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aller ihrer Folgen ausschließlich denen überlassen, welche jene Thaten" auf eigene Faust unternommen. Die deutsche Sozialdemokratie hat mit den darmstädter„ Kon greß" Geschichten und allem damit zusammenhängenden nichts zu thun.
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Die Genossen aber mögen sich durch diesen neuen Mißerfolg der londoner Sette und die empfindlichen Folgen desselben ge warnt sein lassen!
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- Die sozialistische Presse hat schon zahllose Male Gelegen heit gehabt, nachzuweisen, wie das bismarc'sche Leiborgan, die Norddeutsche Allgemeine Zeitg."- dem Charakter ihres Herrn und Meisters entsprechend- den unbestreitbaren Ruhm hat, die ganze übrige Bourgeoispresse an ausgesuchter Gemeinheit noch weit hinter sich zu lassen. Dieses schöne Vorrecht übte sie jüngst in ganz besonderem Maße den Opfern des jüngsten petersburger Sozialistenprozesses gegenüber aus. Der größte Theil der Presse konnte, so feindselig er auch den Sozia listen und„ Nihilisten" sonst sein mochte, sein Erstaunen über die eminente Thätigkeit und Aufopferungsfähigkeit der russischen Sozialisten im allgemeinen und der Angeklagten insbesondere nicht verbergen, die, kaum eine Handnoll, durch ihre Thatki aft das ganze mächtige Zarenreich in Bewegung gesetzt, die Tyrannen Rußlands in ihren bestbewachtesten Palästen zittern gemacht und in das Herz des Volkes trotz aller systematischen Verdummung boch manchen später zur Flamme anwachsenden Funten geworfen. Ihre Charakterreinheit, ihre rückhaltslose Hingebung für die von ihnen erwählte Sache, ihre Intelligenz- nirgends wurde fie bestritten und nicht selten begegnet man ungeheuchelter Bewun derung, die sich meist in dem spießbürgerlichen Gedanken gibt: ,, wenn soviel Talent und Gemeinsinn doch nicht auf solche Jrrwege gerathen, sondern auf dem von der Gesellschaft und dem Gesetz vorgezeichneten Weg zum Heile ihres Landes angewendet worden wäre". Die einzige„ Norddeutsche Ganzgemeine" denkt anders. Sie, die ja von der ganzen deutschen Presse nahezu allein die Ansicht vertritt, daß der Grund der„ nihilistischen" Bewegung in der zu großen Freiheit, welche in Rußland herrsche, zu suchen sei, sie weiß den ruhmvoll unterlegenen Feinden keinen besseren Gruß mit auf das Schaffot, in die Bergwerke und nach Sibirien auf den Weg zu geben, als sie in der denkbar niedrigsten Weise zu beschimpfen und mit Schmutz zu bewerfen. Sie nennt die Verurtheilten Schurken, wirft ihnen mangelhafte Bildung, Armseligkeit des Verstandes, unermeßliche Scheu vor jeder geregelten Arbeit, Stumpfsinn vor, bezeichnet sie als moralische Krüppeln u. s. w. und schließt ge= wohntermaßen damit, daß an den Schandthaten der Nihilisten lediglich das nachsichtige Gehenlassen, die Sucht, durch Milde ein unreifes Publikum gescheidt zu machen die Schuld trage und daß nur zu bedauern sei, daß die außerordentlichen Maßregeln ( Generalgouverneure, Militärgerichte 2c.) nicht gleich mit vollem Nachdruck angewendet wurden. Entfaltung heilsamer Strenge das allein gewährleiste eine gedeihliche Entwicklung Rußlands ! Schamloser ist die ganze Herzensgemeinheit des Despotismus wohl nicht leicht an den Tag gelegt worden und selbst die ver: sailler Schandpresse hat während des Blutrausches der Maiwoche nicht mehr Niedertracht bewiesen. Wahrlich, wenn jedem unserer Feinde nach seinem Verdienst vergolten werden sollte, bann müßte. während die andern Volksfeinde einfach vertilgt werden, an den Patronen des bismarckischen Blattes die Strafe in Anwendung gebracht werden, welche einst ein blutrünstiger Henker auf dem Spielberg an den gehetzten Feinden seines Herrschers ausübte: man müßte fie in die Kloake schmieden.
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Eine hübsche Jllustration zur deutschen Glückseligkeit bildet die jüngst vom statistischen Amt des Reiches veröffentlichte Aus= wanderungsstatistik. Darnach schifften sich in den Häfen Bremen , Hamburg , Stettin und Antwerpen bis Ende September nach überseeischen Häfen 79.958 Personen ein und zwar 48.329 männlichen und 31.629 weiblichen Geschlechtes. Nach den Ver einigten Staaten von Nordamerika gingen 77.629 Personen. Im Jahre 1878 wanderten 19.758 aus; im Jahre 1879 stieg die Zahl auf 25.546. Jm Jahre 1880 in welchem sich bereits die ersten segensreichen Folgen der Wirthschaftsreform' hat sich demnach die Zahl der Deutschlands zeigen sollten müden gegen 1879 fast um das vierfache, gegen 1878 um mehr als das fünffache vermehrt. Das bismarkische Deutschland ist gewiß eine herrliche Gegend, aber es sieht sich am besten an, wenn man sie von der Ferne betrachtet!
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Aus Berlin erfahren wir über die angeblich nihilistischen Umtriebe", daß emige junge Leute verhaftet sein sollen. Man nennt die Namen Mezkow, Louis und Colberg, sowie drei junge Mädchen ,, aus höheren Kreisen". Von anderer Seite wird diesen Gerüchten widersprochen. Was an der Sache ist, darüber herrscht noch Unklarheit.
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In Pforzheim wurden außer den neulich gemeldeten vier Verhaftungen noch zehn weitere vorgenommen. Vier wurden bereits wieder entlassen, die meisten der übrigen wurden. nach Karlsruhe eingeliefert. Näheres in nächster Nummer,
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Bei Berlin , 2. Dez. Wie das blutaussaugende Fabrikantenthum darauf bedacht ist, sich die Taschen zu füllen, darüber kann auch ich einen fleinen, aber überzeugenden Beitrag liefern. Der berliner Fabrikant Rehnländer benutzt nämlich die bei uns alle Winter wiederkehrende Arbeitslosigkeit, weil er Geld genug hat und wohl weiß, daß er im Sommer einen höheren Lohn zahlen muß, daß dagegen die Arbeit jetzt infolge der allgemeinen Noth der Arbeiter von Berlin und Umgebung auch für die niedrigsten Löhne gemacht werden muß, um sich seine Arbeit für wahre Hungerlöhne schon für den nächsten Sommer fertig stellen zu lassen. Dabei ist dieser Fabrikantenlump so heuchlerisch, den Arbeitern vorzuspiegeln, er habe, lediglich um die Arbeiter zu beschäftigen, eine Bestellung von vielen hundert Stück Satin angenommen, könne aber für den Meter nicht wie im Sommer 50 Pf., sondern nur 25 Pf. zahlen! Dieser schändliche Lump ist von jeher einer der größten Aussauger der Weber von Berlin und Umgegend gewesen; aber so erbärmlich wie diesmal hat er sich noch nie benommen. Freilich, der Appetit kommt mit dem Essen! Durch den erwähnten Schandstreich schädigt er nicht nur seine" Arbeiter, sondern den ganzen Weberstand in und um Berlin ; denn des sauberen Fabrikanten saubere Standesgenossen werden sich voraussichtlich beeilen, diesem schuftigen Beispiele zu folgen. Es ist das bei der Geldgier der Fabrikanten um so mehr zu erwarten, als der genannte Artikel der Mode wenig unterworfen ist. Damit wäre den Webern Berlins und denen, die dahin arbeiten, ein furchtbarer Schlag versetzt, so daß sich dieselben in wenigen Jahren keinen höheren Lohn werden ausrechnen können, als die verhungernden Weber im sächsischen Erzgebirge . Darum sei unsere Losung: Nieder mit all diesen ausbeuterischen Lumpen es lebe die sozialistische Produktion!
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Darmstadt , 11. Dez. Daß die Polizei wie anderorts auch hier sehr pflichttreu und amtseifrig in Ausführung des Sozialistengesetzes ist, möge aus unsrem heutigen Bericht ersichtlich sein, und wollen wir uns auch für diesmal darauf beschränken, der mühevollen Thätigkeit unsrer Polizei, die seit einigen Wochen gar nicht mehr zur Ruhe kommt, durch einige Zeilen unsere Anerkennung darzubringen. Eine auch zwei Haussuchungen in der Woche, einige Verbote der unschuldigsten Vereine und dann und wann eine Massenhaussuchung, das alles war seither an der Tagesordnung. Aber man konnte dadurch dem Spießbürger nicht glauben machen, daß die Sozialdemokratie hierorts ausgestorben sei. Da wurde die Angst der Philister stärker und die Aufmerksamkeit der Polizei sogenannter verdoppelt, als vor einiger Zeit seitens einiger ,, Revolutionäre um jeden Preis", die Heldenthat begingen, die Buchen und Tannen in der nahen Waldung mit Mostischen Flugblättern zu befleben, worauf natürlich in einer Stunde der ganze Polizeiapparat in Bewegung gesetzt und zu gleicher Zeit bei zwanzig Genossen Haussuchung vorgenommen wurde. Allein dies sollten die Künste der hiesigen ,, Sozialrevolutionäre" noch nicht alle sein. Vorigen Freitag mittag wurden 4 Mann unter dem Ehrennamen ,, Sozialdemokraten " und unter der Anschuldigung des Hochverraths verhaftet. Soweit wir die Ursache dieser Verhaftungen erforschen konnten, handelte es sich um eine geheime Delegirtenversammlung aus den Städten Mannheim , Frankfurt ,( Mainz ?) und den zunächst Darmstadt liegenden Ortschaften auf dem unweit Darmstadt liegenden Düppelshof. Ob man dort über die, wahrscheinlich bis zum nächsten Frühjahr fertig gebackenen Barrikaden berathen wollte, weiß ich nicht. Aus aufgefangenen Briefen( oder durch Spitzel?) soll die Polizei die ganze Sache erfahren haben, und sollten alle Delegirten auf dem Bahnhofe in Eberstadt von den vier Inhaftirten, welche das Empfangskomite bildeten, unter einem in den Korrespondenzen verabredeten Zeichen, abgeholt werden. Während nun das Komite in Sicherheit gebracht war, benutzte die h. Hermandad die Gelegenheit, nachdem noch nach allen benachbarten Orten Polizeibeamte gesandt waren, selbst das Empfangs komite zu bilden, und verhaftete unter Abgabe des bestimmten Zeichens noch zwei von Mannheim kommende Delegirte. Nach Berichten hiesiger Blätter soll bei einem der Inhaftirten eine Flasche Strichnin(!) gefunden worden sein, womit man nach Vermuthungen der Polizei ein kleines Attentat geplant habe(!!) Es ist wahrhaft zum kranklachen, daß sich die Polizei bei den darauf folgenden Haussuchungen weit mehr mit Visitation der Flaschen, Fläschchen, Krüge und Töpfe als mit Suchen nach Schriften beschäftigte. Ein Genosse erzählt uns, daß der, während seiner Abwesenheit in Gegenwart seiner Frau haussuchende Kommissar jedesmal beim Vorfinden einer Flasche oder eines Fläschchens seine Frau aufgefordert habe, zuerst daran zu riechen, was sie aber, nachdem sie einmal dem Wunsche des Beamten nachgekommen war, fürs weitere nicht nothwendig zu haben glaubte, weshalb die Herren die gefahrvolle(!) Arbeit weiterhin selbst ausführen mußten. Wehe, wenn die Nasenweisigkeit durch die Wirkung einer mit Gift( hu!) gefüllte Flaschen geahndet wor
den wäre!
Nun, das war der Spaß, und jetzt wieder zum Ernst. Was aus dem " Hochverrath" werden wird, müssen wir abwarten und dürfte dies wie manches andere nicht so heiß gegessen werden, als es gekocht ist. Was die Personen anbetrifft, die davon betroffen worden, so müssen wir nur sehr bedauern, daß wir nicht im Stande sind, ihnen durch materiellen Opfermuth, oder auch hier und in den Spalten unseres Zentralorgans durch warme Worte unsere Theilnahme zu bezeigen; denn sie haben trotz aller Warnungen und Ermahnungen der von unserer Partei eingeschlagenen Taktik sowie unserem geschlossenen Vorgehen den Rücken gekehrt und blind der Revolutionsphrasendrescherei Most's gefolgt. Mögen aber auch die Genossen, welche noch an der Richtigkeit unserer Taktik zweifeln, aus diesem Vorfall eine Lehre ziehen und mit uns in geschlossener Reihe dem Wahlspruch folgen: Einer für Alle, Alle für Einen den einzigen richtigen Weg, den unsere Partei mit so viel Erfolg eingeschlagen hat und festhält, marschiren er wird uns gewiß und zur richtigen Zeit zum Ziele führen! Während nun die Leute Most's eine traurige Gelegenheit haben, über ihre Tollkühnheiten nachzudenken, entwickelt die Polizei eine fieberhajte Thätigkeit, so daß es vorkam, daß bei einem Genossen an einem Tage zweimal gehaussucht wurde. Man sucht eben Material zu dem Hochverrathsprozeß; allein bei uns wird man ein solches nicht finden, denn Klatschweiber und verrückte Köpfe gehören schon lange nicht mehr in unsere Reihen.
Im übrigen wäre nichts weiter von Bedeutung, als daß es vorigen Mittwoch, trotz der jetzt hier herrschenden Situation, ein Genosse wagte, eine Volksversammlung mit der unschuldigen Tagesordnung Die Antisemiten an der Arbeit" einzuberufen, welche aber von der Polizei als Gegendemonstration zu den Verhaftungen(!) betrachtet und unter Vorgabe verboten wurde, es könnten durch Erörterung dieses Themas in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung gegeneinander aufgereizt werden. Wir aber wollten durch Erörterung dieses Themas die Aufreizung der Arbeiterklasse gegen die Juden verhindern. Aber verdirbt man da nicht der deutschen Regierung den Spaß, gelegentlich mit Kanonen dazwischen kartätschen zu dürfen? Nun, wir dürfen zum Schluß noch der Hoffnung Ausdruck geben, daß die Vevölkerung im Wahlkreis Darmstadt- Groß- Gerau bei der nächsten Reichstagswahl durch Vereinigung ihrer Stimmen auf den von uns vorgeschlagenen Kandidaten, August Bebel , die beste Antwort auf alle diese Maßregeln und Polizeiwillkür ertheilen wird!
? Augsburg , 8 Dez. Soeben erfahre ich aus erster Hand, daß heute in aller Frithe der aus Paris s. 3. ausgewiesene„ Sozialrevolu tionär Dave in einem hiesigen Gasthofe verhaftet worden sei. Unter seinen beschlagnahmten Effekten fand sich auch ein Notizbuch, in welchem die ganze Reiseroute, vollführte und beabsichtigte, mit Orts- und Personenangabe(!!) vor, so daß die Polizei nun wieder Material zu verschiedenen Schikanen hat, denn daß die Adressen den betr. Behörden mitgetheilt werden, liegt auf der Hand. 9. Dez. Zu meiner gestrigen Notiz muß ich heute eine andere sozialrevolutionäre" Hiobspost melden. Der Sozialrevolutionär" Lichtensteiger von hier wurde in Frank furt a Mi. verhaftet, als er zu einem, laut hiesiger Polizeiberichte, auf den 5. Dezember in Darmstadt geplanten Kongreß" reisen wollte. Der Polizeibericht bestätigt auch meine gestrige Notiz bez. Dave's und theilt dessen Reiseroute spezialisirt mit. Er ging am 28. November von London weg nach Brüssel , den Rhein entlang nach Mainz , Darmstadt , Aschaffen burg , Augsburg und wollte über München nach Wien , Reichenberg( wir wissen, warum. D. R. ), Dresden , Berlin , Hamburg , London . Zwei Thatsachen sind es, die unsere Entrüstung hervorrufen: Der geradezu verbrecherische Leichtsinn, mit dem Most Berschwörung" spielt und die Genossen in Deutschland der Polizei ans Messer liefert( während er natülich im sicheren London bleibt), da er wissen muß, daß er von Polizeispionen umgeben ist, die er wie Lehmann, Zadeck, Neumann, König für seine besten Freunde hält. Denn ich höre, daß die Polizei von dem angeblichen Kongreße aufs genaueste unterrichtet war. Und wie ist es zu erklären, daß ein„ Agitator auf Reisen" Namen im Notizbuche trägt, gleichsam als Speisezettel für die Polizei? Leute von solchem Leichtsinn und solcher Beschränktheit sind nicht berufen, in so bewegten Zeiten eine revolutionäre Partei zu" Thaten" zu leiten, solche Leute gehören in's Narrenhaus oder verdienen im besten Falle wir Knaben gezüchtigt zu werden, wenn man nämlich an ihre Ehrlichkeit glaubt, was ich natürlich bez. des notorischen Lügners Most, der seine Privatmoral allmälig auf das politische Gebiet übertragen hat und in seiner Freiheit" als sozial- revolutionäres" Evangelium dogmatisirt, nun nicht mehr glaube.
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Vom Höhgau, 8. Dezbr. Heldenthaten der Polizei. Vor ein paar Tagen ging die Frau eines in der Schweiz wohnenden Deutschen mit ihrem zweijährigen Knaben nach Konstanz , um dort Außenstände einzukassiren. Kaum dort angekommen, hielten sie ein paar Schutzleute an, verhafteten sie und führten sie ins Gefängniß. Dort wurde die hochschwangere Frau, sowie nicht minder auch das Kind von einer Wär terin bis auf die Haut durchsucht, ohne daß indeß etwas Staatsgefährliches" aufgefunden worden wäre. Sodann ließ man Mutter und Kind wieder gehen. Frauen und Kinder ohne jede Anklage ihrer Freiheit berauben, in ihren Geschäften schädigen und zum Schaden ihrer Gesundheit erschrecken ist das nicht eine Infamie sonder Gleichen? Wahrhaftig, wir haben's herrlich weit gebracht", so weit, daß wir uns vor den andern Völkern schämen möchten. Welch ein mächtiges weltgebietendes Reich, das vor Frauen und Kindern zittert! Welch ein Hort germanischer Sitte, wo die Frauen keinen Augenblick davor geschützt sind, daß ihnen die Kleider vom Leib gerissen und der Körper abgesucht wird. Wie weit wird das heutige Gewaltherrscherthum seine unglaubliche Frechheit noch treiben, wie lange werden wir uns dieselbe noch gefallen lassen müssen und wann wird endlich die Zeit kommen, wo die Reaktionsbande ihren verdienten Lohn empfängt?
Und auf Grund welchen„ Verbrechens" hin erfolgte jene Polizeirohheit? Nun, die Frau war in eine Wirthschaft gegangen, welche früher einmal in dem Verdacht stand, daß dort Sozialisten verkehren und welche deshalb dem Militär verboten worden war, welches Verbot indeß bereits längst wieder aufgehoben ist. Aber nein, nicht einmal in die Wirthschaft selbst, sondern zu einer Familie, welche das Hinterhaus des Wirthes bewohnt. Der Sozialismus oder auch nur der Verdacht desselben wird in unserem famosen Reich ähnlich wie Rozzgift angesehen, durch das jeder angesteckt wird. Aber mit der Durchsuchung der Frau war es noch nicht genug. Alsbald wurde die Wohnung der Familie, welche sie besucht hatte, polizeilich besetzt. Es scheint die halbe Spitzelschaft in der Nähe gewesen zu sein, denn sobald ein bürgerlich gekleideter Kriminalpolizist gewinkt und dazu gerufen hatte: kommt, jetzt geht's los!" kam ein ganzer Trubel herbeigestürzt. Drei Schutzleute nebst zwei Zeugen famen mit wichtiger Miene, hielten Haussuchung und fanden nichts! Als sie gefragt wurden, was denn dieser Ueberfall eigentlich zu bedeuten habe, erwiderte ein Schutzmann:„ Ja, es ist eben Gefahr vorhanden!" Beschwerde gegen diese Willkürlichkeiten ist erhoben, wird indessen kaum etwas helfen; denn für diejenigen, von denen man eine Gefahr für die Ordnung" des Staates und der Gesellschaft befürchtet, gibts im deutschen Reich kein Recht. Man wird sich also daran gewöhnen müssen, sich in Geduld zu fassen und die Reaktion hausen zu lassen bis zum Tag, der jede Schuld bezahlt!"
Oesterreich- Angarn.
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* In Wien wurden infolge massenhafter Verbreitung von sozialistischen Flugblättern zahlreiche Haussuchungen vorgenommen und sieben Genossen verhaftet. Die Polizei wußte um die Sache schon mehrere Tage vor der Verbreitung und setzte eine Fangprämie" von 25 l. auf jeden Verbreiter; trotzdem erwischte sie nur wenige und vermochte natürlich noch viel weniger die Vertheilung zu hindern. Wir bringen in nächster Nummer einen für diesmal Raummangels halber zurückgestellten ausführlichen Bericht. Auch eine Reihe von Beschlagnahmen, u. a. die des„ Arbeiterkalenders" sind wieder erfolgt.
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Aus Oesterreich . Seit unserem letzten Berichte über die Demonstration der wiener Arbeiter gegen die deutschliberale Partei haben neue Kundgebungen in ähnlichem Sinne in Brünn , Laibach und Bruck a. M. stattgefunden, natürlich begleitet von dem obligaten Schimpfkonzert der deutschliberalen Presse. Das lächerliche Märchen von der Allianz der Sozialdemokraten mit den Klerikalen und der Regierung geht bereits seinem verdienten Ende entgegen, da die Thatsachen sich mehren, welche die liberalen Verleumder zum schleunigen Rückzug zwingen. Die für Prag emberufene Volksversammlung unserer Partei wurde verboten, in Laibach durfte der Antrag auf Einführung des allgemeinen Wahlrechts nicht zur Abstimmung gebracht werden, in Graz und Bruck konnte nur über den allgemeinen Theil der Resolution abgestimmt werden, da der Regierungsvertreter die darin detaillirten Forderungen als identisch mit dem Programm des wiener- neustädter Kongresses des Jahres 1876 er klärte, die bekanntlich nicht zur öffentlichen Diskussion gelangen dürfen. Diese Thatsachen im Zusammenhalte mit der fortdauernden Verfolgung unserer Partei durch die Polizeibehörden beweisen wohl selbst dem gläubigsten Leser der liberalen Presse die Fabelhaftigkeit jener Allianz. In Prag wurde der tschechische Arbeiterklub wegen ,, sozialistischer Umtriebe" aufgelöst, in Proßnitz , Mähren , am 30. Nov. eine Hausdurchsuchung im Lokale des dortigen Arbeitervereines vorgenommen, der Verein selbst aufgelöst und der Obmann Wop alfa verhaftet. Gegen den Vorstand des Vereins wurde die Untersuchung wegen ,, Geheimbundes" eingeleitet.
In Graz wurden in der Nacht vom 6. auf den 7. Nov. sozia= listische Flugschriften mit der Ueberschrift:„ Was ist der Arbeiter?" an den Straßenecken und öffentlichen Gebäuden, selbst innerhalb der Polizeidirektion und an der Büreauthüre des Polizeidirektors, angeklebt. Infolge dessen fanden bei drei Genossen Haussuchungen statt, selbstverständlich ohne Erfolg. Gen. Gabriel wurde jedoch am 9. Nov. auf der Straße verhaftet, und auf der Polizeidirektion einer genauen Leibesdurchsuchung unterzogen, die ebenfalls erfolglos blieb. Hierauf wurde mit ihm ein Verhör vor dem Oberkommissär Maurer vorgenommen, aus dem hervorging, daß man Gabriel im Verdacht hatte, an der Verbreitung der erwähnten Flugschriften Theil genommen zu haben. Besonders hervorzuheben ist aus diesem Verhöre, daß Herr Maurer, um jede Veränderung in den Mienen Gabriels beobachten zu können, letzteren vor vier brennenden Kerzen Platz nehmen ließ; ferner, daß alle Arten Drohungen und Versprechungen angewendet wurden, um Gabriel dazu zu bringen, die Verbreiter der Flugschriften bekannt zu geben. Bei dieser Gelegenheit äußerte sich auch Herr Maurer dahin, daß er alles ausbieten werde, um„ die sozialdemokratische Brutstätte" in Graz aufzuheben. Er werde sich auch nicht scheuen, so oft es ihm beliebe, Straßenverhaftungen vorzunehmen.
Nach diesem Verhöre wurde Gabriel, obwohl nicht der geringste Verdachtsgrund gegen ihn vorlag, in Haft behalten und nach vier Tagen an das Landesgericht abgeliefert, von wo er am 25. Nov., nachdem die Untersuchung durch die Oberstaatsanwaltschaft eingestellt worden war, auf freien Fuß gesetzt wurde.
Am 28. Nov. sollte in Prag eine vom jungtschechischen Klub einberufene Volksversammlung stattfinden, zu der auch etwa 2000 Personen erschienen waren. Schon in den der Versammlung vorausgehenden Komitesizungen hatte die Arbeiterpartei slavischer Nationalität das Verlangen gestellt, daß man den Maurermeister Schaller als Vertreter der Ärbeiter in der Versammlung sprechen lasse. Die Jungtschechen gingen auf dieses billige Verlangen nicht ein. Als nun die Jungtschechen den zahlreich anwesenden Arbeitern auch jede Vertretung im Präsidium der Versammlung verweigerten, erhob sich ein furchtbarer Tumult, und die
Volksversammlung mußte auf Begehren der jungtschechischen Komitemitglieder aufgelöst werden. Zweck der Volksversammlung war ein Protest gegen die Beschlüsse des deutsch - liberalen Parteitages in Wien . Zu bedauern ist, daß die Jungtschechen durch ihre unberechtigte Hartnäckigkeit gegenüber den Forderungen der Arbeiter jedes Zusammengehen der freisinnigen bürgerlichen Elemente unter den Tschechen mit der sozialistischen Partei wieder für längere Zeit unmöglich gemacht haben. Maurermeister Schaller wurde von den Jungtschechen aus ihrem Klub ausgeschlossen. Am 30. Nov. schloß auch der Fortschrittsklub des Abgeordnetenhauses den Herrn Dr. Kronawetter wegen seiner Rede gegen die Verfassungspartei aus; dafür hat derselbe am 24. Nov. von seinen Wählern ein einstimmiges Vertrauensvotum erhalten.
* In Brüssel wird von Neujahr an eine Gruppe sozialistischer Studenten unter Mitwirkung von belgischen, fran= zösischen, niederländischen, deutschen und russischen Studenten eine sozialistische Studentenzeitung,« L'Etudiant socialiste», herausgeben. In der Ankündigung der Herausgeber heißt es über die Aufgabe des Blattes:„ Der« Etudiant socialiste» wird prüfen, obwie dies die Hohepriester der Nationalökonomie und des opportunistischen Liberalismus sagen das Elend in unserer gesellschaftlichen Organisation, so vollkommen man auch dasselbe erachte, ein scheußliches, aber nothwendiges Uebel ist"( Dunoyer und sonstige Dekonomisten). Er wird untersuchen, ob es keine soziale Frage gibt"( Gambetta ), obgleich nach dem Geständnisse der Vertheidiger der gegenwärtigen Ordnung, der Lohn des Arbeiters sich unvermeidlich auf das Nothwendige beschränkt, die Arbeiterklasse in ihrer nöthigen Zahl zu erhalten"( J. B. Say 2c.), obwohl jedes Jahr ein Theil der Arbeiter, selbst im Schoße der wohlhabendsten Nationen, wegen Mangel verkommen muß"( Say). Er wird sich endlich erheben gegen die entsetzlichen Prinzipien Malthus ' und Molinaris': ,, Niemand, der in dieser Welt geboren wird, hat, wenn die Ges