treis betraut hat, als Ventil für die destruktiven Lehren seiner Partei zu benutzen. Von der Rednertribüne der sächsischen Zweiten Kammer herab spricht er und der ihm sekundirende Stab der Gesinnungsgenossen nicht etwa zu den Abgeordneten im Saale, sondern über die Mauern des Ständehauses hinweg zu denjenigen Bevölkerungskreisen, aus denen er Anhänger zu werben hofft. Damit die öffentliche Aufmerksamkeit erregt und dadurch die nöthige Wirkung erzielt wird, werden mit möglichst rücksichtslosen Mitteln Interpellationen inszenirt und Auftritte hervorgerufen von der Art, wie diejenige der Sitzung vom 9. d. Mts. Die stenographischen Niederschriften der sozialistischen Kammerreden, welche durch die Zeitungen in alle Kreise der Bevölkerung verbreitet werden, sind ihnen ein willkommener Ersatz für die durch das Sozialistengesetz unmöglich gemachte Propaganda durch die sozialistischen Zeitschriften und ihre Reden in den Partei- und Volksversammlungen. Offenbar unter dem Impuls des Abgeordneten Bebel tritt daher. die Rührigkeit der so zialistischen Abgeordneten in der diesjährigen Session des Landtages ganz besonders hervor, und jede Gelegenheit wird von ihnen benutzt, um mit möglichstem Eklat ausgestattete Angriffe unter dem Beifall ihrer zahlreich auf den Gallerien versammelten Gesinnungsgenossen gegen die Regierung in's Werk zu setzen."
Folgt eine Jeremiade über die ungerechtfertigten Anklagen gegen die arme preußisch- sächsische Justiz 2c., worauf es am Schlusse heißt: ,, Wenn nun auch die ministeriellen Darlegungen den Ungrund aller jener Anklagen zur Evidenz erweisen( Arme gekränkte Unschuld! Red. d. S.D.), so ist doch die ganze Art und Weise des jetzigen Vorgehens der Sozialisten im sächsischen Landtage dazu angethan, das parlamentarische Leben schwer zu schädigen. Auch die liberalen Blätter erkennen an( Natürlich, weshalb wären sie auch sonst ,, liberal"! Anm. d. Red.), daß der von ihnen angeschlagene, jedes Anstandsgefühles ermangelnde Ton die Achtung vor der Volksvertretung nicht zu erhöhen vermag.( Die Achtung vor der Volksvertretung wird bekanntlich nur durch Bauchrutschen derselben vor der Regierung erhöht.) Trotz viermaligen Ordnungsrufes überboten sie sich in der obenerwähnten Sitzung immer von neuem in Beleidigungen, die in dem Vergleich der Landtagsabgeordneten mit ,, Puppen" ihren Gipfel fanden, und drohten wiederholt mit der Revolution." Dieser Wutherguß des bismarck'schen Leibblattes, das seit einiger Zeit mit einem Eifer, der die Anarchisten zu Thränen rühren muß, gegen das allgemeine Stimmrecht belfert, ist der beste Beweis, daß unsere Freunde ihre Pflicht und Schuldigkeit im vollsten Maße erfüllt haben. Wir quittiren daher Eure Quittung, biederer Pindter!
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Das Geständniß Szimmath's wird aller Wahrscheinlichkeit nach auf das Schicksal des unglücklichen Bünger leider ganz ohne Einfluß sein. Wie sich jetzt hintennach herausstellt hat nemlich das Reichsgericht Bünger nicht der direkten Thäterschaft, sondern nur der Beihülfe zur That schuldig befunden und darauf hin verurtheilt. Würde nun auch selbst anerkannt, daß Szimmath der eigentliche Thäter ist, so wäre die Beihülfe" davon durchaus nicht berührt. Der arme Bünger wird also seine drei Jahre Zuchthaus absitzen müssen- falls er so lange lebt. Das Urtheil des Reichsgerichts erscheint aber jetzt noch weit infamer als zu Anfang. Die Herren hatten offenbar das Bewußtsein erlangt, daß Bünger nicht der Thäter war. Sie würden ihn sonst nicht blos der Beihülfe schuldig gesprochen haben. Und wegen Bei hülfe zu dem Verbrechen der Anklebung eines Flugblattes drei Jahre Zuchthaus! In den Annalen der Justizmorde ist Aehnliches noch nicht vorgekommen. Und ein Justizmord im vollsten und eigentlichsten Sinne des Wortes ist dies, denn das unglückliche Opfer wird nach dem Zengniß seines Arztes die drei Jahre Zuchthaus nicht überleben. Das Leipziger Reichsgericht hat ihn faktisch zum Tode verurtheilt, zu der, nun auch in Deutschland eingebürgerten, trodenen Guillotine.
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Die Gerichtstomödie in Posen hat, wie vorauszusehen war, mit einer Verurtheilung unserer Freunde geendet. Für das Verbrechen, unter den polnischen Arbeitern die Lehren des Sozialismus verbreitet, dieselben zur Wahl von Sozialisten in den Reichstag , zur Bildung einer geeigneten Wahlorganisation aufgefordert zu haben, sind unsern Genossen Strafen auferlegt worden, wie sie eben nur der politische Gegner, der gefügige Streber, nicht aber der unparteiische Richter verfügen kann. Zu diesem Zweck mußte bei den Hauptübelthätern der berüchtigte§ 130 herhalten. Um den Schein der Unparteilichkeit zu wahren, wurde einer der Angeklagten, Genosse Goryczewski, freigesprochen. Verurtheilt wurden dagegen: Wrocislaw Truszkowski zu 2 Jahre 9 Monaten Ges fängniß und 3 Monaten Haft,
Em. Janiszewski zu 2 Jahren Gefängniß und 2 Monaten Haft,
Stanislaw Mendelssohn zu 1 Jahr 8 Monaten Gefängniß und 3 Monaten Haft,
Marie von Jankowska zu 3 Monaten Haft, Bujakiewicz zu 5 Monaten Gefängniß, Kosobuski zu 1 Monat Gefängniß.
Von Rechts wegen!
Die Haltung unserer Genossen war eine vorzügliche. Da die Herren Rechtspfaffen dies nach dem Verhalten derselben während der Untersuchung voraussahen, so gaben sie strengen Befehl, keinen Arbeiter als Zuhörer zuzulassen. Ein Genosse schreibt uns darüber:
„ Nicht allein Adel und Pfaffen sind als Zuhörer vertreten, sondern auch die Bourgeoiste, indem Karten ausgegeben werden, wie zu einer Vorstellung. Alles dagegen, was nach Arbeit riecht, hat keinen Zulaß. Zwei Genossen wandten sich an einen der Vertheidiger mit der Bitte, Mendelssohn aufmerksam zu machen, daß er den Präsidenten ersuchen möge, auch Arbeitern Einlaß zu gewähren, da der Zuhörerraum immer nur halb gefüllt sei. Dieser Herr schlug es aber ab mit der Erklärung, es läge vollständig im Belieben des Präsidenten, die Karten so zu vertheilen, wie es ihm passe.( Da rede noch Einer vom„ Rechtsstaat".) Besagte Genossen wurden bei dieser Gelegenheit vom Polizeikommissar Kettner im Zeugenzimmer befragt, was sie seien. Auf die Antwort: Zigarrenarbeiter, brüllte besagter Hallunke sie an, daß sie sich sofort entfernen mögen, da Befehl gegeben sei, keinen Zigarrenarbeiter einzulassen.( Besagter Kettner ist überhaupt als grober Flegel allgemein bekannt.) Nicht allein uns, die wir als Sozialisten bekannt sind, geht es so, überhaupt alle Arbeiter werden von den elenden Polizeiseelen, welche das Gerichtsgebäude anfüllen, durch Grobheiten aller Art gezwungen, dasselbe zu verlassen. Die Wirkung dieser ebenso feigen wie dummen Maßregel ist ausgezeichnet. Im nächsten Briefe mehr.
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Der alte Rothe.
Einer der größten Schwaz michel unter den fortschrittlichen Schwatzmicheln par excellence ist Herr 2nd wig Löwe, einstmalen Sozialdemokrat, jetzt auf wirthschaftlichem wie politischem Gebiete ein Reaktionär wie er im Buch steht. Am 13. ds. hielt er in seinem Wahlkreis( dem ersten Berliner ) eine Rede, die ein„ Rechenschaftsbericht" über die vergangene Reichstagesession sein sollte, in Wirklichkeit aber eine Reklame für die Fortschrittspartei nebst obligater Selbstberäucherung war. Bei dieser Gelegenheit erklärte der Ex- Sozialdemokrat, anknüpfend an die verunglückte Ukas- Debatte vom 24. Januar:
„ Die Fortschrittspartei stehe jederzeit auf dem Boden der Verfassung, und wenn sie eifrig bemüht sei, die dem Volke durch die Verfassung garantirten Rechte zu wahren, so habe sie auch stets mit vollster Gewissenhaftigkeit die Rechte der Krone respektirt. Gerade die Reaktionäre im protestantischen wie im katholischen Lager seien es, welche die Rechte der Krone zu Gunsten des Papstes opfern wollten. Jeder Preuße betrachte die Krone als die Garantie der Stabilität; der Monarchismus sei bei allen Preußen gleichmäßig zur unerschütterlichen Tradition geworden. Dagegen
aber lebe in dem deutschen Volke auch mehr, als in jedem anderen, das starke Verlangen uach Unabhängigkeit des einzelnen Individuum 8."
Die Krone die Garantie der Stabilität! Herr Löwe hat offenbar nicht gehört und gelesen, was seit Jahren in Rußland vorgeht. Wenn es ein Land gab, wo die sogenannte„ Krone" stark und„ stabil" war, so war dies Rußland . Und was ist aus dieser stabilen ,, Krone" geworden? Ein elendes Schilfrohr, das vom Wind hin und hergeweht wird, und vom ersten heftigen Windstoß geknickt werden kann! Aber Rußland ist nicht Preußen, sagt vielleicht Herr Ludwig Löwe . Nun wie stand es denn um die preußische Krone 1806 nach der Schlacht von Jena? Wie stand es um die preußische Krone 1848 nach dem 18. März, als Friedrich Wilhelm IV. auf das Kommando des Volkes: Hut ab! vor den Leichen seiner lieben Berliner" das Haupt entblößen mußte und hernach zwischen dem Erzspitzbuben Stieber und dem Erzcharlatan Urban, im Schatten der über ihm geschwenkten schwarz- roth- goldenen Fahnen seinen unvergeßlichen Umzug hielt, der ihn und sein ,, dem Herrn dienendes Haus" fast noch tiefer demüthigte, als jener moralische Fußfall vor den Leichen seiner Opfer, der von Freiligrath so herrlich geschildert worden ist, aber leider noch keinen Maler gefunden hat, obgleich er den Fußfall Heinrich IV. im Schloßhof zu Canossa an packender Tragik übertrifft, und für malerische Darstellung weit besser eignet.
Momentan ist die Hohenzollern - Krone allerdings scheinbar stabil", aber war sie nicht auch stabil vor 1806 und vor 1848? Und zeigt nicht die bloße Thatsache, daß sie im ersten der beiden genannten Jahre nur durch die Gnade eines fremden Despoten, und im zweiten durch die Gnade des bis zur Dummheit gutmüthigen Volkes den Hohenzollern erhalten blieb, mit unwiderstehlicher Logik, daß die Krone der Hohenzollern nicht stabil ist und also auch keine ,, Garantie der Stabilität" sein kann? Jezt ist die Krone" der Hohenzollern auf dem besten Wege, vermittelst der russischen Zustände, die das„ neue Reich" geschaffen, auch dem Loose der russischen Krone zu verfallen.
" Der Monarchismus ist bei allen Preußen eine unerschütterliche Tradition geworden!" Ei, ei! Herr Ludwig Löwe ! Wohl bei Johann Jakoby, dem Republikaner ? Wohl bei Max Dortu , dem hinterlistig geftandrechtelten? Wohl bei den Hunderttausenden preußischen Sozialdemokraten, denen das Sozialistengesetz und der Belagerungszustand längst den letzten Rest von„ Monarchismus" ausgetrieben haben? Es gab eine Zeit, da Herr Ludwig Löwe selbst sich zum Republikanismus bekannte. Es ist aber schon lange her. Er war damals noch kein reicher Fabrikant, noch nicht Regierungs- Kontraktor. Seit er Bourgeois geworden ist, hat er auch den Republikanismus nebst dem Sozialismus abgelegt und ist eine politische Wetterfahne geworden, wie sich das für einen Bourgeois geziemt! Man werfe ihn zu den Uebrigen!
-Aus Sachsen , 17. Febr. Jmsächsischen Landtage fand bei der gestrigen Gefängnißdebatte der Stock so warme Vertheidiger, daß man ihn wohl als eine deutsche Nationalinstitution wird anerkennen
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der fort
müssen, denn für nichts Geringeres vermag sich der indolente sächsische Landtag sonst zu begeistern. Der Ausschußbericht war nur vorsichtig mit dem Stocke herausgerückt. Das Wort Prügelstrafe hat wie Abgeordneter Freytag bemerkte dem Berichterstatter nicht aus der Feder gewollt und er hat es umschrieben. Anders aber die Großbauern, welche den ganzen rechten Flügel der kleinen Kammer beherrschen! Da kam der Abgeordnete May und verwünschte die Humanität, welche den Bauern das Eigenthum nicht genug schütze. Den Baum- und Feldfrevlern gehörten Fünfundzwanzig", das„ Volk" begreife die Nachsicht der Theoretiker nicht, es wolle die Prügelstrafe, sonst werde es zur Lynchjustiz greifen! Daß dieser wackere Volksvertreter die durch Geiz und Habsucht verthierten Kornwucherer u. s. w. unter„ Volk" versteht, bedarf keiner Bemerkung. Dem Herzenserguß des konservativen Bauern schloß sich um die Thatsache der einen reaktionären Masse zu beweisen schrittliche Agitator und Bimetallist Heine aus Leipzig an, der die Humanität verwünschte, weil er einmal einem jungen gebildeten Menschen Verdienst verschafft und alte Kleider geschenkt, und dieser Mensch ihm dafür nicht dankbar sei. Man sehe daraus, daß die Menschen zu Thieren werden und daher auch demgemäß behandelt werden müßten. Nachdem die Volksvertreter so offen gesprochen, rückte auch die Regierung mit der Sprache heraus und sagte, daß allerdings Strafverschärfungen in den sächsischen Anstalten in Aussicht stehen, von zwei Anstalten sei sogar die Prügelstrafe beantragt worden. Der Minister fügte hinzu, daß das Projekt von Straffolonien seitens der Reichsregierung ins Auge gefaßt worden sei; auf Interpellation Liebknecht's hierüber verbesserte er sich aber und sagte, er habe nur das Samoaprojekt überhaupt gemeint. Der Stock in der Schule wurde vom Minister ausdrücklich als nothwendig erklärt, wie sich auch der alters- und geistesschwache Schuldirektor Heger ausdrücklich zur Fahne der Prügelpädagogen bekannte. So schwärmten Alle für den Stock, den übrigens heute auch die„ Dresd . Nachrichten" in einer widerlich rohen Ode besingen, nur die Sozialdemokraten waren auch hier Diejenigen, welche für Humanität und Gesittung eintraten. Genosse Otto Freytag widerlegte gleich zu Beginn der Debatte in glänzender Rede die Behauptung, daß der Strafvollzug in Sachsen zu milde sei, und führte für den Umstand, daß Armenhäusler ins Zuchthaus wollen, die grauenhaften Zustände in unseren Armenhäusern an, wo weder Recht noch Disziplin eristirt und jeder Anstaltsbeamte seine Launen an den unglücklichen Häuslingen auslassen kann, während im Zuchthause doch wenigstens ein gebildeter Direktor und eine strengere, aber geregelte Disziplin vorhanden ist. Welche Milde in Sachsen gegen Verurtheilte geübt wird, dafür spricht das Bild, welches Redner auf Grund genauer Informationen über die Gefangenenanstalt für Frauen in Voigtsberg entwarf. Gerade diese Anstalt ist die einzige, in welcher noch regelmäßig geprügelt wird, obgleich dahin feineswegs die schweren Verbrecherinnen kommen, da dieselben bekanntlich im Zuchthaus untergebracht werden. An der Spitze dieser Anstalt steht ein Geistlicher, und dieser läßt die Prügel an den Frauen durch den Schuster der Anstalt vollziehen.( Privatim wird mir von kundiger Seite versichert, daß der Pfaffe den Exekutionen stets beiwohnt und sich mit teuflischer Wollust an den Prügel- Orgien ergött!) Der Redner wies die Prügelstrafe, welche, ebenso wie die Todesstrafe, stets in Zeiten der Reaktion auf die Tagesordnung kommt, zurück, als der Würde der Menschheit nicht entsprechend. Genosse Bebel schloß sich dem energisch an und führte aus, wie die heutigen sozialen Zustände das Verbrechen großziehen und die heutige Gesellschaft die eigentliche Schuldige ist. Man solle das Recht auf Arbeit anerkennen, dann werden die Ver brecher, und namentlich auch die rückfälligen, sich sofort vermindern. Der Abgeordnete Liebknecht erwiderte dem Minister auf seine brüske Bemerkung, daß der Staat, ehe er an Humanität denken könne, erst die ehrlichen Leute vor Verbrechen schützen müsse", der Staat erfülle diese Pflicht keineswegs, da die Verbrechen sich vermehren. Wenn es den Menschen im Zuchthaus besser gehe als in der Freiheit, so solle die Gesellschaft diesen schrecklichen Zustand beseitigen durch Besserung der sozialen Lage des Volkes. Wenn der fortschrittliche Abg. Heine den Fortschritt der Menschen leugne, sei er im Irrthum. Die menschliche Entwickelung geht vorwärts, sie hat aus dem Thier den Menschen entwickelt, nur unsere verkehrte Zivilisation sucht den Menschen wieder zum Thiere zu erniedrigen. Da man hierauf nichts zu erwidern wußte, schloß diese Debatte.
-„ Frauenloos in Preußen oder Preußische Ge= rechtigkeit" betitelt sich eine im Verlage von E. W. Krebs in Bern erschienene Broschüre, welche wir allen Denen zum eingehenden Studium anrathen, die noch an den Richter in Preußen" glauben. Sie handelt von dem Prozeß der unglücklichen Elise Hessels gegen den früheren Berliner Polizeipräsidenten Wurm b, den allmächtigen Günst
ling Wilhelm's des Mildherzigen. Die Infamie der feilen Regierungspr effe, die Feigheit der berühmten" Advokaten, welche unter allerhand nichtigen Vorwänden die Führung, bezw. Weiterführung des Prozesses verweigerten, die Korruption der Richter, die brutale Nohheit der ,, Wahrer des Rechtes", Staatsanwälte genannt, die schmachvollen Zustände in den Marterhöhlen, auf preußisch„ Gefängnisse", Alles das gelangt in der Broschüre, auf die wir gelegentlich noch zurückkommen, zur lebendigen und aktenmäßigen Darstellung. Wir halten es daher für unsere Pflicht, dieselbe bestens zu empfehlen. Bei Gegnern, in denen das Rechtsgefühl noch nicht erstorben ist, kann sie einen guten Anfang zur Untergrabung des Autoritätsglaubens bilden.
Aus Oesterreich schreibt man uns: Aus dem Lande der Niedertracht eine Niederträchtigkeit zu melden, heißt eigentlich Eulen nach Athen tragen. Wir können deshalb unsern Bericht über den letzten ,, Monstre"-Sozialistenprozeß gegen 31 Genossen, der in Prag am 23. Januar begann und am 4. Februar zu Ende geführt wurde, kurz faffen. Die Schurkerei der österreichischen Behörden wird durch ihre Dummheit begrenzt, so daß es ihnen seit geraumer Zeit nicht mehr möglich ist, sich zu überbieten. Gemüthlich bewegt sich der öfterreichische Bureauschinimel in der altgewohnten Tretmühle, und stolpert von unzählichen willkürlichen Haussuchungen und Konfiskationen und anderen kleinen Diebereien ausgehend, immer weiter zu langwieriger Untersuchungshaft Unschuldiger, zu Gerichtsverhandlungen mit Ausschluß der Oeffentlichkeit, und, geschützt durch diese Heimlichkeit, zu erfundenen Anklagen und Verurtheilungen, die selbst einen Tartüffe erröthen machen könnten.
Auch der letzte ,, Monftreprozeß" bewegte sich in diesem ausgefahrenen Geleise. Die Geheimhaltung der Verhandlung allein schützte Staatsanwalt und Richter vor der Verurtheilung durch die öffentliche Meinung. Ebenfalls ein alter Gaunerkniff war es, eine Majestätsbeleidigungsanklage einzuflechten, um auf diese Weise die Geschworenen auszuschließen, denen man nicht recht traute, trotzdem sie alle Vollblutbourgeois sind. Es wäre der österreichischen Beamtennatur zuwider gewesen, besonders schlau bei der Begründung der Majestätsbeleidigung vorzugehen. Die Anklage gegen 3apotocky, Mottl und Jonata stützte sich in dieser Beziehung auf einige ungünstige Aeußerungen über Alexander II. von Rußland, welche bei der Solidarität aller Herrscher auch auf den Kaiser von Oesterreich bezogen werden könnten! Bravo , Franzl, entwickelst ein rührendes Klassenbewußtsein.
Ebenso alt wie der Kniff mit der Majestätsbeleidigung ist der, den Spießbürger gruseln zu machen, sei es auch in der plumpesten Weise von der Welt. Auch das geschah, der österreichischen Tradition entsprechend, mit möglichster Dummheit. Die betreffende Stelle der Anklageschrift ist zu köstlich, als daß wir sie nicht wiedergeben sollten. Es heißt da:
,, Wie überaus gefährlich aber diese geheime Gesellschaft für den Staat erscheint und welches ihr bis jetzt geheim gehaltenes Endzielist, ergibt sich aus folgenden zwei Fakten: Am 12. Mai 1881, gegen 9 Uhr Abends, wurden von der Thun'schen Gasse auf der Kleinseite aus in die unterirdische Pferdestallung des Hauses Nr. 1/ III, wo sich die Statthalterei befindet, zwei Dynamit- Patronen oder Petarden, eine mit dem glimmenden Zündschwamme, geworfen. Der im Stalle gerade anwesende Kutscher Anton Simunek löschte sofort den Schwamm, und blos der zufälligen Anwesenheit des Kutschers ist es zu danken, daß die höchst gefährliche Explosion jener Petarden verhütet wurde.
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,, Am 7. August 1881, um 4 Uhr Nachmittags, fischte Franz Novak, als er bei den Charwat'schen Mühlen Fische fing, in seiner Fischreuse eine Höllenmaschine, die sogenannte Thomasuhr, heraus, welche Maschine blos bei Attentaten aller Art benützt wird(!) und welche Maschine der Besitzer in die Moldau höchst wahrscheinlich aus Furcht vor Entdeckung geworfen hat. Der obrigkeitlichen Nachforschung gelang es zwar nicht, diejenigen Personen zu eruiren, welche die Petarden geworfen und die Höllenmaschine in die Moldau versenkt haben, so viel wurde aber konstatirt, daß sowohl diese Petarden als die Höllenmaschine mit der geheimen sozialdemokratischen Propaganda im Zusammenhange sind."
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Oweiser Daniel! Man weiß nicht, wer die Petarden und die für Attentate aller Art" so beliebte Thomasuhr gebrauchen wollte- aber auf jeden Fall stehen sie mit der sozialdemokratischen Propaganda im Zusammenhange in welchem, weiser Daniel? Vielleicht in dem, daß man um diese Propaganda zu schädigen, durch Spitzelshand die Petarde dem Kutscher in die Hände spielte?
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Und aus diesem Zusammenhang" schöpft der Staatsanwalt seine Klarheit über die„ bis jetzt geheim gehaltenen Endziele" der Sozialdemokratie!
Kein Wunder, daß Staatsanwalt und Richter wie Schuljungen vor den Angeklagten dastanden, welche sich meisterhaft vertheidigten und die ganze Anklage in ihr Nichts zerfließen ließen.
Thut nichts, der Jude wird verbrannt!
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Wenn auch die Richter zu dumm sind, es zu erkennen, so fühlen sie es instinktiv, und falls sie selbst dazu zu stupid sein sollten, wird es ihnen in Instruktionen von oben eingebläut, daß die Gefährlichkeit der Sozialdemokraten nicht in Petarden und Höllenmaschinen, welche man in Fischreusen versteckt, besteht, sondern in der Kraft ihrer Ideen und der von ihnen vertretenen Arbeiterklaſſe und in der Fäulniß der heutigen Gesellschaft. Das Verbrechen, dessen sich die 31 Angeklagten schuldig machten, bestand darin, Arbeiter und nicht korrumpirt zu sein. Heute ist in Desterreich und anderswo jeder ein strafwürdiger Verbrecher, der nicht ein Lump oder Trottel ist. Nur die allgemeine Korruption und Verdummung kann Desterreich noch retten und darum ist staatsgefährlich, wer dieser Verdummung und Korruption entgegenarbeitet. Wer das einsieht, wird auch die folgenden Verurtheilungen nach ihrem wahren Werthe zu schätzen wissen. Es wurden verurtheilt: Genosse L. Zapotocki, Redakteur des„ Boudoucnost", und J. Rezler zu 18, A. Mottl, Fr. Jonata, Fr. Maraczek, Bol. Pecka zu je 14 Monaten schweren Kerkers wegen Majestätsbeleidigung und Geheimbündelei, L. Kochmann zu 1 Jahr schweren Kerkers wegen Majestätsbeleidigung. Nor b. 3oula, und 19 weitere Angeklagte wegen Geheimbündelei zu verschiedenen Strafen von 10 Monaten strengen Arrest bis zu 1 Monat Arrest.
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Und der Staat ist noch immer nicht ,, gerettet"!
Aus Frankreich . Leider verbietet uns der Raummangel, den vortrefflichen Brief Lawroffs, wie wir es beabsichtigt, im Parteiorgan abzudrucken. Von einer theilweisen Wiedergabe sehen wir gleichfalls ab, nachdem die Hauptstellen des Briefes bereits die Runde durch die deutsche Presse gemacht haben. Ueber die Ausweisung selbst schreibt uns ein Pariser Genosse:
,, Die neue Regierung hat ihre Wirksamkeit in recht würdiger und vielversprechender Weise begonnen. Nachdem gerade ein Jahr verflossen, seitdem der berüchtigte Andrieur die letzte seiner massenhaften Ausweisungsverfügungen erlassen, geschieht das Unerhörte, von Niemand für möglich Gehaltene: die Machthaber der„ Republik " beginnen die Verfolgung der wahren Republikaner aufs Neue! Und zwar ist diese Verfolgung um so schmählicher, als sich in der That die Erklärung des Ministervorsitzenden Freycinet, daß die Ausweisung Lawroffs das Werk des Er- Radikalen& a mbetta sei, zu bewahrheiten scheint, wodurch übrigens die jetzige Regierung, welche an das Werk ihres Vorgängers die letzte Hand legte, nicht ihrer Verantwortung Tedig wird. Der Grund, warum die Regierung die französische Republik neuerdings zum Hausknecht der Monarchie herabwürdigte, liegt in der Sucht Gambetta's, um jeden Preis eine lärmende auswärtige Politik zu machen, eine Sucht, welche dahin führte, daß das durch die unglaubliche Verblendung seiner Regierenden bereits mit dem tunesischen Abenteuer beladene Frankreich nur durch den Sturz Gambetta's einem