will man verhindern, daß sich noch Jemand findet, der für uns druckt, während man froh sein sollte, daß wir unsere Lettern noch immer nicht in Kugeln umgießen.
In Dresden und Chemnitz fanden dieser Tage die Stadtverordnetenwahlen statt. Das städtische Wahlrecht sorgt selbstverständlich dafür, daß fast nur Vollblut- Philister sich betheiligen dürfen bei der Wahl der Gemeindevertreter. Dennoch hatten unsere Chemnitzer Genossen eine Wahlliste aufgestellt und dieselbe hat trotz aller Klauseln und Beschränkungen des Wahlrechts 750 Stimmen erhalten, während wir es in früheren Jahren, vor dem Sozialistengesetz, dort bei diesen Wahlen höchstens auf 200-300 Stimmen bringen konnten. Das ist ein neuer Schlag gegen das Sozialistengeſetz.
In Dresden war unsererseits von Betheiligung an der Stadtverordnetenwahl abgesehen worden, da jeder positive Erfolg ausgeschlossen erschien. Die Dresdner Philister waren also unter sich. Und was thaten sie? Sie wählten neben einer Anzahl von Ihresgleichen auch den Staatsanwalt Lufft, den großen Sozialistenfresser, und den Landgerichtsdirektor Wengler, also zwei echte Blüthen der sächsischen Justiz, in das Kollegium.
Staatsanwalt Lufft ist derselbe, der den Genossen Kayser durch eine erlogene, völlig aus der Luft gegriffene Anklage vorigen Sommer ins Gefängniß brachte. Er log nämlich den Richtern vor, Kayser habe durch Herausgabe einer Nummer des„ Deutschen Tageblatt" die verbotene Dresdner Abendzeitung" fortgesetzt. Nach monatelanger Unter suchung stellte sich heraus, daß ein solches„ Deutsches Tageblatt" niemals gedruckt worden und niemals erschienen war, und daß zwar ein„ Dresdner Tageblatt" herauskommen sollte, aber dieses Projekt noch so fern von der Ausführung war, daß der Staatsanwalt mit dem besten Willen den Titel nicht erfahren konnte. Und er klagte an, daß das Blatt erschienen sei, blos um die Entfernung Kayser's von der Landtagswahlagitation zu bewirken. Und diesen Lügner wählt man als Stadtverordneten!
- Noch einige, Pyrrhussiege". In Sorau Forst ist bei der Nachwahl unsere Stimmenzahl von 2056 auf 2381 gestiegen, in Iserlohn , wo wir bei der Hauptwahl noch nicht 200 Stimmen aufzuweisen hatten, erhielt bei der Nachwahl Genosse Oppenheimer über 430 Stimmen. Das ist für einen so industriellen Kreis zwar nicht viel, aber es zeigt doch die erhöhte Stimmung unter den Genossen an.
Die Wahlaften des vierten Berliner Wahlkreises sind von unseren Abgeordneten geprüft worden. Das Ergebniß ist unter den für ungültig erklärten Stimmzetteln befinden sich etwa dreißig, die Bebel's Namen enthalten, und nach dem Wahlgesetz, sowie nach der früheren Praxis des Reichstages für gültig erklärt werden müssen. Es befinden sich auf der anderen Seite unter den ungültig erflärten Stimmzetteln aber auch mehrere für Träger, die aus dem gleichen Grunde für gültig erklärt werden müssen. Durch die Giltigerklärung der mit Unrecht kassirten Stimmzettel wird also die Differenz von 51 zwischen Bebel's und Träger's Stimmenzahl nicht ausgeglichen, und für Bebel nicht eine Majorität geschafft. Ob sonstige Unregelmäßigkeiten, deren der Wahlprotest erwähnt, von so erheblicher Natur sind, daß sie zur Ungiltigkeitserklärung der Wahl führen müssen, muß erst untersucht werden. Unter solchen Umständen ist an die Einberufung Bebel's an Stelle Träger's nicht zu denken und zunäch st nur eine Beanstandung der Wahl im vierten Berliner Wahlkreis zu erwarten. Eine Beanstandung hat aber für den betroffenen Abgeordneten bis zur definitiven Beschlußfassung, die sich bis zum Ende der Legislaturperiode hinausziehen kann, absolut keine Folgen.
Die Nach wahl in Mainz ist für uns anscheinend nicht sehr günstig ausgefallen, Genosse Bebel kommt mit dem Fortschrittler Philipps in Stichwahl. Ersterer erhielt 5503, Letzterer 6485 Stimmen, der ultramontane Kandidat Franf 4864 Stimmen. Die nationalliberal- fortschrittlich- volksparteiliche Klique ist uns diesmal im Vorsprung, indeß war ihre Agitationsweise eine so gemeine, daß die stark demokratisch gesinnten Mainzer Katholiken bei der Stichwahl schwerlich für die Herren ins Feuer gehen werden. Eine der gemeinsten Intriguen dieser unter der Protektion des Herrn Sonnemann stehenden Klique war das Arrangement der angeblich von den Sozialisten gesprengten Wählerversammlung vom 4. Dezember. Der Saal, in welchem diese Versammlung stattfand, ist Eigenthum der Stadt Mainz und wird nur zu allge meinen, nicht aber zu Parte i versammlungen hergegeben, in Folge dessen hatten sich unsere Genossen sehr zahlreich eingefunden, wie ja die sozialistischen Arbeiter überhaupt zehnmal mehr Interesse und Verständniß für das politische Leben haben als die Bourgeoisie. Die Versammlung war auf 2 Uhr Nachmittags einberufen, da der Saal nicht beleuchtet wird, mußte sie also bei Eintritt der Dunkelheit, d. h. in der jetzigen Jahreszeit um 4 Uhr ungefähr, geschlossen werden. Darauf spekulirte nun die saubere Gesellschaft und zog die Eröffnung so lange als nur möglich hinaus. Philipps Kandidatenrede wurde von der Versammlung durchaus ruhig entgegengenommen, denn die Sozialisten, welche ihre Pappenheimer kennen, hatten ausdrücklich sich das Wort gegeben, auch nicht den Schein einer Störung aufkommen zu lassen. Träger, der nach Philipps sprach, manifestirte aber so offen das Bestreben, die Versammlung hinzuziehen, indem er immer wieder von Neuem ausholte, daß schließlich seine eigenen Leute ungeduldig wurden. Als es endlich schien, daß er schließen wollte, stieg Bebel auf das Bureau und meldete sich zum Wort. Kaum war Bebel wieder herunter, so stand ein Herr vom Bureau auf, flüsterte Herrn Träger leise in's Ohr und dieser fing wieder von vorne an. Die Absicht lag zu klar am Tage,
Je mehr aber die Klassenunterschiede verschwinden, desto mehr schwindet auch die Macht der Regierung; sobald keine Klassengegensätze mehr existiren, ist auch die Regierung verschwunden und an ihre Stelle eine Verwaltung getreten. Die ganze Thätigkeit einer prole= tarischen Regierungmuß daraufhinzielen, sich selbst immer entbehrlicher zu machen.
Gar Mancher hat freilich Angst vor einer solchen Regierung, welche dem„ Volke" gegenüber ihre Macht ebenso mißbrauchen könnte, wie es alle andern bisher gethan." Möge sich die Autorität" revolutionäre Diktatur nennen oder Kirche, Monarchie, konstitutioneller Staat oder Bourgeoisrepublik".. ,, wir verabscheuen und verwerfen sie aus gleichem Grunde als unfehlbare Quellen der Ausbeutung und des Despotismus."
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Diese Anschauung kann nur dort festen Fuß fassen, wo die irrige Ansicht herrscht, der Staat beruhe auf dem Gegensatz zwischen Volk" und Regierung, einer Regierung, welche ganz wunderbare mystische Kräfte besitzt, und einem Volke, welches ganz unglaublich seig und dumm ist, um sich von diesem geheimnißvollen Wesen Regierung nechten zu laffen.
Wir wissen aber, daß die Regierungen ihren Stützpunkt in den herrschenden Klassen haben, als deren Werkzeuge fie dienen, weshalb sie auch, nebenbei erwähnt, durchaus nicht so leicht zu stürzen sind, als Mancher glaubt; nur dort, wo mehrere herrschende Klassen nebeneinander eristiren, von denen keine stark genug ist, für sich allein zu herrschen, kann die Regierung durch eine kluge Schaufelpolitit jeder derselben eine gewisse Autorität entgegensetzen, so lange sie die gemeinsamen Interessen der Herrschenden nicht außer Acht läßt. Eine Rasse oder Klasse dagegen, welche eben die Herrschaft errungen hat, welche in ihrer bollen Jugendkraft dasteht, läßt eine solche Autorität nie aufkommen, die Regierung bleibt stets ihr ergebenes Werkzeug.
Die Furcht vor der Autorität ist ein Zeichen der Schwäche, fie zeigt sich nur bei Klassen, welche fühlen, daß sie zur Herrschaft nicht mehr fähig sind. Wo die sozialistische Bewegung sich aus der Arbeiterbewegung entwickelt hat, finden wir auch keine Spur der Furcht vor der Autorität. In lächerlichem Maße macht sie sich dagegen dort breit, wo
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als daß die Masse der Versammelten die Mainzer sind ohnehin ein heißblütig Volk nicht die Geduld hätten verlieren müssen, und verschiedene Schlußrufe ertönten. Die Führer der Liberalen riefen„ Weiterreden", was ein kleines Durcheinander zur Folge hatte, welches indeß durchaus keine außergewöhnliche Dimensionen annahm. Herr Träger sprach weiter, die Versammelten hörten aber nicht mehr zu, sondern fingen an, leise mit einander zu disputiren so wurde Bebel von einigen Liberalen, die neben ihm saßen, interpellirt, als plötzlich zu allgemeiner Ueberraschung der Ruf ertönte: Die Versammlung ist geschlossen! Die Liberalen hatten ihr Ziel erreicht, ihre Redner hatten gesprochen, Bebel war nicht zur Antwort gekommen, und sie konnten durch die ihnen zur Verfügung stehende Presse- die saubere Frankfurterin voran von Vergewaltigung durch die Sozialisten schreien, d. h. den Sachverhalt verdrehen, worin die Herren bekanntlich Meister sind. Und nun ging das Verläumden los, nach der bekannten Erfahrung, daß immer etwas hängen bleibt. Das ist der„ loyale" Kampf der fortschrittlichen volksparteilichen Biedermänner, die mit der Versicherung, daß es unehrenhaft sei, Wehrlose anzugreifen, ihre Bauernfängerrede beginnen, um dann mit der Geschicklichkeit eines Basilio zu verdächtigen, zu verleumden und zu beschimpfen. Ein Pfui über diese Gesellschaft!
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Aus Oesterreich . Ueber achthundert Menschen berbrannt, das ist die Schreckensnachricht, welche uns aus dem Lande der Korruption zugeht. Von einem„ Unglück" kann man bei dem Brande des Wiener Ringtheaters nicht mehr reden, hier liegt ein Verbrechen vor, wie es nur je eines gegeben hat, und wie der Massenmord in der heutigen überaus moralischen Gesellschaft stets straflos ist, so werden auch diesmal die Verbrecher, welche den grausigen Tod auf dem Gewissen haben, straflos ausgehen; denn sie gehören ja nicht dem niederen Volke an, es sind Mitglieder der„ guten", der ,, besseren" Gesellschaft, welche das herzbrechende Elend verschuldet haben, es ist vor Allem die heilige Polizei, die stets bei der Hand ist, Staat und Gesellschaft da zu retten, wo sie die Rechte des Volkes mit Füßen treten kann, die aber ihre ganze Unfähigkeit und Kopflosigkeit an den Tag legt, wo es gilt, wirklich zu retten und Unheil zu verhüten. Und das Unheil konnte verhütet, konnte auf den bloßen Verlust von Sachen reduzirt werden, wenn die Herren von der Polizei, die Herren Sachverständigen ihre Schuldigkeit gethan hätten. Die Feuergefährlichkeit des Ringtheaters war bekannt, die Versicherungsgesellschaften hatten die Versicherung des Inventars rundweg abgelehnt; die Baubehörden hatten es aber nicht für nöthig erachtet, in dem der Gründerzeit entsprossenen Gebäude die unerläßlichen Aenderungen vorzuschreiben. Hunderte hätten sich retten können, wenn die Ausgänge aus den Gallerien wer denkt auch an das Galleriepublikum! wo die Plätze am engsten, der Andrang daher am stärksten ist, nicht über alle Begriffe mangelhaft gewesen wären, ebensoviele gerettet werden können, wenn die gauze Weisheit der Polizei im entscheidenden Moment sich nicht lediglich darauf beschränkt hätte, unter dem Vorwande, es ist Niemand mehr drinnen", diejenigen, welche retten wollten, zurückzuhalten, während drinnen die Noth am größten war. Die Herren Polizisten, welche amtlich im Theater waren, hatten es ja auch nicht der Mühe für werth gehalten, nach den Nothlampen zu sehen!
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Mit einem Wort, wo so leichtfertig und sorglos das Leben vielen Hunderten preisgegeben wird, da ist es nicht erlaubt, von Unglück zu reden, da gibt es nur ein Wort: Verbrechen!
Jetzt wird aller Orten für die Hinterbliebenen der armen Opfer gesammelt, das Mitleid wird angerufen, manches materielle Elend wird gelindert werden, die gerechte Entrüstung aber, welcher anfangs allgemein Ausdruck gegeben wurde, wird verrauchen, die alte Wirthschaft wird nach furzer Unterbrechung von Neuem beginnen, die Polizei wird wieder heilig und unantastbar erklärt werden und es als ihre Hauptmission betrachten, den freien Gedanken zu unterdrücken, die unabhängige Kritik der sozialen Schäden unmöglich zu machen, auf daß unsere herrliche Gesellschaftsordnung um keinen Preis erschüttert werde.
Der Wiener Polizeipräsident, Ritter von Mary, ist auf Urlaub gegangen. Man mußte doch dem Unwillen des Volkes eine Konzession machen.
Ans Ungarn wird gemeldet, daß der radikale Deputirte Otto Herrmann bei der Debatte über den Auslieferungsvertrag mit Serbien mannhaft für das Recht der unterdrückten Völker eingetreten sei, sich ihrer Tyrannen, wenn nöthig, mit Gewalt zu entledigen. In Zeiten, wo es Mode wird, ohne Neth Loyalität zu heucheln, ist so etwas sehr anzuerkennen.
Russisch Irisches aus der freien" Schweiz .„ Ju der hiesigen Maschinenbauanstalt zur Neumühle" gährt es unter den Arbeitern", konnte man vor wenigen Tagen in der Züricher Lokalpresse lesen, es haben Ansammlungen vor dem Fabrikgebäude stattgefunden und Drohrufe gegen den Direktor der Fabrik wurden ausgestoßen. Die liberalkonservative Presse fügte noch einige Bemerkungen über die übertriebenen Klagen der Arbeiter" hinzu, die demokratische schwieg. Ein Freund unseres Blattes nun hat am letzten Sonntag eine Privatenquete bei den Arbeitern des„ weltberühmten" Institutes Escher, Wyß und Kompagnie ist die Firma unternommen, und die Thatsachen, welche er da zu hören bekam, sind allerdings geeignet, das lammfrommste Gemüth in Gährung zu versetzen.
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Die Lage der Arbeiter in dieser Musteranſtalt war nie eine besonders glänzende, als ein Beispiel, mit welcher Rücksichtslosigkeit gegen diefelben vorgegangen wird, mag die Thatsache dienen, daß man vor 4 Jahren die Vorfenster als ein überflüssiges Möbel verkaufte. Neuerdings scheint man auch die Heizung für überflüssig zu halten, denn schon zu Anfang
die sozialistische Bewegung eine Fortsetzung des bürgerlichen Radikalismus bildet. Die Bourgeoisie hat allerdings Grund genug, die Autorität zu fürchten.
Die deutsche Sozialdemokratie zeigt deutlich, daß die Arbeiterklasse ihre " Führer" blos als ihre Werkzeuge betrachtet. Den anderen Klassen gegenüber können sie mit der ganzen Wucht auftreten, welche die orga nifirte Arbeiterklasse besitzt; innerhalb der Partei gilt ihre Autorität nur so lange, als sie den Willen derselben verstehen und zum Ausdrucke bringen.
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Wer behauptet, die Führer" seien es, welche die deutschen Arbeiter auf, falsche" Bahnen leiten in zugesetzliche" oder zu„ ungesetzliche" der spricht von Dingen, die er nicht versteht, oder er ist ein Schurke. Vom„ Verführen" der armen„ bethörten" Massen durch arglistige ,, Autoritäten" zu reden, die von den„ Arbeitergroschen" leben, ist eine echte Bourgeoisphrase, möge sie auch von noch so weit finks Stehenden nachgeplappert werden.
Noch blödsinniger als die Angst vor der Autorität einer Regierung" ist die Angst vor einer geistigen Autorität", vor der Herrschaft des Genies. Daß das Genie einen Einfluß ausübt, welcher über den Einfluß gewöhnlicher Menschen hinausreicht, ist unleugbar, aber es ist ein grobes Mißverständniß, wenn nicht schlimmeres, diesen Einfluß des Genies gleichzusetzen dem Einflusse einer kirchlichen Autorität, das Genie mit dem Titel eines Papstes zu beehren. Vor der kirchlichen Autorität beugt sich der Mensch um so mehr, je unwissender er ist, wohingegen das Genie auf die Ignoranz nicht den mindesten Einfluß übt. Je mehr wir uns entwickeln, je mehr unser Wissen und unsere Kraft des selbstständigen Denkens steigt, desto mehr sinkt der Einfluß der Kirche auf uns, desto mehr lernen wir das Genie achten und bewundern. Je höher wir selbst stehen, desto höher erscheint uns das Genie. Einen Göthe z. B. bewundern wir umsomehr, je reifer wir selbst werden. Aber diese Hochschätzung des Genies ist keine stlavische, sondern eine freiwillige, eine freudige und selbstbewußte. Sie beruht nicht auf der Unterwerfung unter das Genie, sondern auf der Erkenntniß desselben. Sein Einfluß wächst mit der fortschreitenden Intelligenz der Völker. Die geistige ,, Autorität" wird also durch den Sozialismus nicht zurückgedrängt, sondern gefördert; sie ist nicht ein Zeichen des
dieses Jahres hatten die Arbeiter über Kälte in den Arbeitsräumen bitter zu klagen, und Frostbeulen und dergleichen waren nicht Ausnahme, sondern Regel. Freilich, wenn die Herren im Paletot mit aufgestülptem Kragen die Arbeitssäle betreten, dann spüren sie die Kälte nicht. Das Fabriksstatut gleicht einem Zuchthausreglement auf ein Haar, es wimmelt darin von Strafen aller Art. Und nur dem Umstande, daß es bisher in einzelnen Punkten etwas lax gehandhabt wurde, ist es zu verdanken, daß die Arbeiter nicht längst sich gegen dasselbe empört haben.
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Seitdem aber vor ca. 3 Monaten ein neuer Direktor, ein pensionirter preuß. Marineoffizier, angestellt worden ist, geht das Schuhriegeln doppelt und dreifach los. Den Geist dieses Chikaneurs kennzeichnet die Thatsache, daß eine seiner ersten Maßregeln die Ausdehnung des Rauchverbotes von den Fabrikgebäuden auf den Hofraum war, d. h. den Arbeitern, die sich vor Beginn der Arbeitszeit einstellen, wird es verboten, in der Zwischenzeit ihre Zigarre oder Pfeife auszurauchen. Dabei ließ es sich der Herr nicht nehmen, in wahrhaft empörender Weise herumzuspioniren, ob auch ja mit dem Glockenschlag das Fabrikthor geschlossen und die Arbeit begonnen werde. Die Strafgelder, welche statutengemäß in die Krankenunterstützungskaffe fließen sollten, werden zum größten Theil als Schadenersatzgelder in die Kasse der Fabrikanten abgeführt, so daß in den letzten 14 Tagen nur 12 Franken in die erstere, dagegen über 80 Franken in die letztere geflossen sind. Die fast auf ein Minimum reduzirten Löhne ( für Schlosser oder Dreher schwankt der Lohn zwischen 28 und 40 Cts. [ 23-32 Pfennige] per Stunde, die bestgestellten Akkordarbeiter stehen sich auf 5-6 Franken per Tag) erscheinen dem Edlen noch zu hoch, ein Taglöhner kann mit 1, Franken und ein Dreher mit 2 Franken ganz gut auskommen, soll er gesagt haben. Dann führte er neue Arbeitsbücher ein, welche das ganze Arbeitspersonal, die Techniker mit inbegriffen, erbitterten. Als er nun noch, trotz des flotten Geschäftsganges, eine Lohnreduktion von 10 Proz. ankündigte, da stieg die Wuth auf's Aeußerste, die Arbeiter sammelten sich vor dem Gebäude an und verlangten ihn zu sprechen, jetzt hielt er es aber für gerathener, nicht zu kommen. Wenn das liberale Hauptorgan, die„ Neue Züricher 3tg.", neuerdings behauptet, es seien nur einige" unzufriedene Arbeiter gewesen, so ist das Flunkerei, es waren vielmehr alle Werkstätten vertreten.
Der Herr Direktor weiß das auch und führt jetzt beständig Stockdegen und Revolver mit sich.„ Aber davor fürchten wir uns ebensowenig als vor den drei Polizisten, die ihn stets begleiten", sagten die Arbeiter zu unserem Gewährsmann, hinaus muß er!"
Kommt es zu irgend welchen Exzessen, so sind die Besitzer der Firma Escher, Wyß u. Cie. selbst Schuld daran, indem sie jede Organisation ihrer Arbeiter verhindert haben. Die Abwiegelungsplakate aber, welche sie jetzt anschlagen, verfehlen ihren Zweck vollständig.
Im Kanton Zürich haben die Mitglieder des Grütlivereins und der sozialdemokratischen Partei der Schweiz nunmehr die Sammlung von Unterschriften zur Volksiniziative für Reform der zürcherischen Kantonalbank in die Hand genommen. Die Initiative verlangt:
1. Wahl des Bankrathes durch das Volk anstatt wie bisher durch den Kantonsrath.
2. Ausgabe von Hypothekenbankscheinen, durch reale Werthhinderlage gedeckt, in Abschnitten von 100, 500 und 1000 Fr., vorläufig zu Fr. 3,65 vom Hundert verzinslich und unverzinsliche in Abschnitten von 5, 10 und 20 Fr., beide sollen bei den öffentlichen Kaffen als obligatorisches Zahlungsmittel angenommen werden.
3. Ausdehnung des Hypothetarkredits auf Produkte und Waaren die Kantonalbank hätte je nach Bedürfniß
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in allen Bezirken Depots zu errichten, Waaren, Produkte, Lebensmittel, Fabrikate bis höchstens zu zwei Drittel des Schatzungswerthes zu belehnen und unter gewissen Bedingungen auch deren Verkauf zu besorgen." Von diesen Forderungen hat namentlich die zweite seitens der in Zürich weilenden deutschen Sozialisten starken Widerspruch erfahren. Auch unter den schweizerischen Sozialisten ist man, wie die Arbeiterstimme" mittheilt, getheilter Meinung über die praktische Durchführbarkeit und den allfälligen Werth dieser Maßregel. Es ist nicht Sache des" Sozialdemokrat", in die internen Angelegenheiten der schweizerischen Sozialdemokratie sich einzumischen, indeß glauben wir aus mehrfachen Gründen wenigstens von der obigen Thatsache Akt nehmen zu müssen.
Aus Frankreich . Die Egalité, welche im Herbst vorigen Jahres zu Gunsten der„ Emanzipation" eingegangen war, erscheint seit dem 10. Dezember auf's Neue unter der Redaktion von Jules Guesde , Paul Lafargue , Gabriel Deville u. s. w. Die Arbeiterpartei besitzt nunmehr zwei Wochenblätter, welche sich sehr gut ergänzen können und hoffentlich gute Kameradschaft halten werden, unbeschadet gewiffer Differenzen über die einzusch lagende Taktik der Partei, wie sie bereits auf dem Kongreß von Reims sich zeigten. Die erste Nummer der„ Egalité" enthält u. A. einen Artikel von Paul Lafargue über die deutsche Sozialdemokratie, in welchem es am Schlusse heißt:
„ Eine Partei, welche wie die deutsche Arbeiterpartei unter der Verfolgung nur ihre Kräfte vermehrt, beweist, daß sie fähig ist, die politische Macht in die Hände zu nehmen. Die wirthschaftliche und politische Lage Europa's und Amerika's ist sehr unsicher. Die allgemeine wirthschaftliche Krisis, welche die Bourgeois Dekonomisten bereits vorausfühlen,*) wird
*) In dem Augustheft der ,, Revue des deux mondes " hat ein Herr Cucheral- Clarigny einen bemerkenswerthen Artikel über die finanzielle Lage veröffentlicht; er weissagt eine finanzielle Krisis; der„ Economist " erwartet sie noch vor Ablauf der nächsten zwei Jahre. Diese Geldkrisis wird lediglich der Vorläufer der allgemeinen Krisis sein." Können sich verschiedene Leute ad notam nehmen.
Rückschrittes, sondern des Fortschritte 8; sie zu beneiden zu bekämpfen oder mit der Autorität der Kirche oder Regierung in einen Topf zu werfen, ist blos Sache der Ignoranz und derjenigen, welche selbst gern Autoritäten sein möchten, der verkannten Genies.
Die Arbeiterklasse hat die geistige Autorität ebensowenig zu fürchten, als die der von ihr selbst eingesetzten Regierung.
Die Abschaffung der Regierung und des Staates sind nicht die erste That des proletarischen Regimes, sondern die letzte Konsequenz desselben. Die Auflösung der verschiedenen Klassen in eine einzige Arbeiterklasse ist nicht das Werk eines Dekretes, sondern langer, mühevoller Arbeit; einer Arbeit, welche wiederholt auf heftigen Widerstand stoßen wird, und die demnach mit der ganzen Macht unterstützt werden muß, die dem Staate eigen ist.
Wir haben in unserem ersten Artikel gesagt: Die Lösung der sozialen Frage durch den Staat bedeutet Selbstmord des Staates. Wir haben weiter gefunden, der Staatssozialismus sei Sozialismus durch die herrschenden Klassen und für die herrschenden Klassen. Jetzt haben wir gefunden, daß ohne die Macht des Staates die soziale Frage nicht gelöst werden kann: aus diesen Prämissen folgt: 1. Es ist die Aufgabe des Proletariats, den Staat nicht zu zerstören, sondern in die Hände zu bekommen. Das nächste Ziel des Proletariats geht dahin, die herrschende Klasse zu werden. Alles andere muß diesem Zweck untergeordnet werden. Politische Macht haben wir vor allem zu erstreben, wirthschaftliche Verbesserungen nur in soweit, als sie der Erreichung dieses Zieles nicht im Wege stehen. In den meisten Fällen fördert die materielle Besserstellung des Arbeiters auch seine Unabhängigkeit. 2. Die Herrschaft des Proletariats hat die Durchführung des Sozialismus, der Sozialismus die Auflösung des Staates im Gefolge. Welche Formen das Gemeinwesen nach dieser Auflösung annehmen wird, soll in einem Schlußactikel untersucht werden.
Symmachos.