leber den sonstigen Inhalt des famosen Revisionsentwurfes ein anderes Mal.
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Dummheit oder Infamie? Die uns unbekannten Herausgeber des Rebell" haben ihr Blatt auf Grund einer in der ,, Neuen Tischler- Zeitung" veröffentlichten Liste sämmtlichen dort verzeich neten Beamten der Zentral- Kranken- und Sterbekasse der Tischler und verwandten Berufsgenossen" zugesandt, eine Maßregel, welche nur geeignet ist, auf die, 7000 Mitglieder umfassende Arbeiterorganisation polizeiliche Chikanen heraufzubeschwören, bezw. der Polizei eine Handhabe zur Anflösung derselben zu liefern. Wenn die Veranstalter durch solch' schlaue Manöver den Geist der Rebellion in Deutschland zu fördern meinen, so find sie arg auf dem Holzwege, wie ein uns zugesandtes Zirkular des Vorstandes der obigen Kasse beweist.
Dasselbe athmet einen geradezu über polizeilichen Geist, der selbst durch die Empörung über das„ Attentat auf die Kasse" nicht entschuldigt wird. Die besorgten Vorstandsmitglieder flüchten sich aus Furcht vor der Polizei freiwillig unter die Fittige derselben, sie hoffen":
,, daß es der Behörde gelingen wird, den Schuldigen zu entdecken und die Motive zu erfahren, welche denselben zu dieser frivolen Handlungsweise veranlaßt haben",
und fordern ihre Beamten auf:
„ Falls es nochmals vorkommen sollte, daß Sendungen von staatsgefährlichen(!) oder ver botenen Schriften oder Drucksachen an die Beamten unserer Kasse gesendet werden, so sind die Sendungen sofort nach Erkennen ihres staatsgefährlichen Inhaltes an die betreffende Polizeibehörde abzuliefern."
Da hört denn wirklich Alles auf. Wir würden einen Verrath an dem deutschen Proletariat begehen, wollten wir diesen Akt erbärmlichster Feigheit nicht energisch brandmarken. Dieser Ukas würde, wenn er wirklich befolgt würde, die Beamten der Tischlerkasse zu einfachen Polizeispiteln herabwürdigen. Man verstehe wohl, es handelt sich nicht nur um verbotene, sondern auch um jede, staatsgefährliche" Sendung, und was ist heute in Deutschland nicht alles staatsgefährlich? Eine Sammelliste für Gemaßregelte, ein Wahlflugblatt u. s. w. u. s. m.
Und sofort der Polizei anzeigen! Warum, wenn Ihr schon so ängstlich seid, begnügt Ihr Euch nicht einfach, die Vernichtung anzuempfehlen? Das sogar wäre schon mehr, als die Polizei verlangt. Aber es ist noch nicht genug. Sofort hinlaufen und je nach Umständen der Polizei einen braven Sozialisten, der das Herz auf dem rechten Flecke hat, an's Messer liefern- Pfui Teufel!
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Noch einmal: Wir mißbilligen das Verfahren der Rebell"-Herausgeber, wir begreifen, daß der Vorstand der genannten Kasse sich dagegen verwahrt, aber wenn diese Verwahrung soweit geht, die deutschen Arbeiter zu Jämmerlingen erbärmlichster Art herabwürdigen zu wollen, dann legen wir im Namen der Arbeiterschaft öffentlich und rückhaltlos Protest dagegen ein, und wir sind überzeugt, unser Protest wird seine Wirkung nicht verfehlen.
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An den Unrechten gerathen. Aus Königsberg theilt uns ein Genosse folgendes beherzigens werthe Stückchen mit:„ Vor kurzem saßen zwei Litthauische Bauern nebst der Tochter des einen in dem Wartesaal des hiesigen Bahnhofs, den nächsten Zug erwartend, um nach ihrer Heimath zu fahren. Während die beiden Männer sich unterhielten, hörte ihnen die Tochter zu. Nach einer Weile trat der dort stationirte Schutzmann Richter, ein ganz elendes Subjekt, ein und näherte sich den Sitzenden. Mit der Hand eine verdächtigende Bewegung nach dem Mädchen machend, fragte er ironisch, ob diese vielleicht die Freudendirne der beiden sei. Der Vater des Mädchens erwiderte ihm, es sei seine Tochter, er möchte sie gefälligst ungeschoren lassen. Ob dieser kecken Antwort eines einfachen Bauern fühlte sich der zum Menschenschinder dres firte Schutzpatron gewaltig an die Ehre gegriffen, er fing einen heftigen Wortwechsel an, der damit endete, daß der elende Schuft den Mann für seinen Arrestanten erklärte und ihn aufforderte, ihm nach dem Polizeibureau zu folgen. Unser Bäuerlein leistete in seiner Unbefangenheit auch gutwillig Folge. Auf dem Bureau angelangt, schloß Richter die Thür hinter sich zu und holte aus der einen Ecke ein in Bereitschaft liegendes Tauende hervor, um damit dem Manne die ganze Schwere seines Amtes fühlbar zu machen. Der Bauer jedoch, von ächt litthauischem Schlage, sah, daß dieses Ding zwei Enden hatte; ehe Richter noch beginnen konnte, es zu handhaben, setzte jener es schon auf des Gegners Kopf und Rücken in Bewegung, und bald konnte man draußen ein dem Gebrüll eines Esels ähnliches Geschrei vernehmen, denn der„ Engel des Schußes" hat eine ziemlich versoffene Kehle. An diesem Frühstück hat er sich nun ziemlich den Magen verdorben und wird wohl für die Zukunft den Appetit auf derartige Erquickungen verloren haben. Gut wäre es, wenn allen Geistesverwandten des edlen Dieners der Ordnung stets in gleicher Weise heimgezahlt würde, denn von den Brutalitäten, welche sich diese Gesellschaft hinter verschlossenen Thüren erlaubt, dringt nicht der zehnte Theil in die Oeffentlichkeit. Und wo auf Staatshilfe nicht zu rechnen ist, da heißt es: Es lebe die, Selbsthülfe"!
Ein Denunziant. Aus Krimmitschau schreibt man uns: Nach erfochtenem Siege der Sozialisten wünscht die löbl. Polizei in diesem preußischen Sachsen regelmäßig einen Sündenbock zu haben, und einen solchen zu suchen, hatte dieselbe diesmal nicht nöthig, indem ein gewiffer Spinner Klingner, in Leitels hain bei Krimmitschau wohnhaft, ihr bereitwilligst zuvorkam und den Genoffen Ernst Emil Klötzer in Krimmitschau denunzirte, er habe verbotene Schriftenverbreitet, Majestätsbeleidigungen ausgestoßen und sogar eine Kiste erhalten, worin sich Dynamit befunden habe, um damit das Reichs tagsgebäude in Berlin , sowie den Vereinshof und Kürzel's Fabrik( die Fabrik des Kandidaten Kürzel, welcher mit Stolle in Stichwahl kam) in die Luft zu sprengen.( Huhuhu-!- mitjammt dem„ redlich Erworbenen"??)
Nach erfolgter Denunziation von Seiten dieses Klingner wurde Klötzer sofort verhaftet, gleichzeitig aber von 5 Polizeidienern nebst 1 Gensdarmen behaussucht und das Resultat war Nichts. Damit aber die Anflage recht großartig in's Werk gesetzt werde, erhielt dieser Klingner von seinem Arbeitsherrn, mit Namen Pfau( ein geistvoller" Bierpolitiker renommirtester Sorte und ein ,, an ständiger Mann", das Reisegeld der besonders das schöne Geschlecht hoch zu schätzen weiß, nach Berlin mit dem Ersuchen, diese Angelegenheit dort zur Anzeige zu bringen. Und richtig, ganz kurze Zeit darauf war auch schon ein Kriminalbeamter aus Berlin in Krimmitschau eingetroffen mit dem Auftrage, diese Angelegenheit zu untersuchen.
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Die Anklage wurde selbstredend mit aller Energie gegen Klötzer geführt, Erdumgrabungen vorgenommen, um das angeblich vergrabene Dynamit zu suchen, aber es half Alles nichts, nach dreiwöchent licher Haft mußte Klößer wieder entlassen werden.
Den Klingner aber empfehlen wir den dortigen Genossen auf's Nachdrücklichste.
Vierzehn Ausweisungen aus Berlin hat Herr Mada i neuerdings verfügt, und zwar, wie unsere Leser aus der weiter unten veröffentlichten Warnung ersehen, auf Grund von Denunziationen des verrätherischen Schurken Heinrich Beck. Unsere Berliner Genossen, welche zum Entsetzen der gesammten Spießbürger und den anwesenden Schutzengeln Madais zum Trotz die Ausgewiesenen bis zur
Bahn geleiteten und beim Abschiede ein donnerndes Hoch auf die Sozialdemokratie ausbrachten, werden ihren brutal aus der Eristenz herausgeschleuderten Genossen Genugthuung zu verschaffen wissen.
- Die Ordnungsbanditen in Posen sind mit den unerhörten Strafen, welche gegen unsere polnischen Freunde verhängt worden sind, nicht zufrieden, besonders aber kränkt sie der eine Freigesprochene. Zum Glück für diese edlen Seelen hat die preußische Polizei herausgekriegt, daß Goryczowski russischer Militärflüchtling sei und denselben sofort, als er, eben freigesprochen, aus dem Gerichtssaal heraustrat, wieder verhaftet. Die liberale"" Posener Zeitung" schreibt darüber schadenfroh: Der uns lästige Ueberläufer soll ausgeliefert werden, besitzt er aber die nöthigen Mittel, so kann er sich auch an die österreichische oder eine andere Grenze transportiren lassen. Das saubere Blatt weiß nämlich sehr gut, daß G. nach 5, monatlicher Untersuchungshaft diese Mittel nicht hat. Nun, unsere Genossen in Posen werden ihre Schuldigkeit thun, und den menschenfreundlichen Plan vereiteln.
Mendelssohn , Truszowski und Janiszewski haben, wie man uns schreibt, gegen ihre Verurtheilung Berufung eingelegt. Wird ihnen leider wenig nüßen.
Unter den Arbeitern aber hat der Prozeß besser agitirt als Fluglätter und Broschüren. Die Staatsretter können auf ihr Werk stolz sein.
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In deutschen Blättern wird der Mannheimer Protest als ein Beweis dafür angeführt, welche" Diktatur" innerhalb der sozialdemokratischen Partei seitens der Führer" ausgeübt werde. Die Schlußfolgerung zeugt von der Unfähigkeit unserer Gegner, die einfachste auf uns bezügliche Thatsache richtig zu verstehen. Für jeden denkfähigen Menschen ist jener Protest, sowie dessen Abdruck im Parteiorgan umgekehrt der schlagendste Beweis dafür, daß innerhalb unserer Partei von den Führern" keine Diktatur ausgeübt wird und werden fann.
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Aus Sachsen , 24. Febr. Nachdem der sächsische Landtag kürz lich sehr eingehend über Schutz oder Vernichtung der Sperlinge und Krähen verhandelt und in Bezug auf letztere ein Abgeordneter mit sittlicher Entrüstung hervorgehoben hatte, daß sie so schändlich sind und dem Fürsten Bismard die Kibitzeier wegfressen, also vertilgt werden müßten, brachte Genosse Bebel zum Aerger des hungrigen Landtags noch die Ausweisungs- Infamie der sächsischen Behörden zur
Sprache.
Genosse Bebel begann seine Rede damit, an die vorhergehende Sperlingsdebatte anschließend, zu bemerken, daß auch dieser Bunft von sächsischer Vogelfreiheit handele, es solle nur hier statt der Jagd auf Thiere die Jagd auf Menschen möglichst eingeschränkt werden. Dann führte er an der Hand von Thatsachen aus, wie der deutsche Volksvertreter in Sachsen als Vagabond gejagt und gehetzt wird, wie die Staatsangehörigkeit, ja das Bürgerrecht Dresdens z. B., den Abg. Vollmar nicht vor dieser Polizeichikane schützte, wie ein geborner Sachse, weil er eine Polizeistrafe von drei Tagen verwirkt, aus Dresden hinausgeworfen, seine Existenz vernichtet, seine Familie in Noth gebracht wurde u. s. w. Und dies Alles geschah, obgleich die Kammer schon 1874 einen Antrag auf Beseitigung dieses Unfugs angenommen und der Minister gesetzliche Regelung versprochen hatte.( Der Minister ist wortbrüchig geworden, denn es ist trotz jenes Versprechens absolut nichts geschehen, ja die Polizeibehörden werden wie die Spazzen alle Tage frecher.) Aber, bemerkte Bebel im Anschluß an seine vorgeführten Thatsachen, diese Willkür hat blos zum Haß gegen die Behörden geführt. Gewählt werden die Abgeordneten doch, wenn man sie auch ausweist, die Maßregelung nützt den Behörden gar nichts, sie reizt nur das Volk auf, und wenn das der Zweck der Regierung ist, so beuge ich mich vor dieser Weisheit, die ich nicht begreife.
Weiter führte Genosse Bebel an, daß der Minister v. Nostiz- Wallwitz öffentlich im Reichstage den Leipziger Ausgewiesenen Fischer verleumdet habe, indem er ihm nachsagte, er hätte Mündelgelder unterschlagen und böswillig Schulden gemacht und nicht bezahlt, auch obgleich jahrelang Gemeinderathsmitglied, fortwährend seine Steuern hinterzogen. Der Redner legte zunächst die Steuerquittungen Fischer's vor, aus denen hervorgeht, daß noch im Mai 1881, also furz vor der Ausweisung, die regelrechte Steuerzahlung erfolgt ist, er führte ferner an, daß Fischer, um seinen Verbindlichkeiten gerecht zu werden, sein Geschäft, welches 1500 Mark werth war, für 200 Mark losschlug, und die vorgelegten Quittungen bezeugten, daß er dieses Geld zur Schuldenzahlung verwendete. Weiter wurde durch Quittungen und Briefe nachgewiesen, daß die Mündelangelegenheit durch Fischer ganz legal geregelt worden, kurz, der Minister stand als Verläumder da.
Er half sich über diese fatale Situation durch einen faulen Wit hinweg, indem er sagte, er freue sich, daß Fischer wenigstens nicht( wie es anfangs hieß) am gelben Fieber gestorben sei. Weiter hatte er darüber nichts zu bemerken; in Bezug auf die Ausweisungen versprach er, diefelben nur da anzuwenden, wo die Anwesenheit des Betreffenden Gefahr bringe. Ob Gefahr vorhanden, dies zu riechen, bleibt natürlich der Polizeigewalt überlassen, und die Willkür wäre damit so gut wie bisher erhalten. Außerdem meinte der Minister, die Sozialdemokraten sollten doch dahin gehen, wo sie ungeschoren blieben.
Herr Ackermann sekundirte ihm bei dieser läppischen Behandlung der Sache und Abg. Heine versäumte wunderbarerweise diesmal die Gelegenheit, die Sozialdemokraten durch reaktionäre Phrasen dafür zu strafen, daß sie sich nicht zur Refigion des Bimetallismus bekennen.
Bebel wies den Minister und dessen Kakadu, Herrn Ackermann, in die Schranken des Anstandes zurück, indem er fragte, ob sie sich nicht schämten, sächsische Staatsbürger durch das Prädikat der„ Fremdlingschaft" zu beleidigen, und kennzeichnete den Vorschlag des Ministers als unbrauchbar zur gesetzlichen Regelung der Sache. Für den dem Minister ertheilfen Verweis produzirte der Präsident pflichtschuldigst einen Ordnungsruf.
Damit ist die Sache wieder für 2 Jahre hinaus„ erledigt".
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- Die„ Norddeutsche Allgemeine", oder vielmehr ihr Dresdner Oberspitzel kann sich über die mannhaften Reden unserer Abgeordneten gar nicht beruhigen. In seiner Verzweiflung schlägt er vor, den Zeitungen zu verbieten, von den aufrührerischen Reden der sozialistischen Abgeordneten Bericht zu erstatten. Den liberalen Schreiern werde eine solche Ausdehnung des Gesetzes zwar nicht gefallen, aber darauf könne es doch nicht ankommen, wenn es sich um die Erhaltung des Staates handle. Was für ein wackliges Ding dieser Staat" der„ Norddeutschen" und ihrer Freunde doch sein muß, daß er dem Eindruck einiger kräftigen Reden nicht gewachsen ist! Da war die Stadt Jericho eigentlich noch außerordentlich stark befestigt, zu dem Sturze ihrer Mauern bedurfte es wenigstens mächtiger Posaunenstöße. Und Jericho war von Heiden bewohnt, während im Staate der Norddeutschen Allgemeinen" Gottesfurcht und fromme Sitte waltet, und an seiner Spiße ein Fürst steht, mindestens dreifach so fromm und tapfer wie weiland Josua, der Held von Askalon !
Abschaffung des allgemeinen Wahlrechtes predigt die„ Norddeutsche Allgemeine" und findet ein liebevolles Echo in der ,, Kölnischen Zeitung " und anderen liberalen Blättern. Sollen sich nur dran machen, die Herrschaften, und abschaffen, was einigermaßen nach Volksrechten aussieht. Um so näher wir der Tag sein, wo das Volk sie selbst und ihre Auftraggeber a bschafft.
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Aus Frankreich . Ueber die Verhandlung der Ausweisung Peter Lawroff's in der französischen Kammer schreibt uns unser Pariser Korrespondent:
„ Die Schmach des Falles Lawroff ist durch die Interpellation Clovis Hugues noch um vieles größer geworden. Und zwar weiß
man nicht, welchem der beiden Schuldigen man hiebei die Krone zuertheilen soll, der Regierung oder der Kammermehrheit. Der auf der äußersten Linken stehende junge radikale Abgeordnete Hugues( Marseiller, Freund des von den Versaillern gemordeten& a st on Cremieur) verurtheilte die Fortsetzung der napoleonischen Ausweisungspraxis durch die Republik energisch und erinnerte die ,, Republikaner " der Mehrheit daran, wie sie unter dem Kaiserreich ganz dasselbe als einen Schimpf für Frankreich erklärten, was sie jetzt ungestört geschehen lassen, ja wohl sogar billigen. Gambetta selbst griff damals als„ radikaler" Advokat und Abgeordneter die bonapartistische Regierung wegen der Ausweisung des Italieners Cernuschi auf's Heftigste an, wies die Ungesetzlichkeit der Maßregel nach und warf der Regierung vor, daß sie den Büttel Europa's mache. Und derselbe Gambetta that zugestandenermaßen die ersten Schritte zur Ausweisung Lawroff's!
Die Aufnahme der Rede Hugues seitens der weitaus über= wiegenden Mehrheit der Herren ,, Republikaner " war eine jeder Kritik spottende. So oft der Redner die Worte:„ Ausweisung"," Verfolgung", ,, Gewaltmaßregel" u. dgl. aussprach, so oft er von der Gastfreundschaft als einer Pflicht der Republik und eines zivilisirten Landes überhaupt sprach, erhob sich ein andauernder Lärm, so daß die zunächst folgenden Sätze der Rede ganz unverständlich blieben. Die Frage des Redners, ob denn Freiheit und Brüderlichkeit auch unter der Republik Chimäre, bloße Worte bleiben sollen, wurde mit einem homerischen Gelächter beantwortet. Als aber Hugues die„ Söhne der Revolution" auf die Praxis des Konvents hinwies und erklärte, daß es für ihn überhaupt keine Fremden gebe, da war dem Faß der Boden ausgeschlagen. Gambettisten und Grevisten erhoben sich und machten durch hundert durcheinander geworfene Zurufe ,,, unartikulirte Laute" und sonstiges Geräusch einen minutenlang dauernden Heidenlärm, in den schließlich ein Gambettist( diese Klique sucht sich jetzt durch das Revanchegeschrei wieder aufzuhelfen) den Brandruf schleuderte:„ Sind die Preußen auch keine Fremden?"
Es ist wahr, daß man an die erregten Verhandlungen der französischen Kammer einen andern Maßstab anlegen muß als an die ruhigeren des deutschen Reichstages. Aber ich kenne nur eine einzige parlamentarische Verhandlung, welche der gelegentlich der Interpellation Hugues an Würdelosigkeit gleichkommt: das ist die Behandlung der Elsässer bei ihrem ersten Auftreten im Reichstag. Die erdrückende Mehrheit aller Bourgeoisparteien zeigte bei beiden Gelegenheiten ihre ganze Herzensrohheit und Gesinnungsgemeinheit. Gerade der eigentliche Bourgeois zeigt sich da, wo er von keiner anderen Macht beschränkt ist, so rücksichtslos, so widerlich brutal( ein weiteres Beispiel ist Amerika ), daß es Einem bisweilen wirklich eine gewisse Annehmlichkeit bereitet, wenn die Leute durch die Ueberbleibsel der früheren herrschenden Klaffen einigermaßen davon abgehalten werden, ihren Gefühlen allzufreien Lauf zu lassen. Jedenfalls muß diese jeder Rücksicht und Verschämtheit bare Brutalität der Bourgeoisie für uns ein Stachel sein, alles in unseren Kräften Liegende zu thun, damit nach dem Sturz der jetzigen Gewalt in Deutschland nicht etwa als Uebergangsstadium die volle politische Herrschaft des Bürgerthums folge, möge sich dieselbe nun in konstitutioneller oder republikanischer Form präsentiren! Es wäre damit in mehr als einer Hinsicht verdammt wenig gewonnen!
Um wieder auf die Kammerverhandlung zurückzukommen, so bot der weitere Verlauf nur noch dadurch Interesse, daß der Ministerpräsident seine Ausweisungstheorie mit anerkennungswerther Offenheit darlegte. Bis jetzt glaubte man, daß die Ausweisungen politisch verfolgter Ausländer auf Ansuchen ihrer resp. Regierungen stattfänden. Freycinet erklärte aber, daß es eines förmlichen Ansuchens der auswärtigen Regierung gar nicht bedürfe, sondern daß es genüge, wenn ,, entweder durch seine eigenen Informationen oder aus freundschaftlichen Gesprächen mit den Gesandten er wisse, daß die betreffende Person und ihre Verbindungen den Gegenstand der Beobachtung der auswärtigen Regierung bilde."" So avisirt, treffen wir dann die entsprechenden Maßregeln", d. h. verfügen die Ausweisung als Liebesdienst für den Zaren, Bismarck 2c., setzte der würdige Ministerpräsident der französischen Republik hinzu. Und die große Mehrheit der Kammer rief ihm Beifall zu und würde offenbar auch strammen Maßnahmen gegen den französischen Sozialismus Beifall sperden, wenn ihm derselbe gefährlicher erschiene, als es derselbe bei der vorläufig noch ziemlich beschränkten Zahl seiner Anhänger thut. Wird doch offenbar selbst die skandalöse Einmischung der Staatsgewalt in eine vollständig gesetzmäßig verlaufende Arbeitseinstellung, durch die Absendung von Infanterie- und Artillerie Truppen nach dem Gard , des Beifalles der Kammermehrheit nicht entbehren. Die Bourgeoisie bekämpft die Gewaltmittel des Staates nur, wo sie ihr selbst gefährlich oder unangenehm sind; sobald sie über dieselben zu ihrem eigenen Vortheil verfügen kann, vergißt sie schnell ihre früheren Freiheitsphrasen.
Soeben erhalte ich Nachricht von einer That, welche die würdige Krönung des Verfahrens gegen Lawr off bildet. Auf dem Weg von Paris nach der Grenze sind die im EisenbahnGepäckwagen aufgegebenen Koffer gewaltsam erbrochen und aus ihnen Papiere geraubt worden. Da ein gewöhnlicher Diebstahl nach Lage der Sache ausgeschlossen erscheint, so bleibt blos zweierlei: entweder geschah die Beraubung, gleich der 1. 3. an Tscherkes off ausgeführten, durch französische Polizeibeamte oder aber auch durch russische Agenten, die aber nur im Einverständniß mit der französischen Polizei handeln konnten. Jeden falls haben die Veranstalter der ganzen Affäre jede zarische Belohnung" vollauf verdient.
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Eine am letzten Sonntag stattgehabte Versammlung der Arbeiterpartei protestirte energisch gegen die politischen Ausweisungen und erklärte die Partei als international und mit den sozialistischen Parteien aller Länder im Kampf für die Prinzipien der gesellschaftlichen Gleichheit solidarisch. Der Streif in Roanne dauert fort, die Streifenden erhalten von allen Seiten Unterstützungen und haben auf den Rath Jules Guesde's Bons à 1 Franken ausgegeben, welche von der organisirten Arbeiterschaft Raonne's garantirt sehr viel Abnehmer finden. Im Kohlenrevier des Departement Gard ist der Kampf zwischen Arbeit und Kapital wiederum hell entbrannt. Diesmal sind es die Nebengruben von Grand Combe, die Gruben von Bessèges, Morlières 2c., deren Arbeiter der Ausbeutung ein Halt! zurufen. Die Regierung hat natürlich sofort Truppen hinbeorderi, angeblich um die bedrohten Ventilatoren zu schützen, in Wahrheit aber, um die Proletarier einzuschüchtern. Diesmal dürfte sie sich aber verrechnen, denn der Streik die Zahl der Streifenden beträgt schon greift immer mehr um sich über 4000 und die Stimmung ist eine viel muthigere als s. 3. in Grand- Combe. Das Komite der Arbeiterpartei hat sein Mitglied Fournière hingeschickt, der öffentliche Vorträge zum Besten der Streifenden hält. Bei den letzten Nachwahlen hat sich in Paris gezeigt, daß die Arbeiterpartei zwar langsam aber stetig wächst. Der Kandidat derselben, John Labusquière, erhielt im 11. Arrondissement 3258 St. gegen 1900 Stimmen bei den Wahlen im August vor. Jahres. Obwohl Labusquière einer der entschiedensten Gegner der„ Egalité " ist, war diese doch, da sein Programm ein durchaus revolutionär sozialistisches, rückhaltlos für ihn eingetreten, was wir mit Genugthuung fonstatiren. Im Uebrigen aber hat der Konflikt an Heftigkeit noch nicht nachgelassen.
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Aus Rußland . So haben die feigen Hallunken sie doch zu Tode gemartert, die unglückliche Jesse Helfmann! Der entrüstete Schrei des zivilisirten Europa hat den Henkern zwar den Muth benommen, ihr Opfer öffentlich zu hängen, dafür haben sie sich aber durch doppelt und dreifache Grausamkeiten an der kranken Frau gerächt, bis dieselbe schließlich, wie die gesammte Ordnungspresse beschönigend meldet ,,, an den Folgen des Wochenbettes" gestorben ist. Und diese halbasiatische Mordgesellschaft will sich jetzt als„ Befreier" aufspielen!