auf sich warten läßt?
In der That kam der Widerstand des sonst so unterwürfigen und unbedingt verlässigen Reichstages gänzlich unerwartet. Für die Samoavorlage hatte sich der Reichskanzler persönlich eingesetzt; auf seine Initiative hin haben sich die Banquiers zur Begründung der neuen Südsee- Gesellschaft bereit gefunden und den Namen des Reichskanzlers unter den Prospekt, welcher zur Zeich nung der Aktien auffordert, setzen dürfen. So ist und bleibt
bie Ablehnung der Samoa- Vorlage eine ganz unmittelbare Niederlage des Kanzlers, die wohl noch manches Andere im Gefolge haben wird. Der des Widerstands ungewohnte Reichstag wurde seiner Keckheit vermuthlich erst hinterher recht bewußt; und da nun merkwürdiger Weise nicht sofort die Himmel her: niederstürzten und unseren armen Planeten sammt dem darauf befindlichen unbotmäßigen Reichstag zerschmetterten, so wuchs dem letzteren plößlich der Muth ganz enorm und ließ ihn das Wagstück noch weiterer Opposition, immer wachsender Opposition und zwar gerade in des Meisters Lieblingsfragen, unternehmen. Es ist recht bezeichnend für die Lage, daß bei der Berathung über die Interpellation bezüglich der Lostrennung eines Theiles von St. Pauli vom Hamburger Freihafengebiet ein Redner die Worte eines Hamburgers: daß Hamburg durch Napoleon I. Bosheit nicht so viel Schaden zugefügt worden sei, als durch Bismards gewaltthätige Irrthümer, wiederholen konnte, ohne durch irgend ein Zeichen nationaler Empörung unterbrochen zu werden. Der Nationalgott Bismarck mit dem erbfeindlichen Teufel Napoleon verglichen und noch dazu zu Ungunsten des ersteren wahrlich, es ist weit gekommen in Bismarcks neuem
Reich!
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Was der Kanzler zu alledem sagt, kann man sich wohl denken, man erfährt es aber nicht, weil ja Bismarck den Reichstag seines Besuches nicht würdig hält. Wenn aber sein Leiborgan, die„ Nordd. Allg. Zeitung" seine Stimmung richtig wiedergibt, dann muß ihm des Reichstages neueste Haltung nicht minder unerwartet gekommen sein als aller Welt. Natürlich haben beide - wie der Herr so der Bediente und umgekehrt nach Ueber: windung der ersten Sprachlosigkeit gewaltig zu poltern begonnen und recken dem Widerspenstigen proßig die Faust unter die Nase. Du Tölpel haft gar nichts darüber zu entscheiden, wie lange und was du berathen und wann du heimgehen willst; darüber hat allein der Meister zu befehlen und du hast zu gehorchen. So tönt's dem Reichstag entgegen. Aber dieser scheint von einem so unbändigen Muthkoller und einem nicht geringeren Widerwillen gegen mandatgefährdende Steuerbewilligungen besessen zu sein, und das Bedürfniß nach angenehmen Pfingstferien scheint ein so zwingendes zu sein, daß die Drohung nicht allzuviel Eindruck
machte.
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Auch außer dem Parlament wächst in bisher tadellos reichstreuen" Kreisen die Unzufriedenheit und der Widerspruchsgeist. Namentlich hat der Kanzler mit den Seeſtädten und besonders mit dem reichen Hamburg eine böse Klette angefaßt, die ihm noch gewaltig zu schaffen machen wird. Während es früher nirgends rückhaltslosere Bismarckbewunderer, Bismarckanbeter gab, als in den Hauptstädten, ist dort jetzt mit wenigen Ausnahmen alles feindlich gegen ihn gesinnt, und der Ausgang der Hamburger Wahl kann unbeschadet des glänzenden Sieges unserer Partei auch als eine Kriegserklärung an Bismarck aufgefaßt werden.
Wir sind nun weit entfernt, diesen inner- und außerparla: mentarischen Anzeichen eine zu große Bedeutung beizulegen und von ihnen sofort zu Tage tretende erfreuliche Folgen zu erwarten; allein sie zeigen unzweideutig auf eine reißend um sich greifende Unzufriedenheit mit den politischen und wirthschaftlichen Verhält nissen, die binnen kurzer Frist alle Kreise des deutschen Volkes ergriffen haben wird. Daß dieser immer höher steigenden Unzufriedenheit auf dem vernünftigen und wahrhaft politischen Weg der Aenderung der mißliebigen Regierung und zweckwidriger Einrichtungen abgeholfen wird, ist unter den deutschen Verhältnissen nicht zu erwarfen. So werden sich denn die durch kein Sicherheitsventil entströmen könnenden Gase so lange ansammeln, bis ein geringer Anstoß von außen oder innen die Explosion verursacht und der ganze glänzende Kessel in die Luft fliegt, Tod und Verderben über die kurzsichtigen Maschinisten verbreitend. Daß die Unausbleiblichkeit dieser tigen Maschinisten verbreitend. Daß die Unausbleiblichkeit dieser Entwicklung der Dinge auch außer der deutschen Sozialdemokratie begriffen wird, beweist außer schon früher mitgetheilten Stimmen neuerlich der Pariser » Reveil social», welcher seinen Brief aus Deutschland mit den zutreffenden Worten schließt:„ Auf dem parlamentarischen Weg ist kein Ausweg aus dieser Lage; nur eine soziale Revolution wird ihr ein Ende machen, und diese bereitet die sozialistische Partei langsam aber sicher vor!"
„ Ich führe nicht Krieg mit den Todten" sagte einst ein Tyrann alter Schule, Karl V. , am Grab Luthers. Die heutigen Gewaltherrscher wissen nichts von solcher" sentimentaler" Pietät. Als in Braunschweig am Tag nach dem Tod unseres Bracke eine Lebensbeschreibung des dahingegangenen Kämpfers erschien, wurde sie sofort verboten! Das Reich ist gerettet.
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Von den Mannheimer Verhafteten sind Dreesbach, Koch, Mai und Ottenthal wieder auf freien Fuß gesetzt. Hacken: berger hofft man gegen Bürgschaft ebenfalls frei zu bekommen.
X. Breslau , 27. April. Eine an die Schandperiode der deutschen Rechtspflege während der Attentatsepidemie erinnernde Verurtheilung wegen Majestätsbeleidigung" erfolgte vergangene Woche dahier. Der Maler Broda, ein Berliner Ausgewiesener, hatte anfangs dieses Jahres wiederholt bei Parteigenossen um Unterstützung nachgesucht, welche ihm jedoch nicht gewährt werden konnte. In einer Anwandlung von Groll darüber ließ sich Broda die ebenso gesinnungslosen als unvorsichtigen Drohworte entschlüpfen: wenn er fein Geld bekomme, werde er sich rächen, indem er ein Attentat begehe, um dadurch die undankbare sozialdemokra tische Partei zu schädigen.(!) Diese Worte hörte ein Schuhmachermeister, der Anzeige machte, worauf der Staatsanwalt Klage erhob. Man wird sich wohl fragen, auf Grund welcher Gesetzesbestimmung er das that: wegen Erpressung? oder wegen Bedrohung? nein, wegen Majestätsbeleidigung! Zu diesem unerwarteten Resultat kam er durch folgende Schlußfolgerung: wenn der Angeklagte auch die Person, auf welche er das Attentat begehen wollte, nicht genannt, so könne doch offenbar niemand anderer gemeint sein, als der Kaiser! Und das Gericht Beleidigung des Reichsoberhauptes und verurtheilte Broda zu 3 Monaten Gefängniß( der Staatsanwalt hatte 9 beantragt). Solche Richtersprüche eröffnen eine hübsche Aussicht. Spricht einer ohne jede weitere Bezeich wing an alten Lumpen Lehmann", so ist nach Ausspruch des Landge
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schloß sich dieser Auffassung an, erblickte in dieser vagen Drohung eine
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richts zu Ratibor vom 18. August 1. J. allemal der Kaiser damit gemeint. Droht einer in ganz vagen Ausdrücken mit einem Attentat, so kann er damit nach Spruch des Landgerichts Breslau vom 22. April ds. nur auf den Kaiser abzielen. Wenn das so fort geht, so kommen wir schließlich noch dahin, daß jede Dnmmheit, Schlechtigkeit, Gewaltthat, bei welcher kein Name genannt worden, von übereifrigen Gerichten auf den Kaiser bezogen wird eine sonderbare Auffassung des monarchischen Prinzips, deren Verallgemeinerung zu wehren wir übrigens keine Ürfache haben.
Oesterreich- Angarn.
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* Auch in Ungarn wird der Boden für die Sozialisten immer wärmer, wohl hauptsächlich eine Folge der Einigung der Partei, welche zu fürchten die Regierung alle Ursache hat. Nach der Unterdrückung der Preßburger Wahrheit" und der„ Abschiebung" ihres Redakteurs Grundstein ist die Regierung auch an die beiden Budapester Parteiblätter Arbeiter- Wochen- Chronik" und« Nepszava » gegangen. Dieselben dürfen nämlich nicht politisch", sondern nur sozialpolitisch" schreiben; der Staatsanwalt findet aber mit Leichtigkeit in jeder Nummer eine Ueber: schreitung dieser Befugniß und bringt deswegen den Herausgeber, Gen. Ihrlinger, schon zum wiederholten Male zur Verurtheilung. Bezeichnend für den vorhandenen Verfolgungseifer ist, daß er nach seiner letzten Verurtheilung zu 14 Tagen Arrest sofort verhaftet wurde. Auch Gen. Hanslitschek von der ,, Wahrheit" wurde zu 8 Tagen Gefängniß verurtheilt, wobei sich der Gerichtspräsident in der parteiischsten und unverschämtesten Weise benahm.
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F. M. Lüttich , 29. April Die Reaktion fordert auch hier ihre Opfer. Nach dem Muster der famosen Gambettistischen ,, Republik " hat auch die belgische Regierung dieser Tage einen deutschen Sozialisten, Gen. Koch( Schneider), aus dem„ liberalen" Belgien ausgewiesen. Man fürchtet, daß es dabei nicht bleibt, sondern daß Koch noch mehrere deutsche Genossen folgen werben. So werden wir von Land zu Land gehetzt, nirgends will man uns Aufenthalt, Arbeit und Unterhalt gönnen; und dann wundert man sich noch, wenn wir, die Heimathlosen, die Vogelfreien, den Weg des Gesetzes", der für uns nur zur Grube führt, verlassen und unsern Unterdrückern Untergang und Nache schwören!
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* Die politische Bedeutung der Ausweisung der deut schen Sozialisten aus Paris , und die Haltung der fran zösischen Presse gegenüber diesem Ereigniß zwingen uns, noch einmal auf die Sache zurückzukommen. Unser jüngstes Urtheil über die Haltung der Presse, vor allem der radikalen und sozialistischen, können wir leider auch heute nur wenig und nur in Einzelnem abändern. Der« Prolétaire» hat noch kein Wort der Migbilligung gefunden und beschränkt sich gleich den meisten Blättern( soweit dieselben das Vorgehen der Regierung nicht gerechtfertigt finden und die deutschen Sozialisten verläumben
erlassenen Proteste und Warnungen. Die« Egalité» hat allerdings und beschimpfen) auf den Abdruck der von den Ausgewiesenen in der Sache gesprochen; fie theilt die Thatsache der Ausweisung in trockenen Worten mit und fügt dann wörtlich hinzu:„ Um gegen diese neueste Heldenthat der kapitalistischen und gouvernementalen Willkür zu protestiren und zugleich um den Familien der Opfer zu Hülfe zu kommen, hat die« Egalité» eine Substription eröffnet, deren erſte Liste folgt...." Es folgen dann Zeichnungen im Betrage von ca. 20 Franken. Ob mit diesen wenigen Zeilen zur Brandmarkung eines Gewaltstreiches, der selbst die deutsche Reaktion schänden würde, genug gethan ist, und ob insbesondere die nothwendige Solidarität der Sozialisten aller Länder dadurch hinlänglich zum Ausdruck gebracht worden ist? Einen sonderbaren Kommentar zu dieser Haltung der Presse liefert die« Egalité» in ihrer neuesten Nummer, indem sie schreibt:„ Die( deutschen ) Zeitungen aller Farben wundern sich, daß die französische Presse nicht thatkräftiger gegen die Ausweisung der deutschen Sozialisten aufgetreten ist; mehrere Blätter schreiben diese Haltung der Nationalität der Ausgewiesenen zu und behaupten, daß die Protestationen nicht gefehlt hätten, wenn es sich um Bürger eines anderen Landes gehandelt hätte. Die Sprache der deutschen Presse zeigt, daß die französische Regierung, weit entfernt, sich der deutschen Regierung angenehm zu machen, nichts als einen diplomatischen Pudel geschossen hat: es gtib teine Ungeschicklichkeit mehr zu begehen." Die Erfolglosigkeit wird also gegeißelt, die Thatsache an sich ohne weitere Beurtheilung hingenommen! Es ist ein recht verstimmendes Bild, das sich uns hier bietet und das wir im Dienste der Wahrheit und der Sache des internationalen Sozialismus nicht mit Schweigen übergehen durften, das wir aber im Interesse derselben Sache so schnell und so gut als möglich begraben und vergessen wollen. Konnten wir so unser abfälliges Urtheil im allgemeinen leider nicht zurücknehmen, so dürfen wir anderseits auch einzelne erfreuliche Ausnahmen von der allgemeinen Haltung nicht mit Schweigen übergehen. Wir hatten in Nr. 17 auch den« Reveil social>> unter den sich ausschweigenden radikalen Blättern genannt. In feiner Nr. 95 beklagt er sich darüber, indem er an uns die Aufforderung richtet:" Möge unser sehr sympathischer Kollege auf die Nummern unserer Zeitung von der vorigen Woche zurückgehen und er wird sich mit Leichtigkeit davon überzeugen können, daß wir energisch gegen die willkürlichen Maßregeln protestirt und unsere Spalten den Protesten der ausgewiesenen Bürger geöffnet haben." Wir sind der Aufforderung unseres geschätzten Kollegen sofort nachgekommen und haben zwar die Proteste der Ausgewiesenen, nicht aber den gedachten Protest der Redaktion gefunden. Indessen zweifeln wir angesichts der obigen Mittheilung keinen Augenblick an dem Vorhandensein des letzteren; er wird uns wohl in der Menge des Lesematerials entgangen sein. Auf alle Fälle ist schon in der obigen Mittheilung eine unzweideutige Verurtheilung der schändlichen Handlungsweise der Regierung enthalten, die wir mit Vergnügen verzeichnen. Sodann ist noch anerkennend zu gedenken der entschiedenen Stellungnahme bes« Mot d'Ordre», welcher das richtige Wort gefunden hat, indem er die Ausweisung als eine Schmach für Frankreich bezeichnete, wofür es natürlich von« Gaulois»,« France » und ähnlichen Organen bissig angegriffen wurde.
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Eine Menge republikanischer" Blätter billigten dagegen die Handlungsweise der Regierung ganz offen und ohne Umschweife,