ein prächtiges Armband verehrt habe. Die aufstrebende Künstlerin hat sich nun als eine Halbweltdame niederster Sorte entpuppt und das kostbare Armband dürfte wohl aus Talmigold bestanden haben. Der Reichslulu hat nämlich seines Vaters Sparsamkeit ererbt. In der österreichischen Presse skandalisirt man sich über diese Liebhabereien des tugendhaften Kanzlerssohns und räth verblümt zur Anwendung der„ Hundesperre". Es ist doch gut, daß Fürst Bismarck und seine Familie so eifrig dafür sorgen, sich und was drum und dran hängt ,, lächerlich und verächtlich" zu machen. Oder treiben sich etwa in Kissingen und Ungarn zwei reichs- und bismarckfeindliche Sozialdemokraten herum, welche die Rolle des Kanzlers und seines Sohnes spielen, in der Absicht, die Originale möglichst zu diskreditiren? Besser könnten sie es freilich nicht machen.
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Eine lehrreiche, leider unterbrochene Unterhaltung. Man schreibt uns:„ Die Eisenbahn führte mich an der deutschen Bundes festung Ulm vorbei. Eine große Menge Soldaten auf Urlaub bestiegen den Zug, um ihre Heimath einmal wieder zu sehen. Neugierig bin ich gerade nicht, aber man hört doch, was die Mitreisenden sich unter einander erzählen, spricht auch mitunter mit. Hier hörte ich: Wie lange hast Du Urlaub?" fragte ein Gemeiner den andern.„ Neun Tage!" lautete die Antwort. Nicht die Neugierde, sondern die Wißbegierde, die Einrichtungen des großen, einigen Deutschlands kennen zu lernen, veranlaßte mich zu der Frage:„ Bekommen Sie während des Urlaubes Traftament und Brod?"" J, Gott bewahre", beschied er mich ,,, wir find froh, uns zu Hause wieder einmal ausruhen und satt essen zu können." Jetzt war meine Aufmerksamkeit rege gemacht und ich fragte weiter: Wo bleibt denn das Geld? Soviel ich weiß, beziehen doch die Offiziere ihr Gehalt auch während des Urlaubs!"„ Ja, das ist schon richtig", erwiderte er, und sie nehmen sogar auch noch unser Trattament."" Ich meinte einmal gehört zu haben, das zögen die Feldwebel ein und wollte ich von Ihnen nur die Bestätigung dafür hören, da es nach meiner Ansicht eigentlich, wenn Sie es nicht erhalten, eine Ersparniß für die Staatskasse sein sollte."" Ist nicht so, bei uns wenigstens nicht, bei uns fließt das während des Urlaubes ausfallende Trattament in die Offizierskasse und wird bei den sogenannten„ Liebesmahlen" verbraucht, welche die Herren Offiziere jede Woche einmal veranstalten; da wird's vertrunken." ,, Komisch!" rief ich, dann ist aber die Bezeichnung„ Liebesmahl" total falsch, es müßte ,, Diebesmahl" heißen, denn entschieden ist das Geld dem Staate gestohlen."" Jo, isch wahr," antwortete der Soldat, und manch' Tröpfchen kömmt dabei zusammen, denn in Ulm stehen 1 Feldartillerie-, 1 Kavallerie- und 2 InfanterieRegimenter und diverse Abtheilungen, alle in Kasernen. Lassen Sie sich erzählen, was da sonst noch passirt, denn davon hat kein Mensch eine Ahnung." Ein Pfiff und die Unterhaltung war leider zu Ende, da der Zug an einer Station hielt und die Soldaten alle abstiegen."
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- Mordlustige Philanthropen.„ Die Gesellschaft für Reform und Covifikation des Völkerrechts", soll heißen Tyrannenrechts, hat auf ihrem jüngsten„ Kongreß"( zu Köln ) folgende Resolution angenommen: " Der Kongreß wolle beschließen, daß es nach der Ansicht des Vereins wünschenswerth ist, daß in solchen Auslieferungsverträgen, in denen eine Ausnahme für politische Verbrechen oder Bergehen gemacht wird, eine Klausel aufgenommen werden soll, nach der weder Meuchelmord noch der Versuch des Meuchelmordes zum Zwecke der Veränderung einer Regierung oder des Oberhauptes wegen politischer Unzufriedenheit als politische Verbrechen oder Vergehen im Sinne eines solchen Vertrages zu betrachten ist, und daß folglich Personen, die sich solcher Verbrechen oder Vergehen schuldig gemacht haben, das Recht freier Zuflucht zu verweigern ist."
Die servilen Burschen mögen bei Bluntschli in die Schule gehen. Dieser Urloyalist und Urloyolist wird ihnen beweisen, daß man keine Ahnung von den gewöhnlichen Rechtsbegriffen und von den Menschenrechten haben muß, wenn man Tyrannentödter mit gemeinen Verbrechern auf gleiche Stufe stellt. Uebrigens ist die saubere Resolution so gehalten, daß auch die Theilnahme an jedem Aufstandsversuch und Aufstand als gemeines Verbrechen aufgefaßt werden kann. Man wird sich erinnern, daß 1848, 1849 und später bei verschiedenen Gelegenheiten, und zuletzt nach Besiegung der Kommune, der Kampf gegen die Truppen der reaktionären Staatsmacht zum Mord oder Mordversuch, auch Meuchelmord gestempelt wurde. Und diese Versuche des Mords oder Meuchelmords hatten natürlich ,, die Veränderung einer Regierung" zum Zweck. Man sieht, daß mit Annahme der obigen Resolution das ganze Asylrecht vernichtet wäre. Zum Glück handelt es sich nur um die frommen Wünsche einer Handvoll seiger Philister.
Glück auf der deutschen Jugend! ruft Stöcker den Studenten zu, welche vor Kurzem auf dem Kyffhäuser ,, die sittliche Neugeburt" unseres Vaterlandes vorbereiteten. Wo edle Jünglinge," so spricht ſegnend der fromme Hofprediger ,,, wo edle Jünglinge im Aufblick zu Gott ihrem Vaterlande Treue geloben, wo solche Gedanken, aus unentweihter Jugendkraft geboren, den Entschluß zu ernster Thatkraft verbürgen, da ist geweihter Boden. So wird der Kyffhäuser zum heiligen Lande deutscher Jugend."- Wozu eigentlich unser Baterland, welches doch von Haus aus„ das Reich der Gottesfurcht und frommen Sitte" ist, eigentlich neugeboren werden muß, läßt sich allerdings schwer begreifen, indessen die Thatsache der Neugeburt liegt vor, und wir haben blos kurz anzudenten, wie sie sich vollzogen hat. Zunächst durch teutsche Reden gegen das unteutsche Wesen im Allgemeinen und das„ semitische" Wesen im Besonderen; durch ein begeistertes Hoch nebst einem nicht minder begeisterten Telegramm an die Adresse des Oberregisseurs der Judenhayz, Fürst Bismarc, durch einen feierlichen Kirchgang nach Roßla , ,, wo an den Stufen des Altars dreihundert Jünglinge mit Thränen in den Augen ein altes Kampflied Dr. Martin Luthers : Eine feste Burg ist unser Gott! fangen."
Echt christlich germanisch! Rührend! Erbaulich! Nicht wahr? Gewiß! Aber das war noch lange nicht Alles. Ehren- Henrici, der neulich die zarten Beziehungen Bismard's zu Bleichröder der Vergessenheit zu entreißen suchte, hat sich ein ähnliches Verdienst um das Kyffhäuser - Fest erworben. Er illustrirt„ die hohen Gedanken",„ die unentweihte Jugendkraft" der von Stöcker gesegneten christlich germanischen Jünglinge wie folgt und er thut es aus eigener Anschauung, denn er war selber dabei:„ in Stulpenstiefeln":" Deutsche Frauen!" so klang es begeistert aus Hunderten von Kehlen am frühen Morgen; aber als während des Marsches zum Barbaroffaberge eine Schaar züchtiger Roßlaer Mädchen bei dem Zuge vorbei wollte, da sangen zahlreiche Kehlen ein unzüchtiges Lied, um die jungen Mädchen erröthen zu machen; ja noch mehr, dieses unzüchtige Lied war entstellt aus einem unserer waldesduftigen deutschen Volkslieder:
Es gibt so manche Straße, die nimmer ich marschirt, Es gibt so manches Mädchen,
Pfui über euch, die ihr in weihevoller Stimmung dem alten Barbarossa nahen solltet! Pfui über diese Persiflage eines deutschen Studenten! Das Programm des Kyffhäuferfestes besagte zuerst auch
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irren wir
nicht, auf Anregung eines Geistlichen, der einen Artikel in einem orthodoren Blatte geschrieben hatte, daß am Morgen nach dem Hauptfeste gemeinsamer Kirchgang stattfinden sollte. Diesen Punkt strich man aus dem offiziellen Programm, aber er hatte leider Wurzel geschlagen. Wir wiederholen leider: Man denke sich nur die Reihenfolge: Sonnabend Abend Kommers, Sonntag früh Gottesdienst, Sonntag Abend auf der Rothenburg Tanz, oder, wie die Studenten es nennen ,,, Klimmbimm". Unsere Befürchtungen sind eingetroffen. Am Sonntag früh zogen Trupps in die Kirche, deren bleiche Gesichter auf eine halbdurchzechte Nacht schließen ließen. Fragte man:„ Wohin geht Ihr?" so wurde in der Regel die Antwort gelallt: In die Kirche!" Mancher hatte auch schon den Frühschoppen getrunken. Es war ein nicht angenehmer Gedanke."
Ehren- Henrici ist ungerecht. Wer teutsche Art hochhalten will, und alles Fremdländische haßt, der darf an der Völlerei, die bekanntlich eine teutsche Erb- und Nationaltugend ist, keinen Anstoß nehmen, sondern muß im Gegentheil sich darüber freuen und selbst nach alter Väterweise tüchtig mitsaufen. Und wie kann er sich an einem„ unzüchtigen" Liede stoßen? Ein saftiges Zotenlied klingt unseres Erachtens wie Sphärenmusit, wenn es mit dem Ehren- Henrici'schen Hepp! Hepp! und mit dem Geschrei halbtodtgeprügelter Semiten sich mischt. Alles in majorem Dei gloriam. Nur keine schwächlichen sentimentalen Anwandlungen, Herr Ehren- Henrici. Das Kyffhäuserfest war das Fest der„ Neugeburt Deutschlands ", die im Geiste der antisemitischen Heiligen nicht ohne christliche Zoten und germanisches Saufen bewerkstelligt werden kann. Man frage nur bei Bismarck und seinem Büsch'chen an; die wissen Bescheid.
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-Mit welch aufopfernder Pflichttreue die deutsche Kaiserin den Anforderungen ihres hohen Berufs nachkommt, erhellt in rührender Weise aus der Thatsache, daß die hohe Frau trotz der faſt unerträglichen Schmerzen, die ihre schwere Krankheit verursacht, sich dennoch jeden Tag von ihrem Lager erhebt und in voller Hoftoilette empfängt", schreiben die Zeitungen unter den Hofnachrichten.
Also daß ein sterbendes Weib im Angesicht des Todes noch der Kleinlichsten Welteitelkeit fröhnt, und sich herauspußzt oder herausputzen läßt, wird uns als aufopfernde Pflichttrene" hingestellt!
Zeigt dieses widerliche Bild, welches in Holbein's Todtentanz gehörte, auf der einen Seite in greller Beleuchtung die herzlose Frivolität der„ Großen", so enthüllt es uns auf der anderen Seite die geradezu unglaubliche Servilität des Gesindels, das sich den„ Großen" anhängt. Eine Servilität, die so weit geht, daß sie die einfachsten Rücksichten der Menschlichkeit ignorirt, weil sie die„ Großen" in ihrem Größenwahn nicht stören will.
Fürwahr, die Aerzte, sowie die Kammerherren und Frauen der deut schen Kaiserin, die nicht den Muth haben, der hohen" Frau zu sagen, daß diese Herauspußerei im Angesicht des Todes ein unnatürlicher Mummenschanz und grausame Selbstquälerei ist, verdienen auf öffentlichem Markt ausgepeitscht zu werden.
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Sie stehen auf gleicher Linie mit jenem ärztlichen und fürstlichen Gefindel, das weiland die sterbende 3 arin tagelang mit den heftigsten Stimulanzien mißhandelte, um der Welt das Schauspiel eines lebendigen, geschminkten Cadavers zu geben, und das einige Monate später den zuckenden Leichnam des hingerichteten ehebrecherischen Mannes dieser unglücklichen Zarin durch Mittel, wie sie kaum bei der Vivisektion von Thieren erlaubt sind, auf einige Stunden in ein lügenhaftes Scheinleben galvanisirte.
In dieser Tortur, welcher die„ Großen" der Erde, um ihrem Größenwahn zu fröhnen, sich unterwerfen müssen, liegt eine wohlverdiente Nemesis ein furchtbarer Kommentar des Noblesse oblige.
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- Was die Polizei nicht thu t. Der berüchtigte von Meerscheidt- Hüllesem hat wieder einmal tas Gerücht ausgesprengt, er habe den Bochumer Lustmörder gefangen. Natürlich wieder gelogen.
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In Stettin ist Genosse Bebel als Kandidat für den Reichs tag aufgestellt worden. Läßt auch ein Sieg sich nicht erwarten, so wird doch eifrig agitirt.
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Ein Triumph internationaler Reaktion. Der russische Flüchtlinge rapotfin ist aus der Schweiz ausgewiesen
worden.
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Die französischen Wahlen haben am Sonntag stattgefunden. Die Zahl der Sitze beträgt 548; davon sind 483 definitiv besetzt worden; für 65 ist keine genügende Majorität zu Stande gekommen, und müssen am nächsten Sonntag Stichwahlen vorgenommen werden. Das Gesammtresultat liegt also jetzt noch nicht vor. Fest steht aber bereits, daß der Monarchismus und der Opportunismus eine schwere Niederlage erlitten haben. Sämmtliche monarchische Parteien sind arg dezimirt, die Zahl ihrer Vertreter etwa auf die Hälfte reduzirt worden. Namentlich den Bonapartisten ist es schlecht ergangen. Der Opportunismus, verkörpert in Herrn Gambetta , ist nur mit knapper Noth in die Kammer geschlüpft. Gambetta's zwei alte Wahlkreise in Belleville , die ihn bisher stets mit überwältigender Majorität auf den Schild gehoben, wollten diesmal von dem ,, Abtrünnigen", dem genuesischen Prätendenten" nichts wissen; in der letzten Volksversammlung vor der Wahl ließen sie ihn sogar nicht einmal zum Wort kommen, und schließlich gelang es nur dem Aufgebot aller Kräfte und jesuitischen Kniffe, um den„ moralisch Hingerichteten" in dem einen der zwei Kreise mit einer Majorität von 49 durchzusetzen. Im andern soll er nur eine Majorität von 1 erhalten haben; dies wird jedoch bestritten, und die Wahl scheint hier unentschieden geblieben zu sein. Jedenfalls wird Gambetta, der sich vor wenig Wochen noch als Diktator fühlte und geberdete, die Schmach über sich ergehen laffen müssen, daß seine Wahl als ungültig angefochten wird. der Niederlage Gambetta's bilden die blauen Republikaner in der neuen Nationalversammlung die Majorität. Die Jntransigenten haben verschiedene Sitze erobert, und während Gambetta froh sein muß, wenn er überhaupt mit Ach und Krach gewählt ist, hat sein radikaler Gegner Clemenceau in den beiden Kreisen von Montmartre große Majoritäten gehabt und wird voraussichtlich bei den Stichwahlen einen dritten Sitz erobern. Die Kandidaten der eigentlichen Arbeiterpartei haben teinen einzigen Sitz erobert; in die Stichwahl kommt nur Digeon( in Narbonne ); er hat 7,049 Stimmen erhalten nur 800 weniger als sein radikaler Gegenkandidat. Fällt die größere Hälfte der 2,879 Stimmen, die der dritte, ebenfalls radikale Kandidat erhalten, auf Digeon, so wird dieser siegen.
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Trotz
Brousse, der im Departement der Ostpyrenäen gewählt wurde, ist nicht der bekannte Sozialdemokrat.
Daß die sozialistische Partei bei der Wahl keine besseren Erfolge aufzuweisen hat, ist einzig und allein dem Mangel an Organisation zuzuschreiben. Hoffentlich wird die Lehre beherzigt!
Im Allgemeinen läßt sich als Resultat der Wahlen feststellen, daß der politische Schwerpunkt weiter nach links gerückt worden ist; und das ist immerhin erfreulich.
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In Paris steht ein allgemeiner Streit der Zimmerleute bevor. Anstatt 80 Centimes, wobei nicht auszukommen ist, verlangen dieselben einen Frank per Stunde. Die Arbeitgeber behaupten wenn sie auf die Forderung eingingen, würden sie
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wie immer
bankrout werden.
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Das sozialistische Spanien ist durchaus nicht, wie oft behauptet wird, eine Domäne der Anarchisten. Besonders in Valencia und einigen kleineren katalonischen Fabrikstädten befindet sich ein vortrefflicher Kern von Sozialdemokraten, die, wie man uns schreibt, tüchtig arbeiten.
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Die„ Plebe", das bewährte italienische Organ der Sozialdemokratie, hat sich in eine Monatsschrift umgewandelt, die natürlich unter dem guten alten Banner fortkämpfen wird.
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Ueber den Londoner , Anarchistentongre ß" erfahren wir nachträglich aus sicherer Quelle: Der Kongreß bestand aus 20 und etlichen Leuten, von denen die meisten Londoner Einwohner mit Mandaten von Außen waren. Ferner einige Franzosen und Italiener und ein Spanier. Die ,, Delegirten" hielten ihre Sigungen öffentlich. Aber kein Mensch, kein Reporter, kein Hund, keine Katze kam. Nachdem diese vergebliche Erwartung eines Publikums 3-4 Tage gedauert hatte und keine Aussicht auf Besserung mehr vorhanden war, faßten sie den heroischen Entschluß, die Sitzungen geheim zu erklären.
Das erste, was auf dem Kongreß konstatirt wurde, war die allgemeine Enttäuschung betreffs der ganzen anarchistischen Bewegung, die Erkenntniß ihrer absoluten Nichtigkeit, und die Gewißheit, daß aber auch nirgendwo irgend Jemand hinter den paar Schreiern stehe. Von sich und seiner Lokalität wußte das Jeder, aber obgleich Jeder dem Andern die kolossalsten Lügen aufgebunden über den kolossalen Fortgang der Bewegung in seiner Gegend, hatte doch Jeder den Andern die Lügen geglaubt. Der Zusammenbruch der Illusionen war so jäh und gründlich, daß die Vertrachten ihr Erstaunen über ihre eigene Nichtigkeit sogar in Gegenwart Fremder nicht unterdrücken konnten.
Erst das Meeting, wohin sie natürlich Reporter bestellten, und dann die Anfragen dummer Tories und noch dümmerer Radikaler im Parlament haben den Kongreß einigermaßen gerettet. Daß die Presse bei der jetzigen Nihilistenseuche aus dem von höchstens 700 Mann besuchten Meeting Kapital schlagen würde, war zu erwarten.
Wenn also der offizielle Bericht" vom ,, Delegirten" Nr. 63 u. s. w. spricht, so bezieht sich das auf die Nummer des Mandats, das von 1, 2 oder 3 Mann in blanco, oder auf den Namen eines ihm total unbekannten in London wohnenden Mannes, oder von 10-20 auf einen nach London reisenden Delegirten ausgestellt wurde. Die Anzahl der wirklich anwesenden Delegirten war näher 20 als 30, und der von Außen Zugereisten sicher nicht 10.
Es ist das ganz die alte Geschichte aller„ Anarchisten"-Kongresse. Die Anarchie nimmt bei diesen Leuten zunächst die Form an, daß Jeder Offizier werden will, aber keiner Soldat
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Ueber die Folgen der Hinrichtung des Zaren schreibt Leo Hartmann an unser Neu- Yorker Parteiorgan:
Was die russischen Sozialisten mit der Hinrichtung des Zaren bezwecken wollten, haben sie erreicht: sie haben dem gesammten russischen Volke die Möglichkeit der befreienden That dar gethan.
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In den Tiefen des russischen Volkslebens ruhen viele echt sozialistische Ideen. Aber es fehlte bisher die Denk- und Thatkraft, um dieselben zum Ausdruck zu bringen. Diese Eigenschaften auf dem Wege der Agitation dem Volke beizubringen war einfach unmöglich wegen der herrschenden Unwissenheit( vom Bauernstande kann nur ein Drittel Prozent also von je 300 nur einer lesen und schreiben!), wegen des engen Gesichtskreises, in den das Leben des Bauern gebannt ist, wegen des Alpdrucks der zarischen Allmacht, der auf allen, selbst den regsten Geistern im Volke lastet. Dieser Druck ist nun zum größten Theil gehoben. Die Möglichkeit des Kampfes ist erwiesen. Und in der Stille jedes verschollenen Dörfchens, in den Wäldern des Nordens, auf weiter südlicher Steppe vollzieht sich in dem Hirne jedes Bauern der wichtigste Gedankenprozeß, zu dem die Geschichte ihn bringen konnte:
,, Wie Jene in Petersburg mit dem Baren fertig geworden, so kannst auch du fertig werden mit jedem Ausbeuter, mit Allen, welche die Ursache deines Elends und deiner Versklavung sind."
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So wird der latente Sozialismus im russischen Volke allmälig zum aktiven, revolutionären Sozialismus ausgebildet. Die ersten Folgen dieses Umwandlungsprozesses sind die Bauern Emeuten in Südrußland, die, zuerst gegen die Juden gerichtet, nach und nach an Ausdehnung gewinnen und den Charakter eines Agraraufstandes annehmen. Auch der Bewegung gegen die Juden liegen durchaus teine konfessionellen, sondern rein soziale Ursachen zu Grunde. Es ist Thatsache, daß der Jude" im südwestlichen Rußland nicht nur der Schankwärter und Pfandleiher, sondern auch meistens ein geheimer Agent der Polizei ist. Dies war das Motiv jener Kravalle, die, wie gesagt, mit Religion Nichts zu schaffen hatten.
Eine ähnliche Wirkung hat die Hinrichtung des Zaren auch auf die intelligenten Kreise der russischen Gesellschaft ausgeübt. Der Widerstandsgeist ist auch gehoben worden. Wenige Wochen nach dem 13. März faßte die Provinzialversammlung von Samara , eine aus wohlhabenden adligen Gutsbesitzern bestehende Körperschaft, eine Resolution, wonach die Abfassung einer Beileidsadresse an den neuen Zaren verworfen wurde! Wäre eine nur im entferntesten gleichbedeutende Thatsache vorher möglich gewesen? Gewiß nicht!
Ich könnte mehr ähnliche Beispiele aus neuester Zeit anführen, wenn ich nicht fürchten müßte, diesen Artikel ungebührlich auszudehnen. Jedenfalls steht Eins fest: das unmittelbare Resultat der Hinrichtung Alexanders II. ist ein Wiederaufleben des Widerstandsgeistes in allen Schichten des Volktes, also eine Stärkung unserer Partei.
Ebenso steht es fest, daß die Organisation der Terroristen durch die erlittenen schmerzlichen Verluste nicht geschwächt worden ist. Wir stehen kampfbereit da. Wir suchen nicht die Gewalt. Widerstrebend wenden wir sie an. Aber wir fürchten sie auch nicht. Und wir werden wieder und immer wieder sie anwenden, bis unser Gegner gestürzt und vernichtet ist.
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Das Petersburger Exekutivkomite hat au Karl Marx in London , unter dem amtlichen Siegel des Komites, folgendes Schreiben gerichtet: St. Petersburg , 9. April 1881.
Herrn Karl Marr!
Bürger! Die intelligente und fortschrittliche Klasse Rußlands , immer aufmerksam und bereit, dem Gange der Ideen in Europa zu entsprechen, hat mit größter Freude das Erscheinen Ihrer wissenschaftlichen Arbeiten begrüßt.
Die Wissenschaft rechtfertigt also die besten Bestrebungen des russischen Lebens. Das Kapital" wurde die tägliche Lektüre der Menschen von Einsicht. Aber im Lande der byzantinischen Finsterniß und des asiatischen Despotismus wird jeder Fortschritt der sozialen Ideen als revolutionäre Bewegung behandelt. Es ist augenscheinlich, daß Ihr Name unauflöslich mit den inneren Kämpfen Rußlands verbunden bleiben mußte; nachdem er die tiefe Erwägung und die lebendige Sympathie der Einen hervorgerufen hatte, gab er Anlaß zur Verfolgung der Andern. Ihre Werke wurden verboten, und die bloße Thatsache, daß man sie studirte, wird als Anzeichen politischer Untreue angesehen.
Was uns betrifft, geehrter Bürger, wir kennen das Interesse, womit Sie alle Phasen der revolutionären Thätigkeit der Russen verfolgen, und wir sind glücklich, heute konstatiren zu können, daß diese Thätigkeit dem Ende ihrer schwersten Zeit entgegengeht. Die revolutionären Erfahrungen, welche die Kämpfer aufgehalten haben, haben nicht allein die Theorie der Prinzipien der Revolution festgestellt, sondern sie haben auch das praktische Vorangehen auf dem rechten Wege ihrer Verwirklichung erleichtert. Die verschiedenen revolutionären Fraktionen, welche es bei einem so neuen, einem so verwickelten Unternehmen geben mußte, verständigen sich allmälig unter einander, verschmelzen sich und suchen. einander bei dem Emporstreben des Volkes, welches bei uns gleich alt mit seiner Sklaverei ist, in die Hand zu arbeiten. Das sind Umstände, wie sie einem Siege kurz vorherzugehen pflegen. Wir würden unsere Aufgabe beträchtlich erleichtert finden, wenn die ernstlichen Sympathien der freien Völker auf unserer Seite wären, was nichts voraussetzt, als Kenntniß der wirklichen Zustände in Rußland .
Demgemäß beauftragen wir unsern Genossen Leo Hartmann, die Mittel zu organisiren, um England und Amerika mit der wirklichen Bewegung unseres sozialen Lebens bekannt zu machen.
An Sie, geehrter Bürger, wenden wir uns mit der Bitte, daß Sie diesen Plan verwirklichen helfen. Fest entschlossen, die Ketten der Sklaverei zu brechen, sind wir überzeugt, daß die Zeit nicht fern ist, da unser unglückliches Vaterland in Europa den Rang einnehmen werde, der einem freien Volke gebührt. Wir fühlen uns glücklich, Ihnen, geehrter Bürger, die Gesinnungen der höchsten Achtung der gesammten sozialistischen und revolutionären Partei Rußlands ausdrücken zu können. Das Erekutiv Komite