Zu den Reichstagswahlen,

die endgültig auf den 27. Oktober d. J. festgesetzt worden sind, schreibt das offizielle Organ der Nationalliberalen, die Nationalliberale Korre­spondenz:

Aus dem revolutionären Lager wird berichtet, daß die Ein­leitungen für den bevorstehenden Wahlkampf mit größter Energie getroffen werden, und daß Siegesfreude und beneidenswerthe Zuversicht unter den Anhängern des Zukunftsstaates zu finden sind. Man wird in der That mit größter Spannung der Haltung und den Erfolgen der Sozialdemokraten bei den Wahlen entgegensehen dürfen. Sie treten zum ersten Mal unter der Herrschaft des Ausnahmegesetzes an die Wahlurne heran; in ihren bedeutendsten Sitzen ist überdies der ,, kleine Belagerungszust an d" verhängt; die öffentliche Wahlagitation ist ihnen also unmöglich gemacht, die geheime erschwert. Gleichwohl haben sie alle Vorbereitungen getroffen, in die Wahlbewegung einzugreifen, und in einer ganzen Reihe von Wahlkreisen stehen ihre Kandidaten bereit. Vor der Anzahl sozialdemokratischer Abgeordneter wird man, nachdem die sozialistische Partei es zur Zeit ihrer höchsten Blüthe nicht über ein Dußend gebracht hat, keine ernsteren Besorgnisse zu hegen brauchen.

,, Neue Wahlkreise werden die Sozialdemokraten schwerlich gewinnen, in vielen aber sind sie so zahlreich, daß sie, wenn auch keine Hoffnung auf den Sieg, so doch die sichere Aussicht haben, bei den zu erwartenden engeren Wahlen ausschlaggebend mitzuwirken. In welcher Richtung sie dies thun werden, wird eine für das Schlußergebniß der Wahlen sehr wichtige Frage sein. Es werden dabei aller Voraussicht nach zwei verschiedene Erwägungen und Strömungen sich kreuzen. Einmal haben die Sozialdemokraten ein Interesse daran, Kandidaten zum Siege zu verhelfen, welche gegen eine neue Verlängerung des Ausnahmegesetzes zu ftimmen sich verpflichten; es ist dies die Fortschrittspartei und, sofern die Haltung bei früheren Gelegenheiten noch maßgebend, der größte Theil des Zentrums. Nebenbei bemerkt, wäre es von Wichtig­keit, bald zu erfahren, ob die Zulassung zur liberalen Partei" die Ab­lehnung einer Erneuerung des Sozialistengesetzes zur nothwendigen Vor­aussetzung hat; das Urtheil der Fortschrittspartei und ihrer Presse über das Gesetz ist stets derart gewesen, daß man dies annehmen muß. Die Sezessionist en aber haben fast ohne Ausnahme für das Gesetz gestimmt.

In der bevorstehenden Gesetzgebungsperiode wird ohne Zweifel eine neue Verlängerung dieses Gesetzes beantragt werden. Es dürfte für die Wähler von Interesse sein, sich rechtzeitig zu vergewissern, inwiefern die Zugehörigkeit zum entschieden en" Liberalismus es erfordert, den gesetzlichen Schutz gegen die sozialdemagogischen Hezzereien beseitigen zu helfen. Die andere Erwägung, welche bei der Stimmabgabe der Sozial­demokraten bei engeren Wahlen oder in Wahlkreisen, wo sie eigene Kandidaten nicht aufstellen, in Betracht kommen wird, ist die, ob nicht doch den arbeiterfreundlichen Plänen des Reichskanzlers und seinen frei­gebig ausgestreuten Versprechungen vom sozialistischen   Standpunkt aus eine günstige Seite abzugewinnen ist. Man erinnert sich ja, daß im Reichstag   die sozialdemokratischen Abgeordneten sich keineswegs ganz ab­lehnend gegen das Unfallgesetz verhielten, daß Liebknecht den Reichs­tanzler in gewissem Sinne als Bundesgenossen begrüßte; noch verlockender dürfte Vielen die Idee der Alters- und Invalidenversicherung erscheinen. ,, Bis jetzt ist nun freilich in der Wahlbewegung eine Hinneigung dieser Partei zu den konservativen Freunden des Reichskanzlers nicht zu Tage getreten; einer der hervorragendsten und entschiedensten unter den­selben, Adolf Wagner, hat noch dieser Tage in Elberfeld   und Barmen einen harten Kampf mit seinen sozialdemokratischen Gegnern auszufechten gehabt. Allein es erscheint uns doch keineswegs ausgeschlossen, daß die Sozialdemokraten unter Umständen einem konservativen Anhänger der Wirthschaftspolitik des Reichskanzlers ihre Stimme geben. Es war gewiß ein Fehler des vorgeschrittenen" Liberalismus, daß er sich ablehnend auch gegen den berechtigten und durchführbaren Kern dieser Vorschläge verhielt.

" In welchem Grade die verschiedenartigen Erwägungen schließlich auf die Haltung der Sozialdemokraten einwirken werden, wagen wir heute nicht zu entscheiden. Zu den vielen unberechenbaren Einflüssen, die bei den bevorstehenden Wahlen mitspielen, gesellen sich auch die Entschließungen dieser Partei."

So die ,, Nationalliberale Korrespondenz".

Auf alberne Fragen soll man zwar eigentlich keine Antwort geben, im Interesse der Klarheit nach allen Richtungen hin sei aber diesmal eine Ausnahme gemacht.

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Hätte die Nationalliberale Korrespondenz" freilich nur die leiseste Ahnung von dem Wesen der Sozialdemokratie, so würde sie derartiges Zeug nicht geschrieben haben. Sie müßte dann wissen, daß eine un­übersteigliche Kluft gähnt zwischen dem Bismarck  'schen Staatssozia­lismus und der Sozialdemokratie. Sie wür de dann wissen, daß der demokratisch revolutionäre Sozialismus mit dem junkerlichen Staats- und Polizeisozialismus nichts gemein hat, als die Bekämpfung der Bourgeoisie- Wirthschaft. Und fie müßte wissen, daß die Bekämpfung von entgegengesetzten Standpunkten ausgeht und entgegengesette Ziele verfolgt. Die Sozialdemokratie will die Bourgeoisie- Wirthschaft abschaffen im Interesse des Volkes, der Gesammtheit. Der Staats- und Polizeisozialismus will die Bourgeoisiegesellschaft abschaffen im Interesse des feudalen Grundeigenthums und mittelalterlich­zünftiger Kleinproduktion.

Feuilleton.

Die urwüchsige Form des Kampfes um's Dasein.*) Ich habe in Nr. 37 des Sozialdemokrat" folgende Behauptung auf­gestellt: Das Gemeinwesen ist nicht des Individuums, sondern das In­dividuum ist des Gemeinwesens wegen da. Das Individuum soll seine Wohlfahrt nur erlangen können durch Vermehrung der Wohlfahrt der Gesammtheit. Von Rechten des Individuums kann man überhaupt nur sprechen in dessen Beziehungen zu anderen Individuen. Der Ge­sammtheit gegenüber hat das Individuum keine Rechte, sondern blos Pflichten. Unter Gesammtheit natür­lich nicht den modernen Klassenstaat, sondern eine Vereinigung gleicher Menschen verstanden."

Um diese Behauptung zu beweisen, berufe ich mich nicht auf, unver­äußerliche angeborene Menschenrechte", wie sie die Schule des Natur­rechtes a priori erfunden hat. Ich halte mich vielmehr an die That­sachen, welche die Wissenschaften und die Geschichte dar­bieten.

Man kann die Thiere eintheilen in individuale und soziale. Die einen führen den Kampf um's Dasein einzeln oder paarweise Weibchen und Mänuchen zusammen. Die Ergebnisse des Kampfes um's Dasein haben hier eine Entwicklung individualistischer Neigungen, Unver­träglichkeit, Neid, Abgeschlossenheit zur Folge. Die sozialen Thiere führen den Kampf um's Dasein gesellschaftlich, und eben dieses gesellige Zu­sammenhalten wird für diese eine Waffe im Kampfe um's Dasein und wird daher immer mehr entwickelt. Es ist klar, daß z. B. unter den schutzlosen Wiederkäuern und Affen diejenigen Arten weniger von Ver­folgungen zu leiden haben, welche heerdenweise zusammenleben, sich gegen­seitig Warnungssignale zukommen lassen und einen Feind, dem sie ein­zeln nicht gewachsen sind, gemeinsam angreifen. Jeder Jäger weiß, wie schwer es ist, in Heerden lebenden Thieren beizukommen.

Der Urmensch war ebenso schutzlos wie die übrigen Affenarten, auch ihm stand keine andere Waffe zu Gebote, als die der Vereinigung, und nur dadurch, daß er diese Waffe ungemein vollkommen entwickelt hat, und nicht durch irgend einen göttlichen Funken ist es ihm gelungen, sich nach und nach über seine anderen Mitgeschöpfe zu erheben.

Die Folge dieser Art des Kampfes um's Dasein war natürlich die,

*) In Uebereinstimmung mit Genosse Symmachos bringen wir drei an seine Polemit mit Genosse A. B. C. sich anschließende Artikel in unserm Feuilleton zum Abdruck, da dieselben rein instruktiver Natur sind. Wir wollen indeß nicht unterlassen, auf diese Artikel, die in ihrer Gesammt­heit den Versuch einer kurzen Begründung der sozialistischen   Geschichts­auffassung sind, ganz besonders anfmerksam zu machen. D. Red.

Die Sozialdemokratie will die Vortheile der Bourgeoisiewirthschaft| licht gaben, da mußte die Menschheit dies als einen Segen betrachten, beibehalten, und, in gesteigertem Maß, dieselben dem ar  - während die Vermehrung der königlichen Rasse gleich zu achten ist einer beitenden Volk zu gut kommen lassen. Der Staats- und Polizei- der sieben egyptischen Plagen! sozialismus will die Vortheile der Bourgeoisiewirthschaft aufheben, die Gesellschaft um Jahrhunderte zurückschrauben, und das ar­beitende Volk zu Gunsten des herrschenden Junkerthums ausbeuten.

Die Sozialdemokratie will die Emanzipation des Prole­tariats. Der Staats- und Polizeisozialismus will die politische und ökonomische Sklaverei des Proletariats. Mit einem Wort: Die Sozialdemokratie ist revolutionär. Der Staats- und Polizeisozialismus ist reaktionär.

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Das hätte die Nationalliberale Korrespondenz" wissen müssen. Aber sie ist das Organ einer Partei, die von den ökonomischen Gesetzen ebensowenig einen Begriff hat, wie von politischen Grundsätzen und von politischer Ehre.

Prinziplos aus Prinzip, vermushet sie die eigene Prinziplosigkeit bei unserer Partei.

Sie möge sich ein- für allemal gesagt sein lassen und Alle, die ähnliche Albernheiten denken, mögen es sich hinter die Ohren schreiben: Die Sozialdemokratie pattirt nicht.

Kein Sozialdemokrat hat jemals direkt oder indirekt sich für den Bis­marck'schen Staats- und Polizeiſozialismus erklärt.

Der Sozialdemokrat, der es gethan hätte, wäre mit Schimpf und Schande aus der Partei ausgestoßen worden.

Wenn die ,, Nationalliberale Korrespondenz" aus den Reden sozial­demokratischer Abgeordneter" und speziell Liebknecht's den Schluß zieht, die Sozialdemokratie verhalte sich den Bismarck  'schen Sozialpfuschereien gegenüber nicht vollständig ablehnend, so beweist sie damit bloß, daß sie Ohren hat, um nicht zu hören, und Augen um nicht zu sehen und daß sie mit wunderbarer Naivetät verachtungsvollen Hohn für baare Münze nimmt.

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Nein die Sozialdemokratie paktirt nicht mit ihren Feinden.

Sie paktirt nicht mit dem Staatssozialismus  . Sie paktirt nicht mit den Vertretern des heutigen Klassenstaats und der heutigen Ausbeuter­gesellschaft, gleich viel ob sie ein liberales, fortschritt­liches, pseudodemokratisches, konservatives, fleri. tales oder sonstiges Mäntelchen anhaben. L. W.

Die Klage eines Schweines.*)

Eine schöne fette Sau hatte ihre Jugend um sich versammelt und sprach zu den kleinen folgendes:

,, Kommt her, meine Kinder, Mutter hat Euch eine trübe Neuigkeit zu melden. Erschreckt nicht, liebe Kleinen, es mußte ja einmal so kommen, das Leben eines Schweines ist nicht ewig. Ich sehe, Ihr habt es ge­rathen. Ja, zärtlich geliebte Ferkelchen, meine letzte Stunde hat geschlagen. Ich muß sterben! Weint nicht so!

Seht, Eure Mutter ist voll Muth und erschrickt nicht vor dem Tod. Ihre Seele ist rein, und ohne Furcht wird sie vor dem Richterstuhl Gottes erscheinen. Aber was ich bejammere, ist, daß mein nützlicher Körper der königlichen Familie zum Fraß dienen muß, auf einem Bankett, das zu ihren Ehren in Gent   gegeben wird. Ich habe dies den Schlächter zu seinem Gesellen sagen hören.

Seht Kinder, das macht mich rasend!

Wie undankbar sind doch die Menschen. Uns arme Schweine, mit die nützlichsten Wesen der Gesellschaft, verachtet, verspottet, tritt und stößt man; man sperrt uns in schmutzige Ställe, läßt uns in unserem eigenen Drecke wühlen. Und dennoch, vom Kopf bis zum Schwanz, von den Pfoten bis zur äußersten Haarspitze des Rückens, ist Alles von Werth an unserm Leibe.

Wir schenken dies Alles neidlos der Menschheit, und wie werden wir dafür belohnt? Ach, ebenso wie bei den Künstlern begreift man unsern hohen Werth erst nach unserm Tod!

Ich plate vor Aerger bei dem Gedanken an die Dummheit der Men­schen.

Uns, die wir Nahrung schenken an Tausende und Abertausende Menschen, deren Fleisch als die leckerste Speise gerühmt wird, deren Haare eine Hauptrolle in der wichtigen Bürstenfabrikation spielen- uns Verachtung, Spott und das Messer des Schlächters!

Den Königen und ihren Familien, die nichts Gutes am Leibe haben, alle Ehre und dumme Anbetung!

Fußtritte und Schläge für die armen Schweine, Ruhm und Weihrauch für die goldenen Kälber!

Als Jhr, arme Kinder, mir geboren wurdet; während auch meine Unglücksschwestern in einigen Würfen Hunderten Ferkelchen das Lebens­

*) Entnommen unserm in Gent   erscheinenden Bruderorgan De Toe­fomst", welches jüngst mit allen Waffen des Spottes und der Entrüstung den Aufwand geißelte, den die Genter Bourgeoisie zu Ehren der Anwesen­heit ihres geliebten" Königs entfaltete. Die obige kleine Satire ist somit, man beachte wohl, zuerst in einem monarchischen Lande er­schienen.

daß die geselligen Tugenden immer stärker wurden, bis sie sich vererbten und so die Gestalt eines Instinktes annahmen.

Darwin   hat diese Entwicklung beim Urmenschen geschildert, aller­dings etwas einseitig, indem er sich auf den Kampf um's Dasein zwischen Menschen beschränkt, den Kampf um's Dasein des Men­schen gegen die Natur außer Acht läßt. Kamen zwei Stämme des Urmenschen," sagt er, welche in demselben Lande wohnten, mit einander in Konkurrenz, so wird, wenn der eine Stamm bei völliger Gleichheit aller übrigen Umstände eine größere Zahl muthiger, sym­pathischer und treuer Glieder umfaßte, welche stets bereit waren, ein­ander vor Gefahr zu warnen, einander zu helfen und zu vertheidigen, dieser Stamm ohne Zweifel am besten gediehen sein und den andern be­fiegt haben. Man darf nicht vergessen, von welcher unendlichen Bedeutung bei den nie aufhörenden Kriegen der Wilden Treue und Muth sein müssen. Die Ueberlegenheit, welche disziplinirte Soldaten über undisziplinirte Massen zeigen, ist hauptsächlich eine Folge des Vertrauens, welches jeder in seinen Kameraden setzt. Selbstsüchtige und streitsüchtige Leute werden nicht zusammenhalten, und ohne Zusammenhalten kann nichts ausgerichtet werden. Ein Stamm, welcher die oben genannte Eigenschaft in hohem Grade besitzt, wird sich verbreiten und anderen Stämmen gegen­über siegreich sein; aber im Laufe der Zeit wird, nach dem Zeugniß der ganzen vergangenen Geschichte, auch er an seinem Theil von irgend einem andern und noch höher begabten Stamme überflügelt werden. Hierdurch werden die sozialen und moralischen Eigenschaften sich langsam zu erhöhen und über die ganze Erde zu verbreiten trachten."( Abstammg. d. Men­schen, dtsch. v. Carus, I. 169.)

Beim Urmenschen haben schließlich die sozialen Instinkte eine solche Stärke erlangt, daß sie den Selbsterhaltungstrieb überragen. Ohne zu zaudern gibt der Wilde für seinen Stamm oder seine Kameraden sein Leben preis. Schon bei den Affen finden wir die sozialen Instinkte sehr start entwickelt. Namentlich die Paviane zeigen zahlreiche Anzeichen derselben. Gemeinsam gehen sie auf Beute aus und theilen dieselbe ( Brehm, Thierleben I. 76). Derselbe Forscher, dem wir diese Thatsache entnehmen, theilt uns aus seinen Beobachtungen Folgendes mit: Er be­gegnete in Abyssinien einer großen Heerde von Pavianen, welche quer durch ein Thal gingen; einige hatten bereits den gegenüberliegenden Hügel erstiegen und einige waren noch im Thale  . Die Letzteren wurden von den Hunden angegriffen. Statt daß ein allgemeines sauve qui peut( Rette sich wer fann) entstanden wäre, wie man erwarten konnte, schaarten sich die alten Männchen zusammen und griffen die Hunde so energisch an, daß diese sich vor den Affen zurückzogen. Sie wurden von Neuem gegen die Paviane ge­hetzt, aber diesmal hatten alle derselben die Höhe erstiegen, mit Ausnahme eines jungen, ungefähr sechs Monate alten, welches laut nach Hilfe schreiend einen Felsblock erkletterte, der alsbald von den Hunden umringt ward. Da kam eines der größten Männchen nochmals vom Hügel herab, ging langsam zu dem Jungen, liebkofte und führte es triumphirend weg. Die

Wir lassen viele Menschen leben; sie, durch ihre Kriege, lassen viele sterben; unser Tod schenkt Leben, der ihre bringt häufig schwere Lasten: Er kostet viel Geld, läßt das Land verarmen und hat zuweilen blutige Bürgerkriege im Gefolge!

Wir sind die Stütze, die Hoffnung, die Rettung mancher armen Bauernfamilie, und unser Unterhalt kostet beinahe nichts, während der einer Königsfamilie Millionen verschlingt.

Ja, liebe Ferkelchen, Euer Vater selig, der schönste Eber aus dem Umkreis, hat es mir mehr wie einmal gesagt, daß der König, dem ich nun zur Speise dienen soll, nicht weniger als elftausend Franken täglich aus der Landeskasse zieht. Denkt einmal, Kinder, wenn man diese Summe einmal zur Entwicklung und Veredlung unserer Rasse bestimmen würde

mehr wie Zwanzigtausend Eurer Brüder und Schwester würden damit anständig unterhalten werden können!

Wir sind geboren, um geschlachtet zu werden, aber unser Tod wäre dann weniger traurig, denn wir würden mit dem Bewußtsein sterben, daß unsere Schinken, unsere Cotelets, unsere Pfötchen, Schnänzchen und Züngelchen auf des Arbeiters Tisch kommen würden.

Ich schließe, meine Kinder, ich höre den Metzger kommen. Aber sorgt dafür, daß die Menschen verständiger werden, daß sie sich aller schädlichen Thiere entledigen, die nützlichen aber in Ehren halten, dann werdet Ihr nicht den Schmerz haben, durch Menschen aufgezogen zu werden, die Ihr verachten müßt."

Kaum hatte die muthige Sau ihre Ansprache geendigt, durch die Ver­zweiflungsrufe ihrer Kinder häufig unterbrochen, als der Schlächter­geselle sie aus dem Kreise ihrer Lieben riß. Nach einigen Augenblicken kündigte ein durchdringendes Geschrei an, daß ein nützliches Wesen die Welt verlassen, um zum Fraß eines unnützen Königs zu dienen.

Arme Schweine, klagt nicht zu sehr; es sind Millionen Menschen, deren Loos von dem Euren in nichts Anderem abweicht, als daß Ihr nach Eurem Tode aufgegessen werdet und sie begraben werden, und dennoch schweigen und arbeiten sie gleich Thieren!

Sozialpolitische Rundschau.

3ürich, 14. September 1881.

Der Kulturfriede ist geschlossen. Bismarck   ist nach Kanossa   gekrochen, wie man heutzutage überhaupt noch nach Kanossa  kriechen kann. Auf der ganzen Linie hat Rom   gefiegt, und der Held" des Kampfes gegen Rom   versteckt sich kläglich hinter seine Reptilienfedern, welche die bösen Liberalen und Fortschrittler als die Anstifter des ganzen Unheils bezeichnen müssen. Die bösen Liberalen! Geschieht ihnen ganz recht. Warum haben sie dem Kämpfer gegen Rom  " zu Liebe einen Grundsatz nach dem andern geopfert. Warum haben sie ihm auch alle Gesetze apportirt, die Er sich beim Bier bestellt hatte; jetzt mögen sie sehen, wie sie sich mit Ihm auseinandersetzen.

Auf der ganzen Linie hat Rom   gefiegt, die preußische Botschaft beim heiligen Stuhle wird wieder eingerichtet, und die katholische Abtheilung im Kultusministerium ist so sicher wie Amen in der Kirche. Es fehlte nicht viel, und der Betbruder von Berlin  , den seine Sünden gewaltig drücken, wäre in den Schooß der heiligen alleinseligmachenden Kirche zu­rückgekehrt. Sein lieber Vetter" Karl von Schwabenland, an Intelli­genz ihm beinahe gleich, soll ihm ja den bedeutungsvollen Schritt schon vorgemacht haben. Nun, wir gönnen der schwarzen Schaar diesen Fang. Vielleicht gesellt sich diesem edlen Paar dann als Dritter im Bunde Alexander, der Angstmeter, zu. Dieser Jammermensch könnte Einem beinahe leid thun, wenn er seine jetzigen Hallucinationen nicht durch die Hinrichtung der edlen Perowskaja und ihrer vier Heldengenossen über­reichlich verdient hätte. Es kam uns wirklich beinahe wie Mitleid an, als wir von der Angst hörten, welche dieser Selbstbeherrscher" aller Russen auf der Reise nach Danzig   ausgestanden, aber wir gedachten der Todesqualen des unglücklichen Michailoff und der Tortur Ryssakoffs kein Mitleid mit ihrem Henker!

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Ein kostbares Geständniß ist unserer lieben Nord­deutschen Allergemeinsten" entschlüpft. Die famose Danziger Zusammen­funft" sollte nämlich ganz geheim stattfinden, denn wenn der Helden­greis und sein Kanzler auch nicht so furchtsam sind wie Alexander, die Berliner   Jarde ist noch jut- Angst, scheußliche Angst vor der Liebe des Volkes haben sie doch. Aber es finden sich immer Plaudertaschen, die Geschichte wurde ruchbar, und je mehr die Norddeutsche Allgemeine" abstritt, um so fester wurde sie natürlich geglaubt. Nachträglich kommt nun Bismarcks Leibblatt mit folgender prachtvollen Erklärung angerückt:

Wir sind stolz darauf, gegenüber den Indiskretionen( Aus­plaudereien), die einer Wichtigthuerei zu Liebe, den Banditen von ganz Europa   in Danzig   Rendezvous gegeben haben, unsere

Hunde waren zu sehr erstaunt, um ihn anzugreifen, obwohl sie mit leich­ter Mühe seiner Herr geworden wären. Dieser Pavian zeigte da eine Stärke des Solidaritätsgefühles, welche manchem Menschen zur Nach­ahmung dienen könnte. Ich stehe nicht an, so lächerlich es klingen mag, die That dieses Pavians auf eine Stufe mit der des Horatius Cocles  zu setzen.

Beim Urmenschen ist das Interesse für die Wohlfahrt des Stammes so stark entwickelt, daß das Interesse für die gesammte Art ebenso wie für das Individuum fast gänzlich daneben verschwindet. Der individuelle Mensch, sagt Post mit Recht( Ursprung des Rechtes, S. 31) ist eine neuere Erfindung. Ursprünglich besteht der Mensch nur als Theil eines Stammes, hat, von demselben losgelöst, ebenso wenig eine Eristenz, als ein Glied, vom menschlichen Körper losgelöst, selbstthätig weiter funk­tioniren kann. Wie wenig der Begriff der Individualität beim Urmen­schen entwickelt ist, zeigt uns z. B. die urwüchsigste Form der Blutrache. Blutrache am Individuum, am Mörder, kennt man ursprünglich nicht, sondern nur Blutrache am Stamm( natürlich, wenn der Mörder einem fremden Stamme angehörte; die Ermordung eines Stammesgenossen scheint ursprünglich etwas unbekanntes gewesen zu ſein). Die Mitglieder vom Stamme des Gemordeten haben die Pflicht, zur Sühne irgend ein Mitglied vom Stamme des Mörders umzubringen völlig gleichgültig, welches. Der Begriff der individuellen Schuld ist ebenso unbekannt, wie der der individuellen Sühne. Auch in der Religion ist dies noch deutlich merkbar. Die Götter des Heidenthums fragen nicht: wer hat gefrevelt?" sondern: ,, von welchem Stamme ist der Frevler?"

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Die Wilden achten auch nur die Eigenschaften, die der Erhaltung des Stammes dienlich sind, Muth, Ausdauer, Selbstaufopferung, Selbst­beherrschung. Treffend fagt Darwin  , daß wir heute noch instinktiv den Tapfern höher achten, als den Feigen, selbst wenn dieser im Stande ist, der Gesellschaft mehr zu nügen als jener. Die Achtung vor Tugenden" dagegen, welche die Wohlfahrt des Stammes nicht augenscheinlich be­rühren, wie z. B. die Keuschheit, ist erst neueren Datums. Die Tödtung von Schwächlingen, Kranken, Greisen, welche dem Stamme eine Last sind, betrachtet kein Wilder als ein Verbrechen. Das Individuum ist zwecklos, sobald es dem Stamme nichts mehr nützen kann.

Ebenso charakteristisch als die Mißachtung der Individualität ist die Mißachtung der Art. Die Solidarität erstreckt sich nur auf Die, welche den Kampf um's Dasein mitkämpfen, also ursprünglich blos auf die Stammesgenossen. Mord, Räuberei, Verrätherei gelten dem außerhalb des Stammes Stehenden gegenüber nicht nur für erlaubt, sondern für geboten.

Ich habe immer vom Stamm als der ursprünglichsten politischen Ein­heit gesprochen. Dieser Stamm war eine Vereinigung völlig gleicher Menschen. Die Ansicht, als sei der orientalische Despotismus die ur wüchsigfte Staatsform, ist eine grundfalsche. Wir finden nicht einmal bei allen Wilden Häuptlinge. Vielfach werden solche nur im Kriege gewählt,

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