Demokratie in einträchtiger Politik zu machen, dürfte es gelegen| des Produktes herbeigeführt wird. Denn es betragen nach Karl

sein, im internationalen Organ das zu betonen, was uns von den Bürgerlichen ewig separiren muß. Sie wollen die politische Freiheit ohne Sozialismus, und ersuche ich die Genossen, mir nicht die Thorheit zuzumuthen, Sozialismus ohne Freiheit, ohne Abschaffung der Militärwirthschaft" zu wollen oder auch nur denkbar zu finden.

Was den Widerspruch gegen meinen Militarismus erregt, ist wohl zumeist die metaphysische Denkungsart" ( siehe Engels c. Dühring), welche nicht zugeben will, daß im Unheil auch noch irgend ein Heil stecken, oder daß der leibhaftige Schwarze doch noch weiße Fleckchen haben könnte. Die Frage nach den ökonomischen Wirkungen der Militärlast muß wohl nicht so ganz klar liegen, denn wie die Redaktion bemerkt, bin ich darin nicht der erste Ketzer. Diskussion und Klarstellung der Sache kann also nur erwünscht sein.( Ganz richtig. D. N.) Mir dünkt, man dürfe mit der größten Unbefangenheit anerkennen, daß mit Heimschickung der Soldaten und Abschaffung des Mili­tarismus die Volkswirthschaft nicht viel zu bessern sei, wenigstens gar wenig im Vergleich zu dem, was ihr fehlt. Ob aber, wenn durch die Heimschickung die Konkurrenz der Arbeiter unter einander vergrößert würde, ob solche Vergrößerung in einem, revolutionär gewordenen Volke die Stunde der Erlösung näher rücke", betrifft unfern Grundgebanten" nicht das sollen die Pessimisten und Optimisten erst miteinander ausmachen. Der Grundgedanke bezweckt einzig, darzuthun, wie unsere heutige Wirthschaft derart verkehrt ist, daß die Vergrößerung des stehenden Heeres, oder die Abschaffung der Eisenbahnen oder der Neubau von Domen und Pyramiden oder irgend eine andere Schildbürgerei eine momentane Wohlthat sein könne.

Aber deshalb wollen wir doch nun weit davon entfernt bleiben, praktisch für solche Widersinnigkeiten zu agitiven. Eine momentane Wohlthat kann sehr wohl ein permanentes Unheil sein- so auch der Militarismus: er mindert die Konkurrenz unter den Arbeitern, aber er schädigt auch die Produktionskraft, die zwar in der heutigen Wirthschaft schon zu groß ist und deren Ent: wicklung und Vergrößerung demnach im Interesse der arbeitenden Klassen, weil diesen die Zukunft gehört, die Zukunft, welche die Expropriateurs expropriirt. Wenn also auch die schweren Mili­tärbüdgets die soziale Noth in etwas linderten, lindern sie doch nur eine Noth, die unvermeidlich wachsen muß, bis zum Tage der Abrechnung.

Bismarck   und Krupp sind Hechte im Karpfenteich der bürger­lichen Welt. Ob wir sie abfangen sollen ist keine Frage. ist keine Frage. Dabei gilt aber auch zu sagen, daß der bürgerliche Welt- Teich zu klein ist für die Fruchtbarkeit der Natur, daß also, wenn wir die Hechte gefangen haben, unsere Noth erst recht anfängt. Das ist ja eine Eigenthümlichkeit der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei, daß fie Entwicklung und Fortschritt auf dem indu­striellen Gebiete als diejenigen erfannt hat, die den Arbeiter immer tiefer ins Elend herabdrücken; und dennoch begeistert sie sich für und begrüßt jede neue Entdeckung, weil sie mit Sicher­heit darauf rechnen darf, daß der Tag der Gerechtigkeit nicht ausbleibt, wo sie den von der Geschichte angehäuften Reichthum als Erbschaft antritt.

Siegburg  , im Mai 1880.

"

Richtigstellung.

J. Diepgen.

Zu den Artikeln Was thun? Neue Folge", bezw. zu Artikel IV. bieser Serie( Nr. 18) halte ich eine Bemerkung betr. einer irrigen Anschauung über das quantitative Verhältniß des Kapital­gewinns zum Arbeitslohn für nothwendig, die sich mir schon bei Durchsicht des Jahrbuchs", woraus der ganze Artikel entnommen ist, aufdrängten. Am angegebenen Ort findet sich nämlich Spalte 3, Zeile 28 ff. folgende Stelle:

" Dieser Kapitalgewinn beträgt aber heute nicht weniger als durchschnittlich den dritten Theil( nach Boccardo in England. 21 Proz., in Amerika   25 Proz., in Frankreich   36 Proz., in Italien   gar 58 Proz.) des Waarenpreises. Mithin kann das Einkommen der Arbeiter um ein volles Drittheil oder, wenn wir die( die Höhe des ehemaligen Kapitalgewinns natürlich bei weitem nicht erreichende) Entschädigungsrente der expropriirten Kapitalisten in Anrechnung bringen, immer noch um ein Bedeutendes vielleicht ein Fünftel bis ein Viertheil bergrößert werden, ohne daß deshalb das Produkt vertheuert würde."

Ich behaupte nun, daß das Einkommen der Arbeiter noch viel höher gestellt werden kann, ohne daß dadurch eine Vertheuerung

Feuilleton  .

Revanche.

Episode aus den Tagen der Kommune.

-

Vou Leon Cladel  .

( Fortsetzung.)

Ja, antwortete sie indem sie den langen Kuß, der Beide vereinigte, unterbrach ja, ich werde Dir Alles beantworten, was Deine Augen mich fragen. Jenard, Demey, Xaviès, Sarrazar, Rumbolle, Aeger, Hen­riong, Glaves, Ohrt, Abbaril, Levou, Klubheim, Montalügné, Wahlsy, Murdave, Effrian, Denoche, Ullièl, Ydrac, Calvi  , Fenariz, Zabru, Virelop, Parqua, Jo, Quevarrollgnièrcs, Narmont, Talabert

alle haben ihre Pflicht gethan und alle sind todt. Wie sie und mit ihnen hat Dein Bruder Albin geendet, ohne Furcht und Tadel. Vor wenigen Stunden habe ich ihn starr ausgestreckt liegen sehen am Fuße der Julisäule, ja ich sage Dir, ich habe sein geronnenes Blut die Bronzeplatte röthen sehen, wo der Name jenes Tapferen von 1830, seines Vaters und Deines Vaters, in goldenen Buchstaben eingegraben ist. Eine reiche Ernte des Todes bedeckt den Bastilleplatz; es liegen dort wohl mehr Todte auf der Erde als unter ihr. Männer, Frauen, Kinder der verfluchten Rasse, gekämpft haben oder nicht- Alle sind niedergemetzelt worden. Sie gaben Niemanden Pardon, die Versailler. Man hat ihnen gesagt: Tödtet!" und sie tödten. Deine Schwester und ihr Mann, die man an der Bar­rière du Trone gefangen nahm, wurden zusammen erschossen, wie auch wir Beide erschossen werden, in einer Stunde, vielleicht früher.

ob sie

Höre, gestern um Mitternacht- es ist ein weiter Weg vom Pantheon nach dem Père- Lachaise   gestern um Mitternacht verließ ich die Clovis­straße und habe acht Stunden gebraucht, um durch die Stadt zu kommen in einem Hagel von Bomben und Chassepot- Kugeln, durch das Blut und das Feuer. Paris   brennt es ist verbrannt und wird bald ver­löschen mit der Republik  ! Sie haben Wort gehalten die Unseren. Wenn die Versailler Krautjunker noch einen König wollen, dann müssen sie ihm ein neues Haus bauen, es gibt kein Palais Royal  , keine Tuile­rien mehr. Man wird nun an den Schwur des Pariser   Volkes glauben,

Marr( siehe die Abschnitte über Mehrwerth und konstantes und variables Kapital) die dem Arbeiter durchschnittlich vorenthaltenen Werthe mindestens 80 bis 100 Proz. des gezahlten Arbeits­lohnes. Die Folgerung aus obigem Saze könnte überhaupt nur auf der absurden Annahme fußen, daß Waarenpreis abzüglich Kapitalgewinn gleich Arbeitslohn sei. Wo bliebe in diesem Falle das Rohprodukt? Die Schlußfolgerung der angezogenen Stelle ist demnach eine absolut unrichtige.

Um aus dem Preise eines fertigen Stückes Baumwollstoff auf die den Arbeitern entzogenen Löhne schließen zu können, müßten die sämmtlichen in den verschiedenen Stadien der Fabrikation bezogenen Kapitalgewinne, in welchen selbstverständlich der wirk­liche Werth der Rohbaumwolle, sowie der Rohproduktionskosten für Maschinen cc. nicht inbegriffen sind, mit den von den sämmtlichen Fabrikanten wirklich gezahlten Arbeitslöhnen ver­glichen werden und man würde dann ein annähernd richtiges Bild erhalten. Wenn aber z. B. der Besitzer einer Weberei für Frs. 100,000 Baumwollengarn kauft und dasselbe mit Aufwand von Frs. 50,000 Arbeitslohn in Baumwollstoff verwandelt, so kostet ihm die Waare Frs. 150,000 und er wird bei Annahme eines Drittheils Gewinn für den fertigen Baumwollstoff Frs. 200,000 erhalten. Der Fabrikant hätte in diesem Falle Frs. 50,000 gewonnen und somit den Arbeitern gerade die Hälfte ihres wirklichen Verdienstes gezahlt.

Je nach den Eigenschaften des Produktes wird sich das Ver­hältniß des Arbeitslohnes gegenüber dem Werth des Rohmaterials u. f. w. natürlich ändern. z. B. werden bei einer komplizirten Maschine die Ausgaben für Arbeitslohn den Werth des Materials weit übersteigen; es ist jedoch eine wissenschaftlich festgestellte Thatsache, daß die Kapitalzinse und Kapitalgewinne, welche in der zukünftigen Gesellschaftsform voll und ganz dem wirklichen Erzeuger der Werthe zukommen, wohl im Durchschnitt 80-100 Till. Proz. des gezahlten Lohnes erreichen.

Anm. der Redaktion. Die Auffassung der betr. Stelle seitens des Einsenders beruht auf einem Irrthum, bezw. auf einer Unklarheit in der Wiedergabe der Handschrift durch den Druck. Wie sich von selbst versteht, ist mit dem Drittheil, um welches das Einkommen des Arbeiters nach Wegfall des Kapital­gewinns erhöht werden kann, nicht ein Drittheil des jetzigen Lohnes, sondern ein Drittheil des Waarenpreises ge meint, der heute durchschnittlich Kapitalgewinn ist. Die Stelle sollte demnach deutlicher lauten: Mithin kann das Einkommen des Arbeiters um dieses volle Drittheil( noch deutlicher: um dieses volle Drittheil des Waarenpreises)... vergrößert werden, ohne daß u. f. f." ohne daß u. s. f." Der ein Mißverständniß ermöglichende Mangel ist wahrscheinlich beim ersten Abdruck im Jahrbuch" entstanden und aus diesem, beim Wiederabruck unbemerkt geblieben, in den Sozialdem." übergegangen. Die Genossen wollen den selben, sofern sie die Stelle nicht sofort in der erläuterten Weise aufgefaßt, darnach richtig stellen.

"

"

Da aber immerhin die Möglichkeit besteht, daß die gerügte Ungenauigkeit bei einem Theil der Leser Anlaß zu Mißverständ­nissen gegeben, so bringen wir die Richtigstellung unseres Ein­senders um so lieber zur Veröffentlichung, als wir auch den Hinweis auf die Mary'schen Ausführungen und die daran ge­knüpften Anwendungen für ganz sachdienlich und für eine er wünschte Vervollständigung der von uns veröffentlichten Arbeit halten.

Zum Märtyrolog russischer Sozialisten.

Der Prozeß vor dem Kriegsgericht zu St. Petersburg  , vom 18.( 6.) bis zum 26.( 14.) Mai 1880.

Die russische politische Justiz, insbesondere das russische politische Mili­tärgericht, kennt keine induktive Beweisführung, keine objektive Abschätzung der vorliegenden Thatsachen. Die als Richter, Ankläger und Vertheidiger fungirenden Militärs schlagen lieber den deduktiven, subjektiven Weg ein. Die und jene sind verdächtig, sind Sozialisten; folglich können sie thätige Mitglieder im Terroristenbunde, können sie, theoretisch betrachtet, auch an politischem Mord betheilige gewesen sein; fonnten sie es, so sind sie es auch gewesen. Die tiefernste" Ueberzeugung der Justizmänner spricht dafür das Urtheil ist im Voraus gefällt, das Strafmaß be­stimmt. Es ist dann weiter nichts nöthig, als unzusammenhängende Thatsachen zusammen zu werfen, falsche Thatsachen anzuführen, eine Wasse Zeugen vorzuladen und sie xmal mit Fragen zu bestürmen und zu ver­wirren. Wenn die Zeugen auch kein Belastungsmaterial vorbringen, wenn sie auch nicht gegen die Angeschuldigten aussagen, so ist der Schein. doch gewahrt, die nöthige Formalität ist geschaffen, die tiesinnerste" Ueberzeugung der Machthaber kann dreist und schamlos ihre Gegner ver­nichten. Um sich aber vor illoyalen Gedanken und unliebsamen Berichten

das nicht lügt: Frei sein oder sterben!" Es ist gestorben unter der Asche seines heißgeliebten Paris  . Wer war es doch, der diesen Winter während der Belagerung behauptete war es der Mann von Ferrières*) oder der von der Rue Transnonain**) wer war es doch, der be­hauptete, daß die Republikaner keine Stunde vor dem Feinde Stand halten würden? Der Beweis ist geliefert, was diese Feiglinge" gegen die Preußen vermocht hätten, was die Angst nicht zu groß gewesen, daß, wenn man sie in den Kampf firte, man sie auch vom Kampf zum Sieg und vom Sieg zur Freiheit führen würde. Sollte die Republik  zum zweiten Mal das Vaterland retten? Um jeden Preis mußte das verhindert werden, damit man später die Ausrottung der Republikaner bewerkstelligen konnte. Und heute sind sie ausgerottet. Die Seine, in der sich noch die rauchenden Trümmer der kaiserlichen und königlichen Raubnester spiegeln die Seine ist warm und roth von dem Blute der Tapferen und das Pflaster jeder Straße ist roth gefärbt. Man hat dem gemordeten Paris   eine gräßliche Todtenfeier veranstaltet. Es schläft in voller Majestät, auf einem purpurnem Paradebett. Eines Tages aber wird der Todte wieder erwachen, wird auferstehen, wird sprechen und handeln. Die Steine werden sich erheben und reden! Ach, was ich nur mit meinen eignen Augen gesehen habe! frage mich nicht. Man lebend fiel ich auf hat mich verfolgt, ergriffen, an eine Mauer gestellt einen Haufen Leichen und raffte mich wieder empor ich hatte den Tod betrogen. Nicht, daß er mich erschreckt hätte, aber er rief mich zu früth, jetzt mag er fommen, ich werde ihn ruhig empfangen. Dich wieder sehen, war, was ich wollte,- hier bin ich. Çardoc, geliebter Mann, ich bin nicht allein gekommen

Bisher hatte Çardoc faltblütig und unbewegt Leone's Erzählung zu­gehört; bei ihren letzten Worten zuckte er unter den seltsam zärtlichen Blicken, mit dem Leone ihn anschaute.

,, Was, rief er, es lebt?"

,, Da, erwiderte sie, er wurde geboren während des Blutbads; er ent­kam dem Gemetzel, er lebt.- Dein Sohn, da sieh ihn!"

Dieser Mann von Eisen, der unerschütterten Herzens so viel Trauer, so viel Unglück vernommen, er wurde weich bei dem Anblick dieses

*) Jules Favre  .

**) Thiers, der Mörder im republikanischen Aufstand der Rue Transnonain,

Mancher zu schützen, werden nur bewährte Freunde", d. h. die Macht­haber selbst und ihr nächstes Anhängsel, zu der dramatischen Vorstellung zugelassen. Die Zugelassenen dürfen übrigens nur das erzählen, nur das andeuten, was der Theaterzettel Regierungsbote" genannt, davon meldet oder melden wird. Dann und wann wird der letzte Aft, zur Beruhigung, hinter den Kulissen abgespielt: anstatt offen auf einmal, vor aller Welt, werden die Reichsfeinde" im Geheimen, tropfen- und stückweise verzehrt. Menschenfresserei, dein Name ist Rußland  !

Dem Gesagten analog, wenn nicht noch schlimmer, ging es auch im letzten Prozeß: Jahrelang schmachteten die Angeklagten im Gefängniß, wurden schrecklich be- und mißhandelt*), zirka 150 Zeugen wurden zu­sammengetrieben, eine Anklage wurde aufgebauscht und der Ausgang war gesichert. Kurze Zeit vor der Behandlung des letzten Prozesses erschien ein Ukas des Zaren, daß von nun an die Gnade nur ihm gehöre; nicht die Generalgouverneure, nicht der Diktator, wie bisher, sondern der Aller­höchste allein dürfe begnadigen. Während der Gerichtsverhandlung wurden die Angeklagten faktisch mundtodt gemacht; der Vorschlag Michailow's, ihn, wenn das hohe" Gericht seine Verurtheilung beschließt, nicht hängen, sondern erschießen zu lassen, ward nicht berücksichtigt. Loris- Melifow Gnade"! bestätigte das fürchterliche Urtheil und dann kam die

-

Es wäre mir unmöglich, alle Detaills der Anklage und des Prozesses anzuführen, und ich will deshalb mehr summarisch vorgehen, einige Punkte in einer Tabelle zusammenstellen und der letzteren ganz cursorische Be­merkungen beifügen. Zugleich erfäre ich ausdrücklich, daß ich mich, was die Thatsachen anbetrifft, leider auf das bisher veröffentlichte Regierungs­material beschränken mußte. Die Zeit kann und wird wohl noch Vieles aufdecken in diesem monströsen Prozesse.

Angeklagt waren 11 Personen, 7 Männer und 4 Frauen. Von ihnen wurden zehn im Oktober und November 1878, Weimar   im April 1879 ver­haftet, und haben demnach fast sämmtlich über 12 Jahr in der( bar­barischen) Untersuchungshaft zugebracht.

1) Adrian Michailow, Sohn eines Titularrathes, früher Stu dent des Moskauer Polytechnikums, 27 Zahre alt. Anklage: Der Kutscher  gewesen zu sein, der die Mörder Mensenzow's am 4. August 1878 in seiner Droschke fortfuhr. Urtheil: Verlust aller Rechte und Tod durch den Strang; verwandelt in Zwangsarbeit in den Bergwerfen auf 20 Jahre mit Verlust aller Rechte.

Die Mehrzahl der Zengen haben Michailow nicht als den Kutscher erkannt, der die Mörder Mesenzows wegführte; die Wenigen, die es be haupteten, sind zum Theil Polizisten, zum Theil gedemüthigte Unter thanen". Wie es mit dem Zeugenmachen wohl zuging, fönnen folgende Fälle beweisen: Einer der wichtigsten Zeugen, der Wirth des Tattersals, gab bei der Verhandlung an, Michailow jei nicht der Kutscher  . Nachdem der Zeuge aufmerksam gemacht worden, daß er bei der Untersuchung das Gegentheil behauptete, antwortete er: Michailow ſei ihm bis zur Ver handlung zweimal vorgestellt worden. Zum ersten Mal habe er dasselbe ausgesagt, wie jetzt. Zum zweiten Mal wurde ihm aber mitge­theilt, der betreffende Michailow sei der Kutscher   und da her lautete seine Antwort auch so. Wenn man Ihnen einen Anderen als den Kutscher genannt hätte, würden Sie auch Folge leisten?" ,, Natürlich würde ich Folge leisten müssen." Ein Schutz mann, den die Anklage als Belastungszeugen anführt, zeigte im Ver handlungssaal auf Berdnikow, als den Kutscher  . Gefragt, ob er sich nicht irre, er meine wohl den Angeklagten Michailow, sagte er: nein, den habe ich nie gesehen! Zwei Zeugen zeigten, als der Präsident sie auf forderte, die Verbrecher zu betrachten, auf das anwesende vornehme Pu blikum. Allgemeine Heiterkeit- war die nächste Folge, administratives Mürbe­machen wird die weitere sein. Michailow erklärte sich voll und ganz als Sozialist im reinsten Sinne des Wortes, wurde aber vom Präsidenten mundtodt gemacht.

2) Orest Weimar, Dr. med., prakt. Arzt, Hofrath, 35 Jahre. Anklage: a) Ankauf des Pferdes, mit welchem die Mörders Mesenzows entflohen. b) Ankauf der Nevolver, mit dem die Attentate auf Dren teln( 13. März 79) und auf Alexander II.  ( 2. April 79) verib: worden. c) Erwerbung von Cyankali  , welches auch bei Solowjem am 2. April 79 vorgefunden worden. d) Verkehr mit bekannten Sozial Revolutionären im In- und Auslande. Urtheil: Zwangsarbeit in den Bergwerken auf 15 Jahre; verwandelt in 3wangsarbeit in den Festungen auf 10 Jahre mit Verlust aller Rechte, aller Titel, Orden und Medaillen.

a) Trotz der Anklage und der eraltirt überschäumenden innern" Ueberzeugung der Staatsanwälte, ist es doch nicht erwiesen, daß das Pferd, welches mit einer Droschke im Tattersal in Petersburg   vorgefunden und konfiszirt worden, das von Weimar   Gekaufte ist. Es ist auch nicht erwiesen, daß dies Pferd und die vorgefundene Droschke zur Flucht der Revolutionäre dienten. Am allerwenigsten ist aber der Hinweis entkräftet worden, daß Dr. Weimar sein Pferd noch viel früher verkauft hat. b) Es ist nicht bewiesen, daß der Revolver von Weimar   für revolu tionäre Zwecke gekauft oder an Revolutionäre veräußert worden. Dieser Punkt tam übrigens schon beim Solowjew'schen Prozesse zur Sprache und das damalige außerordentliche Obergericht, welches Solow jew zum Tode verurtheilte, sprach den Dr. Weimar, wie es scheint, des wegen vollkommen frei. Und jetzt wurde die Sache aufs neue auf­gefrischt und ist jetzt etwas ganz Anderes! e) Dieser Punkt war augenscheinlich so ausgesprochen boden- und grundlos, daß der Staats­anwalt, der Weimar   wo möglich zehnmal aufgehängt sehen möchte, selbst

*) Die Behandlung der politischen Gefangenen während der Untersuchungshaft in Petersburg   z. B. war derart, daß im vorigen Jahre sich viele- darunter auch einige von den im letzten Prozeß Angeklagten dazu entschlossen, durch Hungertod ihren Leiden zu entgehen. Die 3. Abtheilung sah dem nicht nur ganz ruhig zu, sondern ließ die Protestanten( darunter auch die sehr bescheidene Malinowskaja und die Kolentina) in der empörendsten Weise mißhandeln, in Ketten legen, auf den bloßen Fußboden schlafen und mit Beschimpfungen überhäufen. Die freiwillige Hungerkur dauerte einige Tage, bis die 3. Abtheilung nachgab. Uebrigens find solche Hunger­kuren in den russischen Gefängnissen keine Seltenheiten: das Charkower Zentralgefäng niß fann ein Lied davon singen.

schwachen Geschöpfes, das nun, befreit von dem wollenen Unterrod, in dem es eingewickelt gewesen und der ihm als Windel gedient, auf den Armen der Mutter vor ihm lag; er weinte.

Die Föderirten, die den Heizer" erbleichen sahen, ihn der vor den Versailler Kartätschen und Chassepots nie eine Miene verzogen, traten bestürzt heran und betrachteten den Neugeborenen, der, aufgewacht, seine zarten, kleinen, unschuldigen, rosigen Händchen zu bewegen aufing. Jm tiefsten Innern gerührt durch dieses liebliche und zugleich so entsetzliche Bild, das sie an einen Bruder, an eine Schwester, an die Familie er innnerte dem einzigen Trost des düstern Lebens, welches das Schicksal ihnen auferlegt, und von welchem der unbarmherzige Sieger sie bald gaben sich diese Todtgeweihten den Gefühlen hin, und befreien sollte ihre Augen, in denen so mancher bittere Schmerz gebrannt, lernten auch die Süßigkeiten der Thräne kennen.

-

1

,, Ach, sagte Çardoc, indem er das, vom grellen Licht geblendete Kind in seine pulvergeschwärzten Hände nahm, wo habe ich ihn schon gesehen. Es ist mir, als kennte ich ihn." Man sagt ich weiß nicht, ob es wahr ist daß der Mensch in der Wiege fast dasselbe Gesicht habe, wie im Alter und daß ein aufmert­samer Blick auf den Neugeborenen genügt, um die Züge zu erkennen, die er als Greis haben wird. Sinnend blickte der Kommunardenführer in das liebliche Gesichtchen seines Sohnes und plötzlich erinnerte er sich des ehrfurchtgebietenden Antlitzes seines Großvaters von mütterlicher Seite, den er, damals noch Kind, an einem Sommermorgen auf dem Grèveplatz) hatte sterben sehen. Der alte strenge Puritaner endete auf dem Schaffot, wegen des Verbrechens, nach seinem Glauben gehandelt zu haben, der auch der Glaube des Abbé Gregoire  **) war und vieler an­deren königsmörderischen" Konventsmitglieder, die reuelos gestorben sind: ,, Die Könige sind in der moralischen Welt das, was die reißenden Thiere in der physischen Welt sind; man muß sie ausrotten."

*) Dem Richtplak von Paris  

( Schluß folgt.)

**) In der ersten Sihung des französischen   Nationaltonvents am 21. Septbr. 1792 sprach Abbé Grégoire   den oben zitirten Satz aus.