Es werden daher, um diesem dringenden Bedürfniß abzuhelfen, an mehreren Orten neue Köpfmaschinen angeschafft, wie z. B. das Justizministerium des kleinen Hessen- Darmstadt allein zwei neue Guillotinen bei einem Mainzer Mechaniker bestellt hat. " Hat man denn Grund zu der Annahme, daß bei uns in Zu­kunft recht viel geköpft wird?" fragt ein blaudemokratisches Bourgeoisblatt. Je nun, wenn man die Todesstrafe als eine Panacee zur Heilung der gesellschaftlichen Schäden und Wieder­Herstellung der wadlig gewordenen Rechtsordnung ansieht, dann tann's an Schaffotkandidaten nicht fehlen. Vielleicht richten sich die weitausblickenden Staatslenker auch bereits auf eine Zeit ein, wo man die sozialistischen, sozialdemokratischen und kommu­nistischen, auf den Umsturz der bestehenden Gesellschaftsordnung gerichteten Bestrebungen" durch dieses abgekürzte Verfahren gründlich aus dem Weg zu schaffen suchen wird? Freilich könnte bei einer so weitgreifenden Berechnung leicht ein kleiner Fehler unterlaufen und könnten die neukonstruirten hessischen und andern Guillotinen am Ende eine andere Bestimmung finden, als die man ihnen heute gibt; die Fallbeile passen für jeden Hals..

Aus Berlin sind abermals zwei Sozialisten ausgewiesen worden: der Maurer Neumann und der Tischler Hennig; letzterer ist Familienvater und hat sich sofort nach Amerika ein­geschifft.

"

Aus Sachsen , 15. Juli. Bei der von mir schon jüngst gemel­deten Königs- Komödie begab sich eine artige Posse, welche gegenwärtig, vollkommen ernsthaft genommen, mit dem nöthigen Aufwand an Loyali­tätsphrasen durch die ganze Bourgeoispreffe läuft. Der Erzgebirgs­Berein" faßte den Beschluß, zum Andenken an die beglückende Anwesen­heit Sr. Majestät einen steinernen Aussichtsthurm auf dem sogen. Spiegel­wald bei Schwarzenberg zu errichten und sagte der König huldvollst" seine Betheiligung an der Grundsteinlegung zu. Bei letzterer Festlichkeit begleitete nun der König die üblichen drei Hammerschläge mit den Worten: Mögen viele Wanderer sich von dieser Stätte aus der Werke der herrlichen Gottesnatur erfreuen, und mögen sie dabei auf ein glück­liches und zufriedenes Land schauen." Natürlich sind die in Ergebenheit ersterbenden oder, mit Heine redivivus zu reden, verreckenden Ordnungs" menschen über so viel Huld und Güte ganz weg und die liberal- konser­vativen Organe schließen ihre Aufzeichnung und vieler dieser ähnlichen ,, kö­nigsthaten" mit den Worten: Als Resultat dürfte aber unser allgeliebter König die feste Ueberzeugung gewonnen haben, daß die destruktiven Ten­denzen, deren Herd man vielfach in Sachsen sucht, trotz aller gegentheiligen Behauptungen im Herzen der erzgebirgischen Bevölkerung nicht viel Ter­rain erobert haben". Es ist nun schon möglich, daß König Albert sich derlei einreden läßt; denn bei Königen ist ja der gesunde Menschenverstand ein verdammt seltener Artikel. Aber wer hinter die Stirne so vieler Zeugen der Königs- Hanswurstiade und in zehntausende von sächsischen Herzen blicken kann, der weiß, was sich das Volk bei den königlichen Worten vom glücklichen und zufriedenen Land gedacht haben wird. Wenn Dein Wunsch, das Land glücklich und zufrieden zu fehen, ehrlich gemeint wäre, dann müßtest vor allem Du selbst Deinen Bündel schnüren und Dich fammt Deiner ganzen Vettern- und Freundessippe, sammt Deinem ganzen hohen und niederen Bediententroß und sammt allen, die an Deiner Herrschaft hängen: Pfaffen, Amtleuten, Fabrikanten und Ausbeutern aller Art, zum Teufel scheeren; dann wollten wir uns das Land schon glücklich und zufrieden einrichten. Da Du und Dein ganzes Herrscherpackt aber nicht gutwillig gehen werden, wir aber glücklich und zufrieden" werden wollen, so werden wir wohl noch eines Tages ein Hühnchen mit einander pflücken, daß euch das Volksbeschwindeln ein für allemal vergehen soll!" So denkt der aufgeklärte Theil des sächsischen und des deutschen Volkes; und ich denke, es sollen ihrer nicht zu Viele grau werden, bis der Gedanke zur That gereift ist!

Darmstadt , 14. Juli. Unsere ganze löbliche Gemeindeverwaltung ist neulich über das rothe Gespenst schön in Schrecken und fast ganz aus Rand und Band gekommen. Professor Ludwig Büchner , der berühmte Materialist, stellte nämlich in der Stadtverordneten- Versammlung den Antrag auf Einführung allgemeiner Wahlen in der Gemeinde und meinte in seiner Begründung: wenn etwa bei dieser Wahlart auch Sozialdemo fraten mit in die Stadtverordnetenversammlung kämen, werde das sowohl für die Stadt als für die gedachte Versammlung selbst nur von Nutzen sein; und die Zukunft gehöre trotz allen Ausnahmegesezen doch den Sozialdemokraten. Da hätte man aber unsere Rathsperrücken sehen müssen! Wie ein gereizter Löwe fuhr der Bürgermeister Ohli, ein in der Wolle gefärbter Nationalliberaler, auf und donnerte: es wäre eine Schande, wenn in dieser hohen" Versammlung eine Partei vertreten wäre, gegen welche die ganze Nation(?!) Front gemacht habe und auch mit der bisherigen, friedlichen Eintracht" in der Versammlung würde es dann bald ein Ende haben( das glauben wir schon, daß die Vetternwirthschaft bald ein böses Loch kriegte!). Er hoffe von dem gesunden Sinn(?!) der Bevölkerung, daß es nie einem Sozialdemokraten gelingen werde, in's Rathhaus einzudringen(!). Nun, was das" nie" betrifft, so wird der weise Herr Bürgermeister wohl mit sich handeln lassen müssen; am Ende steht ihm das Juswasserfallen seiner Hoffnung sogar schon recht nahe bevor. Jedenfalls aber soll ihm in Bälde gezeigt werden, daß sich das Ausnahmegesetz auch an uns hiesigen Genossen sehr wenig bewährt hat und daß wir nichts weniger als todt, vielmehr recht gesund und lebendig sind. S. L.

-

C. Th. Aus Hessen , Ende Juni. Seit der Proklamirung des Ausnahmegesetzes wider die Sozialdemokratie hat sich auch bei uns im Großherzogthum Hessen vieles geändert. Vereine wurden zu Hun­derten aufgelöst, die Presse unmöglich gemacht, furz Alles gethan, um durch das famose Gesetz den Rückgang der Sozialdemokratie bewirken zu können. Allein die Herren machten ihre Rechnung ohne den Wirth die herrschenden Zustände. Die auch bei uns sich immer schärfer zu­Spitzenden gesellschaftlichen Gegensätze, lassen sich nun ein für alle Mal nicht wegjustifiziren; es bleibt dabei, daß der Mittelstand stetig rückwärts geht und die Gerichtsvollzieher alle Hände voll zu thun haben, so daß diese Leute bald sehr reich sein werden. Ich kann Ihnen bestimmt mit­theilen, daß es Gerichtsvollzieher besonders in den ländlichen Bezirken gibt, die sich im Verlaufe der neun Monate ihrer Amtsthätigkeit bereits 10,000 Mart und mehr eroberten. Daß diese Tausende dem Volke ent­zogen worden sind, brauche ich nicht zu erwähnen, die täglichen Ver­fteigerungsannoncen in den Amtsblättern unseres Ländchens sprechen zu deutlich. Ein Bauer nach dem andern und ein Handwerksmeister oder selbstständiger Gewerbetreibender nach dem andern muß sein sauer Er­worbenes in den Taschen der Wucherer, Gerichte und Gerichtsvollzieher verschwinden sehen. Daß sich bei solchen Zuständen die Wunderkraft des Ausnahmegesetzes gegen die Sozialdemokraten nicht bewährt, ist gar nicht wunderbar für Leute, die denken können und wollen; für gedankenlose Maschinen ist es natürlich schrecklich. Alles in Allem

-

kann ich Ihnen aus Hessen über die Aussichten unserer Bewegung nur Günstiges mittheilen. Die geprellten Landleute im Odenwald dürften den Liberalismus dick bis an den Hals" gekriegt haben und unsere Industriebezirke gehören schon lange der erhabenen Idee des Arbeiter­standes. Es ist begründete Hoffnung vorhanden, daß bei den demnächst stattfindenden Wahlen zum Reichstag( gleichviel, ob die Wahl im Ja nuar oder Juli nächsten Jahres vollzogen wird), sich die Industrie­bezirke mit denen der Landwirthschaft besser als früher vereinigen, und große Erfolge erzielen werden. Die Wahlkreise Offenbach- Dieburg und Mainz sind Festungswerke, von wo aus die Sozialdemokratie einst­mals ganz Hessen erobern wird. Auch Darmstadt - Großgerau ist sehr gut und dürften sich die Sozialisten dort, wenn es ihnen gelingt, einen tüchtigen Kandidaten aufzustellen, selbst über ihre Erfolge wundern: mancher Saulus ist seit neun Monaten zum Paulus geworden! Die Sozialisten Hessens müssen den Spruch beachten:" Dem Muthigen ge­lingt selbst das scheinbar Unmögliche"; zumal wenn ihm die Gerechtigkeit dabei helfend zur Seite steht.

-

-

Aus Württemberg , 17. Juli. Auch ein Schwaben­streich. Ende Mai ds. J. fand sich in der Ulmer Presse folgende Aufsehen erregende und befremdliche Notiz: Wegen Majestätsbeleidigung und Verbreitung verbotener Schriften werden steckbrieflich verfolgt zwei Männer, welche vom 5./6. ds. im Stern" hier übernachteten, am Morgen des 6. wahrscheinlich nach Friedrichshafen gefahren sind, nachdem sie zuvor an die Bänke auf dem Bahnhofperron mehrere Flugschriften gehängt hatten. Letztere tragen die Ueberschrift: Ungeziefer- Tod!" und die Ab­bildung zweier Insekten, während der Inhalt ein sozialdemokra tischer Aufruf ist. In's Fremdenbuch hatten sich die Beiden mit schlechter Handschrift als Sittwall, Student aus Heidelberg , und Timuoff, russischer Hofrath, eingetragen; dem Hausknecht haben sie das Trinkgeld mit russischen und österreichischen Kupfermünzen gezahlt. Beide waren anständig gekleidet und hatten in einem Paket anscheinend noch weitere Flugschriften bei sich." Die beiden steckbrieflich Verfolgten reisten damals, des ihnen beigemessenen schrecklichen Verbrechens unbewußt, gemüthlich nach Paris . Sonderbarer Weise aber wurde in derselben Nacht von uns der Wanzentod" verbreitet. Auf dem Rückweg von Paris wurden beide Herren nach dem Steckbrief in Stuttgart aufgefangen, feſtge= nommen und sammt zwei Damen ihrer Begleitung nach Ulm , der Stätte ihres vermeintlichen Verbrechens, transportirt. Die guten Leutchen vom Gerichte schnupperten natürlich sofort die Nihilisten( hu, hu) und es wurde nun ein hochnothpeinliches Prozeßverfahren eingeleitet, dessen Resultat Da hat sich also die Freilassung der Aermsten war. " Jemand" schön blamirt! Nun, die Ulmer hängen keinen, sie hätten ihn denn zuvor"; zum Trost für das anmuthige Versehen und die Weisheit dieser Ulmer Salomos und Compagnie sei hier bemerkt, daß die wahren Attentäter", die inzwischen Lunte rochen, noch mit heiler Haut die duftige Sphäre einer hohen Ulmer oder vielmehr deutschen Polizei quittirten. Der kolossale Scharfsinn unserer Ulmer Spitzel wird also hiermit auf Berlangen gerne fonstatirt und für anderwärts im Reiche auf's wärmste empfohlen. Mit höflichem Dank für den Komfort und die gemüthliche Passage ab Ulm Zürich .

-

*

"

-

H. Barth, stud. phil.

Qefterreich- Angarn.

=

" 1

P

Während in Ungarn die seit dem Einigungskongreß planmäßig betriebene Sozialistenhezze ungeschwächt fort­dauert und sich von der Hauptstadt auch nach der Provinz, nach Dedenburg, Erlau , Fünfkirchen , Temesvar , Szegedin 2c. ausgebreitet hat, dauert auch in Zisleithanien der alte Kampf in der bisherigen Weise fort. Hat doch die österreichische Regierung während des einzigen Monats Mai d. J. nicht weniger als 46 ausländische Sozialisten, darunter sieben Frauen, aus­gewiesen, wovon 30 infamster Weise nach Rußland , was natürlich lebenslänglichem Gefängniß oder Sibirien gleichkommt. Am 14. ds. fand eine Schwurgerichts Verhandlung gegen einen deutschen Sozialisten statt. Derselbe, Zimmermaler Franz Schneider von München , sollte der Verfasser einiger, alle möglichen und unmöglichen Verbrechen( Majestätsbeleidigung, Aufwiegelung, Ruheſtörung 2c.) enthaltender Berichte der Frei­heit" sein und wurde diese Behauptung der Anklage trop des Ableugnens des Angeklagten, auf Grund mehrerer Briefe, welche mit demselben Pseudonym wie jene Berichte unterzeichnet waren und als deren Schreiber der Angeklagte auf Grund des Sachverständigen- Gutachtens angesehen wurde, von den Geschwo­renen für erwiesen erklärt, worauf Schneider zu sechs Mo. naten schweren Kerkers verurtheilt wurde. Wir finden an dieser Thatsache selbst wenig verwunderliches; denn solche Verfolgungen der Sozialisten sind nichts neues mehr. Aber zwei Dinge sind in diesem Prozeß besonders bemerkens­werth. Erstens daß es die richterliche Gerechtigkeit" ganz an­gemessen fand, den vom Angeklagten angeblich persönlich belei­digten und darum als Zeuge fungirenden Staatsanwalt Lamezan zugleich als Ankläger amtiren zu lassen. Beleidigter, öffentlicher Ankläger und Zeuge in Einer Person es fehlte blos noch, daß der Herr auch zugleich noch formeller Richter wäre! Sodann ist noch zu bemerken, daß dem Gericht fast das ganze Anklagematerial von der deutschen Justiz zur Verfügung ge stellt worden war, welche damals Schneider in Anklage versetzen wollte, seiner nicht habhaft werden konnte und ihn dann wenig­stens durch die österreichischen Kollegen verdonnern ließ. Man ersieht hieraus und aus zahlreichen anderweitigen Beweisen, daß die Regierungen und die Polizei uns gegenüber bereits eine wohlorganisirte Internationale" sind; sollten wir nicht endlich von unsern Feinden lernen und nicht blos in tönenden Worten und gelegentlichem Verkehr, sondern in bestimmter, ener gischer That dasselbe thun?

"

Belgien .

-

* Am 4. ds. tagte in Brüssel ein Allgemeiner Wahl­rechts Rongreß. Es handelte sich auf demselben um die weitere Organisation der bekanntlich hauptsächlich von den Sozia­listen ausgehenden, aber zahlreiche freisinnige Elemente anderer Parteien in sich schließenden Bewegung zur Erlangung des all­gemeinen Wahlrechts. Der Vorsitz war ganz in den Händen unferer Parteigenossen. Nachdem der Zentralausschuß über den Stand der Bewegung berichtet, wurde beschlossen, am 15. Aug. eine großartige, aus allen Theilen des Landes beschickte Maffen: Kundgebung in Brüssel zu veranstalten, um dadurch der ein­geleiteten Petitionsbewegung einen kräftigen Nachdruck zu geben. Diese Kundgebung wird eine friedliche sein; nur ein einziger Abgeordneter sprach sich dafür aus, daß sie eine revolutionäre sein müsse, d. h., daß man das verlangte Wahlrecht durch einen Straßenkampf erobern solle. Zahlreiche Redner sprachen aber gegen diesen sonderbaren Vorschlag und wiesen nach, daß wenn man am 15. August mit den Waffen kämpfen wolle, es un finnig wäre, dies vorher zu verkünden, weil die davon verstän: bigte Regierung ihre Vorbereitung treffen und die Tollföpfe massakriren würde. Heute sei noch nicht die Zeit, die Waffen zu ergreifen und bei diesem Anlaß am allerwenigsten; um hiebei Aussicht auf Erfolg zu haben, müsse man organisirt und ge schult sein und das zu erlangen, biete die Wahlrechtsbewegung die beste Gelegenheit.

Frankreich .

* In unserer letzten Nummer hat unser Pariser Berichterstatter mit unserm vollkommenen Einverständniß nicht nur die unbeschreiblich gemeine Heße der gambettistischen Republik gegen die ausländischen und namentlich auch gegen die deutschen Sozialisten gebrandmarkt, sondern auch die schmähliche, von verächtlichstem Nationalwahn und Mangel jedes Rechtsgefühles eingegebene Haltung der meisten republikanischen und selbst eines sozialistischen Preßorganes diesen Ausweisungen gegenüber gekennzeichnet. Die ganze Ausweisungshandlung und die Stellung der öffentlichen

Meinung zu ihr sind in der That eine unbeschreibliche Schmach für Frankreich . Und wer das französische Volt blos von dieser einen Thatsache aus beurtheilen, wer die großen Verdienste, welche es sich seit der großen französischen Revolution so oft um die Sache der Befreiung errungen hat, als dessen muthigster, thatkräftigster und aufopferungsvollster Vorkämpfer es sich er wiesen hat und zweifellos auch ferner erweisen wird wer diese Thatsachen über der Schmach der Ausweisungen einen Augenblick vergessen könnte, dessen Hoffnungen auf den hervor ragenden Antheil des französischen Volkes an der Befreiung der Menschheit, der Durchführung der sozialen Revolution, der wahren Verbrüderung der Völker möchten gesengt werden, wie von einem giftigen Mehlthau.

Aber wir gehören nicht zu den vorschnell und lieblos Urtheilenden. Wir bedauern die Verirrung der öffentlichen Meinung Frankreichs und noch mehr, daß sie sich selbst französischer Arbeiter be mächtigt hat, welche sich zur sozialistischen Fahne bekennen und alle Vorurtheile überwunden zu haben glauben; aber wir hoffen bestimmt, daß sich der gehirnumdüsternde Rausch mit der fort­schreitenden Erkenntniß durch den Sozialismus bald verflüchtigen wird. Und diese Hoffnung scheint um so begründeter zu sein, als schon heute ein zwar an Zahl kleiner, aber an Fähigkeit und Thatkraft und darum an Zukunft reicher Theil des fran­ zösischen Volkes, die entwickeltsten und folgerichtigsten unserer fozialistischen Kampfgenossen jenseits der Wasgauberge, sich ener= gisch gegen das heutige verbohrte nationale Treiben erheben und sich dabei rückhaltlos auf den Standpunkt der Gleichberechtigung alles dessen, was Menschengesicht trägt, stellen. Das Organ dieser ächten Sozialdemokraten oder kollektivistisch- revolutionären Sozia listen, wie sie sich in Frankreich nennen, die« Egalité », läßt sich über die Ausweisungen folgendermaßen aus:

Die Republik " fährt fort, sich zur unterthänigen Magd der bis­marckischen Politik zu machen. Kein Tag vergeht, ohne daß die Andrieur­Grevy'sche Polizei unter dem Beifallsgeschrei des Petit National" und seines Gleichen einen oder mehrere deutsche Sozialisten, d. h. Mit­glieder der einzigen Partei in Deutschland , welche sich muthig und auf Gefahr ihrer Freiheit, dem Raub Elsaß - Lothringens wiedersetzte, beim Kragen packte und ausweist. Am 3. Juli wurden ausgewiesen: die Bürger Kühne, Schreiner, Hii nsch, Schreiner, Kleinfeld, Schreiner ; am 7. Umbach, Mechaniker( verheirathet), Pohl, Bildhauer, Nent= wig, Mechaniker; am 9. Nüßeler, Goldschmied, Frau Heß, Wittwe eines deutschen Sozialisten, 60 Jahre alt und seit 30 Jahren in Paris ; am 10. Petersen, Kürschner, u. a. Die russischen Sozialisten werden übrigens von unseren republikanischen Herrschern auch nicht beffer behandelt; diese Herren benitzen ihre Polizei zu zwei Streichen, indem sie zu gleicher Zeit dem Kaiser aller Deutschen und dem Zaren aller Neußen Dienste leisten. Zu den Bürgern Klatschko und Eigensohn, deren Auswei­sung wir bereits berichtet haben, sind noch die Bürger Litwinoff, De­nicker, Goldenberg u. a. hinzugekommen, welche auf offener Straße oder zu Hause aufgelesen, durch den Polizeigewahrsam nach der Fremde geschickt worden sind.... In den Händen dieser geängsteten Bourgeoisie ist Frankreich zur Wüste des Dichters der Chatiments " geworden. Es verbannt die Verbannten des Sultans von Petersburg , es verjagt die Verjagten des Zaren von Berlin ..."

Und in ihrem im besten Sinne des Wortes aufreizenden" Artikel über das Nationalfest" des 14. Juli sagt unsere Kampf­genoffin:

" Ihr behauptet, ein, universelles Fest" zu feiern? Und während der abgelaufenen sechs Monate allein hat die Bourgeois­Republik, in Nichtachtung unserer gastfreien Weberlie­ferungen, mehr russische und deutsche Flüchtlinge aus­gewiesen, als das Kaiserreich des 2. Dezember in achtzehn Jahren! Und ist es nicht 48 Stunden, daß die Polizei Andrieur' eine Frau von 60 Jahren, deren einziges Verbrechen war, die Wittwe eines deutschen Sozialisten zu sein, aus ihrem Bette riß und sie aufs roheste an die Grenze wars, nicht ohne sie im Polizeigewahriam mit dem Ab­schaum der Bourgeoisgesellschaft zusammengeworfen zu haben?... So lange nicht ein 14. Juli der Arbeiter über die kapitalistischen Bastillen hinweggegangen sein wird; so lange die Klasse, welche die Besatzung dieser Bastillen bildet, nicht gleich einem einfachen de Launay( dem Be­fehlshaber der alten Bastille zur Zeit ihrer Erstürmung, der vom wüthenden Volf niedergemacht wurde) sammt ihren Invaliden vom Heer, vom Richterstand und von der Polizei sich ergeben haben; so lange gibt es für das Volk nichts zu feiern."

Es mangelt uns heute leider der Raum, ausführlicher auf die grenzenlos infame Behandlung der Ausgewiesenen, welche zum Theil gefesselt und mit gemeinen Verbrechern zusammen in Gefangenenwagen transportirt wurden, einzugehen; vielleicht holen wir's noch nach. Außer den oben angeführten Ausweisungen sind uns bis jetzt noch die folgenden bekannt geworden: Münich, Welter, Seifert, Sautermeister, Schmidt, Tscherkessow, Dzwi­galati.

-

" 1

Am 11. Juli wurde in Lyon der Arbeiterkongreß der Ostregion eröffnet; derselbe beschloß auf Anregung des Bürgers Coupat einstimmig, sich den Namen Kollektivistisch­revolutionärer Sozialistenkongreß" zu geben. Die Verlesung der Einladung der belgischen Genossen zur Beschickung eines sozia­ listischen Weltkongresses wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Die über der Rednertribüne hängende rothe Fahne wurde auf Befehl des Präfekten als ein aufrührerisches Zeichen" entfernt! Als Hauptaufgabe des Kongresses wurde von mehreren Rednern die Organisation der Arbeiterpartei in der Ostregion, die voll­ständige Trennung der Arbeiter von der Bourgeoisie und die Beschlußfassung über die thätliche Betheiligung der Arbeiter an den nächstjährigen Wahlen mit einem Programm von Mindest= forderungen bezeichnet. Am 18. ds. wurde der Kongreß der Region des Zentrums eröffnet, welcher von den Ar beitern von Paris und der umliegenden Ortschaften beschickt wird.- Der Regionalkongreß von Bordeaux hat bereits am 22. Juni getagt.

Wir beschränken uns, mit der« Egalité », darauf, die Hoff­nung auszudrücken, daß diese, sowie die noch folgenden Regional­fongresse, indem sie sich mit dem Geiste der sozialistischen Be­schlüsse des Marsailler Kongresses erfüllen, die Wege erforschen werden, auf welchen aus den nächsten allgemeinen Wahlen eine mächtige Arbeiterpartei hervorgehen wird, die allein die Umge­staltung der heutigen verrotteten politischen und sozialen Ordnung, bie Befreiung des Proletariats, mit einem Wort: die soziale Revolution herbeiführen und siegreich durchkämpfen kann!

Italien .

* Die Regierung, schon sonst niemals lau gegen die Sozia listen, verfolgt seit einiger Zeit ein System der wüthendsten Verfolgung und der Unterdrückung um jeden Preis. Kaum ist unser Freund und Mitarbeiter Costa gegen alle Vermuthung in Mailand verurtheilt, so geschieht schon zwei Florentiner Genossen, Serantoni und Rigatti, dasselbe, indem sie als« malfattori»