handlungen ausgesprochen haben." Dieses lebhafte Bedauern" dürfte sich, wie wir die Berliner   Sozialisten kennen, und nach den Proben, welche dieselbe den Herren Körner, Finn und Genossen bereitet haben, wohl auf die Höflichkeitsformel: Bedauern lebhaft" reduziren. Die Ber­ liner   Sozialisten sind zwar keine Antisemiten, aber das Schachern ist ihnen von Grund aus zuwider.

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Die Gesammtzahl der abgegebenen Stimmen, schreibt uns einer unserer Abgeordneten, ist bei der diesjährigen Wahl freilich nicht so groß, wie bei den Wahlen von 1877 und 1878, allein dies findet in den anormalen Zuständen seine genügende Erklärung. Ueberall wo wir unter halbwegs günstigen Bedingungen in den Kampf eintreten konnten, hat sich ein Wachsthum der Stimmenzahl ergeben. Wir verweisen auf Nürnberg  , Chemnitz  , Leipzig  , Mainz  , Offenbach  , Zwickau   u. s. w. Außerdem- und das ist ein sehr wichtiges Moment stellt sich eine viel gleichmäßigere Verbreitung der Partei über ganz Deutschland   heraus. Zum ersten Mal ist Süddeutschland   vertreten, und gleich mit vier Sitzen; die übrigen sozialdemokratischen Sitze vertheilen sich auf den Norden, Westen, Osten und die Mitte unseres Vaterlandes, so daß kein Theil desselben ganz unvertreten ist. Dies ist ein großer Fortschritt. Er beweist, daß die Sozialdemokratie in Deutschland   mehr und mehr zur Volkspartei wird, um uns einmal dieses viel miß­brauchten Wortes zu bedienen.

Die Nachtheile der Uebertragung verschiedener Kandidaturen an Eine Person sind bei der letzten Wahl deutlich hervorgetreten. Bei der nächsten Wahl wird man diesen Fehler jedenfalls vermeiden. Man weiß, daß wir dagegen angekämpft haben. Wie sich nun zur Evidenz herausgestellt hat, ist das Gros unserer Partei­genossen über den Personenkultus glücklich erhaben. Vorausgesetzt, daß der Kandidat als tüchtiger Parteigenosse bekannt ist, erhält er die Stimmen, gleichviel ob er einen Namen" hat oder nicht. Mögen die Parteigenossen überall die Lehre beherzigen.-

Wo sind die, Anarchisten"? Die Anhänger Most's und Hasselmann's? Man betrachte das Wahlresultat in Barmen­Elberfeld, Chemnitz  , Berlin  , Offenbach  , Hanau  , Frankfurt   a. M. und Zwickau  ( Crimmitschau  ). Nicht ein Wähler hat sich um das Ge­schrei, das Wählen sei reaktionär, bekümmert. Wir begnügen uns, die Thatsache zu konstatiren.

Das einzige Land, welches bei den heurigen Reichstags­wahlen dem Zuge nach Links", wenigstens anscheinend, nicht folgte, ist Sachsen  . In Sachsen   haben die Konservativen, die sonst überall ,, Rückgang" aufweisen, Terrain gewonnen und die Sozialdemokratie hat zwei Size weniger als im vorigen Reichstage. Dieser abnorme Zug nach rechts" ist aber kein wirklicher; er ist künstlich und gewaltsam herbeigeführt und erklärt sich gerade daraus, daß die sozialdemokratische Bewegung hier relativ am stärksten und der Regierung am gefährlichsten ist. Ganz Sachsen   war vor und während der Wahlen unter dem Be­lagerungszustand, und zwar nicht unter dem kleinen". Zwar das eigentliche Kriegsrecht herrschte nicht, dafür aber das ebenso brutale, wenn auch weniger blutige, Polizeirecht, das ein Polizei unrecht ift. So, wie während dieser Zeit in Sachsen   gewüthet wurde, ist, außer nach einem unterdrückten Aufstande, niemals in irgend einem Lande ge­haust worden. Kein Sozialdemokrat war einen Moment lang seiner Frei­heit sicher; er schwebte in beständiger Gefahr, verhaftet zu werden. Jeder, von dem die Behörden energische Agitation erwarteten, wurde entweder kurzweg unter einem beliebigen Vorwand eingesperrt oder fortgesetzt so abscheulichen Chikanirungen und Belästigungen unterworfen, daß nur be­sonders geduldige oder kräftige Naturen ausharren konnten. Abgesehen von den Massenverhaftungen, Massendurchsuchungen, Massenkonfiskationen und sonstigen Polizeischuftereien, von denen im Parteiorgan schon wieder­holt die Rede gewesen ist, hat die Polizei Handlungen verübt, die nur aus der Absicht, einen Tumult oder Erzeß hervorzurufen, erklärt werden können. Besonders geschah dies bei den Stichwahlen in Dresden  , Chemnitz   und Zwickau  . In Dresden   wurden, obgleich die äußerste Ruhe obwaltete, oftentativ Maßregeln getroffen, wie sie nur am Vorabende eines Aufstandes oder nach Unterdrückung eines Aufstandes am Plaze sind. Das Militär wurde konfignirt, scharfe Patronen vertheilt, sogar die Artillerie mobilifirt! Und dazu die Brutalitäten der Polizei! Als es den Provokationen des Ehren- Paul und Genossen nicht glückte, einen Skandal hervorzurufen, sperrte man am Abend plötzlich und ohne allen und jeden berechtigten Grund einige der belebtesten Straßen ab und hieb dann auf die naturgemäß sich stauende Menge mit einer Rück­sichtslosigkeit ein, die nur der begreift, der da weiß, daß die Regierung, um ihr schmachvolles Vorgehen bei den Wahlen zu rechtfertigen, einen größeren oder kleineren Putsch außerordentlich gern sähe.

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Genau so wie in Dresden   ist man in Chemnitz   und Zwickau   verfahren. In Chemnitz   verhaftete die Polizei am Wahltage, nach erfochtenem groß­artigem Siege der Sozialdemokratie, den gewählten Geiser, mitten aus den aufgeregten Massen heraus ein heftiges Wort, eine unbedachte Gefte und der Funke hatte das Pulverfaß entzündet. Ein furchtbarer. Ein furchtbarer. Zusammenstoß mit obligatem Blutvergießem war unvermeidlich. Und weshalb die Verhaftung? Weil unter einem Flugblatte für Geiser eine falsche Firma stehen sollte ein Bergehen, auf welches eine Geldstrafe

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sammen. Hier liegen sie auf dem Steppenboden zwischen herbstlich ent­blättertem Gestrüpp und hohen stachlichen Stauden.

Diese da, sie spüren nimmer die Dornen, in die man sie gebettet, und nicht den plätschernden Regen, der auf sie herabfällt, und nicht den rauhen Wind, der über ihre nackten Leiber hinwegfegt er trägt den Geruch der Verwesung über die Erde.

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Und da vor dem offenen Schachte steht ein Pope in reichem priester­lichen Ornat; er murmelt Gebete und schwingt das Rauchfaß über die Todten. Willst Du damit hinweg räuchern, was hier zum Himmel stinkt, oder beteſt Du für diese armen Sünder, die das Machtwort des Despoten in frühzeitigen Tod gejagt?

Demüthig steht er da und wehmuthsvoll, aber wenn's ihm auch das Herz zusammenschnitrt, er ist doch ein Mensch, so beugt er sich doch als Briefter vor den hohen unerforschlichen" Rathschlüssen seines Gottes und seines Zaren. Ein Soldat, ihm assistirend, steht neben ihm. Er ist der getreue Ausdruck des knechtischen Gehorsams.

Es ist bekannt, daß einige Zeit hindurch die stehende Meldung aus dem russischen Hauptquartier lautete: Im Schipkapasse Alles ruhig."

In drei kleinen Bildchen illustrirt nun Wereschagin das lakonische Telegramm.

Eine graue Luft, ein heftiges Schneetreiben. Die Schildwache steht auf ihrem einsamen Posten, das Gewehr in der Hand, die wollene Kapuze so weit über das jugendliche Gesicht gezogen, daß nur die gutmüthigen Augen daraus hervorsehen.

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Auf dem Zweiten sehen wir den Mann, der erstarrt, keiner Bewegung mehr fähig ist und dem der herangewehte Schnee weit über die kniee reicht, noch immer auf seinem Posten. Er vermag sich nicht mehr auf­recht zu erhalten, er ist gebogen, gleich einer Weide, aber er steht noch; und wenn er auch die Hände ineinander tief in die Aermel gesteckt, er hält pflichtschuldigst noch sein Gewehr im Arm. Der Kopf ist tief gegen die Brust herabgesunken, die Kapuze verhüllt ihn ganz. Das dritte Bild zeigt einen Schneehügel die Schildwache liegt darunter. Da guckt ein Zipfel der Kapuze und hier zwei Stiefelsohlen aus dem Schnee. Eine Hand ragt daraus hervor die todten erstarrten Finger umflammern das Gewehr. Nun, der gute Mann hat nur seine Pflicht gethan, wie so viele andere. Konnte doch General Radetzky an den Oberfeldherrn rapportiren: Die Regimenter vermindern sich in unglaublichem Maße; fast die ganze 24. Division ist erfroren. Am Shipkapasse war Alles

ruhig.-

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J. S.

gesetzt ist. Wegen einer solchen Lappalie Jemand zu verhaften, ist durch | aus unsinnig und ungesetzlich, und nun gar unter solchen Umständen!

In Zwickau   Aehnliches: Der Agitator Kleemann wurde am Wahltage vor Schluß der Abstimmung verhaftet. Hier war der Zweck offenbar, einerseits auf die Menge der Wähler einschüchternd zu wirken, anderseits einen Skandal hervorzurufen, der sich im Interesse der ,, Ordnung" hätte ausbeuten lassen.

Nun, das frevelhafte Spiel der Behörden ist mißlungen, und die Ar­beiter von Chemnitz   und Zwickau   haben durch die imposante Majorität, welche sie für die Kandidaten der Sozialdemokratie stellten, die Ehre Sachsens   in dem heurigen Wahlkampf gerettet. Der Bann der Furcht­samkeit war gebrochen,

,, Nicht zählen wir den Feind, nicht die Gefahren all"," war die Loosung. Und diese siegesfreudige Stimmung hat sich über ganz Sachsen   verbreitet; hätten die Erzgebirgler, die am 27. Oktober zum Theil verschüchtert waren, am 14. November nochmals zu stimmen gehabt, wir hätten nicht bloß die alten Bezirke behauptet, sondern noch neue dazu erobert.

Aus Chemnitz   schreibt man uns noch: Hier ist der Ordnungs­kandidat" Hecker( fonservativ), obgleich er die Stimmen seines Ordnungs­Schwagers Roth( liberal), der in der ersten Wahl gegen ihn kandidirte, vollzählig erhielt, mit 3000 Stimmen Majorität geschlagen worden. In der für die Agitation günstigsten Zeit, von 1873 bis 1877, als hunderte von Volksversammlungen im Chemnitzer   Wahlkreise gehalten werden konnten, brachte es die Sozialdemokratie bei ihren Siegen auf nicht viel mehr als 12,000 Stimmen. Diesmal, anter dem Sozialistengesetz und unter der gewaltthätigen Herrschaft des berüchtigten Polizeipascha's Siebdrat, ohne Presse und Versammlungen, führte sie beinahe 15,000 Wähler in's Feld und bewies damit: die Partei ist gewachsen unter der Aera der brutalsten Unterdrückung; sie ist gestählt worden im Feuer der Verfolgungen, und sie wirft hohnlachend den übermüthigen Feind zu Boden, der sie längst vernichtet" glaubte. Dieses Resultat des Wahlkampfes war dem Chemnizer Ordnungsretterthum geradezu ver­blüffend und es versuchte, gegen den Entscheid des Volkes an den Säbel und die Flinte zu apelliren. Am Wahltag bereits wurde Militär kon­signirt und Abends gingen die Schergen Siebdrats an's Werk, um einen Konflikt zu provoziren, der zum Abschlachten des Volkes Gelegenheit geben sollte. Mitten aus der freudig erregten Volksmenge heraus wurde plötzlich in brutalster Weise der soeben gewählte Reichstagsabgeordnete für Chemnitz  , Bruno Geiser  , verhaftet, und der ganzen Wählerschaft damit gleichsam ein Schlag in's Gesicht versetzt. Auch der Vorwand zur Verhaftung war so frivol, daß man annehmen muß, die Polizei wollte den Gewaltstreich ganz offen als einen solchen erkennen lassen, um das Volk seinerseits zum gewaltsamen Wider­stande herauszufordern, sofern nicht schon durch die Verhaftung selbst in den erregten Massen der Funke zündete, der den Zorn des Volkes zu unüberlegten Thaten entflammen sollte. Man verhaftete nämlich Geiser, weil auf einem, von ihm weder unterzeichneten, noch in Verlegerschaft genommenen Flugblatte eine falsche Druckfirma angegeben war. Daß für ein solches Vergehen", auf welches übrigens nur eine Geldstrafe von 10-20 Mt. erfolgen kann, in diesem Falle lediglich der Buchdrucker verantwortlich zu machen ist, mußte die Behörde wissen, sie mußte auch wissen, daß Geiser nicht Buchdrucker ist, und folglich mit der Sache nichts zu thun haben konnte, sie mußte endlich wissen, daß Verhaftungen wegen so kleinlichen Anlässen überhaupt unstatthaft sind, aber sie wollte den Putsch um jeden Preis, denn sie hielt es für nöthig, die 15,000 soziali­stischen Wähler durch Flintenkugeln zu dezimiren. Aber die Chemnitzer  Arbeiter fielen darauf nicht hinein. Sie sind geschulte Sozialisten und als solche nicht zum voreiligen Dreinschlagen zu bringen. Wenn sie den Zeitpunkt für gekommen erachten, de das Bolf seine Angelegenheiten selbst in die Hand nehme, dann werden sie es thun, ohne daß Herr Siebdrat erst dumme Streiche zu machen braucht, vorläufig aber mögen die Herren Staatsretter ihre scharfen Patronen für sich behalten und sich selbst damit womöglich in ein besseres Jenseits" befördern, wenn sie die Strafe für ihre Schurkereien heranrücken sehen. Die Stichwahlen in Sachsen   haben gezeigt, daß der alte sozialistische Geist noch im Volke herrscht; wenn auch bei der ersten Wahl durch die eiserne Polizeifaust die Wählerschaft unserer Industriedistrikte niedergehalten werden konnte, so daß wir einige durch und durch sozialistische Kreise momentan ver­bei den erneuten Wahlen erwachte bereits das Selbstbewußtsein des Volkes, es zeigte den ernsten Willen, seiner Meinung Ausdruck zu geben, und vor dem thatkräftigen Willen des Volkes muß auch die perfidefte Polizeiwirthschaft die Segel streichen.

loren

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- Genosse Bebel geht im sächsischen Landtage dem verpreußten Ministerium dieses Landes gehörig zu Leibe. Am 17. November zog er bei der Steuerdebatte den Herrn von Nost iz- Wallwitz wegen einiger in der Antwort auf seine Interpellation eingeflochtenen persönlichen Verdächtigungen so energisch zur Rechenschaft, daß dieser vor Wuth zitternd nichts als eine faule Ausflucht zu stammeln vermochte. Als es sich in derselben Sitzung um die Festsetzung der Gehälter der auswärtigen Gesandten handelte, beantragte Bebel, den Gehalt des Gesandten in Berlin   von 30,000 auf 21,000 Mt. herabzusetzen, die Forderungen für einen Gesandten in München  ( 15,000 Mt.) und Wien  ( 18,000 Mt.) aber ganz zu streichen. Wenn der Wiener Gesandte mit 18,000 Mt. aus­tommen solle, würden 21,000 Mk. für denselben Poften in Berlin   ge­nügen. Könne der Gesandte damit nicht bestehen, so möge er etwas weniger Aufwand machen. Die Gesandtschaftsposten in München  und Wien   seien überflüssig, weil Sachsen   nur ein integrirender Theil des Reiches ist, und seine auswärtigen Angelegenheiten durch das Reich besorgt werden. Es sei unnöthig, daß es sich ein Air zu geben suche, welches es nicht besitze. Die sächsische Staatsregierung möge Sachsens  Selbstständigkeit lieber der Reichsregierung gegenüber wahren und den Muth haben, dem das Volk schädigenden Ansinnen derselben Widerstand zu leisten, worauf der Präsident unsern Genossen mit der echt sächsisch- naiven Erklärung zur Ordnung rief, die Staatsregierung habe den Muth, dessen Vorhandensein der Ab­geordnete bezweifle.

Auch darauf wird Bebel den Herren die Antwort nicht schuldig bleiben. Es wird ihnen nichts geschenkt werden.

Jest weiß er auch, wie es thut. Am 3. Juni 1878, am Tage nach Nobilings Kaiserschuß, sollte in Merseburg   eine Volks­versammlung stattfinden, mit Hugo Rödiger aus Halle als Referenten, die aber von dem verhetten Spießbürgerthum 2c. Merseburgs unter Anführung des liberalen Abgeordneten Wölfel gesprengt wurde. Rödiger kam gar nicht zum Wort, Herr Wölfel aber goß noch Del in's Feuer, indem er von der unverschämtheit und Frechheit sprach, mit welcher am selben Tage, wo die Kunde gekommen, daß ein Sozialdemokrat abermals die Mordwaffe auf den Kaiser gerichtet, diese Partei es wage" 2c. 2c., so daß Rödiger auf dem Wege zur Bahn von dem bis zur Raserei aufgeregten Troß ver­folgt und aufs brutalste gemißhandelt wurde.

Dieser Vorgang fam uns wieder in Erinnerung, als wir jüngst fol­genden Bericht zu lesen bekamen:

Jn Löbnitz bei Delitzsch   sollte, wie die Saale- 3tg." mittheilt, am 7. November der liberale Kandidat, Rechtsanwalt Wölfel, sprechen. Den Saal des Lokales hatten lange vor Beginn des Vortrages mit Bier start traktirte Ochsenknechte und einige Agrarier eingenommen, unter ihnen ein bekannter Antisemit, ein Pächter aus N. Als zur Wahl eines Vorsitzenden geschritten werden sollte, brüllte es durch den Saal: Amt­mann B.! Derselbe übernahm den Vorsitz, brachte ein Hoch auf Se. Majestät und den Landrath von Rauchhaupt aus, welches in wildes Gebrüll ausartete, erklärte dann, daß hier, wo nur konservativ gewählt würde, wohl Niemand Herrn Wölfel hören wollte und - schloß die

| Versammlung. Herr Wölfel rief Herrn B. zu, er sollte sich dieses Manövers schämen. Der Amtmann, firschroth im Gesicht, schimpfte auf das Kräftigste. Der Gensdarm forderte ohne Erfolg zum Verlassen des Lokales auf. Alles umdrängte Herrn Wölfel mit Drohungen und Be­schimpfungen, allen voran jener Pächter. Herr P. aus Delitzsch  , der das Lokal gemiethet hatte, wollte vom Hausrecht Gebrauch machen, da schrie der Pächter: Herr Wirth, Sie heben den Miethkontrakt auf!" Der Wirth that es und nun trat der Pächter an den Vorstandstisch, schlug. mit dem Stock darauf und schrie: ,, Liberalen raus, Bier her, jetzt find wir Herren des Lokals." Natürlich verließ Herr Wölfel mit seinen beiden Begleitern den Saal und ging in das untere Lokal, wohin ihm aber wieder sofort die ganze Gesellschaft folgte, so daß Herr Wölfel nur mit Noth auf die Straße kommen konnte."

Ob Herr Wölfel, als ihm die Ochsenknechte ihre Fäuste zeigten, sich nicht des 3. Juni 1878 erinnert hat? Wenn nicht, so wollen wir hiermit seinem Gedächtniß zu Hilfe kommen.

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Die

Liebknecht, der zweimal gewählt ist,( für Offenbach  - Dieburg  und Mainz  ) hat das Mandat für Offenbach   angenommen. Majorität war dort zwar eine weit größere als im Mainzer Kreis, und nach den gewöhnlichen Regeln der Parteitaktik hätte sonach das Mandat für Mainz   angenommen werden sollen, allein, wie sich nachträglich herausstellte, hatte das Offenbacher Wahlkomite im Namen Liebknecht's  Erklärungen abgegeben, durch welche dieser sich gebunden fühlte, obgleich er sie nicht autorisirt hatte. In Mainz   wird nun Bebel als Kandidat auftreten. Die Aussichten sind günstig, und wir haben allen Grund, eine noch größere Majorität zu erwarten, als der 5. November uns ge­bracht hat.

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Aus Hamburg   wird uns geschrieben, daß nicht nur Hartmann und den Gebrüdern Kapell, sondern auch Breuel( unserm Kandi­daten im 3. Hamburger Wahlkreise), Eskelson, Weidemann, Hillmann u. A. die Rückkehr nach Hamburg   gestattet worden sei, und zwar stehe es bei Einigen fest, daß sie keinerlei Schritte zur Er­langung dieser Erlaubniß unternommen hätten.

Was diese wunderbare Wendung" in dem Verhalten des Hamburger Senates herbeigeführt hat, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. Der Aus­fall der Reichstagswahlen war zwar ein herber Schlag für die Herren Patrizier, aber darauf mußten sie doch einigermaßen vorbereitet sein. Eher ist die Annahme berechtigt, daß die Herren vielleicht in nächster Zeit der Unterstützung der gesammten Bevölkerung Hamburgs   bedürfen zu müssen glauben, und daß die in den verschiedenen Arbeiterversammlungen gefallenen Aeußerungen ihnen die Augen darüber geöffnet haben, welchen Bockstreich sie begingen, als sie die Sozialisten opferten, um Bismarck's Sympathie zu gewinnen. Wie dem auch sei, soviel steht einmal fest, daß die Sozialdemokratie in Deutschland   heute eine Macht ist, mit der jeder Politiker ernsthaft zu rechnen hat. Man haßt uns, man verfolgt uns, aber man respektirt uns, und das danken wir allein der Geschlossenheit unserer Partei, der den Anarchisten so sehr verhaßten Parteidisziplin.

In Würzburg   ist der daselbst von den vereinigten Demo- fraten und Sozialdemokraten aufgestellte Seifensieder Köhl in der Stichwahl gegen den Kandidaten der Ultramontanen, Freiherrn  von Zu Rhein   durchgedrungen, trotzdem die Letzteren Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatten, den Wahlkreis ihrer Partei zu erhalten. Köhl wird uns selbst von Leuten, welche mit dem Kompromiß nicht einverstanden waren, als ein durchaus achtbarer, charakterfester und ener gischer Demokrat geschildet, was schon daraus hervorgehe, daß bei der Hauptwahl ihm von freisinniger" Seite der Fortschrittler Albert Träger   gegenübergestellt worden war.

- Schwabenstreiche. In Stuttgart   wurden zwei Genossen, welche einer konservativen Parteiversammlung ohne Erlaubniß beigewohnt hatten, wegen Hausfriedensbruch zu 18 Tagen Gefängniß verurtheilt, obwohl sie sich in der betreffenden Versammlung ganz ruhig verhalten hatten.

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Frankreich  . In dem weiteren Verlaufe des Kongresses der Arbeiterpartei tam auch die Frage des Wahlprogramms derselben zur Verhandlung, welches von mehreren Rednern als der Verbesserung be­dürftig bezeichnet wurde. Unter voller Aufrechterhaltung der historischen und ökonomischen Grundlagen des Programms erklärt der Kongreß, daß dasselbe in gewissen Punkten Abänderung erheische, nahm aber diese Abänderung noch nicht selbst vor, sondern empfahl den Mitgliedschaften, die Frage bis zum nächsten Kongreß noch einmal reiflich zu diskutiren. In Bezug auf das Parteikomite wurde beschlossen, daß dasselbe vor­läufig in Paris   seinen Sitz nehmen, und daß jeder Regionalverband durch fünf jederzeit absetzbare Delegirte in demselben vertreten sein solle. Das macht also bei fünf Regionalverbänden die stattliche Zahl von fünf­undzwanzig Vorstandsmitgliedern. Das ist ein Luxus, von dessen Zweck­mäßigkeit wir nicht überzeugt sind, und von dem man wohl bald ge­zwungen sein wird, Abstand zu nehmen. Als offizielles Parteiorgan wurde, wie schon gemeldet der Pariser Proletaire" anerkannt. Als Ort des nächsten Kongresses wurde St. Etienne bestimmt.

Vom Schlachtfelde des wirthschaftlichen Klassenkampfes werden faft täglich neue Streiks gemeldet. In den meisten derselben wird mit Recht von Seiten der Arbeiter das Hauptgewicht auf die Herabsetzung der Arbeitszeit gelegt. Die Bourgeoisrepublik beweist ihre Arbeiterfreund­lichkeit dadurch, daß sie, wo es nur angeht, die Arbeiter durch Aufbie­tung der Militärgewalt einzuschüchtern sucht, womit sie aber erfreulicher­weise selten Glück hat.

Ueber die Intriguen, die sich in den oberen Regionen abspielen, ein

andermal.

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Polen  . Die auf den 30. Oktober nach Lemberg   einberufene allgemeine galizische Arbeiter- Versammlung ist von der Statthalterei ver­boten worden. Die Aufregung unter den Arbeitern Galiziens   über dieses Verbot ist groß, und wenn der weise Statthalter geglaubt hat, der Aus­breitung des Sozialismus durch dasselbe entgegen zu wirken, so hat er sich bitter getäuscht.

Seit fast zwei Monaten sitzen nun unsere in der Provinz Posen  verhafteten Genossen und noch immer hört man nichts von ihrem Prozeß. Wie der Precurseur" in Genf   erfährt, beklagen sich die Ver­hafteten bitter über die Untersuchungsrichter, welche sie schlechter behandeln als die galizischen und russischen Richter. Wie Zuchthäusler müssen sich die Untersuchungs gefangenen der strengsten militärischen Disziplin unterwerfen! Wenn sie auf gewisse Fra­gen Antwort verweigern, so werden sie wegen Widersetzlichkeit bestraft 2c.

Letzteres scheint fast unglaublich, doch wäre es nicht das erste Mal, schreiten. Von den im Jahre 1878 in Berlin   verhafteten Russen wurde daß preußische Richter Ausländern gegenüber ihre Vorschriften über­uns des Bestimmtesten erzählt, daß sich der berüchtigte Polizeikommissar Krüger und der Herr Hollmann ihnen gegenüber in einer Weise be­nommen hätten, die aller Beschreibung spottet. Leute, die nicht gegen das geringste Beweismittel vorlag und die dann auch später freigelassen werden mußten, wurden wie Zuchthäusler angeschnauzt: Nach Sibrien wird man Euch schicken! 2c. 2c.", so daß sogar Herr Tessendorf em= pört war. Ja, es gibt noch Richter in Berlin  !

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Aus Rußland  . Der Marineoffizier Such a now, welcher den zu dem Attentat auf Alexander II.   verwendeten Dynamit heimlich aus dem Depot der kaiserlichen Marine gegeben haben soll, ist vor Kurzem in Petersburg   hinter verschlossenen Thüren ermordet worden. Beschönigend setzt die Nordd. Allgemeine" hinzu, es sei dies die erste Hinrichtung, welche in Rußland   im geschlossenen Raume stattfinde! Die Erste! Und die Tausende und Abertausende, welche in den Bergwerken Sibiriens   und in den Zentralgefängnissen hingemordet worden sind und