march'sche„ Schutz der nationalen Arbeit"? Die Antwort lautet, daß derselbe eine kleine Gruppe von Besitzenden bereichert, einem Theile der Arbeiter nichts nützt, der großen Masse aber enorm schadet. Und wer das den Arbeitern verschweigt, oder ihnen gar Anderes sagt, ist ihr Feind.
Reklame für Gambetta . In demselben Augenblick, wo der ehemalige Volkstribun sich mit jedem Tage deutlicher als herrschfüchtiger Intriguant herausstellt, die höchsten und einflußreichsten Stellen an notorische Gegner des Republikanismus vergibt, das Oberkommando der Armee einem Miribel und Gallifet ausliefert, wo der Arbeiterfreund" von 1869/70 hente den Vertreter des Gard - Departements, der für die Arbeiter seines Bezirkes nur dasselbe forderte, was Gambetta einst vom Kaiserreich verlangt hatte, nicht einmal eine Audienz bewilligt, hält es die Frankfurter Zeitung " für zweckmäßig, einer schamlosen Reklame für diesen gewissenlosen Abenteurer Thür und Thor zu öffnen. Ein Individuum, welches sich rh. zeichnet, leistet in dem„ demokratisch republikanischen" Blatte u. A. folgenden Panegyritus:
Soweit ein Urtheil bis jetzt möglich ist, hat der Staatsmann Gam betta nur uneingeschränktes Lob verdient. Die verbindliche Art seines Auftretens im Senat, der ihm auch darum bei aller Feindseligkeit eine sehr günstige Aufnahme bereitete, hat dargethan, daß der ehemalige Tribun sehr wohl zwischen Belleville und dem Palais de Luxembourg zu unterscheiden versteht. Seine Entscheidung, die er in der Sache Roustan- Rochefort getroffen hat, beweist des Weiteren, daß ihm Klugheit wie Energie in gleichem Maße zu eigen sind. Ich sage Klugheit, weil ich weiß, daß der Beschluß, Roustan auf seinen alten Posten nach Tunis zurückzuschicken, an so manchen Orten ein großes Lamento hervorruft. Die so thun, reden gewaltig in's Blaue; sie überlassen sich so sehr ihren Gefühlen, daß sie darüber den Kopf verlieren. Von zwölf Pariser Geschworenen haben acht Philister den großen Probereisenden in Verleumdungsartikeln, Herrn Rochefort, freigesprochen warum? Das wissen außer ihnen nur noch ihre Götter, sofern sie solche haben."
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Kann man sich eine größere Nichtswürdigkeit denken? Die Doppelzüngigkeit des Mannes, der vor den Herren Senatoren eine ganz andere Sprache führt, als vor den Wählern von Belleville , wird als ein Aft höchster politischer Weisheit gepriesen. Die Freisprechung Rochefort's, der sich, was man auch sonst von ihm denken mag, um die Geißelung der Schandwirthschaft in Tunis , um die Bekämpfung des von Gambetta gehätschelten Chauvinismus ein wesentliches Verdienst erworben hat, als ein Akt bornirten Philisterthums beschimpft. Und die Redaktion der„ Frankf. 3tg., die sich auf ihre Unabhängigkeit so viel zu Gute thut, hat nicht einmal ein bescheidenes Wort des Zweifels dafür. Es kommt aber noch beffer. Am Schlusse des Artikels heißt es dann über die Thatsache, daß Gambetta durch die Beibehaltung Koustan's als Generalkonsul in Tunis die Spannung zwischen Frankreich und Italien verschärft, den Radikalen einen Fußtritt gegeben hat, schlankweg:
„ Herr Roustan, von Neuem in Tunis , wird dem Faß den Boden vollends ausschlagen; aber der französische Staatsmann hatte hierbei zwischen zwei Uebeln zu wählen, und er hat weise und einsichtig genug sich für das kleinere entschieden. Italien liegt Jenseits der Alpen , aber der Radikalismus steht vor den Thoren; vor ihm auch nur einen Schritt zurückweichen, ihm gegenüber auch nur einen Augenblick in einem Anfall von Schwäche erscheinen, und er rückt vor!"
Der Radikalismus als die Gefahr, der zu entgehen, man es lieber auf einen Krieg ankommen lassen dürfe das in der Frankfurter Zeitung "! Und da sage man noch, daß Gambetta es nicht vortrefflich versteht, Reptilien zu züchten!
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- Noch bei jeder Nachwa hI äußert sich die glänzende Wirkung unserer Wahldemonstration vom 27. Oktober v. J. durch eine Steigerung der sozialistischen Stimmen. Neuerdings hatten wir bei den Nachwahlen in Iserlohn und Luckenwalde - Jüterbock ganz hübschen Zuwachs zu verzeichnen; im 2. Braunschweigischen Wahlkreise, wo bei der Hauptwahl fast gar keine Stimmen für uns abgegeben waren, erhielt bei der letzthin stattgehabten Nachwahl Genosse Bebel über 600 Stimmen. Das ist freilich noch lange nicht die Stimmenzahl, die wir in jenem Kreise früher erreicht hatten, aber es zeigt doch ein kräftiges Wiedererwachen der sozialistischen Agitation. Und das begrüßen wir mit Freuden.
Sozialistische Presse. Der wadere Pionier des sozia listischen Gedankens in Graubünden , der von Genosse Conzett in Chur herausgegebene ,, Volks freund" erscheint seit dem 1. Januar täglich. Wir rufen ihm ein herzliches Glückauf! zu. Aus Budapest erhalten wir die erste Nummer des„ Sozialist". Derselbe erscheint monatlich einmal und vertritt den Standpunkt der Londoner ,, Sozialrevolutionäre". Schon die erste Nummer enthält sehr heftige Angriffe gegen die Arbeiter- Wochenchronit".
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Aus Oesterreich . Bismarck will, um seine Arbeiterfreundlichkeit zu dokumentiren, eine Berufs statistik veranlassen. Wir wüßten noch eine andere Statistik, aus der seine Arbeiterfreundlichkeit noch glänzender erhellen würde, eine solche, wie sie unser Bruderorgan, der ,, Arbeiterfreund" in Reichenberg, für Desterreich angestellt hat: eine Statistik der Verfolgungen und Verurtheilungen.
Aus einer solchen Statistik sieht man am deutlichsten, mit welchem Eifer an der Lösung der sozialen Frage gearbeitet wird. Die Mittel des statistischen Büreaus des„ Arbeiterfreund" sind beschränkt, eine Statistik der Haussuchungen des letzten Jahres zu geben, ist ihm daher unmöglich, denn diese beliefen sich auf viele Hunderte. Leichter wird es ihm, die aufgelösten Versammlungen zu zählen, da in Nordböhmen während des Jahres 1881 überhaupt nur zehn Versammlungen gestattet wurden, von denen vier das Schicksal der Auflösung ereilte.
An Konfiskationen war besonders das zweite Semester 1881 reich. Vom ,, Arbeiterfreund" wurden während desselben konfiszirt, die Nummern 16( zweimal), 17, 20, 21, 22, 23 und 24. Wo solche„ Objektivität" die Regel ist, sind Ausnahmsgesetze höchst überflüssig. Erröthen Sie nicht ob Ihrer Stümperhaftigkeit, Erzellenz Bismarck?
Auch die Verurtheilungen lassen nichts zu wünschen übrig. Die Summe derselben betrug für Oesterreich- Ungarn nicht weniger als 13 Jahre 1 Monat 4 Tage Haft, darunter 6 Jahre 21 Tage Arrest, 1 Jahr 6 Monate Staatsgefängniß und 5 Jahre 6 Monate und 14 Tage Kerter.
Nicht mitgerechnet ist die Untersuchungshaft der Verurtheilten und solcher, welche man blos zum Plaisir eingesperrt hatte, und die man wieder laufen lassen mußte. Die Gesammtdauer derselben ist so groß, daß es auch hier die Mittel des statistischen Büreaus des„ Arbeiterfreund" übersteigt, sie genau anzugeben. Nach einem Ueberschlag haben wir gefunden, daß die Gesammtdauer der Untersuchungshaft unserer unschuldigen" oder„ schuldigen" Genossen in Oesterreich 1881 mindestens ebensoviel betrug als die Gesammtsumme der in den Verurtheilungen ausgesprochenen Strafen.
Wie gut dreffirt die Gerichtsbluthunde auf die Untersuchungshaft sind, ersieht man aus dem charakteristischen Fall des Genossen Perlornigg in Salzburg , der am 21. April verhaftet, des Hochverraths angeklagt, von den Geschworenen freigesprochen, trotzdem aber nicht in Freiheit gesetzt wurde. Denn dem Herrn Staatsanwalt beliebte es, eine Nichtigkeitsbeschwerde einzureichen. Erst als diese vom obersten Gerichtshof verworfen wurde, weil sie vollständig un
begründet war, wurde Perlornigg freigelassen Ende Oktober. Fast ein halbes Jahr lang hatte man ihn ohne jeden Grund, ja, trotz der Freisprechung, in Haft gehalten. Das ist der„ friedliche und gesetzliche Weg", auf dem man den„ berechtigten Forderungen" der Arbeiter entgegenkommt! Wahrlich, es iſt uns unbegreiflich, wie Angesichts solcher Schurkereien denkende Männer noch an eine friedliche Lösung der sozialen Frage glauben können. Unzählige Male haben wir erklärt, daß wir friedliche, gesetzliche Reformen wünschen und jedes Mal war die Antwort darauf ein Faust
der ungleich schwerere, härtere, qualvollere, friedliche Kampf, welcher der Straßenschlacht nothwendig vorausgehen muß, der Kampf, welcher seine Opfer langsam und zollweise hinschlachtet, dieser bewußte, bei kaltem Blute geführte, gewaltige und opferreiche Kampf, nicht weniger des Lobes werth und würdig ist! Hut ab, vor den Kämpfern in Deutsch land !"
ſchlag ins Geficht des Proletariats. Heute noch wit nschen wir fie, Parteigenossen! Vergeßt der Verfolgten
aber wir glauben nicht mehr daran.
Nicht unsere wirthschaftlichen Theorien an sich sind es, welche darthun, wie unvermeidlich die gewaltsame Revolution ist, sondern die Thaten unserer Gegner. Weil wir diese Thaten nicht verschweigen, sondern genau verzeichnen, weil wir sie nicht beschönigen, sondern so darstellen, wie sie sind, darum wirkt unsere Thätigkeit aufreizend, darum ist sie eine Gefahr für die„ Arbeiterfreundlichkeit" Bismarcks und seiner Helfershelfer, denn sie ist vernichtend.
Diese Statistik fortzuführen ist unsere Pflicht und unser Recht. Wir werden nicht eher aufhören, unsere Gegner Schurken zu nennen, als bis sie aufhören, Schurkereien zu be gehen.
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Aus Frankreich . Die Truppen der„ Republik " haben ihre Schuldigkeit gethan, sie haben die Arbeiter eingeschüchtert, und die Unternehmer in ihrem hochmüthigen Verfahren bestärkt: der Streit von Grand Tombe ist zu Ende. Von ca. 4000 Strikenden sind nur noch ca. 200-300, welche in das alte Joch nicht zurückkehren wollen, außerdem entläßt die Direktion noch täglich Arbeiter, von denen sie hinterher ermittelt, daß sie sich irgendwie thätig oder energisch gezeigt, mit einem Wort, daß sie nicht ganz versklavt sind.
Es ist beinahe unfaßbar, daß ein Streik, der auf so allgemeine Sympathien stieß, so schnell verloren gehen konnte; indeß darf man nicht vergessen, daß es zum ersten Male ist, daß sich in diesem Grubendistrikt die Arbeiter gegen die Ausbeuter erheben. Die dortige Bevölkerung stand bisher vollkommen unter dem Einfluß der Geistlichkeit, und zeichnete sich durch religiösen Fanatismus aus, es war daher schon viel, daß die Arbeiter die Pfaffen, als diese sie besänftigen" wollten, mit Hohn heimschickten. Jetzt haben sie sich gefügt, aber nur der Gewalt, im ganzen Distrikte gährt es, und im selben Augenblicke, wo der Streif von Grand Combe zu Ende ist, senden die Arbeiter der benachbarten Werke von Besseges eine Zuschrift an ihre Herren, in welcher sie Erhöhung des Lohnes, Abkürzung der Arbeitszeit auf 8 Stunden und Abschaffung verschiedener Mißbräuche verlangen. Sektionen der Arbeiterpartei find an verschiedenen Orten des Distrikts im Entstehen begriffen. In Nimes , der Hauptstadt des Departements Gard , streiken die Posamenteriearbeiter; sie verlangen Wiederherstellung des Tarifes vom Jahre 1878. Jn Bordeaux verlangen die Zuckerbäcker und Eiszubereiter eine Herabsetzung der Arbeitszeit auf 14 Stunden im Winter und 13 im Sommer, aber selbst für diese bescheidenen Forderungen müssen sie erst die Arbeit einstellen. Der Streik der Pianoforte- und Orgelarbeiter von Paris ist fast beendet: von 52 Geschäften haben bereits 40 die Forderungen der Arbeiter bewilligt. Unter dem Dutzend Nichtbewilligern befindet sich auch eine Produktivgenossenschaft. Die ehemaligen Arbeiter haben die Bourgeoisgesinnung schnell
angenommen.
In Brest hat die sozialistische Arbeiterpartei bei der Wahl des Gewerbegerichtes einen glänzenden Sieg davongetragen; ihre Lifte drang vom Anfang bis zu Ende durch. Um gegen die alberne Vorschrift, daß die Mitglieder des Gewerbegerichts über 30 Jahre alt sein müssen, während man bereits mit 25 Jahren Mitglied der Deputirtenkammer sein kann, zu protestiren, hatten die Sozialisten obendrein einen unter 30 Jahre alten Arbeiter als ersten auf ihre Liste gesetzt, dessen Wahl jetzt allerdings für ungültig erklärt werden wird.
- Innerhalb der sozialistischen Arbeiterpartei ist, wie wir zu unserm Bedauern konstatiren müssen, ein Konflikt ausgebrochen, der bereits in den Blättern ,, Egalité " und" Proletaire" deutlich zum Ausdruck kommt. Wir stehen den Verhältnissen zu fern, um ein maßgebendes Urtheil darüber abgeben zu können, auf welcher Seite die größte Schuld an dieser Spaltung liegt, und ob dieselbe nicht hätte vermieden werden können. Fehler scheinen uns auf beiden Seiten gemacht worden zu sein.
Aus Polen . Die Judenheze in Warschau anläßlich des Tumultes in der Kreuzkirche, von der unsere Leser schon durch die Tageszeitungen unterrichtet sein werden, hat wieder einmal gezeigt, mit welcher raffinirten Niedertracht die Beamten des Zaren für die„ Ordnung" arbeiten.
Nachdem die Polizei auf höheren Befehl der Hetze ruhig zugesehen, sie sogar noch befördert hat, werden nachträglich in unerhörter Weise Verhaftungen vorgenommen. Wer aber kann jetzt unterscheiden, in wie weit die Einzelnen der ca. 3000 Verhafteten an den Schreckensszenen vom 25. Dezember betheiligt, wie viele von ihnen den russischen Schergen längst mißliebig und„ verdächtig" waren und nun bei dieser schönen Gelegenheit, wo die Russen als höhere Friedensstifter erscheinen, als„ gute Prise" bei Seite geschafft, unschädlich gemacht werden? Die Nachricht, daß man bei mehreren der Verhafteten den Tschorny Peredjel gefunden, läßt ein solches Vorgehen mehr als wahrscheinlich erscheinen. Wie bei allen Judenhetzen, so sind es auch diesmal vorzugsweise die ärmeren Juden gewesen, gegen welche die Rache der verhetzten Elemente der Bevölkerung sich gewendet hat.
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Aus Rußland . Das Erekutivkomite der„ Narodnaja Wolja " macht bekannt, daß das Attentat Sankowski's auf Tscherewin und die Entwendung von 300,000 Rubeln aus der Kasse des Findelhauses zu Moskau weder auf seine Anordnung, noch mit seinem Vorwissen geschehen sind. In Bezug auf letztern fügt es hinzu:
Nach ihren längst bekannt gemachten Prinzipien läßt die Partei nur die Konfiskation von Regierungsgeldern zu. Was den Raub von Privatkapitalien und besonders die Plünderung von öffentlichen WohlthätigkeitsAnstalten anbetrifft, so sind sie unsern Grundsätzen ebenso entgegen, als sie von der kaiserlichen Büreaukratie gewohnheitsmäßig geübt werden.
Wie jämmerlich schwach sich die russische Regierung jetzt fühlt, dafür liefert einen neuen Beweis, daß sie ihr offiziöses Organ, den Brüsseler ,, Nord" hat eingehen lassen müssen. Die Zarenherrschaft ist im Innern so erschüttert, daß sie das Risiko eines auswärtigen Krieges gar nicht mehr wagt. Jetzt soll die berüchtigte dritte Abtheilung wieder hergestellt werden, um den Staat zu retten. Daß sie seiner Zeit aufgelöst wurde, weil sie den Staat nicht retten konnte, ist nämlich inzwischen vergessen
worden.
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Aus Amerika .„ Die Wahlerfolge unserer Partei sind mit ganz besonderer Begeisterung von den Sozialisten in Nordamerika begrüßt worden, haben dieselben doch das erhebende Bewußtsein, durch ihre Geldſammlungen ein wesentliches Theil mit dazu beigetragen zu haben. An verschiedenen Orten haben Wahlsiegesfeste stattgefunden, auf welchen begeisterte Hochs auf unsere wackeren Kämpfer in Deutschland ausgebracht und neue Sammlungen für Kampf und Wehr vorgenommen wurden.
Der letzte Bericht über eine solche Feier, den wir erhielten, ist aus Chicago , wo Genosse Grottta u in einer schwungvollen Rede die Bedeutung und den Werth der letzten Reichstagswahlen klarlegte. Grottfau schloß mit folgenden Worten:
" Daher sind wir wohl berechtigt und verpflichtet, anzuerkennen, daß, wenn der Freiheitskampf auf den Barrikaden seinen Lorbeer verdient, weil Gut und Blut einer gerechten Sache zur Verfügung gestellt wird,
und Gemaßregelten nicht!
Korrespondenzen.
-Aus dem 3. Hamburger Wahlkreis, im Dezember. Die Wahlen hätten wir hinter uns, und will ich den Genossen in Kurzem einen Bericht über dieselbe in unserm Kreise geben. Mit dem Stand der Bewegung, sowie mit dem Ausfall der Wahl können wir zufrieden sein. Der erste Eindruck, den die Verhängung des Kleinen Belagerungszustandes über die königlich preußische Republik Hamburg machte, ist längst überwunden, die Organisation gefestigt und überall wurde von den Genossen mit Feuereifer agitirt. Es war eine Freude, mit anzusehen, wie zur Wahlagitation die alten erprobten Genossen sich stellten, und keiner sich durch die Möglichkeit der Ausweisung zurückschrecken ließ. Unsere Stimmenzahl haben wir trotz Belagerungszustand behauptet. Zur Stichwahl fehlten uns 20 Stimmen, welche uns von den Gegnern ehrlich gestohlen sind. Am Wahltage wurden an den verschiedenen Orten unsere Stimmzettelaustheiler verhaftet und drei Stunden in Haft behalten. Jeder auf der Straße Agitirende wurde von den Konstablern wohl 5-6 Mal aufgeschrieben zum Zweck der Einschüchterung, einem Genossen wurden zwei Tage vor der Wahl 10,000 Stimmzettel vom Polizeibeamten abgenommen u. s. w. Daß unter diesen Umständen die Wahl unsererseits mit Erfolg angefochten werden könnte, liegt auf der Hand, doch wer soll protestiren? Wer es thut, wird von Weib und Kind gejagt, und da an einen endgültigen Sieg für diesmal noch nicht zu denken ist, so haben wir es vorgezogen, unsere Leute nicht nutzlos zu opfern. Unser Reichstagskandidat E. Breuel steht fest und treu zu uns! Während die Herren Gebrüder Kapell und G. W. Hartmann sich tapfer rückwärts konzentrirten und dafür auch wieder in Gnaden in Hammoniens Arme aufgenommen wurden, antwortete uns unser Vorfämpfer auf die Anfrage, ob er wieder kandidiren wollte, in seiner schlichten einfachen Weise:" So lange Ihr mich haben wollt, stehe ich zur Verfügung." Dafür muß er jetzt aber auch büßen. Während man ihm im vorigen Jahre zwei Mal gestattete, auf kurze Zeit nach Hamburg zu kommen, um nothwendige geschäftliche Angelegenheiten zu erledigen, hat man kurz nach der Wahl ein derartiges Gesuch Breuel's rund abgeschlagen, trotzdem ein ärzliches Attest bezeugte, daß seine Frau brustkrank darniederliegt und trotzdem Breuel's Geschäft unter seiner Abwesenheit furchtbar leidet. Es ist darauf abgesehen, Breuel zu ruiniren; mögen die Genossen das begreifen und dadurch, daß sie nun erst recht bei Breuel kaufen, diesen schändlichen Hieb pariren.
Zum Schlusse noch eine Berichtigung. Der„ Sozialdemokrat" berichtete neulich, daß das Volk von Hamburg- Altona den deutschen Kaiser ausgepfiffen hätte. Dieses ist nicht der Wahrheit gemäß. Die hiesigen Arbeiter, als politisch aufgeklärte und gesetzte Männer überlassen etwaiges Auspfeifen gerne den Schul- und Schusterjungen, sie selbst bleiben aber bei derartigen Gelegenheiten ruhig bei ihrer Arbeit.
X.
Aber
Harburg , 20. Dezember. 3 um Belagerungszustand in Harburg . Der über unsere Stadt verhängte Kleine" scheint von den Fabrikanten dazu benutzt zu werden, die ohnehin schon niedrigen Löhne der Arbeiter noch mehr herunterzudrücken, in der Voraussetzung, daß die Arbeiter sich jetzt noch viel mehr denn frither gefallen lassen. Speziell die hiesige Gummiwaarenfabrik leistet in dieser Beziehung Erstaunliches. Nachdem die meisten der dort beschäftigten Arbeiter bereits mit einer Lohnreduktion beglückt waren, so daß dieselben bei 12stündiger Arbeitszeit nur noch 10-14 Mark verdienen, versuchte man vor Kurzem auch den Akkordtarif in der Zuschneidewerkstatt zu reduziren, und zwar um ca. 333 Proz., ja für einige Artikel gar um 50 Proz. Für diesen Lohn, erklärten sämmtliche Arbeiter( 18 Mann), nicht arbeiten zu können und kündigten. Die Direktion mochte wohl eingesehen haben, daß sie dadurch einen Verlust erleiden würde, denn die Leute sind fast sämmtlich länger denn 10 Jahre dort, entließ hierauf drei bekannte Parteigenossen sofort nach dem Fabrikreglement steht der Direktion dieses Recht zu, während der Arbeiter 14 Tage vorher kündigen muß und dachte, die andern 15 Mann schon bewegen zu können, weiter zu arbeiten. die Herren hatten sich verrechnet. Als die übrigen Arbeiter hörten, daß ihre Genossen entlassen seien, wollten sie ohne dieselben nicht arbeiten, was auch ihre Entlassung zur Folge hatte. Für die also Gemaßregelten gibt sich in Arbeiterkreisen allgemeine Theilnahme kund. Einige von diesen Leuten begaben sich nach Amerika , denn wenn sie einmal verhungern sollen, dann lieber drüben, als im„ theuren" Vaterlande. Von der Furcht der Herren, die Arbeiter möchten sich rächen, zeugt, daß in den nächsten Tagen allabendlich ein Polizist vor der Fabrik auf- und abpatroullirt bat, ja ein Vorstandsmitglied soll sich sogar Abends von der Polizei haben nach Hause begleiten lassen. Aber nicht das Geringste ist vorgefallen: die Arbeiter haben erkennen lernen, daß mit einem Putsche nichts gebessert ist; aber vergessen werden wir diese Herren später auch nicht. Erwähnt sei noch, daß einer der Ressortchess sich geäußert hat, was der Arbeiter über 12 Mark verdiene, sei zum Fenster hinausgeworfen; vielleicht zeigt uns der Herr demnächst einmal, wie man es machen muß, um mit diesem Gelde eine Familie zu ernähren. Hoffentlich werden durch solche Vorgänge die uns noch indifferent gegenüberstehenden Arbeiter zum Nachdenken angeregt und lernen einsehen, was es mit der so viel gepriesenen Harmonie zwischen Kapital und Arbeit“ auf sich hat, und von welcher Partei sie nur allein VorRuprecht. theil erwarten können.
Aus Niederschlesien und der Lausitz . Den auswärtigen Genossen ein, wenn auch nur schwaches Bild über die Parteibewegung in Niederschlesien und der Lausitz zu geben, war längst schon beabsichtigt, doch ließ die voraussichtliche Anhäufung des Stoffes im Organ während und nach der Wahl diesen Wunsch bis jetzt immer noch zurücktreten. Wie überaus erschwert die Agitation in vorwiegend ländlichen Wahlkreisen selbst unter normalen Verhältnissen, besonders aber unter den jetzt herrschenden ist, wird Jedem klar. Hier aber wirken die verschiedensten Umstände zusammen, der Verbreitung unserer Ideen die größten Hindernisse zu bereiten. In den zahlreichen kleinen Städten Niederschlesiens fehlt die Industrie gänzlich, mit ihr der eigentliche Träger des Sozialismus. Ein verknöcherter, die Abschaffung der alten Zunftrechte tief bejammernder und sich an die kläglichen Ueberreste derselben und deren neueste Auflage, die Jnnungen, ängstlich anflammernder Handwerkerstand vegetirt daselbst neben dem behäbigen Ackerbürger, auf dessen Besitzung schon die Urgroßeltern ihr Rindvieh züchteten, und weiß komischer Weise seiner vorhande nen unzufriedenheit nur Ausdruck zu verleihen durch Hinweis auf seine 4 Lehrjahre und sein gezahltes Meister- und Bürgerrechtsgeld. Auf dem Lande jedoch rackert sich der kleine Bauer von früh bis spät und hat sich bis jetzt nur höchst selten zu einer höheren geistigen Thätigkeit aufschwingen können, als zu seinem sonntäglichen Gange in die Kirche und dem landesüblichen Schafskopp", sowie dem Genuß seiner, durchaus nicht fleinen, Quantität Fuselschnaps, der gerade in Schlesien in erschreckender Menge konsumirt wird. Diese häufig ans Stupide grenzende Theilnahmlosigkeit der Bevölkerung, anderseits das Unbemitteltsein des kleinen Häufleins der Genossen, verschärft durch den allgemeinen schlechten Geschäftsgang, wo Jeder nur mit Noth im Stande ist, Leib und Seele zusammenzuhalten, endlich der Druck unserer väterlichen Behörden, die ihren ganzen Apparat, vom Pfaffen und Büttel bis zum elendesten Wische von Kreisblatt herunter, spielen lassen dies sind die Ursachen, daß in unserer Gegend nur wenige Stimmen für die sozialistischen Kandidaten abgegeben wurden. Dennoch aber, als auf der ganzen Linie zum Avanciren geblasen wurde, sind auch wir nicht im Lager geblieben. Wir haben uns mit kühnem Angriff auf den Feind gestürzt und seine Stellung erschüttert. Unser Zentrum bildete Görlig. Hier erhielten wir 300 Stimmen
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