Nummer des Tsch. Per." gesagt worden ist. Wir hoffen aber, daß diese unsere Erklärung jeder unrichtigen Auffassung unserer Ansichten von von Seiten der Leser des Sozialdemokrat" vorbeugen wird. Sobald nur möglich, kommen wir im russischen Organ darauf zurück.

Genf .

Für die Redaktion: G. Plechanow .

* Man kennt nun den Aufenthalt des Herrn Hasselmann.

Der Mann der That ist nicht nach Amerika , sondern nach

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Belgien ausgerissen. Natürlich ist er auch dort der Alte ge­blieben und verbreitet die gewohnte Atmosphäre um sich. Wir haben in den jüngsten Enthüllungen" des Herrn sein Ver­drehungs- und Erdichtungstalent wahrlich zur Genüge kennen gelernt, aber sein außerordentliches Lügentalent scheint sich in der That durch jede der moralischen Ohrfeigen, die er von den Ent­hüllten" erhielt, noch weiter entwickelt zu haben; denn das, was er jetzt von Belgien aus leistet, ist so ziemlich das Höchste, was an unverfrorener Lügenhaftigkeit geleistet werden kann. Das Beste ist noch, daß Herr Hasselmann offenbar darauf verzichtet, den sozialistischen Arbeitern seine Dichtungen als Wahrheit zu bieten, denn andernfalls hätte er es wohl weniger handgreiflich gemacht. In einer Zuschrift an die liberal- konservative Kölnische 3tg." bezeichnet der Herr Reichstags- Abgeordnete" so unterzeichnet sich der Revolutionär" selbstgefällig alle über ihn im Um­lauf befindlichen Gerüchte als böswillige Verläumdungen", deren Urheber er gerichtlich zu belangen droht. Er habe absolut keine Schulden und von einem Ausreißen sei keine Rede; er mache lediglich wegen des Verbotes eines seiner Blätter und aus son: stigen politischen Gründen" eine Rundreise zu lediglich politischer: Zwecken". Seine Zeitschriften würden während seiner Abwesen­heit fortgeführt. Diese Zuschrift ist von Köln , den 6. August batirt. Zu dieser Zeit befand sich aber Herr Hasselmann längst nicht mehr auf deutschem Boden und ist daher sein Schreiben selbst bis auf das Datum erlogen. Denn die absolute Unwahr heit aller seiner Behauptungen in der Köln . Ztg." läßt sich leicht aus einem andern in der Presse veröffentlichten Brief

nachweisen.

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In einem an den radikal- sozialistischen Pariser« Citoyen>> gerichteten Brief nimmt nämlich der offenbar von Herrn Hassel­mann belogene Buchhändler Herr Kistenmaeckers den behenden Parlamentarier, seinen innigen Freund", in Schutz, indem er als wahren Grund der Hasselmann'schen Flucht mittheilt: " Hasselmann hat Deutschland in der That als Flüchtling ver­laffen, aber nicht mit der Kasse der Arbeiter, sondern vor der bismarckischen Polizei, welche sein Blatt und seine Privatpapiere beschlagnahmte und ihn wegen Verschwörung(!) gegen den Staat anklagte und ihn unter diesem Vorwande zum elftenmal willkürlich einkerkern wollte. Dank der Unterstützung der Arbeiter­bevölkerung konnte er Belgien erreichen, wo er sich bis zur Wiedereröffnung des deutschen Reichstags aufhalten zu können hofft, vor dem er sich dann unter dem Schutz seiner parlamen­tarischen Unverleßlichkeit gegen die dummen Klatschereien der deutschen Polizei vertheidigen wird."

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So viel Worte so viel Lügen, für welche natürlich nicht der Verbreiter, sondern der Urheber verantwortlich ist. Herr Hassel­mann ist nicht angeklagt, weder wegen Verschwörung", noch wegen sonstwelchem Vergehen oder Verbrechen. Er war nie in Gefahr, verhaftet zu werden, am allerwenigsten zum elftenmal", denn er war bekanntlich trotz seiner langjährigen Preßthätigkeit ,, à la Marat" stets gefeit gegen gerichtliche Verfolgungen und saß ein einziges Mal in Untersuchungshaft, welche ihm dann zum Abgeordnetensiz verhalf. Er läuft von der bismarkischen

Polizei, deren Kronzeuge und bester Mitarbeiter er ist, keinerlei

Gefahr. Die Gründe seiner Flucht sind daher durchaus keine politischen, sondern mehr auf dem Gebiet der Insolvenz und des Bankrottes zu suchen. Er ist nicht auf einer politischen Runds reise" in Deutschland , sondern in Brüssel , wo er vor seinen Gläubigern und der Verachtung der Arbeiter sicher zu sein und nebenbei mit seiner Geschichte unbekannte belgische Genossen be­schwindeln zu können hofft. Er hat ein ziemliches Pöstchen Schulden hinterlassen und zwar nicht nur aus neuerer Zeit, sondern auch solche älterer Emission aus der Zeit gegen die Gründerjahre zurück. Einiges über die Opfer findet sich unten im Hamburger Bericht unserer heutigen Nummer; auch die Sezer der Hasselmann'schen Blätter zählen zu den Opfern: sie wurden mit Wechseln von 100-150 Mart bezahlt, an derem Verfalltag aber der edle Aussteller bereits seine politische Rund: reise" angetreten hatte, so daß die betrogenen Arbeiter das Nach­sehen haben. Auch auf seiner Flucht suchte er seine Finanz­operationen noch fortzusetzen( z. B. in Köln a. Rh.), bekam jedoch statt klingendes Geld mit anderer Münze gedient. Seine Lügen, daß er in drei Prozesse verwickelt sei, daß die Polizei seine Redaktion besetzt und zwei gefährliche Artikel, einen für sein Blatt, und den andern für die Freiheit" beschlagnahmt hätte all das zog bei den Genossen nicht und sie gaben ihm einen Scheidegruß mit auf den Weg, der wohl zur Be­schleunigung der politischen Rundreise" mit beigetragen haben mag.

Wir hatten uns neulich voreilig darüber gefreut, daß der todte Hasselmann uns wenigstens die Gegenwart seines Leichnams erspare; wir hatten vergessen, daß es Leichname gibt, deren verpestender Geruch sich auf weite Strecken hin bemerkbar macht, den man nicht wegschaffen kann, sondern ausstinken lassen muß, und vor dem man nur die Nase zuhalten und sich mit Ekel abwenden kann.

* Der bekannte Nihilist Hartmann in London erklärt, daß er Hasselmann gar nicht kenne und sich deshalb auch nicht gewei­gert haben könne, mit ihm an einem französischen Blatt zusammen= zuarbeiten. Wir hatten die Nachricht der Franks. 3tg." und einer Anzahl anderer deutscher Blätter entnommen. Indessen ist die Sache um so mehr erledigt, als Gen. Hartmann Herrn Hasselmann jetzt sicher kennen wird.

Sozialpolitische Rundschau.

Deutschland .

* Ueber eines der Schmerzensländer des Reiches, das unglück­liche Oberschlesien , ist abermals eine Heimsuchung gekommen. Andauernde Regengüsse haben die Oder und ihre linken Neben­flüsse angeschwellt, so daß sie aus ihren Ufern getreten sind und an Gebäuden und Feldfrüchten großen Schaden angerichtet haben. Auch diejenigen Theile des Landes, welche von der Ueberschwem­mung nicht unmittelbar betroffen worden sind, werden unter den Folgen der fortwährenden Nässe, gegen welche kaum ein anderer Landstrich so empfindlich ist, aller Voraussicht nach schwer zu leiden haben. Damit steht für die betroffenen Landstriche eine Wiederholung des Nothstandes bevor, deren Folgen der verarmten und geschwächten Bevölkerung neues Elend auf­erlegen, wenn nicht diesmal rechtzeitig Hülfe geleistet wird. In einem vernünftig organisirten Staatswesen, in einem soziali stischen Staat, würde eine solche Kalamität soweit sie bei rationellen Land-, Wasser-, und Waldbauverhältnissen noch vor: kommen könnte leicht getragen, denn der ganze Staat würde den Schaden auf sich vertheilen und so mit Leichtigkeit tragen. Unter den heutigen Verhältnissen ist das aber ganz anders; man braucht das Geld zu Soldaten, Fürstenpack und sonstigen Schmarozern aller Art, und wird man daher für Oberschlesien sowenig etwas Nen­nenswerthes thun, wie bisher; man läßt das Volk ruhig weiter darben und im Elend umkommen. Und das wird so lange dauern, bis die Sozialdemotratie stark und die Verhältnisse entwickelt finken und eine neue" Ordnung", eine wahre Ordnung der genug sind. Dann erst wird diese Hungerknechtschaft in Trümmer Freiheit, der Gleichheit und der Wohlfahrt herrschen. Der Weg zu diesem hellen Tag aber führt durch viele Finsternisse.

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Die Begründung des freisprechenden Urtheils im Lichter­ felder Bannbruchsprozeß hat die Regierung schwer gekränkt, weil durch dieselbe die Kompetenz des Generalpolizeigewaltigen Berufung ergriffen und wird demnach der alte Teig noch einmal Madai sehr beschränkt wird. Es ist deshalb vom Staatsanwalt

breit getreten.

- Bei einer jüngst in Berlin stattgehabten Versammlung von Kaufleuten stellte sich heraus, daß es in Berlin augen­blicklich 13,000 arbeitslose Handlungsgehilfen gibt. Hübsche Ordnung", nicht wahr?

Mit der berühmten Dresdener Hochverrätherei scheint die Polizei nicht mehr Glück zu haben, als mit vielen ähnlichen Affären. Die Genossen Kayser und Petzold mußten wieder aus der Untersuchungshaft entlassen werden, nachdem sie 10 Tage dort zugebracht. Dagegen scheint man gegen Paschky und den mit ihm verhafteten Tischler wirklich Klage erheben zu wollen.

In Mecklenburg wurde ein Postdieb, welcher Werth: packete gestohlen, zu acht Jahren Zuchthaus verurtheilt. Wie viel Zuchthaus gehörte dann dementsprechend den amtlichen Postbieben, die tausende von Briefen erbrechen und stehlen? Man sieht, daß auch hier nur die kleinen Diebe baumeln müssen; nun, das Volk wird's hoffentlich einst den großen auch noch besorgen!

In dem seit nun zwei Monaten dauernden Lohnkampf der Berliner Tischler scheint die Entscheidung heranzu naben. Die Möbeltischler werden demnächst die Forderungen der Arbeiter( Lohnerhöhung um 10% Arbeitszeit von 10 Stun den, Abschaffung der Sonntagsarbeit) in allen Werkstätten zu= gleich zur Geltung bringen.

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W Berlin, 5. August. Die Enthüllungen" Hasselmann's haben in der Partei nicht den gewünschten Eindruck hervorgerufen; sie stärken nur das Verlangen, auf einem größeren Kongresse eine Aussprache zu ermög lichen, um durch Reorganisation der Beziehungen von Ort zu Ort den Mißerfolg des Sozialistengesetzes nach Außen hin noch mehr als bisher zu beweisen. Es wird Niemanden, am Allerwenigsten aber einer solchen traurigen Größe", gelingen, eine Spaltung zu Stande zu bringen, denn die Partei fühlt keineswegs das Bedürfniß nach einer solchen, sondern vielmehr zur größten Einigkeit. Alles einseitige Vorgehen, wie beispiels weise das des Hamburger Unternehmens Die deutsche Warte" wird hier stets mit Entschiedenheit abgelehnt. Daß Meinungsdifferenzen, wo der Austausch der Meinungen so erschwert ist, entstehen können, ist ja erklär­lich; doch selbst bei andauernder Unterdrückung der offenen Agitation führen sie unter Männern, welche bewußt und ehrlich demselben großen Ziel zustreben, nicht zum Bruch. Natürlich sind die fortschrittlichen und liberalen Blätter voll Jubel über die scheinbare Wirkung des Sozialisten­gesetzes; der Zerfall der Partei sei schon weit vorgeschritten, meinen ſie, und bedenken dabei nicht, daß die Agitation nach außen so wächst, daß die so mächtige Polizei in München , Dresden und anderswo Verzweif lungsschreie ausstößt, weil sie ohnmächtig ist gegenüber der Importation von Flugblättern, obgleich ihr die Post so treulich zur Seite steht, wenn sie sich vielleicht auch nicht so weit mißbrauchen läßt, wie die Breslauer. Berlin unterstützt die Familien seiner Ausgewiesenen aus Beiträgen der zum großen Theil beschäftigungslosen Handwerker und Arbeiter! Zeitun gen und Flugschriften gelangen regelmäßig zur Vertheilung, nur ab und zu gelingt es, ein Zeitungspacket abzufangen; aber wieviel hundert Packete werden erst geöffnet, bis der Zufall helfend eintritt? Haussuchungen und Postunterschlagungen nehmen ihren Fortgang; doch ist man jetzt mehr darauf vorbereitet und das Resultat ist kläglich. Einem Ausgewiesenen, der sich kurze Zeit in Frankfurt a./D. aufhielt, brachte ein Freund u. a. seine zurückgelassenen Betten wohl verpackt nach. Die Polizei vermuthet aber Vorbereitungen zum Aufruhr", ja denkt vielleicht gar an Waffen­sendungen. Es wird depeschirt, und kaum betritt der Freund das Quar tier des Ausgewiesenen, als die Schergen erscheinen, mit der Frage, wo die Versammlung sei? Die folgende Haussuchung fördert aber nur einige gedruckte Sozialdemokraten zu Tage, und der Staat war wieder einmal gerettet. Mögen die Thoren bei ihrem Glauben blei­ben, daß die Idee der Sozialdemokratie sterblich sei. Die Reichstags­wahlen des Jahres 1881 werden sie aufs kräftigste vom Gegentheil über­zeugen. Die nationalliberale Partei weiß nicht mehr, was sie sagen und thun soll; um sich einen Anschein von Wollen und Handeln zu geben, versammeln sich die Nationalliberalen der Provinz Hannover , um über die Einführung eines neuen Kirchengesangbuches zu berathen; wenn sich nicht dahinter die Absicht verbirgt, ein Lebenselerir für die halbtodte Parteiverfassung zu erfinden. Die Fortschrittler sind rühriger und ar­beiten für die Reichstagswahlen vor. Turner, Schützen und Sänger sind von jeher komische Leute gewesen, sobald sie sich zu nationalen Festen zusammenfanden. Von Bier und Wein erhitzt, feiern sie die großartig ſten und rührendsten Verbrüderungen; sind sie dann aber daheim, dann kommt der Lokalpatriotismus wieder zum Vorschein. Das Wiener Schützen­fest und das Frankfurter Turnfest illustriren diese Erfahrung auf's Neue. In Frankfurt a./M. feierte ein Pariser Turner die von uns so lebhaft vertretene Idee der Verbrüderung der zivilisirten Nationen; unter dem

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lebhaftesten Beifall der Tischgenossen führte er aus- wenn auch in anderen Worten- daß eigentlich kein vernünftiger Grund vorläge, mit dem Nachbar sich auf Befehl zu kazbalgen. Ein folgender Redner aber feierte in begeisterten Worten den Deutschen Patriotismus: Einerlei, ob roth oder schwarz, wer nicht ein treuer Deutscher( loyaler Dummkopf) ſei fort mit ihm! Als ob es nicht höchst gleichgiltig wäre, welche Tyrannendynastie gerade das Staatsruder lenkt, als ob die zufällige Ein­theilung Europa's in so und so viel Monarchien für alle Ewigkeit fest­stände! Wie lange mag es wohl her sein, daß Herr Götz vom hessischen Bartikularisten zum deutschen (?) Partikularisten aufschwang? Auch diese Worte, der Rede des Parisers grade entgegengesetzt, fanden gleich un­

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parteisch jubelnde Aufnahme! In wessen Hirn steckt mehr Vernunft? In

dem des loyalen Nationalliberalen, der außer von seinen Interessen von der ihm anerzogenen Dummheit geleitet wird, von der er sich sein Lebtag nicht frei machen kann, oder in dem des Arbeitssklaven, der nur zu lange die Frohnpeitsche ertrug, um endlich seine Gleichberechtigung geltend zu machen? So lange die Arbeiter duldeten, hielt man sie für dumm, und vermehrte die Forderungen; jetzt, wo sie ihre Menschenrechte geltend machen, erklärt man sie für wahnwißige Empörer!

W. Berlin , 6. August. Wir haben in einem frühern Bericht mit­getheilt, daß die am 26. Dezember vorigen Jahres verhafteten ,, Nihilisten" Werner, Crohn 2c. noch immer in der Untersuchungshaft schmachten. Wir wiesen darauf hin, daß diese Verschleppung der Justiz wieder einmal zeige, wie in unserem Rechtsstaat" der klangvolle Artikel 4 der preußi­schen Verfassung: Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich", zur beden­tungslosen, hohlen Phrase degradirt wird. Nunmehr sind wir sogar in der Lage, noch einzelne Details mittheilen zu können, welche das Ver­fahren gegen die Bezeichneten nicht blos als hart und unbillig erscheinen lassen, sondern es geradezu zu einem haarsträubenden Gesetzesbruch selbst im Sinne des geltenden Rechts" stempeln. Die Untersuchung wurde näm­lich im Anfang mit der möglichsten Schnelligkeit und Energie betrieben, sodaß sogar für alle Verhandlungen zwischen der Berliner und Leipziger Staats- resp. Reichsanwaltschaft der telegraphische Weg benutzt wurde. Man glaubte eben, einen außerordentlichen Fang gemacht zu haben und freute sich schon darauf, unserer Partei damit einen gefährlichen Schlag wie man meinte- versetzen zu können. In Folge dieser Beschleu­

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nigung war der Anklageſenat des Reichsgerichts, das ja für Hochver­rathsprozesse ausschließlich zuständig ist, bereits am 9. Januar so­weit informirt, um über die Erhebung der Anklage Be­schluß fassen zu können. Nun wohl: der Beschluß vom 9. Januar lautete dahin, daß der Anklageantrag als durchaus unbegrün­det und unbewiesen zurückzuweisen sei. Trotzdem sitzen die Verhafteten noch heute, 7 Monate nach diesem Beschluß des Reichsgerichts; sie werden heute noch gefangen gehalten, trotzdem der Artikel 126 der Strafprozeßordnung also lautet:" Der vor Erhebung der öffentlichen Klage erlassene Haftbefehl ist aufzuheben, wenn die Staats­anwaltschaft es beantragt oder wenn nicht binnen einer Woche nach Voll­streckung des Haftbefehls die öffentliche Klage erhoben und die Fortdauer der Haft von dem zuständigen Richter( also in diesem Falle vom Reichs­gericht) angeordnet, auch diese Anordnung zur Kenntniß des Amtsrichters gelangt ist."( Die Frist zur Erhebung der Anklage kann bei Verbrechen und Vergehen noch auf höchstens 4 Wochen verlängert werden.) Ein weiterer Commentar erscheint überflüssig; das Gesetz spricht klar und deutlich genug. Dieselbe Regierung aber, welche ihre eigenen von ihr ausgegangenen Gesetze mit Füßen tritt, hat die schamlose Frechheit, uns Sozialdemokraten als Gesetzesverächter zu verfolgen! Was weiter mit den unschuldig Eingekerferten werden soll, darüber hört man nichts. Es ist höchst charakteristisch für die bestehenden Zustände, daß man erst heute nach einem halben Jahre von jenem Beschluß des Reichsgerichts etwas

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erfährt. Man scheint die kollossale Blamage gefürchtet zu haben, einzu­gestehen, daß der Lärm, welcher wegen der Entdeckung der Druckerei ge­macht wurde, nur dazu gedient hat, eine an sich bedeutungslose Sache zu einem Hochverrathsprozesse aufzubauschen. Zustände, unter denen eine derartige ,, Rechtspflege" möglich ist, erinnern, wie überhaupt unsere gegen­wärtige Epoche, sehr an die Zeit vor der großen französischen Revolution. Möge doch bald ein ähnliches Ungewitter über unsere korrumpirte Gesell­schaft hereinbrechen und die verpestete Atmosphäre der Bourgeoiswelt radical reinigen!

- Magdeburg , 1. August. Am 14. Juli, dem Tag des Bastillen­sturmes, wurde dahier ein Sozialistenprozeß verhandelt, welcher nicht wenig dazu beitragen wird, unsere Bastille, die heutige deutsche Staats- ,, Ordnung" zu erschüttern und ihre Grundfeste im Volf zu unter­graben. Unsere verhafteten Genossen Beck, Freund, Geserick und Hilde­brand erschienen in öffentlicher Gerichtsverhandlung, der geheimen Verbreitung verbotener sozialistischer Schriften angeklagt. Die Anklage­schrift ist ob der Konstatirung unserer Thätigkeit und der behördlichen Rathlosigkeit und Ohnmacht gegen uns unbezahlbar. Sie lamentirt, daß die geheime Organisation der Sozialdemokratie eine so eigenthümliche sei, daß stets nur einige Maschen des über ganz Deutschland verbreiteten sozialistischen Netzes entdeckt werden können; daß die massenhaften Flug­blätter großentheils vom Ausland nach Deutschland importirt werden, theilweis in ganzen Ballen, theilweis unter einzelnen Adressen brieflich; daß insbesondere zum Theil über London , zum Theil über Budapest etwa 12,000 Exemplare, Sozialdemokraten" in Deutschland verbreitet werden" 2c. Meistentheils geht es in rührendem Klagetone weiter sind falsche Namen für Verfasser, Verleger und Drucker gewählt, so daß es fast nie gelingt, bestimmte Anhaltspunkte zu gewinnen." Es ist zum Todtlachen; weil die hochweise(??) deutsche Polizei, trotzdem ste ihre Schnüffelei in mindestens ebenso ekler und gemeiner, wenn auch freilich viel plumperer Weise treibt, als seinerzeit die Mouchards des napoleonischen Kaiser- Regimes, trotz aller erdenklichen Mühe bis jetzt noch keine zu großen Staatsaktionen gegen die Sozialdemokratie verwend­baren Beweise hat erwischen können: deshalb wird nun die ganze Schuld auf die falschen Namen" geschoben. Als ob die Polizeiesel er­warten könnten, daß sich die Männer unserer Propaganda ihnen unter­thänigst melden! Als Zeugen für die Behauptungen der Anklage fun­girten die Polizeikommissare Wegfraß, Sommermann, Schmidt und der Polizei- Inspektor Kriter. Letzterer erklärte, daß die nächste Veranlassung zur Haussuchung bei Beck ein Aviso des Polizeipräsidenten v. Madai in Berlin gewesen sei, welcher hätte melden lassen: daß der sozialdemokra tische Agitator Leist in Berlin ein Paket Schriften an Beck abgesandt hätte. Leider habe man freilich die Schriften nicht gefunden, wohl aber die Emballage( ein Stück Pappe lag stolz als corpus delicti auf dem Tisch des Gerichtshofes), welche unzweifelhaft bewiese", daß Beck die Schriften erhalten habe, trotzdem letzterer dies leugne. Zeuge ist fest überzeugt", ja er weiß es sogar gewiß, daß die Angeklagten Beck und Hildebrandt einen Leserkreis auf sozialdemokratische Schriften haben; Beck habe auch einmal seine Freude darüber ausgedrückt, daß die Flugblätter so schön verbreitet würden. Mit betrübter Miene, die einen Pfaffen beim Anblick eines armen Sünders" sehr gut gekleidet haben würde, beklagt sich der weise Herr Jnspektor, daß die Sozialdemokraten die Frech­heit besäßen, mitten in der Stadt geheime Versammlungen abzuhalten, und wenn dann die Polizei einmal auf die Spur komme, dann verschwin­den sie von einer Restauration in die andere, bis sie den Beamten ent­schlüpft sind, die so zum Narren gehalten werden, worauf sie dann ruhig weiter tagen." Nicht wahr, das sind doch erschreckliche Teufelsbraten, die die arme Polizei so unbarmherzig chikaniren! Sie glauben gar nicht, meine Herren Richter- rief der würdige Herr in voller Extase aus mit welcher Schlauheit diese Sozialdemokraten zu Werke gehn; es haben sich kleine Kreise gebildet, von denen jeder nur seinen bestimmten Vor­mann kennt und auf weiter Niemand hört; es ist unmöglich( mit weinerlichem Ton) irgend etwas Positives über diese staatsgefährlichen Wühlereien zu erfahren." Also der Herr Inspektor weiß ganz genau, daß Beck und Hildebrand Schriften verbreitet haben und zugleich ist es ihm doch unmöglich, etwas Positives zu erfahren! Erklärt mir, Graf Derindur, diesen Zwiespalt der Natur! Als von einem Gerichtsrath verlangt wurde, daß der Inspektor für diese seine Behauptungen auch Beweise bringen solle, erklärte derselbe: Der Herr Polizeipräsident hat es mir verboten, ich darf nicht!" Und der hohe(?) Gerichtshof? Er begnügte sich mit dieser frechen Polizei­Der Polizeiinspektor Kriter hat aber, bevor er seine Aus­sagen begann, ausdrücklich beschworen: daß er nichts hinzusetzen und nichts auslassen wolle, was zur Erhellung des Thatbestandes beitragen fönne." Wir konstatiren angesichts vorstehender Thatsache, daß der Po­lizeiinspektor Kriter wissentlich und vorsätzlich einen Meineid geleistet hat; und wir konstatiren ferner, daß der Polizeipräsident v. Arnim seinen

antwort!

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