zu einem anderen Urtheil über die Stellung und Haltung unserer Partei nicht gelangen kann.

Im

Die Abgeordneten unserer Partei werden durch die Thatsache, daß sie ein Mandat besitzen, nicht zu einer Verletzung des Parteiprogramms, nicht zu einer Verleugnung der Parteibeschlüsse berechtigt. Gegentheil, gerade der Besiz des Mandatslegt ihnen erst recht die Pflicht auf, das Parteiprogramm auf das Gewissenhafteste einzuhalten, die Partei­beschlüsse auf das Gewissenhafteste zu befolgen.

Das Partei programm kommt hier nicht in Frage. Es ist von keinem Parteigenossen, sei er Abgeordneter oder nicht, in Frage gestellt worden. Und konnte und kann nicht in Frage gestellt werden, aus dem sehr einfachen Grunde, weil die Anerkennung des sozialdemokratischen Programms die Mitgliedschaft der sozialdemokratischen Partei bedingt. Wer dieses Programm nicht anerkennt, ist einfach kein Sozialdemokrat, habe er ein Mandat oder nicht.

Was in Frage kommt, ist ein Partei beschluß. Der Wydener Kon­greß, welcher die oberste, die maßgebende Vertretung der deutschen  Sozialdemokratie so lange ist, bis ein anderer allgemeiner Parteikongreß tagen wird, hat den einstimmigen Beschluß gefaßt, daß der in Zürich   er­scheinende Sozialdemokrat" das offizielle Organ der deut­ schen   Sozialdemokratie ist. An diesem Beschluß läßt sich nicht rütteln. Möglich, daß der Eine oder Andere, der sich für einen guten Sozialdemokraten hält, vielleicht auch es ist, dies und jenes an der Hal­tung des Sozialdemokrat" auszusetzen hat allein das kann an dem Verhältniß des Sozialdemokrat" zur sozialdemokratischen Partei Deutsch­ lands   nichts ändern. Der Sozialdemokrat" ist und bleibt, kraft Kon­greßbeschluß, das offizielle Organ der deutschen   Sozialdemokratie. Und diese unumstößliche Thatsache muß von jedem deutschen   Sozialdemokraten anerkannt werden.

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Wenn ein deutscher   Sozialdemokrat diese Thatsache in Abrede stellt, so setzt er sich in Widerspruch mit dem vollgültigen Kongreßbeschluß und verletzt diesen. Durch eine solche Verläugnung ist nicht die Stellung des " Sozialdemokrat" zur Partei berührt, sondern höchstens die Stel­lung des Verlängners zur Partei.

Was nun Hasenclever aubetrifft, so wird Ihnen ein Blick in den stenographischen Bericht zeigen, daß derselbe weit davon entfernt gewesen ist, den Sozialdemokrat" zu verläugnen. In dem Brief, den ich Ihnen vergangene Woche schrieb, wurde schon zugegeben, daß einige Ausdrücke in der Rede Hasenclever's glücklicher hätten gewählt sein können, allein Sie selbst haben ja, und mit Recht, gesagt, daß es im Feuer der Debatte nicht immer möglich ist, den treffenden Ausdruck für einen richtigen Gedanken zu wählen. Der einzige Fehler, den Hasen­clever begangen hat, und den er bedauert, ist ein lapsus linguae, eine Unterlassungs sünde, indem er an der Stelle, wo er sagt, daß die deutsche Sozialdemokratie keine Organe habe, vergaß hinzuzu fügen: im Inland. Mit diesem Zusatz ist die Erklärung durchaus

forrekt."

In Bezug auf Blos ist unser Mitarbeiter gleich uns der Ansicht, daß dessen Ausführungen nicht korrekt waren und einer Richtigstellung bedürfen. Wir wissen nicht, ob Blos der obenerwähnten Fraktions­fizzung beigewohnt hat. Ist dies der Fall oder erklärt Blos ausdrücklich seine Zustimmung zu dem betreffenden Fraktionsbeschluß, so ist dieser Zwischenfall für uns erledigt.

Ueber die Fraktionssitung unserer Abgeord neten, in welcher die Stellung zu den staatssozialistischen Plänen Bismarcks berathen wurde, laufen verschiedene Berichte durch die Zei­tungen. Wir können hier nur konstatiren, daß an der prinzipiellen Stel lung unserer Partei, wie sie in der letzten Reichstagssession durch Bebel und Liebknecht, gelegentlich des Unfallversicherungsgesetzes ausführlich dargelegt wurde, nach wie vor festgehalten wird. Unsere Abgeordneten werden den Gegnern nicht den Gefallen thun, sich mit dem bloßen Neinsagen zu begnügen, sondern wie bisher, wo es ihnen zweck­mäßig erscheint, durch passende Amendements die Herren ,, Arbeiterfreunde" zwingen, Farbe zu bekennen. Gelegenheit dazu wird sich bald bieten. Die Jnterpellation Hertling betr. der Fabrikgesetze wird in der ersten Sitzung nach den Ferien zur Debatte kommen, und wird von unserer Seite, wie wir hören, Grillenberger dazu das Wort nehmen. Ferner bereiten bekanntlich die Fortschrittler einen Entwurf auf Aufhebung des Haftpflichtgesetzes vor, und die Regierung wird es sich auch nicht nehmen lassen, ihre Arbeiter unfallversicherungsvorlage auf's Neue zu präsentiren. Bei allen diesen Veranlassungen werden unsere Freunde im Reichstage am Platze sein und verhindern, daß unter der Maste von sozialen Reformen" irgend welcher Humbug dem Volke aufoktroirt wird.

Aus Dresden   wird uns unterm 21. Dezember geschrieben: Die Polizei und Justizschurkereien sind in Sachsen  noch immer an der Tagesordnung. Deutsche   Volksvertreter werden hier wie Vagabonden von Ort zu Ort gejagt und ehrliche Arbeiter werden in's Gefängniß geworfen und von der Polizei geschunden, selbst dann, wenn sogar sächsische Richter ihnen nichts in die Schuhe schieben können. So wurde der Genosse Kayser, nachdem er bereits aus Dresden   aus­gewiesen war, auch noch aus dem ganzen Distrikt unserer Landespolizei­behörde ausgewiesen, damit er sich ja nicht in Pieschen   oder Striesen   auf­halten könne. Unser Kreishauptmann, den während der letzten Hundstage ein toller Hund gebissen hat, und der deshalb zuweilen ſelt­der Raubvögel, einiger Fische, des Rhinozeros und Krokodils darf ge­geffen werden.

Der Mensch verlangt aber nicht nur nach Essen und Trinken, sondern auch nach Sicherheit. Die Herrschaft des Privateigenthums außerhalb der Kommune erzeugt Diebe und Räuber. Der Tallier hat daher das Dorf vor denselben zu bewahren und für sicheres Geleit der Reisenden bis zur nächsten Gemeinde zu sorgen. Zur Sicherung vor schädlichen Thieren dient der Schlangentödter. Wer trotzdem Malheur hat, wird vom Arzt der Dorfkommune geheilt. Zur Gesundheit gehört indeß nicht nur der Arzt, sondern auch Reinlichkeit. Ein Wäscher und ein Barbier sind da, diesem Bedürfnisse zu genügen.

Ist der Mensch satt und sicher, dann erwachen weitere Bedürfnisse in ihm. Er sucht die ihn umgebende Welt zu erforschen, ihre Gesetze zu erkennen, er will wissen. Auch diesem Wissensdrang wird die Ge­meinde gerecht, natürlich in der ihrer Kulturstufe eigenen Weise. Der urwüchsigste Versuch, die uns umgebende Welt zu erklären, ist die Religion. Der Inder ist daher mit einem Brahmanen zufrieden. Neben ihm hat er aber einen Schullehrer für die heranwachsende Jugend.*)

Aber mit alledem ist die Dorfgemeinde noch nicht zufrieden. Sie ver­schafft ihren Mitgliedern Kunstgenüsse, soweit sie für ihre Kulturstufe nur möglich find: Oper, Ballet   und Schauspiel. Die Kommune hat einen Musiker, ein Tanzmädchen und einen- Dichter, der theils selbst bei festlichen Gelegenheiten Gedichte zu machen, namentlich aber Abends, nach der Arbeit, der versammelten Gemeinde die alten Epen und Legenden vorzutragen hat.

Analog dieser Gemeinde wird auch die freie Gesellschaft konstituirt sein. Eine Regierung eristirt in der indischen Kommune nicht. Auch der Dorsvorstand ist nur einfacher Beamter der Gemeinde, dem die anderen Funktionäre beigeordnet, nicht untergeordnet sind. Jedem wird vom Gemeinwesen sein Wirkungskreis bestimmt, für dessen Ausfüllung er ihm wiederum verantwortlich ist. Von einer Anarchie ist keine Spur.

*) So lange die Dorfkommune in Indien   intakt bestand, hatte jedes Dorf seine Schule. Jetzt ist es anders geworden. Die Engländer thun nur äußerst wenig für den Unterricht der Kinder der Weißen und Eurasier ( Mischlinge). Für den Unterricht der Eingeborenen wird so gut wie gar nicht gesorgt. Im englischen   Indien  , welches an 200 Millionen Menschen zählt, besuchten 1858 166,742 Kinder die Schule! Wie bar­barisch und fulturfeindlich ist doch der Kommunismus!

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same Anfälle bekommt, fürchtete, Kayser könne von Dresdens   Umgebung aus die hiesige öffentliche Ordnung und Sicherheit untergraben. Damit Kayser dies nicht schon vor seiner Abreise thun möge, folgten ihm, als er aus dem Kerker entlassen war, stets zwei Mann, darunter der durch seine Frechheit berüchtigte Gendarm Fichtner nach und gingen in jedes Restaurant, ja in jedes Pissoir, welches Kayser betrat, um seine umstürzlerische Thätigkeit zu beobachten. Nahm Kayser eine Droschke, so fuhren sie ihm nach, und als sie durch unsern Parteigenossen, dem die Sache schließlich Spaß machte, einmal mystifizirt wurden und den Ver­folgten aus den Augen verloren, waren sie ganz unglücklich. Der Minister des Innern wird mit diesen ihren unglücklichen Gefühlen wahrscheinlich auch die projektirte Anstellung von 40 neuen Polizisten motiviren, damit fünftig 10 Mann statt nur zwei für solche Spürhundsdienste vorhanden find. Schlimmer noch als Kayser erging es dem Arbeiter Tröger. Derselbe hatte seinem Schwager den Sozialdemokrat", den er mit jenem abonnirte, zugesandt, im vollen Bewußtsein, damit etwas durchaus ge­setzlich Erlaubtes gethan zu haben. Aber das Gesetz schützt nicht vor polizeilichen Brutalitäten. Die von Tröger versandte Nummer wurde auf der Post gestohlen und an die Polizei abgeliefert. Darauf wurde bei Tröger eine große Haussuchung gehalten und derselbe, als er eben zur Arbeit gehen wollte, verhaftet und in's Polizeigebäude geschleppt. Dort wurde er mit Vagabonden zusammengesperrt und seine Taschen nochmals visitirt. Bei diesem Geschäft schrie der Kommissär Paul, welcher sich in Gesellschaft gern als anständiger, fast gebildeter Mann aufspielt, im Amte aber seinen wahren Charakter zeigt, den Gendarmen zu: Habt Ihr ihn schon untersucht, ob er Läuse hat?" Ueber diese Rohheit einem anständigen Manne und politisch Sistirten gegenüber errötheten selbst die gemeinen Gendarmen. Nachher wurde Tröger an die sogenannte Justiz abgeliefert, welche ihn bereitwilligst ein­sperrte und eine Untersuchung" begann, um den Gefangenen in Haft behalten zu können. Die Untersuchung dauerte vier Wochen, wäh rend derselben blieb Tröger seiner Familie entzogen, konnte derselbe kein Brod verdienen und wurde als Verbrecher eingesperrt gehalten. Vorige Woche endlich fand die Verhandlung gegen ihn statt, und er mußte selbst­verständlich freigesprochen werden, da absolut nichts Strafbares auf ihn zu bringen war, ja von der Amtsanwaltschaft etwas Strafbares nicht einmal als vorhanden behauptet werden konnte. Und deshalb vier Wochen Untersuchungshaft, während eine hiesige Bour­geoisehefrau, welche wegen Verleitung zum Meineid ein Jahr Zuch t- haus erhielt, sowohl vor als nach der Verurtheilung frei herumläuft. Einer unserer Untersuchungsrichter, welche solche Streiche verüben, hat übrigens bald ausgespielt. Der Assessor Dr. Flech sig, sehr gesin­nungsverwandt mit dem im Zuchthause fizzenden   Chemnitzer Assessor Dr. Böhmert, hat, wie dieser, Schulden halber Unterschlagungen im Amte ge­macht, und wenn die Sache auch bis jetzt noch vertuscht wird, dürfte sie doch bald durch die Uneinigkeit der juristischen Spizbuben untereinander an's Licht gezogen werden.

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Kanaillen! Genosse D. Lehmann in   Pforzheim, den Polizei und Bourgeoisie in edlem Bunde systematisch um seine Eristenz zu bringen bestrebt sind, war vor Jahresfrist von dem Sozialrevolutio­när" Christian Mayer denunzirt worden, daß er der   Zürcher Rich­tung angehöre und den Vertrieb des Sozialdemokrat" sowie verschiede­ner verbotener Flugblätter geleitet habe. Am 10. Dezember fand nun vor der   Karlsruher Strafkammer die Verhandlung statt, in welcher " Zeuge" Mayer, nachdem er den Eid geleistet, behauptete, daß er von dem Angeklagten nichts wisse, er habe damals verschiedene Angaben nur deshalb gemacht, um vor den ungebührlich in ihn dringenden Polizeiorganen Ruhe zu haben. Er konnte sich der theilweise ver­lesenen Angaben entweder nicht mehr erinnern oder stellte sie ganz in Abrede. Die Zeugen Polizeikommissär Häußer, Kriminal- Sergeant Stier und Gendarmeriewachtmeister Guggenbühler von Pforz heim konstatirten, daß Mayer damals selbst wegen nachgewiesener Ver­breitung verbotener Schriften verhaftet, verschiedene Angaben über den Angeklagten freiwillig gemacht habe, daß aber sie selbst bei der eifrigsten Nachforschung keine dem Angeklagten zur Last zu legende Spur entdeckt hätten; Polizeikommissär Häußer betonte ausdrücklich, daß er den Angeklagten als soliden und anständigen Mann kenne.

Herr Staatsanwalt Arnold von   Pforzheim führte kurz aus, daß er zwar nicht glaube, daß der Angeklagte so unschuldig sei, wie er sich hinstelle, indem derselbe Hauptführer der Sozialdemokraten in  Pforzheim sei, da jedoch ein Beweis nicht erbracht sei, so sei nur der angeführte Brief nach   Neuenbürg in Betracht zu ziehen, er erblicke darin eine strafbare Handlung und wenn der Gerichtshof derselben Meinung sei, beanspruche er eine angemessene Gefängnißstrafe.

Der Vertheidiger des Angeklagten beantragte nach kurzer, der Beweis­aufnahme entsprechender Vertheidigung Freisprechung.

Nach halbstündiger Berathung, während welcher das zahlreich anwesende Publikum auf Freisprechung wettete, wurde das Urtheil verkündigt, das auf 5 Monate Gefängniß lautete. In den Gründen ist hervor­gehoben, daß zwar dem Angeklagten eine direkte Verbreitung nicht nachgewiesen werden könne, derselbe sei aber früher hervor­ragendes Mitglied, sogar Vorstand der   sozialistischen Partei, des verbote­nen Arbeitervereins, Gewerkvereins 2c. 2c. gewesen, habe eine Wirthschaft gehabt, in welcher die Sozialdemokraten verkehrten, somit sei mit Be stimmtheit anzunehmen, daß er um die Verbreitung

Sowie jede Familie verpflichtet ist, den ihr zugewiesenen Grund und Boden nach den Vorschriften der Gemeinde zu bebauen, so ist auch jeder Funktionär verpflichtet, sein Amt gewissenhaft zu verwalten, ebenso gewissenhaft, als es heute ein Beamter verwalten muß. Blos die anar­chische Willkür der Regierung, den Beamten im Interesse der herrschenden Klassen zur Unterdrückung des Proletariats zu benutzen, fällt weg, und ebenso die anarchische Willkür jedes Besitzenden, seine" Leute nach Be­lieben zu benutzen und auszubeuten. Jeder hat an seinem Posten im Interesse des Großen und Ganzen zu wirken.

Soweit sind sich die Verhältnisse der indischen Dorfkommune und der sozialistischen freien Gesellschaft gleich. Soweit gleichen sich auch die Erscheinungen, welche beide zu Tage fördern.

Aber die historische Entwicklung hat Verhältnisse geschaffen, die der indischen Dorfgemeinde unbekannt sind, die jedoch von der freien Gesell­schaft der Zukunft nicht ignorirt werden dürfen. Es wäre demnach Wahnsinn, die letztere ganz auf dem Fuße der ersten einrichten zu wollen. Das Gemeinwesen hat die Produktion zu organisiren. Wie ganz anders als in der Dorfkommune muß sich aber diese Organisation heutzutage gestalten, angesichts der kolossalen Entwicklung moderner Technik. Die Arbeitstheilung erstreckt sich nicht mehr auf einzelne Personen, nicht ein­mal auf einzelne Gemeinden, nein, auf die ganze Nation, ja auf den ganzen Kreis der Nationen, die der modernen Kultur angehören. Soll die Waarenproduktion beseitigt und an ihre Stelle wieder die Erzeugung von Gebrauchswerthen gesetzt werden, so müssen auch, wie in der Familie oder der indischen Gemeinde, sämmtliche Arbeitszweige wieder vereinigt, unter eine höhere Einheit gebracht werden. Dies ist nicht möglich innerhalb der Kommune oder Gruppe, sondern nur innerhalb eines größeren Kreises. Diesen größeren Kreis bietet uns die historische Ent­wicklung, welche die provinzielle Abschließung beseitigt hat, in der Nation, mit dem Hinweise auf die kommende Vereinigung der Nationen zu einer noch höheren Einheit. Nur auf nationaler Grundlage, mit Beseitigung der nationalen Abschließung, kann die freie Ge­sellschaft die Produktion organisiren.

Und wie mit der Produktion, ist es mit Kunst und Wissenschaft. Die freie Gesellschaft tommt mit einem Schullehrer und einem Brahmanen nicht aus, die Kommune hat aber namentlich, wenn der Dualismus von Stadt und Land verschwunden ist, unmöglich die Mittel, ihren Mit­gliedern alle Hilfsmittel der modernen Wissenschaft, Hochschulen, Labora­torien, Sternwarten, medizinische und agrikulturelle Versuchsstationen,

der verbotenen Schriften wisse, daß sie sogar von ihm ausginge und er Andere nur als Werkzeug be nützte u. f. w.

Nach Begründung des Urtheils bemerkte Genosse Lehmann: Jetzt bin ich überzeugt, daß ich umsonst an das Gerechtigkeitsgefühl der Herren Richter appelirt habe, worauf ihm der Präsident unter Androhung sofor tiger Verhaftung Ruhe gebot.

Die Südd. Post", der wir diesen Bericht entnehmen, fügt hinzu, daß sogar von den anwesenden Rechtsanwälten allgemein ausgesprochen wurde, daß hier die Gesinnung und nicht die That bestraft worden sei.

Für die Elenden, welche ihr Richteramt zu so schmachvoller Klassen­und Parteijuſtiz ausbeuteten, haben wir nur das eine Wort, welches wir dieser Notiz voransetzten: Kanaillen! Und wir machen es unseren Genossen in   Karlsruhe zur Ehrenpflicht, dafür zu sorgen, daß die Namen dieser Kanaillen im Parteiorgan gebührend an den Pranger gestellt werden unter dem Motto:

Nieder mit der Kanaille!

Einen alten Schwindel tischt ein Soldschreiber der herr­schenden Klassen in der ,,, arbeiterfreundlichen" Norddeutschen Allgemeinen" auf. Dieser Bursche, der sich Bruno Walden nennt, schreibt in seinem ,, Wiener Briefe":

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Daß ,, der Lurus der Reichen das Brod der Armen" sei, illustriren diese zauberhaft duftigen Gewebe, die eher aus den Händen der Fee Mab, als aus jenen armer Erzgebirglerinnen zu stammen scheinen, und wenn Prinzessin Ypsilanti die interessanteste Braut der Saison, die sich demnächst mit dem Prinzen Philipp von Hohenlohe- Schillingsfürst vermählt sich mit ihrer Spizengarnitur schmückt, so mag sie das Bewußtsein erfreuen, damit sechszig Personen ein Jahr lang Unterhalt gewährt zu haben!

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Nach dieser Salbaderei sollte man wirklich meinen, es sei ein beson­deres Verdienst der interessanten" Prinzessin Ypsilanti, eine so kostbare Spizengarnitur zu tragen. Wenn statt 60 etwa 600 Personen ein Jahr lang für das eitle Frauenzimmer gearbeitet hätten, so wäre sein Verdienst noch zehnmal größer. Daß die 60 Personen statt dieses Lurus sehr nütz­liche Dinge anfertigen und absetzen konnten für die Millionen, die an den nothdürftigsten Kleidungsstücken Mangel leiden, wenn die interessante" Prinzessin Ypsilanti und die übrige fürstliche Sippschaft nicht den Schweiß jener Millionen eingeheimst hätten und noch einheimsten, das genirt so einen Lohnschreiber nicht. Wofür wird er denn bezahlt?

Wenn diese verlogene Darstellung nur innerhalb des herrschenden Ge­sindels verbreitet wäre, wollten wir noch gar nichts sagen, aber leider finden sich im Volke immer noch Dumme, welche auf den Leim gehen und den Schwindel glauben!

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Die fortschrittlichen Hohenzollernknechte haben wieder einmal von ihrem Gößen einen allerhöchsten Fußtritt erhalten. Der geliebte Kaiser   Wilhelm" hat seinem Puttkammer aus Anerkennung über seine Vertheidigung der Wahlschweinereien das Kreuz mit dem Komthurstern des Hausordens von   Hohenzollern" verliehen. Profit Neujahr!

Aus   Hamburg wird uns entgegen einer von uns gebrachten Notiz berichtet, daß der Reichstagskandidat des dritten Hamburger Wahl­freises, Ernst Breuel, nicht zu denen gehört, welche die Erlaubniß erhalten haben, sich wieder in   Hamburg aufzuhalten.

Aus   Oesterreich. Franz   Joseph, der in seinem Leben keinen selbständigen Gedanken zu fassen vermocht hat, ist seit einiger Zeit eifrig bemüht, seinen erlauchten Bruder" Wilhelm, wo er nur kann, zu kopiren. Was dem Hohenzoller   Bismarck, das ist dem   Habsburger Taafe, nur mit dem Unterschied, daß der Erstere Kaiser von Bis­marcks Gnaden ist, Graf Taafe aber Minister von seines Milchbruders Gnaden. Wie Wilhelm der königstreuen" Fortschrittspartei durch Bis­mard Fußtritte verabfolgen läßt, so Franz   Joseph durch seinen Taafe der sogenannten Verfassungspartei. Neulich ist er sogar noch einen Schritt weiter gegangen und flegelte in allerhöchster Person eine Depu­tation der Triester Handelskammer ob der faktiösen Opposition" der Triester Abgeordneten au. Er hatte ja von Wilhelm gesehen, was man der liberalen Bourgeoisie heute Alles ungestraft bieten kann und richtig, die erschreckten Triestiner Abgeordneten betheuerten hoch und heilig, daß sie durchaus keine Aufrührer", sondern gute und getreue Unterthanen Sr. Majestät seien, und der Eine von ihnen legte sogar verzweifelnd sein Mandat nieder. Und so etwas nennt man Volks vertreter!

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So sicher er sich aber gegenüber der Bourgeoisie fühlt, um so größere Furcht hat Franz   Joseph vor dem arbeitenden Volke. Daß er bei der Beerdigung der Verunglückten des Ringtheaters die Truppen konfigniren ließ, ist bekannt. Die Stimmung in den Massen war auch eine so drohende ge­worden, selbst der Philister rebellirte, daß nicht viel am Ausbruch eines offenen Aufstandes fehlte. Zum Glück für die Oberen hält die Erregung des Philisters nicht lange vor, und seit nun gar Franz   Joseph angeordnet hat, daß an der Stelle des Ringtheaters eine Schule gebaut werden soll, ist er ganz aus dem Häuschen über den ,, guten Kaiser". Denn ,, Bildung muß sein!" Der Abgrund von Korruption und Gevatterschaftsunwesen, den der Feuerschein des brennenden Ringtheaters so grell beleuchtete, daß er selbst dem blödesten Auge sichtbar wurde, ist wieder vergessen, und die großartige Untersuchung, von der Anfangs geschwefelt wurde, wird mit der Abschlachtung einiger untergeordneter Opferlämmer zur

Museen, Bibliotheken 2c. zu bieten. Dieß kann wiederum nur die Nation. Und nur die Nation vermag es, die Kunst auf der Höhe zu halten, welche sie erflommen, und sie weiterer Vervollkommnung entgegenzuführen.

Es wäre absurd, von der indischen Kommune zu verlangen, sie solle ein Etablissement nach Art des Borsig'schen einrichten und die hiezu nöthigen Maschinen und Rohstoffe selbst liefern. Es wäre absurd, von ihr zu zu verlangen, sie solle Eisenbahnen zu den Nachbargemeinden bauen und im Betriebe halten; es wäre absurd, von ihr zu_ver= langen, sie solle eine Universität mit allen nöthigen Hilfsmitteln errichten, und ein Theater, sowie eine Kunstgallerie allen Anforderungen der modernen Kunst gemäß ausstatten. Ebenso absurd, als diese Forderungen aber ist es, die Kommune als die Basis der freien Gesellschaft hinzustellen. Nicht die Kommune, sondern die Nation wird die Basis derselben bilden. Weder die Judi­viduen, noch die Kommunen werden nach Belieben so viel von ihrer Freiheit an die Nation abzugeben haben, als sie es zu ihrem Wohl­befinden für nöthig erachten, sie werden nicht eine freie" Föderation mit einem modernen contrat social*) bilden, sondern die Nation wird den Kommunen und Individuen so viel Freiheit geben, als sie zu ihrem eigenen Wohlbefinden für nöthig erachtet. Nicht das Wohl des Einzelnen, nicht das Wohl der Gemeinde, das Wohl der Nation wird der höchste Zweck der freien Gesellschaft sein, dem sich alles andere unterzuordnen hat. Salus reipublicæ suprema lex esto.

Die freie Gesellschaft wird eine Föderation von Nationen und nicht von Gruppen oder Kommunen sein, deren Produktion nicht dem freien Belieben und der freien Gruppirung oder der sozialen Attraktions­kraft überlassen sein, sondern unter der Leitung einer wohlorganisirten Verwaltung stehen wird.

Die Beseitigung des Staats, die Entwicklung der freien Gesellschaft bedeutet also nichts weniger als eine Konzession an die Anarchisten. Symmachos.

*) Gesellschaftsvertrag.