Erscheint

wöchentlich einmal

in

Zürich ( Schweiz )

Verlag

A. Herter, Hottingen - Zürich Kasinoftraße 3.

Vollendungen

franco gegen franco. Gewöhnliche Briefe

nach der Schweiz kosten Doppelporto.

N: 52.

Der Sozialdemokrat

Zentral- Organ der deutschen Sozialdemokratie

Donnerstag, 22. Dezember.

Avis au die Korrespondenten und Da der Sozialdemokrat" sowohl in Deutschland als auch in Desterreich verboten ist, bezw. verfolgt wird, und die dortigen Behörden fich alle Mühe geben, unsere Verbindungen nach jenen Ländern möglichst zu erschweren, resp. Briefe von dort an uns und unsere Zeitungs- und sonstigen Sendungen nach dort abzufangen, so ist die äußerste Vorsicht im Postverkehr nothwendig und barf teine Vorsichtsmaßregel versäumt werden, die Briefmarder über den wahren Absender und Empfänger, sowie den Inhalt der Sendungen zu täuschen, und letztere dadurch zu schüßen. Haupterforderniß ist hiezu einerseits, daß unsere Freunde so selten

Abonnenten des Sozialdemokrat".

Abonnements werden nur beim Verlag and dessen bekannten Agenten ent­gegengenommen und zwar jum voraus zahlbaren Bierteljahrspreis von: Fr. 2.- für die Schweiz ( Kreuzban Mt. 3 für Deutschland ( Couvert f. 1. 70 für Oesterreich( Couvert Fr. 2. 50 für alle übrigen Länder des Weltpoftvereins( Kreuzband).

Juferate

Die dreigespaltene Petitzeile 25 Gtb. 20 Pfg.

--

1881.

als möglich an den Sozialdemokrat", resp. dessen Verlag selbst adressiren, sondern sich möglichst an irgend eine unverdächtige Adresse außerhalb Deutschlands und Oesterreichs wenden, welche sich dann mit uns in Verbindung setzt; anderfeits aber, das auch uns möglichst unverfängliche Zustellungsadressen mitgetheilt werden. In zweifelhaften Fällen empfiehlt sich behufs größerer Sicherheit Nekommandirung. Soviel an uns liegt, werden wir gewiß weder Mühe noch kosten scheuen, um trotz aller ente gegenstehenden Schwierigkeiten den Sozialdemokrat unfern Abonnenten möglichst regelmäßig zu liefern.

W

Zu Weihnachten.

Er war es nicht, den man als Heiland preist! Er, der zum Himmel fromm den Blick gerichtet; Er lobte Gott und lästerte den Geist, Das Menschenelend hat er nicht vernichtet!]

Was half es auch, schuf er als Ideal Den jammersel'gen, reuzerknirschten Sünder. So starb das Elend nicht, das ohne Wahl, Der Bestie gleich, verschlingt die eignen Kinder. Erwache Volk! Von oben kommt sie nicht Erlösung den gebundnen Erdensöhnen! Wenn nicht der Sklave selbst die Fesseln bricht, So wird er ewig in den Ketten stöhnen!

Genug der Zeit, die thatlos man verlor!

Genug, geächtet Kind der Noth, erwache! Schrei Deinen Feinden laut in's taube Ohr

Das Donnerwort, vor dem sie beben: Rache!"

Millionen Ihr, in Hunger, Kälte, Noth!

Beugt Ihr Euch ewig ihren Lügenschergen? Muth! leuchtend weht das Flammenbanner: Roth! So wagt den Kampf, Ihr Riesen, mit den Zwergen! Exul.

Moderne Saturnalien.

Die Tage der Wintersonnenwende feierte man im alten Rom als das Fest des Saturn, die Saturnalien genannt. Mehrere Tage hindurch durften sich die Sklaven über ihre Lage erheben, durften sie sich einbilden, frei und Herren zu sein. Zur Erinne rung an das goldene Zeitalter", an den Urkommunismus, speisten Herren und Sklaven an denselben Tischen, man belustigte sich gemeinschaftlich, es herrschte Gleichheit. Das Christenthum über­nahm dieses Fest als Fest der Geburt Christi , das heutige

"

Weihnachtsfest.

Im Mittelalter ist es der Tag St. Stephans, de zweite Weih­nachtstag, welcher den Dienstleuten und Leibeignen gehörte. Und war es auch nur ein Tag im Jahre, so war er doch bei der herrschenden Naturalwirthschaft ein wirklicher Festtag: frei von Sorgen durfte der arme Knecht sich tummeln, er durfte seine Mühe vergessen, sich voll und ganz seines Daseins freuen, denn wenn ihm der folgende Tag auch wieder die alte Last, das alte Joch brachte, so war er doch wenigstens ſicher, daß er ihn nicht

auf der Landstraße finden würde.

Wie aber sieht es heute aus? Das Weihnachtsfest, das Christfest findet man noch immer, noch immer singt man dem gläubigen Volke die glückverheißende Mähr: Freuet Euch, denn Euch ist heute der Heiland geboren", die Freude des Festes aber ist heute verschwunden, es ist nicht mehr das Fest der Armen, der Geknechteten, es ist das Fest der Beſtzenden, der Wahl­

habenden, der Reichen.

Frei ist heute der Arbeiter, der Sklave und Leibeigne von ehedem, frei und unabhängig. Kein Herr hat ihm zu befehlen, an keinen Ort ist er gebunden. Und doch ist er schlimmer daran, als der Sklave von ehedem, die Peitsche des Aufsehers fühlt er nicht mehr, aber rastlos ohne Unterbrechung treibt ihn die un­erbittliche Hungerpeitsche an; die Sorge, was wird das Morgen" Dir bringen, gönnt ihm keinen ruhigen Genuß. Die Sorge verkümmert sein Dasein, die Sorge verdirbt seine Feste.

Da hat sich der arme Handwerker geplagt und abgemüht für die Weihnachtszeit, was er nur kann, geschafft, denn sie soll ihn entschädigen für die stetig sich mehrenden Verluste des Jahres; am Vorabend des Festes aber sitt er verzweifelnd unter einem Haufen unverkaufter Waaren, sie sind Plunder, haben keinen Werth mehr, seine Schulden aber sind gewachsen, kein Ausweg zeigt sich ihm. Was nun beginnen? fragt er sich wieder und immer wieder, er zermartert sich den Kopf, für ihn gibt es teine Festesfreude.

-

-

Da ist der Proletarier der Industrie, der vielleicht nach langer Arbeitslosigkeit endlich zum Winter Arbeit gefunden hatte. Jetzt kann er seinen Verpflichtungen wieder nachkommen, jetzt kann er hoffen, sich wieder einen Zehrpfennig zurückzulegen, er arbeitet mit Lust und Eifer, da wird ihm am Vorabend des Festes bei der Auslöhnung im geschäftsmäßigen Stil mitgetheilt: Von Neu­jahr ab wird das Personal reduzirt, Du kannst dann gehen er zudt zusammen von Festfreude ist bei ihm keine Rede mehr. Andere Proletarier in den Zentren der modernen Groß industrie sind so herabgekommen, müssen um solche Hungerlöhne frohnen, daß für sie die Festtage nichts sind, als Tage, an denen fie Zeit haben, sich ihres Elends so recht bewußt zu werden. Wer um die Weihnachtszeit hinausgeht auf die Straßen, der steht glänzende Läden und eine schau- und kauflustige Menge, wer aber hineinsteht in die Häuser, der steht vorwiegend Kummer, Noth und Sorge. Die poetischen Darstellungen des fröhlichen Weihnachtsfestes, welche uns in Büchern und Gedichten entgegen­treten, sie schildern nicht das Weihnachten des Volkes, fie schildern das Weihnachten der Wohlhabenden.

Der Gegensatz zwischen dem Weihnachten der Legende und

dem Weihnachten der Wirklichkeit ist ein so krasser, daß ihn die herrschende Klasse selbst empfindet und sich daher eifrigst abmüht, ihn möglichst zu bemänteln. Auch sie arrangirt ihre Satur nalien".

"

Diese modernen Saturnalien, welche beißende Satire auf die heutige Gesellschaft stellen sie dar! So nüchtern, so praktisch", so geschäftsmäßig wie die Bourgeoisie, so sind auch ihre Weih­nachtsveranstaltungen, vor Allem ihre Christbescheerungen armer Kinder". Da wird vorher am Biertisch, im Bürger: 2c. Verein gesammelt, der Eine übt immer eine sanfte Pression auf den Andern, und dann werden die Kinder der Armen der Stadt oder des Viertels zusammenbestellt, um ihre mehr oder minder zweck­mäßigen Geschenke entgegenzunehmen. Je nachdem die Geber fromm oder aufgeklärt sind, wird ein Choral oder ein Lied ge­sungen, ein Grbet oder eine Ansprache abgehalten, und in dem. selben Tone, wie etwa eine Auktion oder ein Ausverkauf, beginnt darauf die Vertheilung. Kinder sind leicht empfänglich und freuen sich wohl im ersten Moment der Geschenke, je näher sie aber der elterlichen Wohnung sind, um omehr empfinden sie den Cha­rakter dieser Geschenke. Jm elterlichen Hause werden dann die " guten Sachen" beiseite gelegt, das Kind spielt eine Weile mit dem Spielzeug, die Elter sehen schweigend zu, bewußt oder unbewußt werden ihre Gedanken immer bitterer das schöne Fest" endet mit einer grellen Dissonanz.

In den Zeitungen aber schildert irgend ein begeisterter Bericht: erstatter, wie die Kleinen beim Anblick der vielen Lichter auf­gejubelt haben und wie sie dann überglücklich nach Hause ge­stürmt seien, worauf ein Dithyrambus auf den humanen Sinn der Neuzeit, auf das praktische Christenthum 2c. 2c. erfolgt. Das sind die modernen Saturnalien.

Freilich, auch der mittelalterliche Grundherr, der römische Grundbesitzer opferten wenig an den Saturnalien. Die Winter­saat war besorgt, auf einige Ruhetage kam es ihm daher nicht an, während unserer Bourgeoiste bestimmte, festgesetzte Ruhe tage ein Greuel sind. Die Saturnalien und der Stephanstag des Mittelalters waren eben auch nur Mittel, das Volk, den großen Lümmel", einzulullen, aber Herr und Sklave, Feudalherr und Leibeigner standen sich persönlich viel näher, als heute Bourgeoisie und Arbeiter. Ihr Fest trug daher einen all­gemeinen Charakter, und nicht den nackt geschäftlichen.

Es fällt uns natürlich nicht ein, darüber zu klagen, daß es stände, nicht aber die geschichtliche Entwicklung. Wenn wir aber anders gekommen. Was wir anklagen, sind die heutigen Zu­nachweisen, daß die Lettere das Mißverhältniß zwischen den Mächtigrn und Unterdrückten, zwischen Reich und Arm noch zu­gespitzt, noch krasser gestaltet hat, dann zeigen wir damit auch, daß sie den Konflikt seiner Lösung näher gebracht. Der freie" Proletarier der Neuzeit kann nicht wieder zum Leibeigenen, zum Sklaven werden, es bleibt ihm daher keine Rettung, als mit

kühner Faust den Gegensatz zwischen Reich und Arm, den er nicht mildern kann, ganz aus der Welt zu schaffen, die Gleich heit zur Thatsache zu machen. Das Weihnachten der Bour: geoisie ist nur noch eine klägliche Parodie der Saturnalien der Alten, das befreite Proletariat aber braucht keine Saturnalien, denn es wird endlich zur Wahrheit machen, was am Weihnachten die christlichen Priester bisher vergebens versprochen: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!

Briefe eines Achtundvierzigers.

Berlin , 16. Dezember 1881. Die Belagerungszustands- Debatte hat den üblichen Verlauf genommen d. h. im Sande. Der Reichstag , in seiner bekannten Selbstentmannungs­wuth, hat ja dafür gesorgt, daß ihm die Hände gebunden sind und er blos die Rechenschaftsberichte. der Regierungen ,, entgegenzunehmen" hat, ohne das Recht, über die Rechenschaftsberichte auch nur ein Urtheil aus­zusprechen. Da machen sich's denn die Regierungen leicht und bieten zu ihrer sogenannten Rechenschaft Gründe und Behauptungen, so unlogisch, so vernunftwidrig, so fadenscheinig, so offenbar aus der Luft gegriffen, daß man sie wäre es Ernst damit nicht einer Gesellschaft von Schulknaben vorzulegen getrauen würde. Der Reichstag aber muß Alles schlucken er hat sich durch sein famoses Sozialistengesetz ausdrücklich dazu verpflichtet, oder richtiger: sich eigenhändig den Knebel in den Mund gesteckt.

-

-

Die standalösen Thatsachen, die haarsträubenden Brutalitäten, die aus dem infamen Sozialistengesetz herausgewachsen sind, wurden von unseren Vertretern vorgeführt und der Verachtung jedes anständigen Menschen

überliefert. Zu den anständigen Menschen gehörte natürlich nicht der Herr Buttkamer mit den Stallknechtsmanieren, der all diese Polizei­schändlichkeiten für staatsrettende Thaten erklärte. Jedoch unter eifigem Schweigen des Hauses."

Charakteristisch war die Haltung der Fortschrittspartei, die durch den giftigen Syrupredner Hänel zwar das Sozialistengesetz ver­dammen, dafür aber auch den Vorschlag wieder auftischen ließ, man solle das allgemeine Strafgesetzbuch verschärfen und die politischen Straf­paragraphen so einrichten, daß jedes politische Vergehen, jede politische Ausschreitung vom Staatsanwalt und den Richtern gepackt werden könne. Ich bin überzeugt, Bismarck bereut es heute, daß er im Herbst 1878 den Hänel'schen Vorschlag nicht annahm. Dann brauchte er jetzt nicht darüber zu grübeln, wie er das Sozialistengesetz auf sämmt=

tiche Oppositionsparteien anwenden könne. Er hätte sie sämmtlich in der Tasche, die Unterdrückungs- Prozedur würde sich in Form Rechtens vollziehen, durch bezahlte servile Richter statt durch bezahlte servile Poli­zisten, und der Fortschrittspartei, die sich jetzt in dröhnenden Phrasen fittlicher Entrüstung ergeht, würde der Mund erfolgreich gestopft.

Weit auständiger als der große Fortschrittler Hänel bewiesen sich die Sezessionisten Lasker und Braun- unser" Braun, der zwar aus einem Fallstaff noch keine ernsthafte Person, indeß entschieden etwas reputabler geworden ist. Er soll in Leipzig nicht mehr ganz so unmenschlich im Weinvertilgen sein das mag den Grund bilden. Während Herr Laster so tapfer, als eine Lasker'sche ,, Mannesseele" es zuläßt, sein Anathema sit! über das Sozialistengesetz wiederholte, sekundirte Herr Braun den sozialischen Rednern, indem er die schmachvolle Inszenirung des großen Leipziger ( Polizei-) Hochverrathsprozesses" brandmarkte.

-

Die einzige Abwechslung wurde durch den sächsischen Minister des Inneren in die Verhandlungen gebracht. Dieser nervöse Diminutiv­Staatsmann bemühte sich nämlich, in die sonst gerade nicht sehr heitere Materie das komische Element einzuführen, und spielte die Rolle des Regierungs- Hanswurstes mit solchem Glück, daß schallendes Gelächter seine Anstrengungen belohnte.

Einen glücklichen Anlauf in dieser Richtung machte übrigens auch Herr von Buttkamer, als er in seiner Replik auf die Anklagerede Hasenelevers diesem vorwarf, daß er sein Thema nicht von hohen Gesichtspunkten aus behandelt habe. Polizeischweinereien von hohen Gesichtspunkten behandeln Die Jdee ist in der That originell. Ob Herr von Puttkamer die hohen Gesichtspunkte" eines Zuchthauses oder Laternenpfahles meint?

Gegen Hasenclever ist seitens der Fortschrittler und anderer Pseudo­demokraten ein entsetzliches Geschrei erhoben worden, weil er ihnen das Herz für die Sache des Volkes und der Unterdrückten absprach. Unver­schämt!" schrie der wohlerzogene Herr Hänel, und wer hat denn Ihre Leute unterstützt? sekundirte Herr Sonnemann. Das unverschämt" lassen wir dem wohlerzogenen Herrn Hänel das deutsche Volk muß doch wissen, wie gebildet" seine Professoren sind: und was den Herrn Sonne­mann anbelangt, so scheint derselbe sich allen Ernstes einzubilden, die deutsche Sozialdemokratie lebe von den Beiträgen, die einige Mitglieder der Fortschritts- und sogenannten Volkspartei zum Unterstützungsfond

1

gezahlt. Fern sei es von mir, diejenigen unserer politischen Gegner, die ihre Menschenpflicht Opfern des Sozialistengesetzes gegenüber ausgeübt haben, die gebührende Anerkennung zu versagen, Herr Sonnemann darf mir aber glauben: wenn unsere Ausgewiesenen und deren Familien einzig auf diese Beiträge angewiesen gewesen wären, hätten die weitaus meisten von ihnen Hungers sterben können. Daß Herr Sonnemann der Beiträge seiner Parteigenossen in so ostensibler, ja prahlerischer Manier erwähnt, zeigt beiläufig, daß der Takt und das Zartgefühl dieses Herrn im umgekehrten Verhältniß zu seiner Werthschätzung des Geldes stehn. Jetzt einen Punkt, der speziell Sie angeht. Im Lauf der Debatte kam auch auf den Sozialdemokrat" die Rede. Nach den Berichten der Zei­tungen könnte es scheinen, als sei das Parteiorgan von zwei Sprechern der Partei, von Hasenclever und Blos de savouirt worden. Das ist nicht richtig. Es ist wahr, die Genannten haben die Verant wortlichkeit für den gesammten Inhalt des Sozialdemokrat" nicht übernehmen zu können erklärt, das ist denn doch weit entfernt von einem Desaveu.¹) Man wird sich erinnern, daß die preußische Regierung bei mehreren Gelegenheiten die Verantwortlichkeit für den Gesammt= Juhalt des Staatsanzeigers" abgelehnt hat, ohne den offiziellen Charakter dieses Organs zu bestreiten. Ich will nicht bestreiten, daß die Form, in welcher Hasenclever und Blos des Parteiorgans erwähnten, vielleicht geschickter hätte gewählt werden können, indeß im Fluß der Rede findet sich nicht immer die ganz korrekte Form. Ich kann übrigens versichern, daß, um etwaigen Mißverständnissen vorzubeugen, die erste im Reichstag sich bietende Gelegenheit ergriffen werden wird, um den offiziellen Cha­rafter des Sozialdemokrat" zu betonen. Wahrscheinlich wird dies bei der dritten Lesung des Etats sein, wo Liebknecht, der sich bisher in Folge der durch seine Doppelwahl ihm auferlegten agitatorischen Thätigkeit an den Sitzungen des Reichstags so gut wie nicht betheiligen konnte, in der Generaldebatte den Standpunkt unserer Partei zu vertreten den Auf­trag hat.

"

Verbrecher- Album.2)

Ein Richter des Leipziger Hochverrathsprozesses. Unter den in Nr. 47 des Sozialdemokrat" aufgeführten Richtern des Leipziger Reichsgerichts, welche über Dave und Genossen Recht" sprachen, befindet sich ein gewisser Dehnhardt. Dieser Richter", in Stettin unter dem Namen Blutrichter bekannt, war vor der Ein­richtung der neuen Justizordnung in Pommerns Hauptstadt Polizei­richter. Als solcher hatte er über Strafmandate, gegen die Rekurs ein­gelegt wurde, endgültig zu entscheiden; d. h. einfach das Urtheil der Polizei zu bestätigen, denn er ging wie alle Streberseelen von dem Grundsatz aus, was die Polizei thut, das ist wohlgethan, und wenn sie wirklich Unrecht hat, dann darf man dies nicht vor dem Volke zugeben,

1) Nach Einsicht in den stenographischen Bericht können wir das in Bezug auf Hasenklever gelten lassen, nicht aber von Blos, mit dessen Ausführungen wir uns an anderer Stelle beschäftigen. Anm. der Redaktion.

2) Unter dieser Rubrik gedenken wir dem deutschen Volke die Ver brecher, welche in Amt und Würden und unter dem Scheine der Ehrbarkeit Recht und Gerechtigkeit mit Füßen treten, soweit es in unsern Kräften steht, zur Kenntniß zu geben. Wir fordern alle rechtlich Denkenden im deutschen Reiche auf, uns dabei zu unterstützen. Der wahre Beruf der politischen Presse ist es, Ankläger der öffentlichen Meinung zu sein, während diese das Urtheil zu fällen und zu exekutiven hat. Bei den herrlichen Zuständen in Deutschland können diese Anklagen nur vom Auslande aus erhoben werden, die Presse der herrschenden Klassen ist so durch und durch korrumpirt, daß sie die Schurkereien ent­weder noch beschönigt, oder durch Schweigen sanktioniet. Desto ener­gischer muß der Protest der Unterdrückten und ihrer Parteigänger sein.