unterlag, die sozialistischen Kandidaten in Altona , Ottensen und Wandsbeck regelmäßig mit erheblichen Majoritäten aus den Wahlen hervorgingen und nur durch die ländlichen Stimmen mit genauer Noth und nicht immer mit Erfolg bekämpft werden konnten. Bei der Wahl im zweiten hamburgischen Wahlkreise im Frühjahre d. J. sollte der Sieg Hartmann's nach vielfachen, übrigens keineswegs bewiesenen Behauptungen durch starken temporären Zuzug lebiger wahlberechtigter Arbeiter nach diesem Wahlkreise, namentlich auch aus dem angrenzenden Altona durchgesetzt sein. Die preußische Regierung hat nun aus diesem Anlasse dem hamburgischen Senat den Vorschlag gemacht, auf Grund der durch das Sozialistengesetz gegebenen Ermächtigung den sogenannten kleinen Belagerungs-| zustand in den an Hamburg angrenzenden preußischen Bezirken inklusive Altona , Ottensen und Wandsbeck einzuführen, mit der Voraussetzung, daß der hamburgische Senat oder die im Gesetz vorgesehene ,, Landeszentralbehörde" dasselbe für Hamburg verfüge resp. sich vom Bundesrathe die dazu erforderliche Ermächtigung einhole. Dieser Vorschlag scheint aber kein besonderes Entgegen: kommen gefunden zu haben, vielmehr die Erklärung hervorgerufen zu haben, daß man sich hamburgischerseits im Stande fühle, Ruhe und Ordnung auch gegenüber der Sozialdemokratie dauernd aufrecht halten zu können. Schließlich scheint jedoch hamburgischer feits anerkannt zu sein, daß, wenn Preußen in Altona 2c. die gedachten Ausnahmemaßregeln durchzuführen gedenke, Hamburg nicht zurückbleiben könne, da schon die Lage der beiden Gebiete ein gleichmäßiges Vorgehen nothwendig mache." Das heißt: die freie Stadt" wird durch die so überzeugenden Gründe des Stärkeren eines Besseren belehrt. Die preußische Regierung droht nämlich Hamburg im Widerstandsfall mit Zwangsmaßregeln, Absendung eines Reichskommissars zur Uebernahme der hambur Und da Hamburg schon von dem gischen Polizeiverwaltung 2c. Zollstreit her weiß, daß in Deutschland ebensogut den Bundesstaaten wie dem Einzelnen gegenüber Gewalt vor Recht geht, so läßt es sich überzeugen".
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Wir werden uns heute auf eine Besprechung der geplanten Maßregel und ihrer Folgen- ihre Rechtmäßigkeit" braucht überhaupt nicht besprochen zu werden nicht einlassen; dazu ist noch Zeit, wenn man sich vor der fertigen Thatsache befindet. Aber wir wollen darauf hinweisen, daß die Maßregel selbst in den Kreisen unserer durch die Ereignisse des letzten Jahres bedeutend ernüchterten Gegner eine sehr getheilte Aufnahme findet. Ein süddeutsches liberales Blatt schreibt:„ Diese Maßregel wäre dort so wenig im Stande, die sozialistische Bewegung zu unterdrücken, wie in Berlin : Polizeimaßregeln können über haupt die Sozialdemokratie nicht vernichten". Die fortschrittliche Berliner Volkszeitung aber warnt davor, noch mehr Wind zu säen, auf daß man nicht Sturm ernte." Wohin man gelangt, das wird man meist erst gewahr, wenn es zu spät ist. Wahrlich, ein eventueller Belagerungszustand über Leipzig und Hamburg würde nur noch etwas mehr Wind sähen. Man kann bei solchen Experimenten niemals die Jdee und immer nur Personen treffen. Die aus Hamburg und Leipzig ausgewiesenen und gerade die sogenannten Führer der Sozialdemokratie und gerade die würden möglicherweise von Stadt zu begabtesten unter ihnen Stadt ziehen und durch ihre persönliche Gegenwart und ihren persönlichen Umgang mit einzelnen Personen, ohne den Versuch zu machen, Versammlungen abzuhalten oder gar verbotene Schrif: ten zu vertreiben, die Arbeiter in Deutschland aufmuntern, zum Ausharren bewegen und so, ohne daß man ihnen etwas anhaben könnte, eine Propaganda für die Sozialdemokratie in's Leben rufen, von der die Herren am grünen Tisch bisher keine Ahnung gehabt haben." Wir haben dem vorläufig nichts hinzuzufügen.
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Das Bismarckische Leiborgan hat sich ein schönes Zugeständniß entschlüpfen lassen. Man kennt ja den bequemen Lehrsatz unserer Gegner, wonach die sozialistische Bewegung eigentlich nichts als das Werk einiger Wühler und Voltsauf heyzer sei, die es verstehen, soviel Spektakel zu machen, daß man fie für die hundert und tausendfache Zahl hält. Hat doch einmal Herr Wehrenpfennig ob diese Erfindung zum Geheimrath beigetragen hat? behauptet, daß unter den 500,000 sozialdemokratischen Wählern keine 5000, ja feine 500" wirkliche Sozialdemokraten seien. Unsere Partei habe mit Ausnahme der Fabrikdistrikte mit ihren verkommenen Proletariermassen," nicht den geringsten Anhaltspunkt im Volt 2c. 2c. Nun, was es mit diesen Behauptungen auf sich hat, haben die Thatsachen schon so oft bewiesen, daß nur mehr ein verhältnißmäßig winziger Theil unserer Gegner den Lehrsatz von der Halt- und Einflußlosigkeit der Sozialdemokratie im Volk zu wiederholen wagt. Die ausdrücklichste und weitgehendste Widerrufung dieses alten Lieblingssages leistet aber die„ Nordd. Allgem. 3tg." in einer ihrer legten Nummern. Sie erzählt, daß es nur Bismard allein zu danken sei, wenn die von dem früheren Minister Eulenburg( der Säbel haut, die Flinte schießt) vorgelegte„ nicht zu freisinnige, sondern geradezu revolutionäre(!!) Städteordnung" nicht durch gedrungen sei. Wäresie durchgegangen, so hätten die Sozialdemokraten in der Stadtverordneten Ver sammlung von Berlin und Breslau , und wir wissen nicht, in welchen sonst noch, schon heute die Majo
rität."
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Also eine von einem eingefleischten Reaktionär gemachte Gemeinde- Wahlordnung, die durchaus nicht das allgemeine direkte Wahlrecht der Gemeinde eingeführt hätte, sondern im besten Fall einige der schreiendsten Formen der Klassenherrschaft beseitigt und den Nichtbesitzenden zu einem mehr als bescheidenen EinSprachsrecht verholfen hätten, würde nach Ansicht des bismardischen Organs schon genügen, uns die Verwaltung der Hauptzentren des Landes binnen kurzem in die Hände zu spielen! Das heißt doch wohl nichts anderes als: das Volk von Berlin , Breslau c. ist in seiner Mehrheit sozialistisch, und nur die bestehender, die Mehrzahl der Bevölkerung vom Wahlrecht ausschließenden Klaſſengesetze ermöglichen es, daß diese Thatsache nicht auch in der Selbstregierung" zum Ausdruck gelangt, sondern daß die Intereffen der winzigen Minderheit allein herrschen! Wir denken, wir können von unsern Gegnern kein rückhalisloseres Zugeständniß ihrer eigenen Schwäche und der Aussichtslosigkeit ihrer Sache verlangen!
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In unserer Verfolgungschronik nimmt diesmal den hervorragendsten Platz die wahrhaft skandalöse Verurtheilung der Gen. Paschty und Weidner in Dresden zu einem Jahr Gefängniß ein, wegen„ Aufreizung verschiedener Bevölkerungs
klassen gegen einander in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise." Wir erwarten demnächst einen eingehenderen Bericht über diese neue Schandthat der sächsischen„ Justiz" und begnügen uns deshalb für heute mit dem kurzen Hinweis, daß diese Verurtheilung wegen Verbreitung des bekannten Flugblattes und Plakates „ An das deutsche Volk" erfolgte, daß die dresdner Justiz die Angeklagten erst des Hochverraths anklagen wollte, welche | Anklage indeß das Reichsgericht zurückwies, und daß das Urtheil in Dresden natürlich schon von vornherein fertig war. Daß ein solches Gericht" die Deffentlichkeit scheuen mußte und demnach vor verschlossenen Thüren verhandelte, ist sehr begreiflich. Dresdner Blätter halten die Aufrechterhaltung des Urtheils für unmöglich; wir denken hierin weniger optimistisch. Haben uns doch unsere Gegner am Rathssessel wie am Richtertisch schon oft genug bewiesen, daß sie jeder Gewalt und Schandthat fähig sind. Aber ihr Maaß wird auch noch voll werden! Eine weitere Verurtheilung wegen eines Flugblattes, des bekannten„ Ungeziefertob", erfolgte in Meißen . Gen. Sidert wurde wegen Aufreizung zum Klassenkampf und Verbreitung verbotener Schriften zu sechs Monaten Gefängniß verurtheilt. Das Urtheil reiht sich dem dresdner würdig an. Dagegen wurde in Frank furt Agent Thomas wegen Verbreitung revolutionärer Schriften, deren gewerbsmäßige" Verbreitung ihm verboten war, freigesprochen, trotzdem nachgewiesen war, daß eine regelmäßige Ver breitung stattgefunden hatte. breitung stattgefunden hatte. Das Gericht sprach nämlich aus, daß zum Begriff der gewerbsmäßigen Verbreitung nothwendig der Erwerb eines geschäftlichen Vortheiles gehöre," der dem Angeklagten nicht nachzuweisen war. Man merke sich das!- Gen. Fehleisen hat in Rottenburg seine Strafe wegen Verbreitung verbotener Schriften angetreten.
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Haussuchungen fanden in den letzten Wochen wieder zahlreiche statt, insbesonders in Berlin , wo es der Behörde gelungen sein soll, 3-4000 Stück verbotener Zeitungen und Flugschriften aller Arten zu erwischen. Das wäre freilich einmal etwas, da sich die Polizei bis jetzt stets nur mit ein paar ,, Wanzen" u. dergl. zufrieden geven mußte, meist aber ganz leer ausging. Da es aber die„ Nordd. Allgem. Ztg." ist, welche jene polizeiliche Freudenpost bringt, so wird es wohl schon deshalb erlogen sein; außerdem haben wir von unsern Berliner Freunden keinerlei diesbezügliche Mittheilungen erhalten. Berichten gegnerischer Blätter zufolge fand bei der Anwesenheit des III. Armeekorps in Berlin gelegentlich der Uebungen ein förmliches Wettrennen zwischen Sozialdemokraten und Polizei statt. Es wurden Massen von Flugblättern in den Straßen, Wirthschaften 2c. verbreitet. Um die Verbreiter zu ermitteln, waren seitens der politischen Polizei sofort insofern Vorkehrungen ge= troffen worden, als die Bewachung durch Geheimpolizisten bedeutend verstärkt wurde; jedoch haben alle Anstrengungen zu keinem Resultat geführt. Eine ganz bedeutende Anzahl dieser Schriften soll auch in die Kasernen hineingeschmuggelt und dort in den Korridoren und einzelnen Zimmern aufgefunden worden sein. Die Kaserne in der kleinen Alexanderstraße war besonders In Chemnitz fanden ebenfalls reich damit bedacht worden. verschiedene Haussuchungen und Beschlagnahmen statt und zwar merkwürdigerweise meist bei Liberalen und sonstigen Reichstreuen. Wenn das am grünen Holze geschieht! Die jüngst gemel dete Beschlagnahme des Sayzes und der Korrekturbogen der Karl Warr'schen Broschüre„ Lohnarbeit und Kapital" in Breslau wurde aufgehoben, dagegen das Manuskript an das Gericht übergeben. Auch in München waren wieder ver schiedene Haussuchungen, wobei zwei Genossen aus den Betten geholt wurden und ein verurtheilter Genosse ohne vorherige Aufforderung zum Strafantritt in's Gefängniß abgeführt wurde.
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Verhaftet wurden: in Berlin Tischlergeselle Gehriz, Student Nonne und ein Gastwirth, wegen angeblicher Verbreitung verbotener Schriften; am 28. vor. M. Gen. Ried aus Basel an der badischen Grenze wegen angeblichen Schmuggels verbotener Schriften, indeß hat sich die Polizei in ihrem Uebereifer abermals betrogen, denn es wurde bei Nied absolut nichts gefunden und wird derselbe deshalb in Bälde wieder frei gelassen werden müssen. Der aus dem berliner Geheimdruckerei"- Prozeß bekannte Anarchist Werner ist entlassen und aus Berlin ausgewiesen worden; er soll sich nach der Schweiz gewandt haben.
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Die sämmtlichen Arbeiter der Graf Henkel- Donnermard's schen Kohlengrube Gottessegen bei Kattowit, 300 an der Zahl, haben die Arbeit eingestellt, da sie bei den unglaublich niedrigen, Hungerlöhnen und den durch die Finanzzölle emporgetriebenen Lebensmittelpreisen nicht mehr bestehen können. Vermuthlich wird der menschenfreundliche Graf versuchen, die Streifenden zu Unruhen aufzureizen, um der„ herrlichen Kriegsmacht" und den Gerichten Gelegenheit zur Anwendung ihres Handwerks zu geben und seinen" Arbeitern ihren Uebermuth" auszutreiben.
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W. Berlin , 28. Sept. Der erfreuliche Ausgang der letzten größeren Prozesse gegen hiesige Parteigenossen hat zur Genüge gezeigt, daß die Richter doch nicht immer bereit sind, dem Staatsanwalt Schergendienste zu leisten. Vielleicht hat dazu die der Regierung so unangenehme Publikation des bekannten Lewin'schen Briefes in der Nobiling- Affaire nicht wenig beigetragen. Freilich ist es schon schlimm genug, daß monatelange Untersuchungshaft der endlichen Freisprechung vorhergeht. Was das Ausnahmegesetz betrifft, so wird hier vielfach bezweifelt, ob s. 3. eine einfache Verlängerung desselben eintreten wird; mindestens glaubt man, daß dies nicht in der alten Form sein werde. Denn die Regierung dürfte einsehen, daß durch die bisherigen Maßregeln eben nur die öffentliche Agitation unterdrückt werden konnte, während die geheime an Umfang zunahm. Leider geschieht darin in letzter Richtung noch immer zu wenig, und fehlt es vor allem an einem einheitlichen Vorgehen auf diesem Gebiete. Einige kleine Mißerfolge wirkten hiebei hemmend; aber lasse man sich doch nicht so leicht abschrecken, denn mit größerer Vorsicht lassen sich unnöthige Opfer unschwer vermeiden. Wohl belagert die Polizei in Zivil zu gewissen Zeiten förmlich die ihr verdächtigen Genossen; in
dessen bei geringer Aufmerksamkeit erkennt man die Gesellen leicht. Vermeide man, ihnen Material zu liefern; Berlin ist ja groß und überall hin kann man seine Ohren nicht gleichzeitig senden. Es wäre die höchste Zeit, daß mehr für die bevorstehenden Wahlen geschähe; es sind noch nicht die Kandidatenlisten publizirt, Wahlflugblätter, seit langem erwartet, sind noch nicht eingetroffen. Man kann hierin nicht früh genug anfangen! Die Herren Finn und Körner sind schon einige Zeit hier, ohne bisher im Stöcker'schen Verein oder öffentlich gesprochen zu haben. Sie stehen zu Stöckern, der wohl durch sie die Schaar seiner Anhänger vermehren will, in innigen Beziehungen. Sie selbst haben aber ehrgeizigere Pläne. Es soll ein fromm- sozialer Verein gegründet werden unter Prof. Wagner's Aegide; das politische Programm unserer Polizei soll aufgegeben und die Bismarck'schen Völkerbeglückungspläne sollen unterstützt werden. Ob es jemand ehrlich meinen kann oder weiß was er thut, wenn er die genanten Herren- das demokratische Grundprinzip unserer Partei bei Seite wirft, die Selbstbestimmung mißachtet und die Volksbeglückung
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wie
als Monopol einem Bismarck überantworten möchte, der seinerseits gern das Parlament zum Teufel jagte, wenn es noch nöthig wäre? Jedenfalls hätte die Reaktion sich brauchbarere Werkzeuge suchen sollen.
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Altona , 27. Sept. Seit einiger Zeit kam es uns in unserem lieben, von den Argusaugen des Gesetzes und dem Engel der Polizei so gut bewachten Städtchen recht langweilig vor, denn in vollen drei Wochen war nicht eine lumpige Haussuchung und noch viel weniger eine Verhaftung vorgekommen, vielmehr mußte die Staatsanwaltschaft die drei unschuldig verhafteten Leute, über die in Nr. 38 d. Bl. berichtet wurde, am Tage nach dem heiligen Sedan, weil auch nicht das Geringste gegen sie vorlag, entlassen. Jetzt scheint es aber wieder lustiger zu werden, denn am gestrigen Tage hat die Polizei wieder einen Streich geliefert, der sich würdig an die bereits von ihr verübten, anreiht. In einer Wirthschaft, die die Polizei als eine solche ansieht, wo Sozialdemokraten verkehren, traten Abends gegen sieben Uhr acht Polizisten ein, sahen sich die vier dort sitzenden Gäste an und nahmen zwei bekannte Sozialdemokraten mit zur Polizeiwache. Dort wurden sie ohne jede weitere Erklärung bis aufs Hemd durchsucht und dann wieder entlassen. Beide wußten im ersten Augenblick nicht, wie ihnen geschehen, andern Tags gingen sie aber zur Polizei und forderten auf Grund der§§ 102 und 107 der Strafprozeßordnung, daß ihnen eine schriftliche Erklärung darüber gegeben werde, weshalb sie sistirt und durchsucht worden seien. Unser gehörnter Polizeipascha gab darauf die klassische Erklärung ab:„ Ich werde Ihnen keine Erklärung geben und will Ihnen nur sagen, daß, wenn ich Sie auf der Straße sehe und es paßt mir, so verhafte ich Sie, aus dem einfachen Die Ge Grunde, weil Sie Sozialdemokraten sind!" schichte macht sich. Also nicht einmal das Sozialiste ngesetz soll uns zu Gute" kommen. Die Gründe, warum uns der( B) Engel so verfolgt, sind sehr prosaischer Natur; er hat eine ungeheuere Masse Schulden und Wechsel ausgestellt, die die Gläubiger nicht mehr zum zehnten oder zwölften Male prolongiren wollen, deshalb will er bei uns Karriere machen, damit ihn seine Freunde und Genossen Landrath Brütt und Staatssekretär Böttcher je eher je lieber protegiren können und er nicht vor der Zeit wegen nicht zu tilgender Wechselschulden zum Polizeitempel hinausgeworfen wird. Für heute möge dies genug sein; ein ander Mal erzählen wir vielleicht noch eine Geschichte, wie man Wirthshaus konzessionen verkauft Hans. und vor Gericht Eide schwören läßt.
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Hannover , im Septbr. Unsere Gegner sorgen dafür, daß wir in dieser traurigen Zeit auch bisweilen eine frohe Stunde haben. So hier die uns feindlichen Parteien Nationalliberale und Welfen. Vor ungefähr zwei Monaten hatten die letzteren eine Versammlung, in welcher der bekannte kurhessische Agitator Schimmelpfennig( Regierungsrath a. D.) einen Vortrag hielt, in welchem er den berüchtigten Kompromißgeneral Bennigsen so herunterriß und angriff, daß man hätte denken sollen, die Anhänger Bennigsens hätten Schimmelpfennig zur„ Rächung der Ehre" ihres Häuptlings zum Duell fordern müssen. Allein die Herren schwiegen, obwohl sie die Beschuldigungen gegen Bennigsen mit Leichtigkeit und gleichem Recht auf Windhorst und Genossen, also auf die Welfen, zurückwerfen könnten. Nun, wir können uns nur freuen, wenn die Herren sich gegenseitig die Wahrheit sagen, woraus wir den größten Vortheil ziehen. Vergangene Woche hat denn auch Herr v. Bennigsen gesprochen, und zwar auf einem Parteitage hier in Hannover , auf dem sich die Nationalliberalen aus der Provinz eingefunden hatten, um zu berathen, wie sie den Schlag pariren könnten, der jetzt von ihren sezessionistischen Parteigenossen geführt wird, um die Partei zu zersplittern. Dabei hat Bennigsen natürlich viel von den Freiheiten des Volkes und von dem Guten, das die nationalliberale Partei für das Volk errungen, gesprochen, sowie daß es jetzt Aufgabe der Parteigenossen wäre, sich fester aneinander zu ketten, damit das nicht wieder verloren ginge; und die ächten Nationalliberalen müßten beweisen, daß sie noch die Alten wären, d. h. es soll immer weiter gekompromisselt werden, bis er, Bennigsen, sein Ziel erreicht hat, und auf dem so lange ersehnten Ministersessel sitzt. Die Herren aus der Provinz haben auch alle Stein und Bein geschworen und gelobet, nicht zu ruhen und zu rasten, bis sie ihr Ziel erreicht hätten. Die Rede wurde Tags darauf von dem„ Courier" wörtlich in einer Beilage den Hannoveranern zur Parade gebracht, zum Gelächter der Bevölkerung, die jetzt von Bennigsen am allerwenigsten was wissen will. Hoffentlich werden wir Herrn Bennigsen mit seiner Partei bei der nächsten Wahl begraben, wie wir demselben bei der 78er Wahl das Grab gruben.
Was nun die allgemeinen Verhältnisse hier am Orte betrifft, so sind nur traurige Zustände zu berichten. Die Geschäfte liegen alle darnieder und für den Winter sind noch schlimmere Aussichten zu befürchten. Hannover ist jetzt Weltstadt geworden, es beweist das schon, daß in zwei Wochen zwei Morde vorgekommen sind. Der Spießbürger fühlt sich aber doch beruhigt, weil die löbliche Polizei die Straßenmörder sofort entdeckt Was hat, und dieselben hinter Schloß und Riegel verwahrt werden. die Parteiverhältnisse hier anbetrifft, so sind dieselben befriedigend zu nennen; außer einzelnen Nörgeleien und persönlichen Verdächtigungen hebt sich alles gut wieder; es scheint, als ob jeder wieder das Bewußtsein hat, daß er auf dem Posten, wo er hingehört, stehen und kämpfen müsse. Diese Wiederkräftigung des Parteipflicht- Bewußtseins zeigte sich am besten, als vor nicht langer Zeit ein Herr Emmerich, angeblich früher Redakteur und Berliner Ausgewiesener, hier sein Wesen trieb und sehr viel im Verläumden und Verdächtigen leistete. Derselbe konnte nämlich keinerlei Einfluß gewinnen, außer bei vier Personen, mit denen derselbe es nun hier unternehmen will ,,, Leipzig kaput zu machen" wie er sich hier ausgelassen. Zu diesem Zweck ist er auch von hier nach Leipzig gereist, um die Leute auszuforschen, wenn sie vom Kongreß kommen. Ich empfehle ganz besonders den Parteigenossen diesen Edlen zur gefälligen Berücksichtigung. Die Genossen in Leipzig werden denselben ja so schon kennen; es ist also nicht nothwendig, daß wir uns noch länger mit ihm befassen. Für uns Parteigenossen muß es aber ein Sporn sein, endlich das laue und feige Benehmen an die Seite zu stellen und mit erneuter Kraft an die Arbeit zu gehen. Die Zeit der Ruhe muß vorbei sein, ermannen wir uns! Der Thätigkeiten für die Partei gibt es so viele, und wenn jede Sache, sie sei noch so klein, von der rechten Seite angegriffen wird, so bleibt der Erfolg niemals aus. Von den Kongreßbeschlüssen haben wir aus gegnerischen Zeitungen viel gelesen, und haben dieselben sehr befriedigend gewirkt. Wir stehen mit diesen Beschlüssen auf demselben Boden, auch bezüglich der Ausschließung Hasselmann's und Most's. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns, muß unsere Parole sein; hinaus mit den Leuten, die blos Egoisten sind und die Partei auf eine erbärmliche Weise zu zersplittern suchen. Ein kräftiger Reinigungsprozeß und wir stehen um so stärker da. Also Glück auf zum neuen Kampfe! Einig und fest an den Pfeilern der Bourgeoisgesellschaft gerüttelt, und sie werden bald in K. R. P. Staub zerfallen!
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Aus Schwaben , Ende Sept. In den letzten Tagen vereinigte sich eine Zahl gleichgesinnter Genossen unserer schwäbischen Heimath, gesetzlicher und zu denen sich mehrere Freunde aus Baden gesellten, in einem stillen Winkel unseres engeren polizeilicher Chikane zum Trotz „ Vaterlandes", um das Verhalten der Partei bei den nächsten Reichstagswahlen und deren Stellungnahme den anderen Parteien, speziell der Volkspartei gegenüber, zu besprechen. Von den 17 württembergischen Wahlkreisen gehören drei unbestritten den Schwarzen, in den meisten übrigen werden die„ liberale" Mischmaschpartei im Bunde mit den Konservativen und Muckern einerseits und die sog.„ Volkspartei " andererseits ihre Kräfte mit einander messen. Für uns kommen nur drei Wahlkreise in Betracht, in denen mit Aussicht auf Erfolg und Entscheidung bei einer etwaigen Stichwahl in die Aktion getreten werden faun: Stuttgart , Eßlingen , Cannstatt. Unsere Partei muß in die Wahlbewegung eingreifen, darüber war man einig, aber nur da, wo eine erfleckliche Stimmenzahl ins Feld geführt werden kann, um den Gewalthabern zu imponiren, die Spießbürger zu schrecken, die Unentschiedenen und Saumseligen zu gewinnen und zu ermuthigen, die Genossen in ihrem Selbstbewußtsein und Vertrauen auf die gerechte, am Ende doch siegreiche Sache zu stärken, kurz, die ungebrochene Macht der Partei mit schwer ins Wo nur Dutzende oder Gewicht fallenden Zahlen zu dokumentiven. höchstens ein paar Hunderte von Stimmen zu erwarten sind, wären Geld, Mühe und Risiko nutzlos aufgewendet. In Stuttgart fommen wir dies Mal höchst wahrscheinlich mit den Liberal Konservativen in die Stichwahl, in Eßlingen und Cannstatt geben wir bei einer etwaigen Stichwahl zwischen den Lib. Konservativen und„ Volksparteilern" den Ausschlag.
Wie sollen wir nun im gegebenen Fall den gegnerischen Parteien gegenüber unser Verhalten einrichten? Die überwiegende Mehrzahl der Versammelten war entschieden dafür, lieber einem offenen als einem verkappten Reaktionär die Stimme zu geben. Denn daß zu der die Einen großen reaktionären Masse auch diese sog.„ Volkspartei " nicht das geringste Recht auf diesen Namen hat, weil sie kein Volk
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