Unb aus tausend anderen Vorkommnissen erhellt, daß die„Volkspartei" sammt ihrem siamesischen Geschwister, der„Fort-schrittspartei", das Sozialistengesetz, obgleich sie es akademischverurtheilt, in Wirklichkeit doch als einen großen praktischenVortheil begrüßt hat, und zur Sprengung un serer Partei und zurFüllung ihrer Reihen auf unsere Kosten auszubeuten suchte.Keinen Kompromiß— mit den falschen„Freunden" so wenigals mit den offenen Feinden!Sozialpolitische Stimdschan.Schweiz.— Wie die„Arbeiterstimme" mittheilt, haben sich bis jetztzehn �Mitgliedschaften der sozialdemokratischen Partei inder Schwei; mit einer Mitgliederzahl von 350, die seit der Ver-öffenilichung der Mittheilung noch gestiegen ist, gebildet. Es sindlauter überzeugte und klare Genossen, die sich gemeldet haben, unddas ist jedenfalls der beste Grundstein der neuen Partei, diejctzr in ihrer Bildung begriffen ist. Glück auf, Ihr SchweizerGenossen, Ihr sollt-uus bei Euren Kämpfen an Eurer Seitefinden.— Der Mili tari smus regt sich auch in dem gelobtenLande des Milizsystems. Aber in der Armee selbst stemmen sich diealten republikanischen Tendenzen gegen diese Annexion der Schweizdurch den preußischen Kasernengeist. Am Kanton Waadt nannteim Großen Rathe Oberst Gingings die Landesbefestigungvom militärischen Standpunkte aus eine Kinderei und vom finan-ziellen eine Verrücktheit. Ferner wurde bemerkt, daß zu befürchtensei, es wachse aus den Festungsbauten nach und nach eine ste-hende Armee heraus, während doch die echten Bürgerlugenden diewahren Festungen seien. Zu diesem lobenswerlhen' Ausspruchestimmt es sehr gut, daß man in Solothurn aus einer Kaserneein Schulhaus macht. Wie wird dir zu Muthe, Schulmeistervon Sadowa?�, V J— Die zur Vorbcrathung des Haft pfli chtgesetzeseingesetzte Kommission des Ständerathes verlangt einfach, daßnach Annahme des eidgenössischen Obligationenrechtes der Haft-pflichiartikel des Fabrikgesehes gestrichen werde. Kurz, abernicht gut. Mit Recht nennt der„Grütliancr" diesen Antrag einrevolutionäres Attentat; er ist ein Attentat, und nichtnur aus die Gerechtigkeit und Humanität, sondern auch auf diegesunden Glieder und das Leben Tausender von Proletariern, dienun wieder schutzlos der unersättlichen Habgier ihrer Ausbeuterüberlassen werden sollen. Die Fabrikanten lechzen nach Blut,nach Arbeiterblut— Arbeiter, wehrt Euch!pevtschland.— Furcht oder Schreckschuß? Die Zeitungen publizireneinen Artikel des preußischen„Militär-Wochenblattes", in welchemes u. A. heißt:„Des Menschen schneidigste Waffe ist der Wille; schärfen wirdiese Waffe bei unseren Truppen, wir werden sie brauchen, mögenwir im nächsten Kriege nach Osten oder Westen oder nachbeiden Seiten hin uns zu wehren haben. Ein Kampf stehtuns bevor, gewaltigerer Art als wohl je— ein Kampf um dienationale Existenz aus Tod und Leben, ein Kampf, der jedeFiber, jeden Nerv auf's Aeußcrstc anspanne» wird, ein riefen-Haftes, langandauerndes Ringen, bei dem wir nicht Erfolge wie1866 und 1870 erwarten dürfen, vielmehr aus harte Schlägeund selbst empfindliche Niederlagen gefaßt sein müssen!"Wenn das nicht lediglich wieder auf neue Erhöhungen desMilitäretats hinausläuft, dann ständen u»S ja recht nette Dingebevor. Und diese schöne Aussicht verdankt das deutsche VolkNiemand Anderem als seinem genialen Kanzler und dessen hohenund höchsten Helfershelfern. Wenn es dadurch noch immer nichtzur Besinnung kommt, dann ist ihm nicht mehr zu helfen. Uebri-gens denken wir, daß, falls es wirklich zum Kriege kommt, einnoch ganz anderer und f achtbarerer Gegner zu bekämpfen feinwird, als der Feind von O st und West: das Proletariat.Das wird dann allerdings ein Kampf aus Lebenund Tod werden!— B elagerungszust and und Judenhetze, diese zweiSchandbeulen des Volkes der Denker im 19. Jahrhundert, gedeihen und wachsen zu Nutz und Frommen der„nationalen"Größe und des„nationalen" Glanzes. Aus Mona wurden aufGrund des„kleinen" Belagerungszustandes abermals drei Ge-nassen ausgewiesen: Jakobs en, Zigarrenarbeiter, Lagermann,Maurer, und Ehlers, Schneider, alle drei verhcirathet. Fer-ner verlautet, auch über Mannheim und Kiel solle derBelagerungszustand verhängt werden— es wird immer gcmüth-licher. Wahrscheinlich bekommt man„maßgebenden Orts" solchelandes,.väterliche" Anwandlungen in Folge der„vortrefflichen"Wirkungen des Belagerungszustandes, wie sie sich namentlich inAltona zeigen. Dort sind verschiedene Familien der Ausgewiese-nen in Folge des strengen Winters in solche Roth gerathen, daßsie sich um Unterstützung an die städtische Armen-Verwaltung gewendet haben! Daß dies keinen der Aus-gewiesenen in seiner Ueberzeugung wankend machen, daß es blosHaß und Erbitterung und den Wunsch nach Rache in ihremHerzen vermehren wird, ist klar. Schmachvoll aber ist es, daßdie liberalen und fortschrittlichen Organe die Notiz bringen, ohneim Geringsten Empörung über das Vorgefallene zu verrathen.Daß dem deutschen Michel der M u t h den Gewalthaberngegenüber abhanden gekommen ist, wußten wir längst. Aber auchdie Schamröthe Hai er verlernt. Freilich, wo es den Herrenselbst an den Kragen geht, da wissen ste nicht genug über dasschmachvolle Vorgehen der deutschen Nation zu zetern. DieselbenBlätter, die für die scheußlichen Ausschreitungen der Behörden derSozialdemokratie gegenüber kein Wort des Tadels finden,füllen ihre Spalten mit Entrüstungsergüssen über die Judere.hetze. Wir theilen diese Entrüstung und haben die reaktionärenTendenzen des erbärmlichen Korps der Antisemiten scharf genugverurtheilt. Aber Ihr liberalen und fortschrittlichen„Juden undJudengenossen", schlagt an Eure Brust und bekennt, daß EureHaltung, verglichen mit der Haltung der Sozialdemokatie, eineerbärmliche ist. Die Arbeiter Berlins haben es gewagt, trotzdem jedem von ihnen die Gefahr der Ausweisung, des Ruinsder Existenz drohte, gegen die Antiiemitenbewegung aufzutreten.Die Objekte dieser Bewegung wagen es aber nicht, gegen dieSozialistenhetze zu Protestiren, cbgleich ste nichts riskiren, als höch-stens einen moralischen Fußtritt ihres Herrn und Meisters Bis-marck. Die Thoren sehen nicht ein, daß Sozialistenhatz und Juden-Hätz dieselben Wurzeln haben, daß sie einerseits demselben Strebenentspringen, die allgemeine Unzufriedenheit auf gewisse Objekteabzulenken, gegen welche die Vorurtheile besonders stark sind, undanderseits derselben Brutalität, Gemeinheit und Gewissenlosigkeit,wie sie im Hohen zollernreiche seit jeher gepflegt wurden. Wahr-lich, erhebend für uns, beschämend für die herrschenden Klassenist es, daß wir, die Gehetzten und Geächteten es sind, welchedie Menschenrechte für Diejenigen fordern und hochhalten, die ge-Holsen und noch helfen, uns zu ächten und zu verfolgen.— Es geht immer heiterer zu im deutschen Reiche. DieHerren Richter sorgen bei ihren Auslegungen des Sozial ist en-g esetzes auch dafür, daß die düstere Seite desselben hin undwieder durch seine lächerliche verdeckt wird, und uns so derHumor nicht ausgeht. Kaufte sich da unlängst in Berlin ein vier-zehnjähriger Junge einen alten Offiziersdegen, um ihn zumSoldatenspielen zu gebrauchen— also zu einem im Militär-staate höchst löblichen Zwecke. Aber der Unbesonnene bedachtenicht, daß derlei kriegerische Gelüste auf Grund des Sozialisten.gcsetzeS nicht nur Erwachsenen, sondern auch der Jugend ver-boten find, und daher wurde der„Verbrecher" vom BerlinerLandgericht I wegen Vergehens gegen das Sozia-l ist engesetz zu einem Tage Gefängniß verurtheilt. Dasjugendliche Alter des Angeklagten schützte ihn nicht, weil er derSohn eines Arbeiters ist und als solcher, wie derGerichtshof hervorhob, das Sozialistengesetz kennenmuß! Also nicht einmal mehr mit den Kindern der Arbeiterwird man ohne Ausnahmegesetz fertig!Wenn schon bei Kindern der Besitz einer„Waffe" staats-gefährlich ist, dann muß naturnothwendig bei eineni Erwachsenen, noch dazu als Sozialdemokraten Bekannten, Alles,was er besitzt, staatsgefährlich sein. Dieser Auffassuni entsprechend ist man gegen den Mainzer Schneidermeister Lehen-decker vorgegangm, bei den, unlängst gehaussucht worden. Vonden bei dieser Haussuchung konfiszirten Gegenständen wurdenFeuilleton.Revolutionäre Gedenktage.Der 30. Lanuar M9.An diesem Tage wurde Kart 1., König von Engtand, von seinen em-pörlcn Unlerthanen hingerichtet, von dem englischen Volke, welche«man mir Recht jiir da« konservativste aller Völker hält. Es gibt ebenVerhältnisse und Monarchen, welche die Nationen zu Revolutionenzwingen. Wir leben in einer ähnlichen Epoche, wie die damalige war,die Zustände, die in England der Revolution vorhergingen, ähneln denjetzt im deutschen Reiche herrschenden in bedeutsamer Weise.Als Karl I. im Jahre 1025 zur Regierung kam, fand er eine Gesell-schafr, in der die sozialen Gegensätze auf's schärfste ausgeprägt waren.Aus der einen Seite der hohe Adel, der auch in Geldgeschästen machteund das Großkapital repräsentirte: aus der andern Seite die Bauern,welche von den Adeligen von ihre» Gütern vertrieben wurden, damitdiese in Schasweiden verwandelt würden— Schafwolle stand damalshoch im Preise; und das Kleinbürgerthum, welches den Großhändlernund Finanzmänern naturgemäß feindlich war, noch mehr aber dem Ueber-muthe des sittenlosen Hosadels.So wie heutzutage und sowie vor der französischen Revolution, sowaren in England im Ansang des 17. Jahrhunderts die herrschendenKlassen in einem Zustande höchster sittlicher Verkommenheit. Blutschande,Giftmord, Bestechung waren gewöhnliche Vorkommnisse.„An diesem Hosschien Alles käuflich zu sein", sagt ein Historiker,„das Recht und dieEhre, Aemter und Würden, die Protektion der Männer und die Gunstder Frauen. Man kannte die Summen, für deren Bezahlung eine Pairiezu erschachern war, und vornehmere Herren ließen sich aus gröbere oderfeinere Weise von den Monopolisten, den„Gründern" der damaligenZeit, bestechen, denen sie Handelspatente zu verschaffen lvußten." In dieserGesellschaft, an diesem Hos kam Kart L zur Herrschaft, ein treuloser undgrausamer Fürst, den nur ein Gedanke beseelte: die Durchsührung desAbsolutismus, die Lahmlegung des Parlaments. Das konnte er aber nur mitHülfe eines großen stehenden Heeres, dieß wiederum vermochte er nur zuerlangen, wenn ihm die ausgedehntesten Geldmittel zu Gebote standen.Neue Steuern, da« war die Loosung, mit der er seine Regierungbegann, und der er treu blieb. Aber das Parlament war nicht so gefügig,wie unser Parlament, es weigerte sich entschieden, neue Steuern zu vo-tiren. Drei Parlamente nach einander löste er aus, da jede« Kärmäckigallen Versuchen des ausslrebenden Absolutismus sich wiedersetzte. Endlichging ihm die Geduld aus, und er regierte 11 Jahre lang ohne Parla-ment(von 1628— 1639).Eine der traurigsten Zeiten Englands begann; ein politischer Druck,ebenbürtig demjenigen, unter welchem Deutschland heute seufzt. Der„geniale" Staatsmann, der mir rücksichtsloser Energie und eiserner Faustden Despotismus zur Herrschast brachte, hieß T homasWentworth,Earl von Strafford, im wahren Sinne des Wortes ein Mannvon Blut und Eisen.Da die gewöhnlichen Gerichtshöfe nicht zuverlässig erschienen, wurdenAusnah megerichtshöse, die Stcrnkammer und die hohe Kom-Mission, errichtet, welche jede oppositionelle Regung in der entsetzlichstenWeise niedertraten. Wer es wagte, durch Wort oder Schrift der Regie-rung entgegenzutreten, dessen Strafe bestand für's Erste in der Aus-peitschung am Pranger, worauf dem Unglücklichen das Gesicht ge-brandmarkt, die Nase aufgeschlitzt und die Ohrenabgeschnitten wurden. Ter so Verstümmelte kam dann für denRest seines Lebens in emön entsetzlichen Kerker.Das englische Volk knirschte vor Erbitterung unter diesem Joche,aber der germanische Volkscharakter ist nicht so leicht entzündlich, als derromanische. An Protesten und Prozessen gegen die Regierung fehlte esfreilich nicht, aber man blieb aus dem gesetzlichen Boden und dachte nichtan thätlichen Widerstand. Muthlosigkeit erfüllte die Herzen der Kühnsten,sie gaben die Sache der Freiheit für verloren und wanderten aus nachHolland, welches damals Republik war oder in die Wildnisse Amerika'«,um sich dort eine neue, freie Heimath zu gründen. Damals wurde» dieKeime zu jenen Kolonien gelegt, au» denen die mächtige Republik derBereinigten Staaten erwachsen ist. Selbst Cromwell, der spatere Führerder Revolution, wurde schwankend und wollte sich nach Amerika ein-schiffen, wurde jedoch durch einen Befehl des Königs daran gehindert.Dieser ahnte wohl nicht, daß der unscheinbare Mann einige Jahre späterden Antrag auf die Hinrichtung Karls I. stellen und durchsetzen werde.Eine kleine Schaar entschlossener Männer verlor indeß nicht den Muthund blieb aufrecht, wenn sie auch vorläufig nichts anderes thun konnte,als die Hoffnung de« Volkes wach zu halten. Milton sang in seinenGedichten von der Rache, die er kommen sah— er sah„die mächtigezweihändige Maschine", da« zweischneidige Schwert der Apokalypse, vorder Thür stehen, bereit zum vernichtenden Schlage auszuholen.Und die Rache kam, sie kam über den verätherischen König und seinen„eisernen Kanzler". Den Anstoß zu ihr gab kein Geheimbund, keinAttentat, kein Pnffch, der Anstoß kam von außen, von Schott-land, das zu England im Berhällniß der Personalunion stand. Karlaußer mehreren Nummern des„Sozialdem." folgende vom Unter-suchungsamt als„staats gefährlich" zurückbehalten: mehrereNummern des„Reichsbürger", Photographien(I) von Liebknechtund Most, Karnevalslieder(!!), der„Aufruf an die BerlinerAusgewiesenen"� zwei Visitenkarten-(!) und ein Kuvert in einerhiesigen Druckerei gedruckt und an die Adresse des Vereins„Heiterkeit" bestimmt ist!!).Welch' staatsgefährliche Heiterkeit. Was mögen das wohl fürSachen gewesen sein, die man bei der Haussuchung konfiszirthat, und die als nicht staatsgefährlich wieder zurückgegeben wur»den? Ist es den» nicht klar, daß bei einem SozialdemokratenAlles, was er besitzt, staatsgefährlich ist, und daß man ihm daher„auf Grund des Soziakistengesetzes" seinen ganzen Besitz kon-fisziren muß?Aber damit hat sich der Humor unserer Herren Richter noch«icht«schiW.-_|Tie„Pfälzer Zeitung" brachte vor einigen Tagen eine Notizaus dem„Sozialdemokrat", nach welcher die Sozialdemokratenin der Pfalz sich an den nächsten Reichstagswahlen betheiligenwerden. Alle pfälzticken Blätter, mit Ausnahme wohl nur einesoder zwei druckten ihr diele Notiz ab, und ist nun gegen einegroße Zahl derselben Untersuchung eingeleitet worden, wegenVergehens wider das SöziaMengesetz. Im LandgerichtsbezirkeFranken thal sind bis jetzt dieses �Vergehens angeklagt die Redak-teure der„Pfälzer Zcimng"/„Speyerer Zeitung",„Rhein.Volksblatt",„Pfälzischer Kurier" und„Frankenthaler Zeitung".Wohl bekomin's! Em- ähnliches- Malheur paisuie HerrnDcrnburg, Redakteur der„Nationalzeitung", welcher in einemArtikel über den Kongreß zu Wyden durch Auszüge aus demKongreßprotokoll die„Nvthwendigkeil" des Sozialistengesetzesdarthat. Dieser Auszüge wegen wurde Herr Demburg zu 5 Mk.Geldbuße event. 1 Tag Haft verurtheilt. Auch ein Beweis fürdie Nothwendigkeit des Sozialistengesetzes.— Der von den beiden Renegaten Körner und Finn ge-gründete„soziale Arbeiterverein" hielt am 26. Januareine Versammlung ab. Ein kläglicheres Fiasko läßt sich kaumdenken! Höchstens 50 Personen hatten sich eingefunden, um denköniglich preußischen Sozialismus kennen zu lernen, die Mehr-zahl Sozialdemokraten, welche die ehemaligen Genossen ihresAbfalles wegen zur Rede stellen wollten. Es hieße de' beidenFahnenflüchtigen zu viel Ehre anthun, wollte man ihren Kohlvon„sittlichen Sozialismus", und„Bündniß des Herrn Lieb-knccht mit der Fortschrittspartei",„sozialdemokratische Arbeiter imDienste der Semiten",„Betreten des sozialistischen Bodensseitens der Regierung":c. reproduzireu oder gar widerlegen.Mit einem Leichnam diskutirt man nicht: der„sozial e Arbeiter-verein" ist aber faktisch todt, ehe er nur recht in's Leben ge-treten ist..— Das Elend und die Roth nehmen immer mehrüberhand. In Ostpreußen herrscht der Hungertyphus. In Sch wetz(Westpreußen) besitzen einzelne Familien seit Weihnachten keineKartoffeln mehr. Aus Lübau wird gemeldet, daß dort dieRoth so groß ist, daß viele Famil'en während des ganzenWinters nicht einmal die Stube heizen können und tagelangnichts genießen,— und so fort in grauenhafter Eintönigkeit.Spalten könnte man füllen mit den Berichten über die Hungers-noth in den verschiedenen Theilen Deutschlands. Wie lange solldas noch so fortgehen?— Am 27. Januar wurde der„Volkswirthschaftsrath" vomFürsten Bismarck mit einer form- und gehaltlosen Rede eröffnet,welche das bcmcrkcnswerthe Zugeständniß enthielt, daß derselbehauptsächlich deswegen zusammenberufen worden sei, weil wederRegierung noch Parlament genau wüßten, was dem Volke Roththue. Weiters stellte Fürst Bismarck den Volkswirthschaftsrathnur als ein Experiment hin, über dessen Bedeutung er sich selbstnoch nicht klar sei. Der richtige Weg müsse im Vorgehen ge-sucht werden. Wahrlich, besser kann die Rathlosigkeit.in denhcrschendcn Kreisen nicht illustrirt werden. Kein leitender Gedanke,kein planmäßiges Vorgehen, nein, nur blindes Herumtappen, umsich aus dem Labyrinthe zu befieien, in daS Staat und Gesell-schaft durch ihre naturnothwendigen Konsequenzen gerathen sind.Tappt nur zu! Ihr werdet keinen Ausweg finden. Roth undElend werden wachsen, die Unzufriedenheit und dumpfe Gährungversuchte, auch aus Schotttand sein absotutes Regiment auszudehnen; dasschottische Volk, gleich den Schweizer» ein sreies Bergvolk, widersetzte sichdiesen Versuchen, sammelte ein Heer und fiel in England ein. Wentworthsah ein, daß man nicht nachgeben könne,— man war zu weit gegangenund hatte nur mehr die Wahl zwischen Sieg oder Untergang. Er triebKarl zu energischen Rüstungen gegen die„unverschämten Rebellen", derenman spielend Herr zu werden hoffte.Aber der Krieg zog sich in die Länge, Geldmittel wurden nothwendig,die Haltung des'Volkes gestaltete sich immer drohender und so sah sichKart in Folge des unglücklichen Krieges gezwungen, nach-zugeben und ein Parlament zu berusen— allerdings mit dem Hinter-aedanken, dasselbe wieder auszulösen, sobald es das nöthige Gclo bewilligthabe. Die Wahle» sanden statt, und so gesetzlich ist das englische Volk,so konservativ, daß es, trotz des Vorangegangene», lauter gute Royalistenin das Parlament sandte. Aber in etwa« wenigstens mußte dasselbe dieJnteresien de« Volke« wahren und schon das war dem despotischenKönig zuviel. Er löste das ihm ergebene Parlament auflWahrlich, nicht umsonst heißt es:„wen die Götter verderben wollen,den schlagen sie mit Blindheit." Tie Republikaner frohlockten.„Es istAlle« gut", rief St. John,„erst m u ß e s sch l i m m e r w e r d e n,ehe es besser werden kann, und dieses Parlament hätte niethun können, was zu thun nöthig ist." Er hatte Recht.Der Absolutismus hatte die Sehne zu straff gespannt, sie war zer-rissen. Das englische Volk, so ruhig, so gesetzlich, es kam jetzt in einefurchtbare Aufregung. Die Brutalitäten von oben hatten bewirkt, wa»den oppositionellen Flugschristen und Reden nicht gelungen war, da«Volk zum thätlichen Widerstande zu reizen. In London folgten Sttaßen-tumnlte der Auslösung des Parlaments. Aber noch verlor Wentworthden Muth nicht. Ein entscheidender Sieg konnte Alles wieder gm machen.Aber es war zu spät. Widerspenstigkeit und Unlust hatten sich auch desHeeres bemächtigt, die Schotten errangen Erfolg aus Erfolg, der gcwalt-same Ausbruch der Volksleidenschasten stand vor der Thür— jetzt mußtesich selbst Wentworth beugen: das silnste Parlament wurde einberufen,das„lange" Parlament, das Karl n i ch t m e b r a u s l ö s e n sollte.Dichtgedrängt stand im Unterhaus die Opposition und selbst Leute, dievor sechs Monaten gemäßigt gewesen, führten eine radikale Sprache.Eine der ersten Thaten des Parlament« bestand in der Anklage undVerhaftung der Minister.„Bei meiner königlichen Ehre", schrieb Karlan den gefangenen Wentworth,„Ihr sollt weder an Leben, Gut nochEhre beschädigt werden." Aber das Parlament kümmerte sich einenPfifferling um die Versprechungen des Königs, es veruxtheilte Went-worth zum Tode und Karl I. war erbärmlich genug, den Mann, der