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Ueber die„ Thronrede", die von Herrn Bötticher, Staatssekretär des Juneren, mit zu ihrem Inhalt passender Trockenheit maschinenmäßig verlesen ward, und zwar nicht im weißen Saal, sondern im Reichstagssaal offenbar ist der neue Reichstag etwas in Ungnade gefallen ist sehr wenig zu sagen, da sie selber sehr wenig sagt. Be merkenswerth ist nur der Passus über das Tabakmonopol, welcher als Zweck des letzten Jdeals" unseres Herrn Reichskanzlers die Steuerreform hinstellt. Das ,, Patrimonium der Enterbten" ist durch eine Versenkung von der Bühne hinweggeschafft worden und ungenirt wird die nackte Wahrheit verkündigt: Das Monopol soll die Taschen des Bismarck 'schen Reichs füllen, und die der Steuerzahler leeren. Voilà tout! Also die schönen Versprechungen vor der Wahl waren eitel Lug und Trug, um den„ armen Mann" in das Bismarck 'sche Garn zu locken; und jetzt, da man den ,, armen Mann" nicht mehr an der Wahlurne braucht, auch die Hoffnung, ihn zu fangen, wohl aufgegeben hat, hat die Lüge ihren Zweck verloren, und die Wahrheit wird zynisch eingestanden.
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Ob die zum Glück sehr wenig zahlreichen Leim gegangen find, nun gewißigt sein werden?
Thoren, die auf den
Mit diesem Geständniß ist Alles das bestätigt, was im„ Sozialdemofrat" über den schwindelhaften Charakter des Staatssozialismus unseres Junkers Bismarck gesagt worden ist.
Heute hat der Reichstag sein voriges Präsidium wiedergewählt: Levezzow und Frankenstein mit großer, den berüchtigten Ackermann mit knapper Majorität.
Der erste Beschluß des neukonstituirten Reichstages war: sich auf acht Tage zu vertagen. Warum hat man ihn denn aber so früh einberufen? Keine der wichtigeren Gesetzesvorlagen ist fertig. Die Berufung auf den gestrigen Tag war absolut sinnlos. Aber Herr Bismarck hat es gewollt, und da hatten denn die Abgeordneten acht Tage vor der Zeit zu fommen. Hoffentlich erzeugt diese standalöse Fopperei in den Herren einige Galle, die ihnen sehr zuträglich wäre.
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Heute über acht Tage soll der Reichstag seine Arbeiten beginnen. Mögen fie recht fampfvoll sein, und möge es tüchtige Hiebe jetzen!! Der Beschlußfähigkeit ist er beiläufig nicht ganz entgangen. Ein Hammelsprung über die Vertagungsfrist ob acht oder zehn Tage fonstatirte die Thatsache, daß blos 196, also nicht die beschlußfähige Zahl von Mitgliedern anwesend waren, so daß es bei dem Vorschlag des Präsidiums schon in acht Tagen anstatt erst nach zehn Tagen wieder zu beginnen, sein Bewenden hat haben müssen!
Sozialpolitische Rundschau.
Auch ein Schmerzensschrei. Nachdem wir in Nr. 17 des„ Sozialdemokrat" unsern guten Max Hirsch haben jammern lassen, wollen wir heute auch dem Schmerz unseres braven Stöcker über die Verstocktheit der deutschen Arbeiter einige Zeilen widmen. Wilhelms Beichtvater ist mit dem Erfolge seiner Agitation gar nicht zufrieden. Den Köder haben wir ausgeworfen, jammert der biedere Hofprediger im ,, Christlich- sozialen Korrespondenzblatt", aber wo blieb die Masse?" Die Masse war so verblendet", nicht anzubeißen. Doch nicht eine Strafrede" fährt Stöcker fort, wollen wir den bedrückten Volksgenossen halten, sondern sie jetzt noch mahnen zur Ein- und Umkehr. Noch ist's Zeit. Möge es genug sein an dem, was wir Alle bitter genug empfunden haben. Nach dem Gerichte und der Sühne kommt, die ernstliche Besserung vorausgesezt, die Vergebung und Versöhnung. Noch ist's dazu Zeit, aber es ist, das wißt Ihr Arbeiter selbst sehr wohl, dazu die höchste Zeit. Schlagt in die großmüthig und ehrlich dargebotene Hand der Regierung, Euerer Euch wahrlich nicht feindlich gesinnten übrigen Volksgenossen ein!
Macht Euch los von unwürdiger, unvernünftiger Führung, deren Werth Ihr zu Eurem Schaden wohl erkannt habt, folgt dem Zuge der Vernunft und des nicht verderbten Herzens, folgt der Stimme der Menschlichkeit und des Gewissens in Euerer Brust, stellt Euch auf die festen Fundamente unseres Staatswesens und der christlichen Religion, und wir werden Euch empfangen wie der Vater den zurückkehrenden verloren geglaubten Sohn. Dann macht in angemessener(!) Weise Euere verfassungsmäßigen staatsbürgerlichen Rechte geltend, erhebt Euere Stimme wieder und werft sie in die Wagschale zu Gunsten eines fulturhistorischen Riesenwerkes, welches die Welt noch nicht gesehen und welches nur vollbracht werden kann in viribus unitis, durch die vereinte sittliche und materielle Kraft einer ganzen Nation!"
Daß die verblendeten" Arbeiter auf dieses nichtssagende Gewäsch hineinfallen und einsehen werden, daß es die höchste Zeit" iſt, zu Kreuze zu kriechen und Abbitte zu leisten, bildet sich Herr Stöcker wohl selbst nicht ein. Aber daß er nach 3 Jahren Ausnahmegesetz noch eine so klägliche Sprache führen muß, darauf haben wir nur eine Antwort: Ein Hoch den deutschen Arbeitern!
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Uebrigens wollen wir aus dem hofpredigerlichen Erguß wenigstens ein Sätzchen uns als Lehre dienen lassen:„ Nach dem Gericht und der Sühne fommt die ernstliche Besserung vorausgesetzt die Vergebung und Versöhnung", meint der Mann Gottes .„ Nach der Sühne“ und die ernstliche Besserung vorausgesetzt" merkt Euch das, Ihr von den preußischen Haulunken in Noth und Elend Gejagten, ihr von
Feuilleton.
Von
In Berlin starb am 13. April ein Mann, der früher einmal als Philofoph und Theolog eine Rolle gespielt, seit Jahren aber, halbverschollen, nur von Zeit zu Zeit als literarischer Sonderling" die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich gezogen hatte. Die offiziellen Theologen, unter ihnen auch Renan, schrieben ihn ab und schwiegen ihn deshalb einstimmig todt. Und doch war er mehr werth als sie alle, und hat mehr geleistet als sie alle in einer Frage, die auch uns Sozialisten interesfirt: in der Frage nach dem geschichtlichen Ursprung des Christenthums. Nehmen wir von seinem Tode Anlaß, den jezigen Stand dieser Frage und Bauer's Beiträge zu ihrer Lösung kurz zu schildern.
Die seit den Freigeistern des Mittelalters bis auf die Aufklärer des 18. Jahrhunderts, diese eingeschlossen, herrschende Ansicht, daß alle Religionen, und somit auch das Christenthum, das Werk von Betrügern seien, war nicht mehr genügend, seitdem Hegel der Philosophie die Aufgabe gestellt hatte, eine rationelle Entwicklung in der Weltgeschichte nachzuweisen. Es ist nun einleuchtend, daß wenn naturwüchsige Religionen, wie der Fetischdienst der Neger oder die gemeinsame Urreligion der Arier, entstehen, ohne daß Betrug dabei eine Rolle spielt, doch in ihrer weiteren Ausbildung priesterliche Täuschung sehr bald unvermeidlich wird. Kunstreligionen aber können, neben aller aufrichtigen Schwärmerei, schon bei ihrer Stiftung des Betrugs und der Geschichtsfälschung nicht entbehren, und auch das Christenthum hat schon gleich im Anfang hierin ganz hübsche Leistungen aufzuweisen, wie Bauer in der Kritik des neuen Testaments gezeigt. Aber damit ist nur eine allgemeine Erscheinung festgestellt, nicht aber der einzelne Fall erklärt, um den es sich gerade handelt.
Mit einer Religion, die das römische Weltreich sich unterworfen und den weitans größten Theil der zivilisirten Menschheit 1800 Jahre lang beherrscht hat, wird man nicht fertig, indem man sie einfach für, von
der unersättlichen Kapitalshyäne bis aufs Blut Ausgesaugten und Geknechteten! Erst nach der Sühne die Vergebung! Dank, Jude, der Du uns das Wort gelehrt!
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Noch erbärmlicher als Hirsch und Stöcker winseln jene elenden Jämmerlinge, welche unter dem Vorwande strenger Befolgung Lassalle 'scher Lehren seit Jahren den schmachvollsten Gesinnungsschacher betreiben. Wir meinen die in Hamburg- Altona lebende Handvoll Verräther an der Arbeitersache, welche schon vor dem Ausnahmegeset bei geeigneter Gelegenheit den Meistbietenden ob konservativ, ob liberal ihre Stimmen verkauften und im Anfang vorigen Jahres in Körner und Finn zwar freudig begrüßte, aber desto weniger gewinnbringende Geschäftsbrüder erhielten. In ihrem Sudelblatt, welches trotz Ausnahmegesetz das Recht hat, sich sozialistisch zu nennen, und welches trotz dieses Privilegiums nur durch den Reptilienfond sein Jammerdasein zu fristen vermag, finden wir neuerdings ein Wehgeschrei, gegen das Hirsch's und Stöcker's Klagen noch Triumphgefänge find. Da werden in einem„ Oster gruß" die deutschen Arbeiter heruntergehunzt, daß fie Lassalle nicht verstanden oder vergessen haben", sonst müßten sie blindlings auf die famose Kaiserbotschaft hineinpurzeln. Und wenn nun", fährt das Reptil fort, der große Staatsmann, der einen Lassalle besser begriffen hat als Ihr(!) Euch helfend zur Seite steht und bereit ist, Euch die Fesseln von den Füßen zu nehmen(!), da wollt Ihr noch zögern?" Wachet auf!"
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Aber es weiß zu gut, daß die deutschen Arbeiter auf den Köder nicht anbeißen und darum beginnt es zu jammern. Und charakteristisch genug, adressirt es seine Heulmeierei an die antisemitische Sprenghorde von Berlin :
,, Macht uns Hamburger Sozialpolitikern an der Spree Luft(!), heißt es, daß wir auch hier an der Elbe gegen den Terrorismus des sogenannten Fortschritts- und Manchesterthums losgehen können. An unserm guten Willen fehlt es nicht. Aber es muß von Berlin ein moralischer Druck(!) auf unsere hiesigen Verhältnisse kommen, damit die Rede- und Vereins freiheit aufhöre, bei uns gleichsam wie ein Privilegium der Bismarckheizer dazustehen! Unser Verein kann sich nicht rühren außer in unserm kleinen Preßorgan, trotzdem wir dem hohen Senate nie eine kleinliche nörgelnde Opposition machen, noch zu machen Willens sind, wie es Fortschritt und St. Manchester thuen! Wir wissen selbst nicht, was es ift. Sind wir Sozialdemokraten? Nein! Sind wir politische Vorschreier? Nein! Sind wir spottwohlfeile Lokalrevoluzzer? Nein! Wir stellen Kaiser und Reich höher, als den Kleinstaat Hamburg . Ist das ein Verbrechen? Es muß wohl so angesehen werden. Der albernste schwazzwüthigste Schulmeister hat mehr Raum für den Flügelschlag seiner bismarchezerischen„ Seele". Es mußte dieser Schmerzensschrei" einmal ausgestoßen werden. Also macht uns Luft, Ihr Fürst Bismarcks Pioniere" in Berlin , damit wir nicht mehr nach der preußischen Stadt Altona zu flüchten brauchen, wenn wir unsere sozialpolitische Meinung mündlich sagen wollen!... ,, Fürst Bismarcks Pioniere!" richtet Euer Augenmerk auf die zweite Stadt Deutschlands ! Macht den reichstreuen Arbeitern Luft!"
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Und dieses charakterlose, feige Gewinsel deutschen Arbeiterherzen", sagt Stöcker dessen notorischer Mitarbeiter der ist!
Eine nette Gesellschaft!
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es kommt aus gesunden steht in demselben Blatte, ,, Sozialrevolutionär" Wolff
Ein vereiteltes Polizeimanöver. Aus Leipzig , 28. April, wird uns geschrieben; In zwei Monaten läuft das Jahr des ,, kleinen Belagerungszustandes" ab, und es ist nun Zeit, Gründe für die nothwendige Verlängerung des Kleinen" herbeizuschaffen. Die Polizei entwickelt deshalb jetzt eine fieberhafte Thätigkeit, und, Dank der„ Schulung" durch die aus Chemnitz und Berlin importirten Ordnungssäulen, gelangt der famose Grundsatz des französischen Spitzbuben in„ Minna von Barnhelm":" Il faut corriger la fortune!"( Man muß das Glück verbessern) zu immer weiterer Anerkennung und praktischer Verwerthung. Man braucht einen Geheimbund"," Geheime Zusammenkünfte",„ Verschwörungen." Gut, was nicht ist, läßt sich machen, und ein Horsch findet sich ja überall und obendrein sehr billig. Nebenbei bemerkt: diese Billigkeit der Hallunken steht eigentlich mit den bewährten Regeln der Nationalökonomie in Widerspruch, denn zu keiner Zeit war die Nach- frage nach Hallunken so groß, und steigende Nachfrage soll doch bekanntlich, wie die Nationalökonomie lehrt, den Preis erhöhen! Doch ich will mich bei diesem Problem nicht aufhalten. Genug neulich wurden mehrere Parteigenossen unter einem beliebigen plausiblen Vorwand brieflich nach einer Restauration in der Südstraße eingeladen; einige kamen, und, den Einlader erwartend, sprachen sie vom Wetter, von der Messe, von allem Möglichen, nur nicht von Politik da erschien plötzlich die Polizei und„ sistirte" die nicht wohl wenig erstaunte Gesellschaft. Natürlich wurde nichts vorgefunden aber kam man dahinter, daß der Herr Einlader, der, wie nachher sich herausstellte, einen falschen Namen angegeben hatte, ein von der Polizei bezahltes Subjekt ist, dem indeß noch die nöthige Uebung fehlt. Diese wird jedoch mit der Zeit wohl, wenn auch nicht von ihm, dessen Kolle bereits ausgespielt ist aber doch von Anderen erworben werden. Hat also auch das ,, Komplot der Südstraße", die südvorstädtische Geheimversammlung" 2c. die erwarteten Dienste nicht geleistet, so wird Aehnliches sich doch unzweifelhaft nächstens wiederholen. Die Polizei hat ja Geld, und nicht bloß die Dummen, sondern auch die Lumpen werden vorläufig nicht alle".
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Betrügern zusammen gestoppelten, Unsinn erklärt. Man wird erst fertig mit ihr, sobald man ihren Ursprung und ihre Entwicklung aus den historischen Bedingungen zu erklären versteht, unter denen sie entstanden und zum Herrschen gekommen ist. Und namentlich beim Christenthum. Es gilt eben, die Frage zu lösen, wie es kam, daß die Volksmassen des römischen Reiches diesen, noch dazu von Sklaven und Unterdrückten gepredigten Unsinn allen anderen Religionen vorzogen, so daß endlich der ehrgeizige Konstantin in der Annahme dieser Unfinnsreligion das beste Mittel sah, sich zum Alleinherrscher der römischen Welt emporzuschwingen. Zur Beantwortung dieser Frage hat Bruno Bauer bei weitem mehr beigetragen als irgend ein Anderer. Die von Wilke rein sprachlich nachgewiesene zeitliche Reihenfolge und gegenseitige Abhängigkeit der Evangelien von einander wies er auch aus dem Inhalt derselben unwiderleglich nach, wie sehr auch die halbgläubigen Theologen der Reaktionszeit seit 1849 sich dagegen sperren mögen. Die verschwommene Mythentheorie von Strauß, bei der Feder in den evangelischen Erzählungen soviel für historisch halten kann wie ihm beliebt, stellte er in ihrer ganzen Unwissenschaftlichkeit bloß. Und wenn dabei von dem ganzen Inhalt der Evangelien sich fast absolut Nichts als geschichtlich erweisbar darstellte daß man selbst die geschichtliche Eristenz eines Jesus Christus für fraglich erklären kann, so hatte Bauer hiermit erst den Boden gereinigt, auf dem die Frage gelöst werden kann: woher stammen die Vorstellungen und Gedanken, die im Christenthum zu einer Art System verknüpft worden sind, und wie kamen sie zur Weltherrschaft?
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Hiermit beschäftigte sich Bauer bis zuletzt. Seine Forschungen gipfeln in dem Resultat, daß der alexandrinische Jude Philo, der noch im 40. Jahre unserer Zeitrechnung, aber in hohem Alter, lebte, der eigentliche Vater des Christenthums sei, und der römische Stoiker Seneca sozusagen dessen Onkel. Die uns unter dem Namen Philo's überlieferten zahlreichen Schriften sind in der That entstanden aus einer Verschmelzung allegorisch- rationalistisch aufgefaßter jüdischer Traditionen mit griechischer, namentlich stoischer Philosophie. Diese Versöhnung occidentalischer und orientalischer Anschauungen enthält schon alle wesentlich christlichen Vorstellungen: die angeborene Sündhaftigkeit des Menschen, den Logos, das Wort, das bei Gott und Gott selbst ist, das den Mittler macht zwischen Gott und Mensch; die Buße nicht durch Thieropfer, sondern durch das Darbringen des eigenen Herzens an Gott ; endlich den wesentlichen
Ich habe der an sich belanglosen Sache deshalb erwähnt, weil dies in Leipzig der erste Fall ist, wo nachweisbar ein richtiger agent provocateur zur Anzettelung von Geheimbündelei und sonstigem Polizeizeug verwandt worden ist. Pereat sequens!
Die Genossen sind auf der Hut und haben vielleicht einmal Gelegen heit zur Ertheilung einer kleinen Lektion!
Die österreichische Polizei im Dienste der preußischen. Als über Leipzig der kleine Belagerungszustand verhängt wurde, traf, wie vielen unserer Leser wohl erinnerlich sein dürfte, das Loos der Ausweisung auch den Schriftsetzer Baum. Nach mancherlei Kreuz- und Querfahrten, wobei es an Rencontres mit der Polizei nicht fehlte, kam derselbe auf seiner Suche nach Beschäftigung auch nach Wien . Es gelang ihm, in der dortigen Staatsdruckerei Beschäftigung als Maschinenmeister zu erhalten und sich binnen wenigen Tagen durch tüchtige Leistungen in so hohem Grade auszuzeichnen, daß ihm der Direktor dauernde Kondition zusicherte. Die Freude Baum's über diese glückliche Wendung seines Geschickes sollte jedoch nicht lange dauern! Eines Tages wurde er zur Polizei zitirt, woselbst man ihm eröffnete, daß die „ Hochwohllöbliche" genau über seine Personalien unterrichtet sei. Zur Bestätigung dessen wurde ihm ein von der Leipziger Kreishauptmannschaft zugegangenes Schreiben vorgelesen, worin es u. A. hieß:„ Wir haben uns genöthigt gesehen, den Baum wegen seiner hervorragenden Thätigkeit für die sozialdemokratische Partei auszuweisen."-Das genügte der Wiener Polizeibehörde, dem solcherweise ,, Gestempelten" zu erklären, daß er binnen vierundzwanzig Stunden Oesterreich zu verlassen habe; sei er im Besitz von Reisegeld, so wolle man ihn von einem Sicherheitsbeamten nur bis zum Bahnhofe begleiten lassen, von wo er dann seine Reise allein fortsetzen könne; habe er jedoch kein Geld, so müsse er sich gefallen lassen, eine, Marsch route" vorgeschrieben zu erhalten. Da nun Baum vollständig mittellos war, so begab er sich zum deutschen Konsul, um denselben zur Verabfolgung des nöthigen Reisegeldes zu veranlassen. Dieser würdige Repräsentant der In teressen seiner würdigen Brodgeber erklärte jedoch einen Vers brecher, möge er ein„ politischer" oder„ gemeiner" sein, nicht unterstützen zu können! So hätte denn Baum die gebundene ,, Marschroute" sich gefallen lassen müssen, wenn ihn nicht politische Freunde mit dem nöthigen Reisegeld versehen und so in den Stand gesetzt hätten, von der Großmuth" der Polizei,„ nur bis zum Bahnhof" begleitet zu werden, Gebrauch machen zu können.
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Dieses ganze schmachvolle Vorkommniß zeigt wieder so recht deutlich die grenzenlose Erbärmlichkeit jenes Institutes, welches nach der Meinung von Pinseln und Narren berufen sein soll, die Moralität“ und das „ Recht" zu pflegen, der Polizei und der mit ihr zusammenwirkenden Elemente. Ein deutscher Konsul macht sich einem Arbeiter gegenüber, dessen ganzes„ Verbrechen" darin besteht, mitgekämpft zu haben gegen das privilegirte Verbrecherthum, das im Namen der„ Drdnung" und des Gesetzes" Schandthat auf Schandthat häuft, zum Helfershelfer der Polizeigewalt, er degradirt sich selbst zu deren Büttel. Er kann den Verbrecher", den die Polizei los sein will, nicht unterstützen!
Und da gibt es immer noch Thoren genug, welche von„ Aufrechterhaltung der Ehre des deutschen Namens im Ausland" faseln! Uns will bedünken, der Deutsche hätte alle Ursache, die ganze Bande der Gewaltmenschen, die sich im In- und Auslande auf Kosten des von ihnen mit Füßen getretenen deutschen Volkes breif machen, zum Teufel zu jagen, wenn's ihm ernst ist mit seiner Ehre!
- Rechtsstaatliches aus dem Wupperthale. Genosse Oppenheimer in Barmen befindet sich wieder auf freiem Fuße. Er war verhaftet worden, weil man auf der Post Packete mit dem Parteiorgan geöffnet hatte Stephan's Postgeheimniß! und darin befindliche Schriftstücke der Expedition desselben von einem unverständigen. „ Sachverständigen" als Oppenheimer's Handschrift erklärt wurden. Die vollständige Werthlosigkeit dieses Gutachtens stellte sich indeß bald heraus.Vorige Woche wurde in Elberfeld vom Polizeikommissar Arents auf Denunziation von Außen ein im Orte selbst unbekannter Arbeiter wegen, sozialistischer Umtriebe" verhaftet, einige Tage hinterher
am
24. April in Barmen Genosse L. Szimmath, Ausgewiesener aus Berlin und Hamburg . Am 13. April wurde vom Justizmörder" Quodt der Weber Weidmüller zu vier Wochen Gefängniß verurtheilt, weil er bei der Wahlkampagne ein Wahlflugblatt verbreitet haben soll.„ Kurz, die Wupperthaler Staatsretter sind seit Aushängen der rothen Fahne so wüthend wie ein andalusischer Stier, dem diese verhaßte Farbe vorgehalten wird", schreibt uns ein echter Rother.
Das Reichsgericht mit welchem ähnlichklingenden Beinamen der Volksmund diese ehrenwerthe Körperschaft bezeichnet, entzieht sich der schriftlichen Wiedergabe- also das Reichsgericht hat die Berufung unserer Genossen Janiszewski und Trustowski gegen die ihnen von sie den Posener Rechtsbanditen auferlegten exorbitanten Strafen waren wegen Gründung eines„ Geheimbundes" zum Zweck sozialistischer Reichstagswahlen(!!) zu mehr als zweijährigem Gefängniß verurtheilt worden seiner schuftigen Praxis gemäß abgewiesen. Diese Strebergesellschaft verdient in der That befördert zu werden!
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Noch einmal der Breslauer Prozeß. Charakterisch für die vielgerühmte Findigkeit" der deutschen Post ist der Umstand, daß zweimal Briefe Kräcker's an den Zigarren arbeiter Anton Kryczanowski, mit genauer Angabe der Adresse, an den Fabrifanten Anton Kryczanowski ausgeliefert wurden, welch' letzterer so
Zug, daß die neue Religionsphilosophie die bisherige Weltordnung umfehrt, ihre Jünger unter den Armen, Elenden, Sklaven und Verworfenen sucht und die Reichen, Mächtigen, Privilegirten verachtet, und daß damit die Verachtung aller weltlichen Genüsse und die Abtödtung des Fleisches vorgeschrieben sind.
Anderseits hatte schon Augustus dafür gesorgt, daß nicht nur der Gottmensch, sondern auch die sogenannte unbefleckte Empfängniß von Reichs Wegen vorgeschriebene Formeln wurden. Nicht nur ließ er Cäsar und sich selbst göttlich verehren, er ließ auch verbreiten, er, Augustus Cäsar Divus , der Göttliche, sei nicht der Sohn seines menschlichen Vaters, sondern seine Mutter habe ihn vom Apollogott empfangen. Wenn dieser Apollogott nur kein Verwandter des von Heinrich Heine Besungenen war!
Man sieht, es fehlt nur noch der Schlußstein, und das ganze Christenthum ist in seinen Grundzügen fertig: die Verkörperung des menschgewordenen Logos in einer bestimmten Person und sein Sühnopfer am Kreuz zur Erlösung der sündigen Menschheit.
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Wie dieser Schlußstein geschichtlich in die stoisch- philonischen Lehren eingefügt, darüber lassen uns die wirklich zuverlässigen Quellen im Stich. Soviel aber ist sicher, von Philosophen, Schülern Philo's oder der Stoa, ist er nicht eingefügt worden. Religionen werden gestiftet von Leuten, die selbst ein religiöses Bedürfniß empfinden und Sinn haben für das religiöse Bedürfniß der Massen, und das ist in der Regel nicht der Fall bei Schulphilosophen. Dagegen finden wir in Zeiten allgemeiner Auflösung wie z. B. auch jetzt Philosophie und religiöse Dogmatik in vulgarifirter Form verflacht und allgemein verbreitet. Führte die klassische besonders bei der griechische Philosophie in ihren letzten Formen epifuräischen Schule zum atheistischen Materialismus, so die griechische Vulgärphilosophie zur Lehre vom einigen Gott und von der unsterblichen Menschenseele. Ebenso war das in der Mischung und dem Umgang mit Fremden und Halbjuden rationalistisch- vulgarisirte Judenthum ange kommen bei der Vernachlässigung der Gesetzeszeremonien, bei der Verwandlung des ehemaligen ausschließlich jüdischen Nationalgottes Jahweh*) in
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