allerdings in den Augen der Richter Ungebühr, wenn man sich nicht auf Gnade und Ungnade in die Hände der Polizei ergibt. Wahrhaft groß­artig war der Eindruck, als Frau Lesser dem Gerichtshof gradheraus erklärte: Ich habe von Sozialdemokratie früher nichts gewußt, jetzt aber werde ich die sozialistische Literatur studiren!"

Zum Schluß sei noch bemerkt, daß Frau Lesser und Gräfin Schack von der Anklage des groben Unfugs" freigesprochen wurden.

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Ludwig V. von Gottes Gnaden.

Das schwarze Kabinet, eine anerkannte Institution in Oesterreich  ! In unserem Bruderorgan Wahrheit" erzählt ein Arbeiter, J. Ziegrosser, das Schicksal eines an ihn von Paris  gesandten Briefes, welchen er sich vom Hauptzollamte hatte abholen müssen. Es hat erst vieler Kreuz- und Querfahrten bedurft, ehe der Adressat überhaupt erfahren konnte, daß der für ihn bestimmte Brief beim Finanzwach Oberkommissär liege. Nach verschiedenen bureaukratischen Zermonien empfing er ihn endlich dort mit der Weisung, ihn in Gegenwart der Beamten zu öffnen. Aber in welchem Zustand befand sich derselbe? Beim Oeffnen des Couverts", schreibt der ge­nannte Arbeiter ,,, vernahm ich nicht das gewöhnliche Rauschen, ich nahm den Inhalt heraus und entfaltete das zusammengelegte einfache Schreiben, mehr war nicht im Couvert. Nun sah ich aber an den geöff­neten Rändern einen schmalen, von Klebestoff her rührenden Anstrich, und nach dem der Oberkommissär ihn gesehen, mußte er zugeben, daß dieser Brief widerrechtlich geöffnet war, man sich mit dem In­halt vertraut gemacht und ihn dann wiederzugeklebt hatte." Es wird sofort ein Protokoll aufgenommen und in Gegenwart des Adressaten dem Reklamations- Bureau zu näherer Untersuchung über­geben. Bei der Gelegenheit bemerkt ein Beamter ganz trocken: Der Briefwird wohl das schwarze Kabinet passirt haben." - An der Glaubwürdigkeit dieser Aeußerung wird gewiß Niemand zweifeln", setzt der Einsender mit unbeabsichtigter Satire hinzu. Ja, wer wird noch an der Glaubwürdigkeit zweifeln, wenn aus Desterreich irgend eine Niedertracht gemeldet wird!

Wer aber bezüglich der Wahrung des Briefgeheimnisses in Oesterreich  noch Jllusionen hatte, sei hiermit gewarnt.

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zur

-Aus Leipzig  , 6. Mai, wird uns geschrieben: Die Ausweisungs­utase gegen Eisengarten und die beiden George sind nun doch endgültig bestätigt und auch bereits ausgeführt worden allgemeinen Verwunderung und Entrüstung des großen Publikums, welches, auf die notorische Thatsache fußend, daß die drei Genannten das Opfer einer niederträchtigen und lügenhaften Privatdenunzia­tion sind, mit Bestimmtheit die Rücknahme des Ufas erwartet hatte. Indeß der Belagerungszustand muß verlängert werden, und die Polizei ist unfehlbar. Die Staatsraison und das Polizeirennomée er­heischten den Ruin dreier Existenzen, und so wurden diese denn falten Bluts und heiteren Herzens ruinirt. Die Dresdner Nachrichten" haben nun neuen Stoff für einen Lobgesang auf die Milde der sächsischen Regierung, die in ihrer Humanität" von der schneidigen Waffe" des Belagerungszustands ,, nur den schonendsten Gebrauch macht". Sela!

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Es ist ja wahr, statt drei Personen frivoler Weise zu Grunde zu richten, hätte man drei Dugend, drei Hundert, drei Tausend zu Grunde richten können! Welche Humanität", daß man das nicht gethan und sich mit drei lumpigen Existenzen begnügt hat!

Sie wundern sich vielleicht, daß ich gerade mit diesem Fall mich so ausführlich beschäftige. Es sind schon Hunderte und Tausende durch dieses infame Sozialistengesetz ruinirt worden da sollte unsereins eigentlich an solche Schandthaten gewöhnt sein. Ganz recht, aber es ist doch ein Unterschied. Den Standpunkt unserer Feinde begreife ich, daß sie sich sagen: Wir stehen mit der Sozialdemokratie auf dem Kriegs­fuß, und à la guerre comme à la guerre im Krieg muß man den Gegner mit allen Waffen niederzuwerfen suchen".

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Gut! Nur muß es mit ehrlichen Waffen sein; und nur dürfen die Waffen sich nicht gegen Unschuldige, gegen Nichttombattanten richten. Das ist durch das Völkerrecht und durch internationale Ver­einbarungen für den Krieg festgesetzt worden. Wer mit unehrlichen Waffen( vergifteten Kugeln 2c.) kämpft und auf Frauen, Kinder, Un­bewaffnete kurz Nichtkombattanten schießt, stellt sich damit außerhalb des Völkerrechts und wird mit Recht als elender Bube betrachtet, als ein gemeingefährliches Subjekt, das todtgeschlagen werden muß wie ein toller Hund.

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Und im politischen Krieg gegen uns achten unsere Feinde der Regeln nicht, welche das Völkerrecht für den militärischen Krieg, um dessen Schrecknisse zu mildern, aufgestellt hat. Man bekämpft uns mit unehrlichen Waffen und man schießt auch auf die Nicht­tombattanten.

Das ist in dem Falle Eisengarten- George geschehen, und darum verweile ich bei diesem Falle, der die sittliche Verkommenheit, die absolute Gefühl- und Gewissenlosigkeit unserer Feinde plastisch und drastisch zum Ausdruck bringt.

Die Fälle frivoler Ausweisung werden sich in den nächsten fünf bis sechs Wochen unzweifelhaft häufen. Da unsere Genossen nicht so dumm find, nach dem bekannten Londoner   Polizeirezept zu konspiriren, und außerdem, von allen Geboten, sich das eilfte mit ganz besonderer Sorgfalt eingeprägt haben, so kann das Material, mit welchem die be­schlossene Verlängerung des Kleinen" in usum Philistrorum den Spießbürger- Gebrauch- zu ,, motiviren" ist, nicht auf ehrlichem Wege beschafft werden, und da müssen die braven Vertreter der Ord­nung und Moral" denn pflichtgemäß auf un ehrlichen Wegen wan­deln. Die auswärtigen Freunde dürfen sogar nicht erstaunt sein, wenn

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für

später Nationalreligionen, hervorgesproffen aus, und verwachsen mit den gesellschaftlichen und politischen Zuständen des jedesmaligen Volkes. Ein mal diese ihre Grundlagen zerstört, die überlieferten Gesellschaftsformen, die hergebrachte politische Einrichtung und die nationale Unabhängigkeit gebrochen, brach die dazu gehörige Religion selbstredend zusammen. Die Nationalgötter konnten andere Nationalgötter neben sich dulden, und das war die allgemeine Regel im Alterthum: aber nicht über sich. Die Berpflanzung orientalischer Götterkulte nach Rom   schadete nur der römischen Religion, konnte aber den Verfall der orientalischen Religionen nicht hemmen Sobald die Nationalgötter die Unabhängigkeit und Selbständigkeit ihrer Nation nicht mehr schirmen können, brechen sie sich selbst den Hals. So geschah es überall( abgesehen von den Bauern, besonders im Gebirg). Was in Rom   und Griechenland   die vulgärphilosophische Aufklärung, ich hätte beinahe gesagt der Voltairia­nismus, das that in den Provinzen die römische Unterjochung und die Ersetzung freiheitsstolzer Männer durch verzweifelnde Unterthanen und selbstsüchtige Lumpe.

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bei

Das war die materielle und moralische Lage. Die Gegenwart un­erträglich, die Zukunft womöglich noch drohender. Kein Ausweg. Ber­zweiflung oder Rettung in dem allerordinärsten sinnlichen Genuß Denen wenigstens, die sich das erlauben konnten, und das war eine tleine Minderzahl. Sonst blieb nur noch die schlaffe Ergebung in das Unvermeidliche.

Aber in allen Klassen mußte es eine Anzahl Leute geben, die, an der materiellen Erlösung verzweifelnd, eine geistige Erlösung als Ersatz suchten

einen Trost im Bewußtsein, der sie vor der gänzlichen Verzweiflung bewahrte. Diesen Trost konnte die Stoa nicht bieten, ebensowenig wie die Schule Epikurs, eben weil sie Philosophien also nicht für das ge­meine Bewußtsein berechnet sind, und dann zweitens weil der Lebens­wandel ihrer Jünger die Lehren der Schule in Mißkredit brachte. Der Trost sollte nicht die verlorene Philosophie, sondern die verlorene Reli­gion ersetzen, er mußte eben in religiöser Form auftreten, wie damals und noch bis in's 17. Jahrhundert, Alles, was die Massen packen sollte. Wir brauchen wohl kaum zu bemerken, daß von den, nach einem

Ihnen nächstens aus Deutschland   die Nachricht kommt, es sei irgendwo ein ,, Attenta t" verübt worden. Unsere Vertreter der Ordnung und Moral" find in so großer Verlegenheit und der Staat" ist in so dringender Gefahr", daß außerordentliche Rettungsmaßregeln sich bald nothwendig erweisen dürften.

Apropos um den Eifer der Polizeiorgane zu schärfen, wird amtlich die Schauermähr kolportirt, die Sozialdemokratie habe die Ermordung gewisser hervorragend mißliebig gewordener Beamten dekretirt. Natürlich kann jeder Beamte sich unter die hervorragend mißliebigen zählen, und ist dann natürlich im Interesse seiner Selbsterhaltung gezwungen, sein Möglichstes zur Vernichtung der Mordbande" zu thun.

Daß diese Schauermähr amtlich kolportirt wird, kann ich verbürgen. Details zu geben, verbietet die Diskretion.

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Zum Schluß etwas Heitres. Unser Herr Oberbürgermeister, der, von unserer nationalliberalen Pfeffersackflique gewählt, ein dreimal in der Wolle gefärbter Nationalliberaler ist, hatte am 23. April zu Königs Geburtstag" eine Festrede auf unseren Albert zu halten. Dieser, ein strammer Fünfziger, hat sich von jeher einer kräftigen Gesundheit, d. h. was den Körper anbetrifft, erfreut, und faßt jeden Zweifel an seiner förperlichen Rüstigkeit als eine schwere Beleidigung auf.

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Wohlan, in seiner Festrede auf den sächsischen Albert passirte es nun dem nationalliberalen Bürgermeister Georgi heißt der Mann-, daß er in seinem nationalliberalen Eifer statt an den engern Landesherrn, an den ,, Heldengreis" Wilhelm dachte, und, den 85jährigen Kaiser und Preußen­wenn der Ausdruck erlaubt ist geistigen Augen, fönig vor seinen dem 50 jährigen Sachsenkönig die unglaubliche Sottise sagte, Gottes ganz besonders gnädiger Schutz habe über seinem( Albert's) Haupte gewaltet, und ihn( Albert) in körperlicher und geistiger Frische erhalten. Zum Glück war Albert blos in einer Gypsbüste anwesend, sonst würde er wohl eine Grimasse des Aergers gezogen, oder einen Lachkrampf be­kommen haben je nachdem.

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,, Wenn!" In ihrem wonneseligen Artikel über die Geburt eines angeblichen Hohenzollernsprößlings verkündet die Berliner   National­zeitung" ihren Lesern, daß das hohe Wickelkind dereinst die Geschicke des deutschen   Volkes lenken werde ,,, wenn ihm- dem Wickelkind- das Geschick günstig" sei. Du ahnungsvoller Engel, Du! Diesmal hast Du das Rechte getroffen! Dein Wenn" ist mehr wie berechtigt.

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Warnung! Bei der allgemeinen Auswanderungswuth im herrlichen Deutschland   richten sich noch vielfach die Blicke der Aus­wanderer nach Australien  , in der Meinung, dort müsse es eher möglich sein, sich eine Existenz zu gründen. Bestärkt wird diese Ansicht noch durch die tendenziösen Berichte der englischen   Regierung und der australischen Landagenten. Wie es aber in Wahrheit dort aussieht, darüber gibt nachstehender, uns von einem Genossen zur Verfügung gestellter Brief eines seit vier Jahren in Neusüdwales lebenden Arbeiters beherzigens­werthe Auskunft. Derselbe lautet:

,, Lieber Bruder und liebe Freunde!

So herzlich gern ich Euch hier haben möchte, bin ich doch froh, daß Ihr nicht gekommen seid.

" Ich kann Niemand, der in Europa   noch im Stande ist, trocken Brod und Käse zu verdienen, rathen, nach Australien   zu kommen. Die von gewissen Zeitungen kolportirte Ansicht, es sei hier leicht, Arbeit zu be­tommen, ist eine große Unwahrheit. Ich arbeite noch immer in demselben Geschäft hier in Sydney  , welches als das beste im ganzen Lande bekannt ist. Ich habe jetzt 2 Pfund 10 Sch. die Woche, doch was ist das für ein Lohn gegenüber der riesigen Theuerung der Lebensmittel!

,, Ganz abgesehen von verschiedenen europäischen   Lebensbedürfnissen, die Einem ganz und gar abgehen, zahlt man für die nothwendigsten Dinge nicht aufzubringende Preise. Zum Beispiel für einen Kohlkopf( Cabagge) 10 Pence( 85 Pfg.). Das Trinkwasser, welches 200 Miles aus dem Lande geholt wird, ist gleichfalls sehr theuer.

,, Dabei bin ich noch immer einer von den Glücklicheren, ich habe wenigstens Arbeit. Hunderte aber lungern monatelang arbeitslos herum. Wird nur ein Arbeiter gesucht, so wird das Haus förmlich gestürmt, bis die Polizei einschreitet. Und wenn diese Armen dann monatelang vergebens versuchten, Arbeit zu bekommen, müssen sie nachher noch froh sein, wenn sich ihnen die Chance bietet, von einem Squatter viele hunderte von Miles mit in den Bush" genommen zu werden, zu Arbeiten, die ihr sicherer Ruin sind, und welche sie in Europa   nie machen würden.

"

"

An den Küsten, wo das Klima noch erträglich wäre, wird es un­erträglich gemacht durch die heißen Sandwolken im Sommer; diese machen es geradezu zu einer Hölle."

So der Briefschreiber, der, wie unser Genosse mittheilt, einer der besten Arbeiter in seiner Branche ist und perfekt englisch   spricht. Für den nicht englisch sprechenden Arbeiter sind die Aussichten natürlich noch viel ungünstiger.

Darum, Ihr Europamüden, seid gewarnt!

Eine zeitgemäße Anfrage. Wir erhalten folgenden Offenen Brief:

Hamburg  , im April 1882.

In Erwägung, daß unter dem Sozialistengesetz die Agitation für die Ausbreitung des Sozialismus eine wesentlich andere sein muß, als zu der Zeit, in welcher unsere Presse, Vereine und Versammlungen das Agitiren besorgten-

" In Erwägung ferner, daß auch die heutigen veränderten Zeitverhält­nisse eine sich der Zeit mehr anpassende und die Zeitverhältnisse berück­sichtigende Agitation fordern

" In Erwägung drittens; daß es gerade jetzt eine günstige Zeit ist, da alle Welt sich mit Sozialismus befaßt, den wahren Ideen des Sozia­

solchen Bewußtseinstrost, nach dieser Flucht aus der äußeren Welt in die innere, sich sehnenden Leuten die Mehrzahl sich finden mußte unter den Sklaven.

In diese allgemeine ökonomische, politische, intellektuelle und moralische Auflösung trat nun das Christenthum. Zu allen bisherigen Religionen trat es in entschiedenen Gegensatz.

Bei allen bisherigen Religionen waren die Zeremonien die Hauptsache. Nur durch die Theilnahme an Opfern und Umzügen, im Orient noch dazu durch die Beobachtung der umständlichsten Diät- und Reinheitsvor­schriften, fonnte man seine Angehörigkeit befunden. Während Rom   und Griechenland   in letzterer Beziehung tolerant waren, herrschte im Orient eine religiöse Verbotswuth, die zum schließlichen Verfall nicht wenig bei­getragen hat. Leute zweier verschiedener Religionen( Egypter, Perser, Juden, Chaldäer) können nicht zusammen essen oder trinken, feinen all­täglichen Akt gemeinsam begehen, kaum zusammen sprechen. An dieser Scheidung des Menschen vom Menschen ist der alte Orient großentheils mit untergegangen. Das Christenthum kannte keine scheidenden Zeremo­nien, nicht einmal die Opfer und Umzüge der klassischen Welt. Indem es so alle Nationalreligionen und das ihnen gemeinsame Zeremoniell ver­wirft, an alle Völker ohne Unterschied sich wendet, wird es selbst die erste mögliche Weltreligion. Auch das Judenthum hatte mit seinem neuen Universalgott einen Anlauf zur Weltreligion genommen; aber die Kinder Israels   blieben immer eine Aristokratie unter den Gläubigen und Beschnittenen; und selbst das Christenthum mußte die Vor­stellung von dem Vorzug der Judenchristen( die noch in der sog. Offenbarung Johannis herrschte) erst los werden, ehe es wirkliche Weltreligion werden konnte. Anderseits hat der Islam, durch Beibehaltung seines spezifisch orien­talischen Zermoniells, selbst sein Ausbreitungsgebiet auf den Orient und das eroberte und von arabischen Beduinen neu bevölkerte Nordafrika   be­schränkt: hier konnte er herrschende Religion werden, im Westen nicht. Zweitens schlug das Christenthum eine Saite an, die in zahllosen Herzen wiederklingen mußte. Auf alle Klagen über die Schlechtigkeit der Zeiten und das allgemeine materielle und moralische Elend antwortete das christliche Sündenbewußtsein: So ist es, und so kann es nicht anders

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lismus wenn auch nur mehr privatim Anhänger und begeisterte Freunde zu werben ,, richten wir an die Parteigenossen aller Orten folgende Anfrage respektive Bitte:

,, 1. Sind Sie mit uns der Ansicht, daß die Brochüren, welche früher zur Ausbreitung des Sozialismus geschrieben sind, ihrem Zwecke nicht mehr ganz entsprechen, daß vielmehr eine Broschüre erscheinen müßte, welche, ausgehend von einer populären Schilderung der heutigen ver­rotteten Zustände, in packender populärer Sprache die Endziele des Sozialismus Jedem, der sich dafür interessirt, klarlegte? Sind Sie ferner mit uns der Ansicht, daß in einer solchen Broschüre den heutigen Tagesfragen besondere Berücksichtigung gewidmet werden müßte, damit Mancher, der jetzt hin und her schwankt, im Gewühle der Partei­meinungen feste Stellung nehmen könnte, die sich gründet auf die Prin zipien des Sozialismus? ,, 2. Sind Sie mit uns der Ansicht, daß bei aller Hochachtung vor dem Genie Lassalles seine Schriften weit mehr ihrem Zweck entsprechen würden, wenn sie umgearbeitet und der heutigen Zeit mehr angepaßt würden? Wir erinnern speziell an die Indirekten Steuern", die in einer Umarbeitung, wobei die neueren statistischen Nachweise des Stati­stiters Dr. Engel berücksichtigt würden, ein noch viel überzeugenderes Agitationsmaterial bieten würden.

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3. Sind Sie mit uns der Ansicht, daß nach dem Saze: Wer Vieles bringt, wird Manchem etwas bringen", auch die Verbreitung kurzer, fräftig gehaltener Flugschriften, mehr als bisher stattfinden müßte? In diesen könnten auch gerade die Tagesfragen eine Besprechung finden. Wir sind der Meinung, daß nicht blos bei Wahlen, sondern jahraus, jahrein, in gewissen Zwischenräumen Flugschriften unter das Volk ge­streut werden müßten, damit es endlich einmal aus der Dienstbarkeit der reaktionären Parteien wozu wir selbstverständlich auch die Fortschritts­partei rechnen herausträte.

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,, Wir wollen in diesen Zeilen nur eine Anregung geben und bitten um Aeußerung hierüber im Parteiorgan. Es ist Zeit, daß wir uns gegenseitig anspornen zu frischen erneuten Anstrengungen und mit Rath­schlägen an die Hand gehen, damit wir ein Gegengift werden gegen die heutige geistige und materielle Reaktion. Mit sozialdemokratischem Gruß! Mehrere Hamburger Parteigen offen."

Wir übergeben diese, nach unserer Ansicht sehr berechtigte Anregung den Genossen allerorts zur eventuellen Diskutirung.

Um auch unsern Standpunkt hier kurz zu entwickeln, so sind wir im Wesentlichen mit der Auffassung der Fragesteller einverstanden. Daß eine ganze Reihe unserer früheren Broschüren nicht mehr zeitgemäß sind, haben wir bereits in einer früheren Nummer des Sozialdemokrat" aus­gesprochen und wir glauben, daß es wohl kaum einen Genossen gibt, der anderer Ansicht wäre. Man ziehe nur in Betracht, daß es sich bei den meisten unserer Agitationsschriften seinerzeit darum gehandelt hat, das damals allmächtige Manchesterthum zu bekämpfen und die Nothwendigkeit des Sozialismus im Allgemeinen nachzuweisen, daß es heute aber außer­dem und zwar dringend nöthig ist, die inzwischen versuchten Verfäl schungen des Sozialismus als solche zu kennzeichnen, den Arbeitern zu zeigen, daß Antimanchesterthum noch lange nicht Sozialismus ist, viel­mehr unter Umständen ein noch schlimmerer Feind des Arbeiters als die reine unverfälschte Manchesterlehre, die wenigstens das eine Gute hat, flare Situation zu schaffen.

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Die Erkenntniß, daß heute andere Anforderungen an unsere Agitations­schriften gestellt werden, als vor dem Sozialistengesetz, ist auch die Ursache, daß von mehreren derselben trotz lebhafter Nachfrage noch keine Neuauflagen veranstaltet worden sind. So wird z. B. Bebel's ,, Unsere Biele", das seit zirka zwei Jahren vollständig vergriffen ist, noch immer lebhaft verlangt, aber Bebel selbst hat vor mehr als Jahresfrist den Wunsch ausgesprochen, daß eine Neuauflage einstweilen nicht gemacht, sondern damit gewartet werde, bis er Zeit gefunden, eine zeitgemäße Umarbeitung vorzunehmen. Vielleicht trägt der Umstand, daß Bebel diesmal nicht im Reichstag sitzt, dazu bei, daß dies recht bald geschieht.

Was aber die Umarbeitung der Lassalle'schen Schriften anbetrifft, so können wir uns dafür nicht erwärmen. Diese sind gewissermaßen histo­rische Dokumente, an denen man nicht rütteln soll. Das Einzige, dem wir in dieser Beziehung zustimmen könnten, wäre, dieselbe mit erläuternden Anmerkungen und Zusätzen zu versehen. Ob dies aber nicht ihren agita­torischen Charakter beeinträchtigen und z. B. gerade die Broschüre über die indirekten Steuern zu umfangreich gestalten würde, ist eine andere Frage. Sehr einverstanden sind wir wiederum mit dem Vorschlag der Heraus­gabe fräftiger, packender Flugblätter, welche entweder die Fragen des Tages in unserem Sinne zu besprechen oder, an solche anknüpfend, das Volt auf die Nothwendigkeit der sozialen Revolution hinzuweisen hätten. Nur meinen wir, daß diese Flugblätter entweder in Deutschland   selbst oder mindestens auf Veranlassung oder nach Angabe der Genossen in Deutschland   verfaßt werden sollten, sollen sie den gewünschten praktischen Erfolg haben. Wir müssen auch in dieser Beziehung planmäßig vorgehen.

Hauptsache aber ist, daß rüftig gearbeitet wird. Das selbstzufriedene Bärenhäuterthum, wie es hier und da gepflegt wird, muß aufhören. Es ist nicht genug, daß wir das eroberte Terrain zu erhalten streben, wir müssen rastlos bemüht sein, Neues dazu zu erobern!

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Oesterreich. Aus Dur erhalten wir von einem Arbeiter eine Schilderung der Zustände im dortigen Kohlenrevier, aus der wir ersehen, daß die habsburgischen Beamten sich noch viel infamer gegen die armen Bergleute aufgeführt haben, als es aus den Zeitungsberichten hervorging. Die von den Arbeitern der verschiedenen Gruben gewählten Komitee­mitglieder, welche das Staatsverbrechen begangen hatten, die Resolution der Arbeiter dem Bezirkshauptmann zu überreichen, sind fast sämmtlich

sein, an der Verderbtheit der Welt bist Du schuld, Ihr Alle, Deine und Euere eigene innere Verderbtheit! Und wo war der Mann, der Nein sagen fonnte? Mea culpa! Die Erkenntniß des eigenen Schuldantheils jedes Einzelnen am allgemeinen Unglück war unabweisbar und wurde nun auch Vorbedingung der geistigen Erlösung, die das Christenthum gleichzeitig verkündete. Und diese geistige Erlösung war so eingerichtet, daß sie von den Genossen jeder alten Religionsgemeinschaft leicht ver­standen werden konnte. Allen diesen alten Religionen war die Vor­stellung des Sühnopfers geläufig, durch das die beleidigte Gottheit ver­söhnt wurde; wie sollte die Vorstellung von dem ein für alle Mal die Sünden der Menschheit tilgenden Selbstopfer des Mittlers da nicht leicht Boden finden? Indem also das Christenthum das allgemein verbreitete Gefühl, daß die Menschen am allgemeinen Verderben selbst Schuld seien, als Sündenbewußtsein jedes Einzelnen zum klaren Ausdruck brachte, und gleichzeitig mit dem Opfertod seines Richters eine überall leicht erfaßliche Form der allgemein ersehnten inneren Erlösung von der verderbten Welt, des Bewußtseinstroft's lieferte, bewährte es wieder seine Fähigkeit, Welt­religion zu werden und zwar eine für die gerade vorliegende Welt passende Religion.

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So ist es gekommen, daß unter den Tausenden von Propheten und Predigern in der Wüste, die jene Zeit mit ihren zahllosen Religions­neuerungen erfüllten, allein die Stifter des Christenthums Erfolg gehabt haben. Nicht nur in Palästina, im ganzen Orient wimmelte es von darwi man fann sagen solchen Religionsstiftern, unter denen ein nistischer Kampf um die ideelle Existenz herrschte. Dank vornehmlich den oben entwickelten Elementen, stegte das Christenthum. Und wie es all­mählig im Kampf der Sekten, unter einander und mit der heidnischen Welt durch natürliche Zuchtwahl seinen Charakter als Weltreligion immer weiter ausbildete, das lehrt im Einzelnen die Kirchengeschichte der ersten drei Jahrhunderte.