Erscheint

wöchentlich einmal

in

Zürich  ( Schweiz  )

Verlag

A. Herter, Industriehalle

Riesbach  - Zürich  

Noffendungen

franco gegen franco. Gewöhnliche Briefe

nach der Schweiz   foften

Doppelporto.

No 21.

Der Sozialdemokrat

Internationales Organ

der Sozialdemokratie deutscher   Zunge

Sonntag, 23. Mai.

Avis nu die Korrespondenten und Abonnenten des Sozialdemokrat".

Da der Sozialdemokrat" sowohl in Deutschland   als auch in Oesterreich   verboten ist, bezw. verfolgt wird und die dortigen Behörden sich alle Mühe geben, unsere Verbindungen nach jenen Ländern möglichst zu erschweren, resp. Briefe von dort an uns und unsere Zeitungs- und sonstigen Sendungen nach dort abzufangen, so ist die äußerste Vorsicht im Postverkehr nothwendig und darf keine Vorsichtsmaßregel versäumt werden, die Briefmarder über den wahren Absender und Empfänger, sowie den Inhalt der Sendungen zu täuschen, und letztere dadurch zu schützen. Haupterforderniß ist hiezu einerseits, daß unsere Freunde so selten

Abonnements

werden nur beim Verlag und dessen bekannten Agenten ent­gegengenommen und zwar zum voraus zahlbaren Vierteljahrspreis von:

Fr. 2.- für die Schweiz  ( Kreuzband) Mt. 3. für Deutschland  ( Couvert) fl. 1. 70 für Oesterreich( Couvert) Fr. 2. 50 für alle übrigen Länder des Weltpoftvereins( Kreuzband).

Inferate

Die dreigespaltene Petitzeile 25 Cts. 20 Pfg.

1880.

als möglich an den Sozialdemokrat", resp. dessen Verlag selbst adressiren, sondern sich möglichst an irgend eine unverdächtige Adresse außerhalb Deutschlands   und Oesterreichs   wenden, welche sich dann mit uns in Verbindung setzt; anderseits aber, daß auch uns möglichst unverfängliche Zustellungsadressen mitgetheilt werden. In zweifelhaften Fällen empfiehlt sich behufs größerer Sicherheit Rekommandirung. Soviel an uns liegt, werden wir gewiß weder Mühe noch Kosten scheuen, um trotz aller ent­gegenstehenden Schwierigkeiten den Sozialdemokrat" unsern Abonnenten möglichst regelmäßig zu liefern.

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Flugschriften- Fonds.

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N. N. Prag  . 1.; Die Wahrheit bleibt ewig doch wahr",( durch O. Peter) 1. 20;-b- P.( ö. w. fl. 1. 30) 2. 20; Spenglerausflug Zürich  ( Fcs. 1. 35) 1. 08; von einer Abendunterhaltung in der Meierei ( Fcs, 16. 65) 13. 32; o Hanau  : 5. 40; Pole Budapest( ö. fl. 1. 20.) 2. 20; Justinus Schwaben 2. 10; Für eine Annonce Br. 3.-;- f. Pfalz   2.; v. d. nasenköniglichen Tafelrunde, Prinz Näslein u. Gen. ( Fcs. 1. 40) 1. 12; Prinz Näslein für Absingung der schwedischen Nationalhymne( Fcs. 1. 83) 1. 46; Sauerkraut für D. 1. Vogel­futter vom Onkel: 7.; N. K. in R.( ö. fl. 1.-) 1. 70; F. M z: ( 25 fr. östr.) 42; zusammen M. 46. 20 bisher eingegangen 295. 98 Gesammteingang M. 342. 18

10. 30.

Fonds zur Unterstützung

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der Opfer des Sozialistengesetzes.

Seit dem 18. März gingen weiter ein: Ulm   50.; Augsburg   40.---; München   Kolofonium 11. 30; San Franzisko 700.-; Stuttgart   21. 65; Groß- Auheim   5.; Braunschweig   15.; Halle   a./S. 4. 05; Reut  lingen 10.-; Köln   a./R. 50.-; Leipzig   235. 70; Philadelphia   50. 50; Forst i./2. 10.-; Iserlohn   5.;" So neben her" Leipzig   26. Darmstadt   157.; Viersen   1. 50; Von einem Reichsfeind 551. W. Leipzig   6.; Besigheim   15.; B. Leipzig   15.-; Cordon Berlin H. Berlin   20.; S. Berlin   40.; Berlin   300. -; Berlin  Halle a./S. 23.; Leipzig   2. 10; Aus der Straffasse Leipzig 3. 20; Frankfurt   a./M. 10.-; Grafenberg   10. 30; Bernburg   7. Nürnberg   35.; Neumünster   13.; Knautschenbach Leipzig 10. Hannover 35. Augsburg 20.; Pforzheim   10. Marburg   8. 20; Verviers   30.; Deutscher   Verein Zürich  , Ertrag der Versammlungen zu Gunsten der Familien der Ausgewiesenen abgehalten( Fr. 92. 42) 73. 94; Deutscher Verein Frauenfeld: für politisch Verfolgte( Fr. 6.) 4. 80; Deutscher Verein Glarus dgl.( Fr. 5.) 4.; Deutscher Verein Basel für die Familieu der Ausgewiesenen:( Fr. 15.) 12.-; Gesammelt am Biertisch in St. Gallen  : durch Jul. Dol.( Fr. 4. 65.) 3. 72; Selbstbesteuerung 1. Liste Zürich  ( Fr. 21. 40) 17. 12. zusammen Mt. bisher eingegangen Mr. 12,790. 12 Gesammteingang Mt. 15,507. 20 Wir bitten die Genossen allerorts, ihre Sammlungen fortzusetzen und die Gelder an die ihnen bekannten Adressen zu senden

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Allgemeiner Wahlfonds.

2717. 08

Leipzig   f. d. Berliner   Wahl 85.-; 6. 10; B. U.( Fr. 24. 60) 19.68; zusammen M. 160. 78. früher eingegangen 50.-;

Delescluze.

25. Mai 1871.

Die Kommune liegt am Boden, stirbt in einem Strom von Blut, Nur die letzte Barrikade zeugt von ihrem Heldenmuth. Von Vertheidigern verlassen, gibt auch sie dem Feinde Bahn, Und der Ordnung" blut'ge Maffen stürmen gegen sie heran.

Was erbebt Ihr, Ordnungshelden? Was hemmt plötzlich Euren Lauf? Standen dem enterbten Volke neue Bataillone auf? Ist es Reue, die Euch hindert, die Euch zu erröthen drängt, Weil Ihr in die alte Knechtschaft Eure Brüder habt gezwängt? Nein, so edle Regung hätte neben Knechtes sinn   nicht Raum! Doch seltsamer Anblick ist es, der die Mordgier hält im Zaum. Auf der Barrikade plötzlich sehen einen Greis sie steh'n Und von da dem sichren Tode festen Schritts entgegen gehn.

Das ist Delescluze  . So löst er, was er jüngst gesprochen, ein: Daß man an der Freiheit Grabe sich dem Tode müsse weihn." Nicht das Leben will er tragen, seit der Menschheit Fahne sank, Seit der letzten Freiheitkämpfer Blut die gier'ge Erde trant. Neuer Muth belebt die Schaaren, da nur einen Mann sie sehn, Zu der größten ihrer Thaten sieht man kühn sie vorwärts gehn. Auf den Waffenlosen heben die Gewehre sie voll Hohn Von fünf Kugeln gut getroffen, fällt des Volkes treuer Sohn.

Ihr, die Ihr nach Heldenthaten stets die alte Zeit durchforscht, Denen groß nur scheint und edel, was vermodert und vermorscht, Laßt den blöden Sinn doch fahren, der so gern die Wahrheit flieht: Hier ist mehr als Marcus Cato, hier ist mehr als Winkelried! Delescluze! Der Geist der Menschheit, dem Du fielst ein Opfer, wacht! Delescluze, die Deinen schreiten muthig vorwärts durch die Nacht, Durch die Nacht, die lang zwar dauert, endlich doch dem Morgen weicht, Einem Morgen, dessen Sonne ewig strahlt und nie erbleicht,

Ihren nahen Aufgang kündet überall der Lerchen Ton,

Auf den Bergen, in den Thälern lauscht das Volk der Arbeit schon. Bei dem rüift'gen Sohn der Effe fehlt der Mann des Pfluges nicht, Beide reichen sich die Hände, und ihr leuchtend Auge spricht: Mögen uns're Feinde wüthen, mögen Noth und Tod sie drohn, Noch im Elend, noch im Tode sprechen ihrem Grimm wir Hohn. Eine Sache, derem Dienst wir solche Helden fallen sahn, Hemmen keine Ordnungsschergen mehr auf ihrer Siegesbahn!

K.

Die Lehre vom Sozialismus.

Mitten in den hochtönenden Phrasen und dem Flüstern der diplomatischen Komödienspielerei, mitten im Kampfe zur Berei­cherung der Börsen- und Industriewölfe, von denen einer dem andern durch betrügerische Bankerotte und ähnliche Manipulationen die gestohlenen Güter aus dem Rachen stehlen will, mitten in diesem bunten Durcheinander hört man von der neuen Generation immer lauter die Lehre vom Sozialismus.

Es ist ganz natürlich, daß diese unsere Lehre von allen Seiten angegriffen wird, daß sie das Jammern der geeinten Gegner verursacht und ihren Feindseligkeiten zur Zielscheibe dient. Sozialismus ist Diebstahl! schreien die Kapitalisten. Der Sozia­lismus ist Vaterlandsverrath! jammern die bürgerlichen Politiker. Sozialismus ist die Verleugnung alles Heiligen! rufen die Pfaffen. Sozialismus ist die Vernichtung der Menschheit! schreien die Philister. Der Sozialismus ist eine absurde Phantasie, ein Widerspruch gegen die Naturgesetze und die historischen Prozesse! behaupten die Vertreter der Bourgeoiswissenschaft.

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Da nun die Sozialisten bekennen, daß sie natürliche Feinde des Kapitalismus, der Finsterniß und des gedankenlofen Dahin­lebens sind, so können sie sich nicht im Geringsten ärgern, wenn sie von Denjenigen, denen sie selbst den unversöhnlichsten Kampf erklärten und auf deren Besiegung sie emsig hinarbeiten, mit Vorwürfen und Verleumdungen überschüttet werden.

Wenn man aber gegen den Sozialismus im Namen der Wissenschaft und im Namen der Zivilisation ankämpft, so können die Sozialisten nicht dazu schweigen. Es ist geradezu lächerlich, den Sozialismus im Namen der Wissenschaft bekämpfen zu wollen, da diese doch seine beste und stärkste Stütze bildet. Welcher Zweig menschlicher Wissenschaft verurtheilte nicht die heutige Einrichtung ihrem Wesen nach?

Fragen wir die Philosophie, was der Zweck des Menschen­geschlechtes und was der Zweck der Wissenschaften überhaupt sei, und wir bekommen die Antwort: Der Mensch ist um seiner selbst willen da und hat die Aufgabe zu immer höherer Voll­tommenheit zu streben. Die Wissenschaft ist nur Mittel zum

Zweck, nämlich zum Zwecke der Veredlung des Menschengeschlechts; sie muß daher im Laufe der Zeit nothwendig Gemeingut werden, um diese Veredlung und denkbar höchste Vollkommenheit der Menschen, d. h. aller Menschen, zu ermöglichen. Das ist Sozialismus, denn dieser verlangt ja die sorgfältigste und best­möglichste Erziehung und Ausbildung für alle Menschen. Sein Ruf lautet ja: Bahn frei!" Er will die Entwicklung aller Talente, er will den Menschen auf eine höhere Stufe der Voll­kommenheit heben.

Fragt man nun aber die Naturkundigen nach den Resultaten ihrer Forschung, und ihre Antwort, gegeben durch ihre vornehmsten Vertreter, wird einstimmig lauten: Alle Menschen sind gleichen Ursprungs, weil aus Wesen niederer Gattung hervorgegangen, Alle sind naturgemäß ganz gleich berechtigt. Das ist ein sozia­listischer Fundamentalsay.

Aber fragt man selbst den Juristen, der die heutige Ungleich­heit schön findet, der sie vertheidigt und zu erhalten wünscht, was seine Wissenschaft lehrt, und man bekommt die Antwort: Vorrecht ist Unrecht. Die Gleichheit der Individuen ist die noth­wendige Vorbedingung der Selbstverantwortlichkeit. Diese aber ist die Grundlage, von der aus überhaupt erst von Recht oder Unrecht die Rede sein kann. Das Gesetz ist für Alle, ergo wird die Gleichheit vorausgesetzt. Die Gleichheit aber zur Wahrheit zu machen, ist das Ziel des Sozialismus.

Aber genügt denn nicht schon der eine Gedanke des Sozialismus, um demselben zum Siege zu verhelfen: Freiheit und Gleichheit allen Menschen? Genügt nicht die eine Thatsache, daß der Ruf nach Emanzipation der Unterdrückten und Enterbten, von Mit lionen über den ganzen Erdball zerstreuten Menschen so laut, so einmüthig und so beharrlich ausgestoßen wird, daß er alle übrigen Fragen der Gegenwart übertönt? Genügt nicht das Zeugniß für den Sozialismus, daß es keine andere Frage von der Wichtig­keit der sozialen Frage mehr gibt? Genügt nicht die eine That sache, daß Millionen Menschen bereit sind, für die Lösung der sozialen Frage Blut und Leben zu lassen? Genügt es nicht, daß die Hoffnung auf die baldige Lösung dieser Frage die Sterbe­stunde der Armen und Elenden versüßt und daß die Furcht vor der Lösung dieser Frage die Mächtigen in ihren Palästen nicht mehr ruhig schlafen, wohl aber erzittern und beben macht?

Der Sozialismus ist der weltbewegende Gedanke ber Gegenwart, er repräsentirt die fortschreitende Zivilisation, denn er erstrebt Bildung, Wohlstand und Freiheit für alle Menschen!

Arb.- Woch.- Chron.

Zur Lage Deutschlands  .

Wer jetzt unser herrliches deutsches Kaiserreich unter der Lupe gesunder Kritik besteht, wird unbedingt versucht, zu glauben, daß ein Simson an den Säulen des vor einem Dezenium erst

errichteten gleißenden Kaiserpalastes seine Kraft erprobt habe. In sichtlichem Zerfall ist der Bau, den einst Tausende zur ver­meintlichen besseren Haltbarkeit mit ihrem Blute auf den Schlacht­feldern Deutschlands   gekittet hatten. Kein Wunder, daß erfahrene, über den beengenden Gesichtskreis des gewöhnlichen Unterthanen­verstandes hinaussehende Männer dem Bau ein baldiges Ende prophezeien. Hat man doch mit Hintansehung der gewöhnlichsten technischen Kenntnisse zu dem stolzen Gebäude neben einigen, den modernen Anforderungen entsprechenden Materialien, haupt­sächlich Jahrhunderte alte, von dem Wellenschlag der Zeit längst zerstörte Steine genommen. Ein kräftiger Sturm, ein widerstands­fähiger Anprall des verheerenden Elementes und am Boden liegt das mit so unendlicher Mühe und unendlichen Opfern auf­gerichtete Kaiserhaus.

Kartenhaus durch einen leisen Luftzug zu einem Häuschen Gleich einem Kinde, das sein mit vieler Beduld aufgebautes lofer   Blätter verwandelt sieht, und zweifelnd über diesen ver meintlichen Spuk dasteht, so wird einst die im Dunkeln tappende Menge staunend einer Thatsache gegenüberstehen, die andere, mit flarem Auge Prüfende fast mit mathematischer Gewißheit voraus­sehen konnten. Den Baumeister und seinen Architekten mag wohl zuweilen eine leise Ahnung beschleichen, daß man bei Errichtung

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des Palastes die modernen Techniker zu sehr hintangesetzt und deren Kenntnisse unterschätzt habe, und versucht er nun, den Auf­lösungsprozeß aufzuhalten. Er versucht durch veraltete längst von der Erfahrung und kundigen Männern verurtheilte Maß­regeln diesen rapid fortschreitendem Zerfall der Zinnen aufzu halten, von welchen herab er sich vor einem Dezennium in strah­lendem Glanze von einer blendenden Milliardensonne beschienen, der erstaunten Welt präsentirte. Mit maulwurfsartiger Emfigkeit umwimmeln gedungene Gefellen den Bau, um da, wo zerbröckelndes Gestein zu sehr der Außenwelt die angehende Ruine karlegen will, die Blößen mit einem neuen Ausputz und frischem Anstrich zu vertuschen. Vergebliche Mühe. Er wird fallen wie Alles, was nicht mehr stark genug ist, dem verheerenden Zahn der Zeit zu troßen, und wird unter seinen Trümmern alle Die be­

graben, welche noch mit kindlicher Naivität und Trotz versuchen, mit ihren kleinen, ungeschickten Händchen den Koloß vor dem Fall zu schützen!

Werfen wir nun einen Blick auf die Verhältnisse, welche so mächtiger Natur sind, in der kurzen Spanne Zeit von zehn Jahren ein Produkt zum Wanken zu bringen, dem gewiegte

Staatsmänner" ersten Ranges beinahe ein ganzes Menschen­alter hindurch ihre Kräfte widmeten. Wer hätte vor zehn Jahren, als der niedergeworfene Erbfeind uns mit seinem Milliardenregen auf eine scheinbar bewundernswerthe Höhe von Wohlstand brachte, und die überall wie Pilze aus dem Boden wachsenden schwindel­haften Unternehmungen der Industrie einen augenblicklichen Auf­schwung gaben, geahnt, daß bald darauf nach kaum sechs Jahren, der Hunger sein grinsendes Gesicht in verschiedenen Theilen Deutschlands   erheben würde? Die Folgen dieser glorreichen 70er Errungenschaften haben den kaum genossenen National- Wohlstand Deutschlands   zu Grabe getragen. Wer hätte geglaubt, daß nach Beendigung einer ganzen Reihe glücklicher Kriege, die Heere diese Vampyre der Völker wieder vermehrt werden müßten, deren Präsenzstärke eine kaum glaubliche Höhe erreicht hat? Wer hätte vermuthet, daß die riesigen Kriegskosten zerfließen würden, wie Butter an der Sonne, bis auf die zinslosen Schätze, die im Stande wären, Hunderte von darbenden Familien vor dem Untergang zu retten, und nun als Kriegsrefervefond un­fruchtbar im Juliusthurm zu Spandau   liegen?! Und wer hätte neben anderem noch vor zehn Jahren gedacht, daß das neue deutsche Reich, welches doch hauptsächlich einem liberalen Gedanken seine Entstehung verdankt, in seiner Liberalität so weit ginge, einem großen Theile seiner Unterthanen" den Boden des ge meinen Rechts unter den Füßen wegzuziehen? Man hat mit Beiseiteſetzung jeder liberalen Regung den Despotismus und die Tyrannei zum anbetenden Gott erhoben. Polizeiwillkür  , Herrschsucht und Servilität ist die neue Dreieinigkeit, zu der Jeder beten und sich bekennen muß, der Vortheile für seine werthe Person in diesem Eldorado der Gerechtigkeit beanspruchen will! Und daß die Korruption der Regierung auf die parlamen= tarischen Kreise seinen nachtheiligen Einfluß nicht verfehlt hat, unterliegt natürlich keinem Zweifel.

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Wer heute noch auf den deutschen Reichstag mit dem Ge­banken sieht, eine freie Vereinigung von freien Männern, welche unbeeinflußt durch irgendwelche Gunst oder Gewinn, ihre Meinung, nach eigenem besten Wissen und Willen kundgeben, vor sich zu haben, der ist entweder ein Narr oder er ist für das politische Leben nicht reif, weil er über den Zweck einer vom Volke gewählten Vertretung vollständig im Unklaren ist. Das Abgeordnetenhaus des deutschen   Volkes hat aufgehört, eine Volks­stimme" zu sein, wenn es überhaupt je eine war; es ist herab­gesunken zu einem Marionettentheater, dessen Figuren je nach Wunsch der Regierung und ihrer Schranzen zu Allem ihr Ja nicken. Wer die stenographischen Berichte dieses Puppentheaters. liest, kann sich eines Gefühls des Abscheues und des Ekels über