diesen Bunft fallen lassen mußte. d) Weimar   soll in Paris   Lawroff und Lopatin gesprochen; in Petersburg von Klemenz und Strekalow Be­suche empfangen haben. Und alles das will man aus authentischen" Quellen wissen. Himmelschreiend!

( Schluß folgt.)

Die Tschigiriner Affäre.

Der Bauernverein Tainaja Druschina"( Geheime Gesellschaft  .) Versuch einer revolutionären Organisation im Volfe. ( Fortsetzung.)

Ich stellte mir nun die Aufgabe, in diesen stumpfen Protest vor Allem ein revolutionäres Element hineinzutragen: die Erkenntniß von der Noth­wendigkeit einer aktiven Handlungsweise zu wecken, Vertrauen einzu­flößen auf die eigenen Kräfte, nicht aber auf die Hülfe von außen; fürzer gesagt: auf dem bereits beträchtlich bearbeiteten Boden eine revo­Intionäre Organisation zu schaffen, deren Fahne die Wünsche des Volkes ,, Land und Freiheit" getragen hätte, Wünsche, zu denen wir vorläufig nichts hinzuzufügen haben. Das Endziel der geheimen Bauerngesellschaft sollte der Aufstand sein. Sogar die theilweise Verwirklichung dieser Aufgabe schien mir aber nur unter Befolgung folgender Regel möglich zu sein, nämlich: meine Handlungsweise der Weltanschauung der Bauern anzupassen, nichts derartiges hineinzutragen, was die Marimen auf den Kopf gestellt hätte, in welche das Volf sich hineingelebt, an welche es sich gewöhnt hat, d. h. so zu sagen nur in so weit radikal zu sein, als der Bauer heute radikal sein kann. Von diesem allgemeinen Satze aus­gehend, mußte ich auch diejenigen lokalen Einzelheiten in Betracht ziehen, die ich aus Erfahrung kannte; diese lokalen Bedingungen schrieben mir nothgedrungen ein allgemeines Programm meiner Handlungen beim Ver­folgen des Zieles vor.

Ende 1875 war die brennende Tagesfrage der Bauernschaft die: auf welche Weise der Zar von Allem benachrichtigt werden könnte. Die ein­flußreicheren der Bauern befanden sich, in Kreisstädte vertheilt, in Haft ( es wurde ihnen gestattet, am Tage auszugehen und Arbeit zu suchen, des Abends aber mußten sie nach dem Polizeirevier zurückkommen). Vor Allem war es also nothwendig, sich des Vertrauens dieser Leute zu ver­sichern. Im Kijewer Polizeigefängniß waren ihrer 11 Mann, dazwischen ein gewisser L.( Lasar), von welchem ich schon früher gehört hatte. Es war einer der wohlhabendsten Bauern, gewesener Bezirksrichter und ein schon bejahrter Mann. Seine Familie war klein, welcher Umstand ihn eigentlich, vom Standpunkt seines persönlichen Nutzens betrachtet, zum Gegner der Landeintheilung nach den Köpfen machen mußte; umfomehr, da er als vermögender und einflußreicher Bauer leicht einen bedeutenden Ackerzuschuß bekommen konnte, für welche Möglichkeit es an Beispielen nicht fehlte. Und doch war L. einer der eifrigsten und unermüdlichsten Bertheidiger des Gemeindeeigenthums( der Vertheilung nach der Kopf­zahl) und wirkte als Bezirksrichter in diesem Sinne auf die Standhaftig­keit des ganzen Bezirkes nicht unbeträchtlich ein.

Ich machte auch zuerst mit ihm Bekanntschaft in meiner Eigenschaft als Bauer aus dem Chersoner Gouvernement. Nach einigen Zusammenfünften gab ich ihm zu erkennen, daß ich ihm etwas mitzutheilen habe. Gestehe es, guter Mensch, sprach er mich an, kommst du mit Gutem( guten Ab­sichten) oder mit Unglück( bösen Absichten) zu uns?" Ich erklärte, daß ich mit den Angelegenheiten meiner Dorfgenossen beschäftigt und bevoll­mächtigt sei, dem Zaren eine Bittschrift einzureichen. Daran knüpfte ich den Gedanken, daß, wenn beim Zaren möglichst viele Abgeordnete mit Bittschriften erschienen, derselbe um so eher veranlaßt werden würde, seine Aufmerksamkeit auf die Bauern zu richten, und schlug ich ihm des halb vor, daß sich ihr Deputirter mir anschließen solle. 2. billigte meinen Vorschlag durchaus und beeilte sich, die Andern davon zu benachrichtigen. Aber sie schenkten mir kein solches Vertrauen, wie er; sie hegten vielmehr den Verdacht, ich sei ein verkleideter Polizist, von den Beamten geschickt, um ihre Absichten auszuforschen. Aber meine Ermahnungen, Stand zu halten und nichts zu unterschreiben, und meine Vertröstungen auf einen günstigen Ausgang der Sache zerstreuten ihren Verdacht. Einige aller­dings erblickten immer noch in meinem Vorschlag irgend eine Intrigue der Herren( Pany) und forderten von mir als Beweis, daß ich nicht lüge, den Auftrag meiner Gemeinde. Nachdem dieser Forderung Genüge geschehen, wurden die Bauern offenherziger. Die gegenwärtige Sachlage zu Hause sei ihnen unbekannt( das war im Dezember 1875, und sie waren seit Mai dem Heimathdorse entrissen), Verwandte hatten ihnen sei Langem feine Besuche gemacht, so daß sie nicht wußten, ob in Schabelniki eine zum Abgeordneten geeignete Person und die nöthigen Geldmittel vorhanden seien. Ich sagte, daß ich noch mein Dorf besuchen müsse, bevor ich nach Petersburg   gehe, worauf die Bauern mich dringend ersuchten, auch Schabelniki zu besuchen und einige der Gemeindeeigenthümler zu sprechen, da unter letzteren sich schon Einer finden werde, der mich zum Zaren begleiten könne.

Ich versprach und ging fort nach Schabelniki zu L.'s Frau. Letztere staunte darüber, wie ich habe kommen können, ohne von den Parzellianern bemerkt worden zu sein; man hätte mich sonst doch unbedingt nach dem Bezirksamte gebracht. Durch glückliche Zufälle war es mir nämlich ge­lungen, den Spionirblicken der Parzellianer zu entgehen. L.'s Familie nahm mich mit Vertrauen und Freuden aus, da ich Nachrichten und Grüße vom Haupt des Hauses brachte. Aus ihren Kindern bildete die Frau L.'s sofort eine Wache, um mich rechtzeitig verbergen zu können, im Falle des Erscheinens von Beamten. Mit den öffentlichen Angelegen heiten des Dorfes war sie genau vertraut und äußerte eine solche Theil­nahme an demselben, daß ich es für möglich hielt, ihr das eigentliche Ziel meines Besuches ohne Aufschub mitzutheilen. Ihrer Meinung nach

war aber im Dorfe keine einzige zum Abgeordneten passende Person mehr da, da alle irgendwie Tauglichen verhaftet waren, unter ihnen auch die­jenigen, auf welche die Kijewer rechneten. Nichtsdestoweniger wollte sie mit einigen Bauern darüber sprechen und mir nächstes Mal, bei meiner Rückkehr vom heimathlichen Dorfe nach Kijew, das Resultat mittheilen. Dieser zweite Besuch fand nach 14 Tagen statt. Ich wurde wieder in derselben geheimnißvollen Weise empfangen. Abends spät, als die Kinder schon schliefen, brachte die Frau zwei Bauern, mit denen ich Rücksprache nehmen sollte. Dieselben bestätigten die Aussagen der Frau L.'s; im Dorfe war kein Einziger, der sich zu dieser Sendung entschlossen hätte. Zuletzt ersuchten mich die Bauern, daß ich da ich doch so wie so den Kaiser sähe" doch ein Wort zu ihren Gunsten spreche und versprachen dafür, ewiglich Gott für mich zu bitten." Ich schlug ihnen ihre Bitte natürlich nicht ab. Am folgenden Tag wurde ich auf unbe­suchten Umwegen aus dem Dorfe hinausgeführt. Dieses Mal aber hatten die Parzellianer Wind bekommen, daß Jemand bei L.'s Frau war, und zeigten dies dem Bezirksamt an, worauf die Beamten mit der Frage herausrücken: Wer war da und wohin ging er? 2.8 Frau erwiderte, ein ,, Reisender  " sei dagewesen, und zeigte ihnen auf einen, dem meinigen gerade entgegengesetzten Weg, infolge dessen die nachgesandten Boten mich natürlich verfehlten.

Die Bauern in Kijew empfingen die Berichte, die ich brachte, mit Betrübniß. Von der Bitte der beiden Schabelnifier, mich für sie beim Kaiser zu verwenden, schwieg ich ihnen gegenüber, erwartend, was sie selbst sagen würden. Sie konnten sich aber offenbar zu der gleichen Bitte nicht entschließen, offenbar ausschließlich deshalb, weil sie nicht zu hoffen wagten, daß ich eine so wichtige Mission inentgeltlich übernehmen würde. Erst, nachdem ich auseinandergesetzt, wie wichtig es für mich persönlich und mein Dorf sei, daß dem Kaiser nicht nur aus Einem Dorfe, sondern aus mehreren dieselben Klagen zugehen, erlaubten sie sich unterthänigft" zu bitten, auch in ihrem Namen eine Bittschrift einzureichen, in derselben die Grausamkeiten der Exekution, den von Seiten der Beamten aus­geübten Zwang für die Achta"( Atten, Parzellirungsbeschlüsse) und die Berheimlichung der eigentlichen kaiserlichen Ukaje vor ihnen zu beschreiben. Unter Anderem baten sie mich auch, ja nicht zu vergessen, in der Bitt­schrift die Worte des Gouverneurs anzuführen, der allen versammelten Bauern sagte: Der Grund und Boden gehört nicht dem Zaren, sondern den Herren( Pany)". Ich verabschiedete mich mit dem Versprechen, im Weise war ein bedeutender Theil meines Zieles erreicht. Aber dieser Erfolg ergab sich keineswegs leicht: Das, scheinbar anhaltende Vertrauen der Bauern machte häufig einem plötzlichen Mißtrauen Plaz; ja zwei Step tiker unter ihnen waren so hartnäckig, daß sie größtentheils den Bera­thungen mit mir nicht beiwohnten und die Zutraulichkeit der Uebrigen beständig zurückhielten.

Monat Mai zurückzukehren, und ging nach Petersburg  . Auf diese

Jetzt stand mir bevor, einen Entwurf der revolutionären Organisation vom Zaren zu bringen und den Bauern vorzulegen. Alle meine Beobachtungen befestigten mich in den Gedanken, daß nur ein autoritäres Prinzip die Annahme der von mir beabsichtigten Organisation garantiren könne, und als solches Prinzip ergab sich in diesem Falle nur der Name des Zaren Alexander II  . Bei der Abwesenheit jeder ideellen Beziehung zur Sache bei den Bauern, die als Verbindungsmittel zwischen den Mit­gliedern der künftigen geheimen Gesellschaft und zur Befestigung der Dr­ganisation hätte dienen können, mußte ich meine Zuflucht zum Eide nehmen, dessen feierliche Zermonien in einflußreicher Weise auf unsern Bauern wirken. Natürlich mußte die Dauerhaftigkeit der Organisation hauptsächlich auf der Vernünftigkeit ihrer Anlage und Gliederung, ent­sprechend den Bedingungen des Volkslebens und in nicht minderem Grade auf den Einfluß einzelner hervorragender Mitglieder und meiner eigenen beruhen. In Folge des sich später zeigenden Mangels dieser Verbindungen brachte denn auch die Sache die gewünschten Erfolge nicht.

"

( Forrsetzung folgt.)

-

* Ter im Verlauf der, in Anwesenheit Most's zu Zürich   statt gehabten, Versammlung vom 17. Mai gemachte Vorschlag, daß die beiden Blätter Sozialdemokrat" und" Freiheit" fortan jeg­licher Feindseligkeiten sich enthalten und die zwischen ihnen etwa bestehenden prinzipiellen und tattischen Meinungsverschiedenheiten nur in sachlicher und versöhnlicher Weise zur Besprechung bringen sollen, widrigenfalls der aufs neue Angreifende als böswilliger Friedensstörer zu betrachten und demgemäß zu behandeln sei dieser Vorschlag, welcher die Beseitigung des die Partei schädigenden und sie in den Augen der Gegner herunterseßenden Streites auf's versöhnlichste ermöglichen will und an Entgegenkommen gegen die Freiheit" sicherlich nichts zu wünschen übrig läßt, ist soweit wir es jetzt schon überblicken können bei den deutschen  wie bei den ausländischen Genossen einer fast einstimmigen freudigen Zustimmung begegnet. Wohl find die deut­ schen   Genossen der Meinung, daß es sich bei diesem Waffenstill­stand nicht um eine endgültige Erledigung der zwischen der Partei und der Gruppe der Freiheit" schwebenden Streitpunkte handle, sondern daß diese Erledigung an einem bevollmächtigteren Ort zu erfolgen habe. Aber jedermann von der ausländischen von der ausländischen sozialistischen   Presse u. 2.« La Voix de l'Ouvrier»,«< Recht voor Allen» c. begrüßte die von der Redaktion des Sozial­demokrat" gegebene Zustimmung zu dem obigen Vorschlag als die Ermöglichung einer sachgemäßen, Sozialisten würdigen Aus­einandersetzung.

3

"

-

"

-

Leider aber fand das versöhnliche Anerbieten gerade an der Stelle, um die es sich hauptsächlich handelt, bei Joh. Most und der Freiheit", nicht die gleiche Aufnahme. In der neuesten Nummer( 23) der Freih." leugnet Most unter Namensunter­schrift die Mittheilung des Sozialdem.": daß er in Zürich   zu­gegeben habe, in manchen Stücken zu weit gegangen zu sein, sowie daß er eine Bedenkzeit zur Ueberlegung des obigen Vor­schlages verlangt habe rundweg ab, erklärt sie für eine ,, Erfindung" und" reine Erdichtung" und weist in weiteren Artikeln jegliches Einlenken und Abgehen von der bisherigen Polemik gegen die deutsche Partei und die deutschen   Genossen strads zurück. Und um diesen seinen Entschluß gleich durch die That zu bestätigen, widmet er von 13%, Tertip alten der Freih." volle 8 Spalten ausschließlich dengewohnten Angriffen. Die bekannten deutschen   Genossen werden abgewirthschaftete Parteigößen, Geschäftspolitiker anrüchigster Sorte, Schmaroßer, Feiglinge" 2c. genannt und ihnen schändliche Mißbräuche, Erbärmlichkeit, heuchlerisch- feiges Spiel, erbärmliche Schuftereien" u. s. w. vorgeworfen; die Mitarbeiter des Sozialdem." werden ,, impertinente, heuchlerische, unerhört freche Schreiberseelen hinter den Bergen" 2c. betitelt. Drei Versammlungsrefolutionen gegen uns( von denen freilich die eine, aus Berlin  , auch in der Urschrift teinerlei Unterschrift trägt, die andere, aus London  , von der bekannten dritten Sektion herrührt, die dritte, aus Vevey  , aber von ganzen sieben Mann gefaßt ist); ein wuthschnau­bender Mahuruf an die Sozialisten Deutschlands  " von einem, in der Partei ziemlich unbekannten, am Ort seines früheren Wirkens( Berlin  ) aber nichts weniger als zuverlässig bekannten Mann namens H. G. König; zwei Leitartikel gegen jegliches Einlenken und eine Reihe dementsprechender Mittheilungen und Notizen:- das ist der Inhalt dieser Freiheit"-Nummer. Der Schlußreim all dieser Auslassungen lautet: Fort mit allen Verrath an der Sache, heißt ein Verbrechen fordern, das wir Rücksichten uns Einigkeit mit jenen zumuthen, heißt von uns uns nicht zu schulden kommen lassen wollen. Nichts wird zurüdgenommen, teine Aenderung tritt ein!"

-

"

" 1

Angesichts solcher Thatsachen scheint uns die Möglichkeit einer Sinnesänderung Most's, bezw. der Freiheit" so gut wie ausgeschlossen, was wir im Partei- Interesse bedauern, aber als eine Thatsache hinnehmen müssen. Indessen werden wir natürlich dem Beispiel der Freiheit" feineswegs folgen, sondern beschränken uns darauf, die obigen Thatsachen festzustellen und sie den Parteigenossen Deutschlands   und des Auslandes zur Kenntniß zu bringen. Die Lage wird dadurch vollkommen klar und tein Gutgläubiger wird ferner über die Gesinnungen des Sozial­demokrat" einerseits und der Freiheit" anderseits, sowie über den Sitz der Friedens- und Einigkeitsstörung im Zweifel sein fönnen, was immerhin doch ein Erfolg des verunglückten Ver­söhnungsvorschlages ist. Wir enthalten uns jeder weiteren Be merkung; die Genossen werden aus dem Festgestellten ihre Schlüsse zu ziehen wissen.

"

Sozialpolitische Rundschau.

Schweiz  .

"

* Die Fabrikanten und namentlich eine Anzahl Baumwollen­barone wühlen unausgesetzt für eine Verbesserung", d. h. Durch­töcherung des Fabrikgefeßes, namentlich für Beseitigung des gehaßten elfftündigen Normalarbeitstages. Natürlich muß für diesen Rückschritt immer wieder die alte Klage der Unmög: lichkeit der Konkurrenz mit dem Ausland bei annähernd humanen Arbeitsbedingungen herhalten. Nun aber wird in Eng­land und Amerika   in den Baumwollenfabriken nur 9-10 Stunden gearbeitet. Die schweizerischen Spinnerfürsten aber laffen 11-12 Stunden arbeiten und behaupten dennoch( oder gerade darum?) mit England und Amerika   nicht konkurriren zu können. Wie

lange müssen wohl die unglücklichen Arbeiter dieser Branche in der entnervenden Fabrikluft zubringen, bis die Herren konkurrenz­fähig zu sein behaupten? Darf die Vernichtung einer ganzen Bevölkerung zugegeben werden, damit die Ausbeuter die er­wünschten hohen Prozente aus ihrem Kapital herausschlage:? Die Arbeiter und alle sonstigen freiheitlichen Elemente der Schweiz  werden dem reaktionären Treiben der Fabrikanten gegenüber hoffentlich alle ihre Kräfte einsetzen, um eine Abänderung des noch kaum zur richtigen Ausführung gekommenen Fabrikgesetzes in dem angedeuteten Sinn unmöglich zu machen. Die Fabrikanten sparen das Agitiren nicht und haben großen Einfluß und weit­läufige Verbindungen; die Arbeiter haben also allen Anlaß, keine Zeit zu verlieren und sich kräftig zu rühren.

In Genf   beschloß die Gesetzgebung unter lebhafter Mitwir fung der sozialistischen   Abgeordneten, die Trennung der Kirche vom Staat Der Beschluß unterliegt der Volksabstimmung, welche hoffentlich bestätigend ausfällt, wodurch ein bedeutender Fortschritt, ein Stück des Programms der Sozialdemokratie ver­wirklicht würde.

*

Deutschland  .

In Berlin   wird diese Woche eine europäische Kon ferenz", bestehend aus den Vertretern der Großmächte, zu­sammentreten, um an der bekannten Pfuscharbeit des seligen Berliner   Kongresses herumzuflicken. Daß durch eine solche Di­lettantenschneiderei der in Fetzen zerfallende orientalische Mantel nicht einen Augenblick länger zusammengehalten wird, als bis er naturgesetzlich zerfallen muß, ist klar. Der europäische   Areo­pag", der wirklich bestimmend und heilsam in die Geschicke der Staaten und Völker unseres Erdtheiles eingreifen könnte, muß anders aussehen, als dieser Tisch voll intriganter Gewaltpolitiker. Er muß Verständniß und guten Willen für das Beste der Völker und eine auf dem allgemeinen Glauben an diese Eigenschaften basirende Macht zur Ausführung seiner Beschlüsse haben. Das ist heute und außer der sozialistischen   Weltordnung unmöglich und darum das ganze Berliner   Konferenzbetriebe kaum unserer Aufmerksamkeit werth.

-

"

Die undankbaren Deutschen machen ihrem genialen Reichs­Gründer und Erhalter das Leben doch recht schwer. Die allzeit ge treuen Nationalliberalen stellen der Kirchenvorlage das schreck­liche Wort ,, unannehmbar"( vorläufig bis zur dritten Lesung) gegen über, und am Ende ist Bismarck genöthigt, das Gesetz, das dann überdies noch bedeutende Veränderungen zu Gunsten des römischen Erbfeindes" erfahren haben dürfte, aus den Händen derselben Leute in Empfang zu nehmen, welche er durch dasselbe zu vereinzelnen und ohmmächtig zu machen gedachte. Angesichts dieser Aussicht auf eine neue, empfindliche Niederlage greift der geistreiche Staats­mann" wieder zu dem bewährten Mittel der Drohung mit seinem Rücktritt oder der Auflösung der widerspenstigen ,, Volksvertretung". Ob ihm diese abgebrauchte Finte etwas nutzen wird? Soviel ist gewiß, daß sich die Lage immer gründlicher verwirrt und ver fährt, so daß selbst der Reichs- Allmächtige das Ende immer weniger zu finden vermag. Was wird dann erst sein Nachfolger thun? Die alexandrische Lösung des Wirrsals ist das unaus­bleibliche Ende und wer bei dem Schnitte am besten wegkommt, fann nicht im Zweifel sein. Die Hauptsache ist nur, daß wir rechtzeitig bei der Hand sind, wenn die Stücke herabfallen.

Die Regierung hat ein famoses Mittel ergriffen, um die von Bebel in seiner Rede über den Belagerungszustand( von uns f. 3. im Wortlaut veröffentlicht) gemachten Mittheilungen über die skandalösen Willkürlichkeiten der Berliner  Polizei zu widerlegen. Sie hat nämlich gegen sämmtliche. in Bebels Rede genannte Personen Anklage wegen verläumbe= rischer Beleidigung der Polizei erheben lassen. Man kann auf den Ausgang begierig sein den Wünschen der Regierung dürfte er jedenfalls nicht entsprechen.

--

Haussuchungen mit theilweise nachfolgenden Ver haftungen sind uns neuerdings gemeldet aus Straßburg  , Fürth  , Aachen  , Schweinfurt  , Duisburg  . In Lindenau   bei Leipzig   soll eine geheime Sozialistenversammlung" aufgelöst worden sein.

-

"

Ein neuer industrieller Massenmord. In Jser­lohn sind durch schlagende Wetter 26 Bergleute verunglückt, davon 4 verwundet, die übrigen to dt. Eine Betriebsstörung ist nicht eingetreten", meldet der Draht lakonisch. Natürlich, das ist ja die Hauptsache; auf die Arbeiterleben kommt's nicht an, sonst würden derartige Unglücksfälle überhaupt unmöglich gemacht

werden!

-

Wie in dem afrikanischen Mordstaat Dahomey   die An­führer der königlichen Mörderabtheilungen die angesehendsten Leute sind und der Oberhenker im Ministerrang steht, so kommt im Polizeistaat Deutschland   niemand schneller zu Ehren und Würden, zu Ansehen und Vermögen, als die öffentlichen Anzeiger und Ankläger, die Staatsanwälte; namentlich den­jenigen, die sich als Gesellschaftsretter gegen die Sozialisten aus­gezeichnet haben, steht der Weg zu den höchsten Würden offen, und zwar rücken sie auf ihm desto schneller vorwärts, je mehr Sozialisten sie hinter Schloß und Riegel gebracht, je erem plarischere" Verurtheilungen sie gegen diefelben erzielt haben. So ist um von anderen geringeren zu schweigen der Ober­Sozialistentödter Tessendorf seit Jahr und Tag Gerichts­präsident; und vor kurzem ist der ehemalige Breslauer Staats­anwalt Dr. Fuchs, nachdem er nur ein Jahr erster Staats­anwalt in Königsberg   i. Pr. gewesen, zum Oberlandesgerichts­rath in Jena   befördert worden. Aehnliche Beispiele ließen sich mit wenig Mühe eine ganze Anzahl zusammenfinden. Natürlich geben alle diese Leute überaus brauchbare Richter ganz wie es die Machthaber wünschen. Uebrigens können wir die Be­vorzugung der Staatsanwälte nur vollkommen berechtigt finden; Militärdrillmeistern, Pfaffen und Gerichtsvollziehern zu den wich­gehören die Ankläger doch neben den Kerkermeistern, Polizisten, tigsten Personen und unentbehrlichsten Regierungselementen Neu­Deutschlands.

-

--­

Nette Demokraten! Die demokratische Fortschritts­partei, die in neuerer Zeit immer demokratischer" wird, so daß fie bereits bei einem Bündniß mit der noch demokratischeren" süddeutschen Volkspartei angekommen ist, hielt anfangs dieses