Daraus ist zu schlußfolgern, daß die Luft von Genf  , Bern  ,| Zürich  , London  , Paris   u. s. w. dem Dynamit nicht zuträglich ist, während es in unserem heiligen Petersburg gedeiht."

Und das praktische Resultat dieser Ausübung des primi­tivsten Schlußvermögens würde sein, daß die russischen Staats­weisen, da sie nicht gleich dem Vich des Waldes den Aufenthalt verändern können, daß sie die todbringenden Kräfte be= seitigen oder bannen.

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So viel Verstand haben jedoch die Staatsweisen nicht: statt die Stätte sicher zu machen, wo sie sich aufhalten müssen und wo die Gefahr droht, wollen sie sich dadurch retten, daß sie für die Sicherheit von Stätten sorgen, in denen keine Gefahr droht.

Kann man diesen Aberwiz ernst nehmen?

Ja, die böse Wissenschaft, wenn nur sie ausgerottet werden tönnte!

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Die Wissenschaft, welche der Revolution Waffen liefert schade, daß man nicht wie in den amerikanischen   Südstaaten zur Zeit der Sklaverei Jeden aufknüpfen kann, der einem Sklaven, d. h. einem Unterthan die Pforten der Wissenschaft erschließt.

Jede Schule, jede Universität ist eine Brutstätte der Revo­lution, jedes Buch eine Orfinibombe, jede Zeitung eine Dynamit mine.

Die ganze Wissenschaft muß abgeschafft werden. Metternich und Gent   begriffen es schon, daß nian hinter die Reformation" zurückgehen müsse, um die Revolution an der Wurzel zu packen. Freilich hinter die Reformation zurück" weit, weit .hinter die Reformation zurück" die schwarze Kunst des Buchdrucks als Zauberei bestraft, die Kunst des Schreibens zum Hochverrath gestempelt, und das menschliche Hirn, den Erzrebell, der die Welt nicht zur Ruhe kommen läßt, in die Acht erklärt und durch irgend eine noch zu erfindende Kunst den Kindern bei der Geburt ausgeschnitten und durch die Landeskokarde, sowie ein Exemplar der Kriegsartikel und des Fahneneids ersetzt.

Vorläufig scheinen die Herren Staatsweisen die nüßliche und nothwendige Kunst blos für sich selber erfunden zu haben- wenigstens fehlt bei ihnen das Hirn.

Sogar in Wien   hat man das Absurde des russisch bismardischen internationalen Revolutionsfeldzugsplans eingesehen und für die angebotene Ehre der Mitblamage gedankt.

Der arme Teufel von jungem Zar soll vor allen Dingen ein­mal sehen, wie er der Belagerung seines Lust"-Schlosses Gat­schina ein Ende macht. Dann mag er seine Blicke in die Ferne schweifen lassen. Einstweilen hat er genug vor der eigenen Thür zu fegen, genug und übergenug.

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Also Desterreich hat die Theilnahme am Feldzug abgelehnt. England und Frankreich   haben von vornherein angezeigt, daß sie nicht zu sprechen sind. Und damit ist die Sache endgültig erledigt, die beabsichtigte Hatz" gegen die Schweiz   gegenstands­los geworden. Fast sollte man freilich glauben, in der Schweiz  gäbe es Leute, die eine derartige" Haz  " wünschten- natürlich aus reinem ,, Patriotismus". Diese Republikaner  ", die russischer sind als unsere bismarckische Presse, sollen doch einmal lesen, was Zeitungen wie die" Kölnische", die Tribüne", der Hambur­burgische Korrespondent", und so weiter von der russischen Wirth. schaft halten, und von dem toll- unverschämten Versuch, fremde Länder, die geordnete Zustände haben, für die selbstverschuldete Anarchie im eignen Land verantwortlich machen zu wollen. Bei unseren Nationalliberalen könnten diese republikanischen Patrioten" sich ihren Republikanismus auffrischen.

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Berlin   hat vor zehn Jahren den Fürsten Bismarck zum Ehrenbürger" ernannt. Zum Dank dafür soll es enthaupt­stadtet werden. Geschieht Berlin   recht. Warum setzt man sich solche Ehrenbürger" in den Pelz. Zu bewundern ist in der Sache blos die Originalität Bismards. Daß 1848 der österreichische Reichstag von Wien   nach Kremsich und die preu­ßische Nationalversammlung von Berlin   nach Brandenburg   ver­legt wurde, find blos phantastische Legenden, ebenso daß 1870 die französische   Hauptstadt von Paris   nach Versailles   verlegt worden. Der geniale" Fürst Bismard kann doch kein so

stümperhafter Plagiator sein!

Schon 1848 wollte er den großen Städten zu Leib gehen und hatte speziell Berlin   Hannibalischen Haß geschworen. Jetzt will er den Schwur erfüllen weil er städtische Steuer be zahlen muß. Um 500 Mark eine Revolution!

Daß dieser Mann, der seit zehn Jahren Tag und Nacht darüber brütet, welche neue Steuern er dem Volke aufhalsen kann, selber eine so gewaltige Abneigung gegen das Steuerzahlen hat, ist allerdings recht kurios und auch charakteristisch.

Land und Freiheit!*)

Der Zar ist getödtet! Getödtet von dem Kleinbürger Ryssakow und Genossen. Nicht zum ersten Mal erhebt sich eine Hand gegen den Zaren. Ihn zu tödten beabsichtigten die Bauern Tichanow und Schyrjajew, die Arbeiter Cholturin und Presnjakow, der gewesene Volksschullehrer Solowjew und Andere.

Warum hat man denn den Zaren getödtet?! Der hat ja die Bauern von der Leibeigenschaft befreit? Ja wohl, der Zar hat allerdings dem Bauer Land ertheilt, aber so zugemessen, daß auf jede Seele kaum ein Fußbreit Land kam. Den größten Theil des von den Bauern mit Schweiß und Blut bearbeiteten Bodens verschenkte er aber den Herren ( Adel). Er hat auch die wahre Freiheit dem Bauer gewährt, nämlich die Freiheit, Hungers zu sterben, die Freiheit, Leib und Seele den Herren, den Krämern, dem Ausbeuter aus den Reihen der eigenen Brüder zu verkaufen, die Freiheit für Urjadnick's( Landespolizisten) und Tschinow­niks( Beamten), dem Bauer den Hals zu brechen! In Verlegenheit ge­rieth der Bauer über die Freiheit, die ihm das Väterchen gab. In Ver­legenheit gerieth er, überlegte es sich immer und immer wieder und kam zu der Ueberzeugung: die Herren und die Tschinowniks haben die Freiheit gefälscht, haben eine unechte, nicht die zarische Freiheit proklamirt.

Wie wäre es sonst denkbar, daß des Bauern Grund und Boden, mit dessen Schweiß und Blut durchtränkt, in die Hände der Herren fiele! Sandte aber der Bauer Bevollmächtigte zum Zaren, um über die Freiheit sichere Auskunft und Bescheid zu bekommen, nun, so bekamen

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*) Wie wir in unserer vorigen Nummer anzeigten, veröffentlichen wir hiermit auch die vom Bunde Semlja i Wolja" ausgehende Proklamation an das Landvolk. Als sozialistisch im modernen Sinne wird sie wohl selbst von ihren Urhebern nicht ausgegeben, sie erinnert vielmehr an die Bauernerhebungen zur Zeit der französischen   Revolution. Bei aller Sympathie für die Sache der russischen Revolutionäre glauben wir das doch betonen zu müssen.

sie Bescheid: der eine ging nach Sibirien  , der andere wurde mittelst| dieselbe im Stande ist, durch die genaue Uebersicht, die sie in Schub nach Hause transportirt!

Da haben sie die echte Freiheit zu genießen bekommen!!

Oder haben vielleicht die Tschinowniks ohne Wissen des Zaren die Bauerndelegirten nach Sibirien   verschickt?! Oder hat etwa der Zar keine Gelegenheit gehabt, den Bauern zu sehen? Haben ihn die Herren zum Bauer nicht zugelassen, so sah er doch Soldaten in Hülle und Fülle; und der Soldat ist doch derselbe Bauer!

Nein und wieder nein! Der Zar selbst befahl im Jahre 1879, den Bauern zu erklären, daß sie Grund und Boden nicht im Mindesten mehr zu erwarten haben! Der Zar selbst- ist ja aller Herren Herr, aller Kaufleute Kaufmann  , aller Blutsauger, aller Tschinowniks der erste. Nun fanden sich Leute in Rußland  , die dem Volke auseinandersetzten, wie die echte Bauernfreiheit zu erlangen sei.....

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Augenscheinlich aber paßte die Wahrheit dem Zaren nnd den Herren nicht in den Kram: sie begannen jene Leute in den Gefängnissen zu martern, in unzähligen Massen nach den sibirischen Bergwerken schleppen zu lassen, zu stranguliren und zu erschießen. Für diese Grausamkeiten nun, und dafür, daß der Zar das Volk betrogen, ist er getödtet worden. Auch vom neuen Zaren hast Du nichts Gutes zu erwarten! Den Grund und Boden den Herren zu nehmen und dem Bauer zuzutheilen, fällt ihm nicht ein, die echte Freiheit wird er nicht geben! Sich selbst und sein Herren- Gesindel wird er nicht zu kurz kommen lassen! Die Herren, die Tschinowniks beschenken das thut er freilich. Der ge= wesene Zar beispielsweise hat seinen Brüdern, den Großfürsten, den Tschinowniks, verschiedenen Herren und Damen, von Deinem Boden zwei Millionen Deßjatinen vertheilt. Der Bauer aber hat nichts und wieder nichts!

Willst Du Land und Freiheit, so nimm sie selbst mit Gewalt!

Diese Sache aber muß gemeinsam, von Allen gleichzeitig in Angriff genommen werden. In alle russischen Lande find Bevoll­mächtigte zu schicken, von Dors zu Dorf, von Ort zu Ort, von Stadt zu Stadt. Um Freiheit erlangen zu können, müssen alle sich unter einander verständigen. Das Volk ist die Macht. Was es will, muß geschehen! Vor Allem seinen eigenen Grund und Boden zurückzunehmen, dem Zaren keine Steuern zu zahlen und keine Rekruten zu geben! Da mag der Zar sehen, wo er bleibt! Da wird er mit allen seinen Herren zusammengenommen Nichts gegen die Bauern auszurichten ver­mögen.

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Einer für Alle, Alle für Einen, die Haut nicht schonend!

Dann wird Niemand mehr Unkraut und Holzrinde zu essen oder vom Almosen zu leben genöthigt sein!

Kämpfe, Bauer, für die reine Wahrheit, für Dein Land und Deine echte Freiheit!

Stehen wir Alle wie Ein Mann für die Freiheit, für Semlja i olja"!

14./26. März 1881.

Fliegende Druckerei des Bundes Semlja i Wolja" St. Petersburg  . Petschaft

des Geheimbundes Semlja und Wolja".

Aus der Rede unseres Genossen Bebel

über den

Arbeiter Anfall- Versicherungs- Geseh- Entwurf. Gehalten in der Sizung vom 4. April 1881. ( Nach dem stenographischen Bericht.) ( Schluß.)

Der Abdruck dieser, die Stellung unserer Partei zu dem Unfall­versicherungsgesetz charakterisirenden Rede hat mehr Zeit in Anspruch ge­nommen, als wir anfänglich vorausgesetzt. Wir glauben daher im In­teresse unserer Leser zu handeln, wenn wir zum Schluß einige Kürzungen vornehmen.

Bebel wendet sich im weiteren Verlauf seiner Rede zur Frage der Reich sunfallversicherungs bank und widerlegt die gegen die-. selbe, meist von liberal- fortschrittlicher Seite erhobenen Einwände. Nachdem er dieselben aufgeführt, fährt er fort:

Meine Herren, alle diese Einwände lasse ich in keiner Weise gelten. Ich glaube, daß diese Einwände sehr leicht zu widerlegen sind. Zunächst

also betone ich noch einmal, die Konzentration des gesammten Unfall­wesens in einer einzigen Hand erleichtert sehr bedeutend den Ueberblick über das gesammte Unfallwesen; denn selbstverständlich muß mit der Einführung eines derartigen Unfallgesetzes auch die Ber­pflichtung verknüpftsein für die Arbeitgeber, jeden Unfall, und da wir auf alle Uhfälle selbstverständlich vom ersten Tage ihres Eintritts die Haftpflicht ausgedehnt wissen wollen, also auch die Arbeitgeber genöthigt sind, jeden eintre tenden Unfall sofort an die betreffende Reichsunfallbankbehörde zu melden.

Das ist, meine Herren, gar keine Erschwerung des Ver­kehrs, denn die Arbeitgeber sind auch gegenwärtig verpflichtet, die sofortige Anmeldung auch den Privatunfallsbanken zu machen, weil diese zur Feststellung der Versicherungsentschädigung dieser Meldung bedürfen. Der Arbeiter muß soga: ein ärztliches Attest beibringen, daß der Unfall wirklich vorgekommen it, in der und der Weise den Arbeiter geschädigt hat. Ebenso hat der Arbeiter, sobald er wieder geheilt ist, wiederum ein ärztliches Attest beizubringen, daß er bis zu dem und dem Tage nicht gearbeitet und demgemiß die entsprechende Entschädigung zu beanspruchen hat. Hier tritt der bedeutende Unterschied des Vortheils einer derartigen Anmeldung bei ter Reichsunfallbant im Vergleich zu der bei den verschiedenen Privatum fallbanken recht drastisch in den Vordergrund.

Die Privatunfallbank ist immer nur in gewissen Bezirken und häufig nur sporadisch vertreten, sie ist dabei genöthigt, Agenten zu halten, die mehr oder weniger über ganz Deutschland   ihre Thätigkeit ausdehnen, um bald hier bald dort irgend einen beliebigen Gewerbebetrieb in ihre Unfall­bank hereinzuziehen zu suchen, ohne zu fragen, ob die Unfallbank bereits eine Reihe ähnlicher Gewerbebetriebe in ihrer Versicherung hat. Die Privatbank ist also dabei sehr bedeutend in ihrer Kontrole und in ihrer Urtheilsfähigkeit beschränkt, ob die Gefahrenklasse, die sie dem betreffenden Betriebe zuweist, gerade die richtig ist.

Ganz anders, wenn die Reichsunfallversicherungsbank es in der Hand hat, ganz anders, wenn in einer bestimmten Zentralftelle des Reichs die gesammten Anmeldungen der Vorfälle allmonatlich und alljährlich zu­sammenlaufen. Damit wird innerhalb weniger Jahre ein so umfassendes Material gesammelt und dadurch eine genaue Kontrole des gesammten vorkommenden Unfallwesens stauirt, daß auf Grund dieser Kontrole, auf Grund dieser massenweise gesammelten Thatsachen die Reichsbehörden in der Lage sein werden, in wit besserer, weit zuverlässigerer Art die Versicherungsprämien bemessen u können, als dies je einer Privatunfall­versicherungsbant möglich wäre.-

Weiter wird von Bebel mit Recht bestritten, daß die Reichsunfall­versicherungsbant weniger foulait sein müsse als die Privatbanken, und dem gegenübergestellt, daß fie enorm weniger Unkosten haben wird. Bebel fährt fort:

,, Was endlich den Mangel an geeigneten technischen Kräften anlangt, so behaupte ich, meine Herren, iaß auch in dieser Beziehung die Staats­unfallbank genau ebenso und vielleicht noch mehr im Stande ist, die geeigneten Kräfte heranzuziehen wie irgend eine Privatversicherungs­anstalt. Das haben ja bereits die bezüglichen Staatsverwaltungen im Eisenbahnwesen, im Bergwesen u. s. w. im ausreichendsten Maße be­wiesen. Ferner spricht im höchfen Grade für die Reichsunfallbank, daß

Folge der Anmeldung aller Unfälle über unser ganzes bestehendes Industrie- und Gewerbsleben bekommt, mit Hilfe der Fabrikinspektoren, die in diesem Fall selbstverständlich bedeutend an Zahl zu vermehren sein dürften, ich sage, daß sie in der Lage sein dürfte, als dann auch geeignete Verordnungenerlassen zu können, kraft deren die einzelnen Industriellen genöthigt sind, Schutzmaßregeln für ihre Arbeiter eintreten zu lassen mehr und besser, als dies bisher der Fall war. Es ist bereits bei Gelegenheit der Berathung des Haftpflichtgesetzes vor zehn Jahren festgestellt worden, daß schon damals die Fabrikinspektoren konstatirt haben, daß es sehr leicht möglich sei, durch geeignete Schutzmaßregeln allmählich die Zahl der Unfälle um 25 bis 30 Prozent zu vermin dern.

( Hört! links.)

Es ist auch damals, meine Herren, insbesondere von einem Fachmann, dem Bergbaudirektor Ulbrich, die Ansicht vertreten worden, daß so gar in einem der notorisch gefährlichsten Betriebe, dem Bergbau, nach den vorhandenen technischen Kennt nissen der Betrieb in den Bergwerken nahezu gar teine größeren Unfälle mehr vorzukommenbrauchten.

( Hört! links.)

Dem widerspricht allerdings, meine Herren, in sehr bedenklichem Grade die Thatsache, daß wir trotzdem seit jener Zeit eine sehr große Zahl von Unglücksfällen hatten, daß bei einer ganzen Reihe von Knappschafts­kassen und Knappschaftsverbänden deren Leistungsfähigkeit und deren Existenzfähigkeit in Frage gestellt ist, und zwar im höchsten Grade in Frage gestellt ist. Das kann einzig und allein nur möglich sein, weil bisher das Aufsichtswesen über die Bergwerke und die Vorsichtsmaßregeln in denselben nicht in demjenigen Grade gepflegt worden sind, wie es un umgänglich nothwendig wäre und nach dem Stand unserer technischen Kenntnisse möglich ist. Wenn nun aber in einer allgemeinen Reichsunfallbank alle Bergwerke gewissermaßen solidarisch mit für die Schäden des Bergbetriebs eintreten müßten, dann, meine Herren, habe ich auch die Ansicht, daß gerade aus den Kreiſen der Arbeitnehmer*) selber, die jetzt derartige Fälle möglichst zu vertuschen gesucht haben, daß da, sage ich, in der allerentschiedensten Weise die For­derung laut werden wird, daß Unfälle möglichst zu den Un­möglichkeiten gehören, selbst auf die Gefahr hin, daß damit die Kohlenpreise in der That um eine Kleinigkeit erhöht werden müßten.

( Sehr richtig! fints.)

Es wird ferner ein sehr gewichtiger Einwurf gegen die Reichsunfall­bank dadurch erhoben, daß man sagt: ja, sie schädigt das Privateigen­thum, sie ruinirt eine ganze Anzahl bereits bestehender Kassen, sie jetzt eine ganze Anzahl von Menschen, die ihre Existenz in den Unfallbanken finden, in ihrer Eristenz in Frage. Meine Herren, auch das halte ich nicht für richtig. Was die Beamten betrifft, so meine ich, sei es nicht nur christlich, weil dieser Standpunkt in den Motiven so start betont wird, sondern es sei auch sogar für das Gedeihen der Reichsunfallbank nothwendig, daß sie bestrebt ist, diejenigen Beamten, die gegenwärtig in den Privatunfallbanken thätig waren, in erster Linie in der Reichsunfallversicherungsbank anzustellen.

Ich bin mit dem Herrn Abgeordneten Richter darin vollständig ein­verstanden, daß der§ 52 der gegenwärtigen Vorlage, der von der An­sicht ausgeht, daß überhaupt direkte Beamte nicht noth wendig seien, auf einer großartigen Illusion beruht. Dann lassen Sie, wenn Sie das wollen, die ganze Reichs­unfallbank lieber weg, denn dann ist sie absolut unmög­lich. Man hat, scheint es, hier dem partikularistischen Standpunkt eine Konzession machen zu müssen geglaubt. Nun bin ich der Meinung, daß doch die allgemeinen Volksinteressen über den Interessen der einzelnen Partikularstaaten resp. deren Regierungen stehen, die da meinen, es sei ein gefährliches Ding, wenn wiederum neue Reichsbeamten geschaffen würden. Meine Herren, wir sind es nicht, die für die Vermehrung der Beamtenwelt schwärmen aber wenn Beamte nothwendig. werden, deren Thätigkeit für das allgemeine Wohl und speziell zum Vor­theil der unterdrückten Klassen angewandt werden soll, wie dies bei dem Gesetzentwurf, wenn er in der von uns bezeichneten Richtung tonstruirt wird, der Fall ist, stimmen wir mit Vergnügen da­für. Auch werden wir keine eigentliche Vermehrung der Beamten be­tommen, wenn, wie von mir angedeutet, bei der Reichsunfallbank die Beamten der Privatunfallbanken so weit als möglich in Thätigkeit

treten.

Ja, meine Herren, die Reichsbank! Sie haben gehört, wie Herr Dr. Bamberger sich vor ein paar Tagen in seiner großen Rede gegen die Reichsunfallbank erklärt hat. Derselbe Herr Dr. Bamberger aber war einer der energischesten Vertreter der Reichsbank. Da haben alle Bedenken, die er gegen die Reichsunfallbank hat, in keiner Weise bestanden, und doch, meine Herren, sind der Reichsbank gegenüber allen Privat­banken Privilegien in so exorbitantem Maße zugebilligt worden, daß es sich fast lohnt, etwas näher darauf einzugehen, nur um darzuthun, wie ganz anders diese Reichsbank in die Thätigkeit der Privatbanken und deren materielle Existenzbedingungen eingegriffen hat.

( Sehr richtig! links.)

,, Und nun, meine Herren, ist das etwa wie hier bei unserer Vorlage zu Gunsten der Allgemeinheit, zu Gunsten einer sehr großen Zahl armer nothleidender Mitmenschen geschehen? Nein, meine Herren, zu Gunsten einer ganz kleinen Zahl von Kapitalisten, denen man die Möglichkeit gegeben hat, thre Kapitalien in die Reichsbank einzu­schießen, und zu deren Gunsten das deutsche Reich die Verpflichtung übernimmt, in bester Weise für sie zu sorgen, ihre Privatinteressen wahr zunehmen, so daß in Wahrheit das deutsche Reich der Kommis einer fleinen Zahl reicher Aktionäre ist, für die es arbeitet und denen es all­jährlich, ohne daß die Betreffenden die geringste Arbeit verrichten, einen sehr schönen Gewinn in die Tasche spielt, einen Gewinn, der im Laufe der Jahre sich noch bedeutend erhöhen wird.

( Sehr richtig! links.)

Ja, meine Herren, da haben die Herren Bamberger   und Genossen nichts dagegen einzuwenden gehabt, damals handelte es sich ja um ein Reichsinstitut, das zum Vortheil, und zwar zum ausschließlichen Vortheil der besitzenden Klasse errichtet wurde. Und jetzt, wo es sich darum handelt, eine Unfallbank zu konstruiren, die den armen Gesellschaftsklassen, den Enterbten der Gesellschaft, wie der Herr Reichskanzler sich so tref fend ausdrückte, zu gute fommen soll, da steht er natürlich auf einem entgegengesetzten Standpunkt, da will er von einer solchen Ein­richtung nichts wissen und malt sie so schwarz als möglich.

Hiermit bin ich mit meiner Kritik des Entwurfs in seinen Haupt­bestimmungen zu Ende.

Freilich, ich gestehe Ihnen ganz offen, ich bezweifle sehr, daß Sie geneigt sind, diesen unseren Vorschlägen beizutreten, ich bezweifle dies hauptsächlich darum, weil hier bei diesem Geseze genau in derselben Weise wie bei einer Anzahl anderer Geseze sich der Interessengegensatz der verschie= denen Schichten, in welche die herrschenden Klassen gespalten sind, bemerkbar machen wird. Was, meine Herren, ist denn der Hauptgrund, weshalb wir überhaupt zu feiner flaren prinzipiellen Gesetz­gebung mehr kommen, woran liegt das? Weshalb kommt die Klage, daß, wenn heute ein Gesetz erlassen ist, nach zwei bis drei Jahren allerlei Reformvorschläge und Aenderungen nothwendig find? Einfach daher, weil man den prinzipiellen Standpunkt, von dem allein aus Gesetze gemacht werden dürfen und sollen, vollständig aufgegeben hat, weil der reine momentane Zweckmäßigkeitsstandpunkt an Stelle der Prinzipien und der prinzipiellen Auffassung und Durchführung getreten ist.

*) Zweifelsohne ein Druckfehler im Stenogramm an Stelle von Unternehmer.