beginnen mit der am 8. Mai gehaltenen Rede Kaysers über die Gewerbeordnungsnovelle.

Kayser protestirt zunächst gegen die Ausführungen des konservativen Abgeordneten für Plauen  , Hartmann, der sich gebrüstet hatte, daß die sozialistischen   Arbeiter für ihn gestimmt und sich ihm gegenüber für Einführung der Arbeitsbücher ausgesprochen hätten. Darauf wendet er sich zum Gesetzentwurf selbst:

,, Was uns ganz besonders gegen den gegenwärtigen Entwurf einnimmt, ist, daß wir an ihm ein ganz ähnliches häßliches Gesicht sehen, wie bei dem Sozialistengesetz, dieselbe Wortstellung, wie z. B. Thatsachen, welche die Annahme rechtfertigen", ganz wörtlich so wie es im Sozialisten­gesetz heißt. Deshalb kann man wohl sagen, daß eigentlich das Gesetz hätte überschrieben werden müssen: gegen die gemeingefährlichen Be­strebungen des selbstständigen Kleinbetriebes." Wir finden auch zur Ver­wandtschaftsbezeugung eine Menge Kautschukbegriffe, wie Un­zuverlässigkeit gegen das Gesetz, Ordnung, Sicherheit, gute Sitten. Alles das sind schöne Worte, nur daß sich Jeder etwas Anderes darunter denkt, daß der Herr Abgeordnete Günther und andere Herren von rechts unter guten Sitten" etwas anders verstehen können, als andere Leute, daß die Polizei mit solchen Worten etwas ganz anderes anfängt, wie gewöhnliche Bürger sich träumen lassen, so daß man sagen muß, daß mit solchen Bestimmungen alles Mögliche gemacht werden kann. Ich hebe hervor, daß ja meine Partei, die Sozialdemokratie, gewiß nicht in der Gewerbefreiheit das Eldorado für die Ordnung der gewerblichen Verhältnisse sieht; aber noch weit weniger sehen wir irgend welche Besserung für die gewerblichen Klassen in der Polizeibegünstig­ung, wo Einem gegeben und Vielen genommen wird, wo immer nur der Satz gilt: das artige Kind bekommt den Apfel, die unartigen können dem Essen zusehen. Ich bin durchaus der Meinung, daß die gewerbtreibenden Klassen Grund zur Klage haben, und denke ganz mit dem Herrn Abgeordneten Hartmann, daß es endlich an der Zeit wäre, den hochachtbaren Stand der Handwerker zufriedenzustellen. Aber durch solche Gesetze, wie das gegenwärtige, ändert man an den Uebeln des Kleinbetriebes, der mit so ungeheuren Sorgen zu kämpfen hat, absolut nichts, damit ist nichts für die soziale Organisation der Gesellschaft gethan. Damit nimmt man sich gar nicht irgendwie der Gesellschaft an, sondern dem armen Mann wird das Leben noch schwerer gemacht, der arme Mann wird einfach unter die Beamtenherrschaft gestellt, unter die Polizei, und man sieht bei dem ganzen Entwurf so zu sagen gespenstisch die Nase des Polizeibeamten durchblicken, der in alles sich hineinmengt und über alles entscheiden will. Und ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Polizei von Hause aus dem armen Manne feindlich gesinnt ist, daß sie den abgeschab­ten Rock schon für etwas Verdächtiges hält.

( Widerspruch rechts.)

an

Meine Herren, gehen Sie( zu der rechten Seite gewendet) nur die erste beste Straßenecke in Berlin   und fragen Sie selbst die Polizei­beamten, die praktisch ihr Werk zu verrichten haben, ob sie nicht schon weit mehr Aufmerksamkeit auf einen Mann werfen, der abgeschabt geht, weil da der Polizist a priori annimmt, er könnte betteln und dergleichen. So entsteht für den armen Maun der Verdacht schon von vornherein, und das ganze Verhalten der deutschen   Polizei bis auf den heutigen Tag ist besonders gegen den armen Mann so gewesen, daß sie solches Vertrauen, wie es der Gesetzentwurf verlangt, in keinem Falle verdient; der deutschen   Polizei kann man nur immer und immer wieder mißtrauen.

In Bezug auf die Beschränkungen von Musikausführungen, Schaustellungen 2c. weist Ka y ser nach, wie diese Verschärfung nur darauf abzielt, die Gastwirthe noch abhängiger von der Polizei zu machen als sie heute schon sind und fährt fort:

" Dann wird weiter gesagt: die Dinge laufen den guten Sitten" zuwider. Niemand wird mehr als wir ein solches Zuwider­laufen, wenn es dazu beiträgt, die Bevölkerung zu entsittlichen, verwerfen. Aber was da verlangt wird, gibt mir noch keine Garantie, daß wirklich damit irgendwie den guten Sitten gedient wird. Ich erinnere Sie au die Hoftheater und erwähne nur, was ich schon im Jahre 1880 an dieser Stelle gethan habe, des Ballets  . Dasselbe ist doch durchaus nicht sittlich wirkend, aber noch nie ist die geringste Beschränkung ver­sucht worden, denn es ist für die Vornehmen. Und wie soll die Polizei entscheiden, inwiefern der Zutritt zu den Markart'schen Bildern gestattet ist? Ich fürchte, die Polizei wird sich danach richten, wer die freie Kunst betrachtet, die Sache wird zu einer Entreefrage werden, dem vornehmen Fräulein wird gestattet sein, was man der armen Nähmamsell nicht erlaubt. Wenn die Regierung sagt, die sogenannten Tingel- Tangel müßten bekämpft werden, weil sie eine unerwünschte Konkurrenz für die anderen Kunst­institute bilden, so sollte man sich nach dem Beispiel richten, welches in Dresden   einmal mit der billigen Aufführung von guten Theaterstücken vom Hoftheater gegeben wurde, und dem Uebel wäre abgeholfen. Als in Dresden   das dortige Hoftheater sogenannte Klassikeraufführungen zu er­mäßigten Breisen veranstaltete, drängte sich die ärmere Bevölkerung, der Arbeiterstand, massenhaft in das Theater, um sich an den großen Schöpfungen unserer Klassiker zu ergötzen und zu erbauen. Also die Konkurrenz beseitige man durch billiges Entree, aber nicht durch Polizei­ willkür  ."

Kayser kritisirt dann die Ausführungen der Regierungsvorlage über die Schlechtigkeit der Rechtskonsulenten:

" Zunächst wird gesagt, daß die Rechtskonsulenten viel zu viel einnehmen. Der Abgeordnete Günther nennt sie Steckeladvokaten, der Volksmund nennt sie Ferkelstecher, weil ihnen nur die Ferkel bleiben, während die großen und fetten Schweine von den Advokaten geschlachtet werden. Doch darüber will ich nicht weiter reden, aber in den Motiven heißt es ausdrücklich, daß durch die Rechtskonsulenten eine Schädig ung des Ansehens der Behörden in den unteren Volksklassen erwächst, und daß weiterhin eine Menge von Beschwerden und dergleichen an die Behörden unnöthig veranlaßt" werden. Man wird also denjenigen Rechtskonsulenten, die zu viel Be­schwerden erheben, die zu stark das verletzte Recht wahrnehmen und da­mit die Autorität der Regierung in den unteren Volksklassen schädigen", den Gewerbebetrieb untersagen, während bei anderen Rechtskonsulenten, selbst wenn sie vorbestraft sein sollten, man ein Auge zudrücken wird, wenn sie nur für die Autorität der Regierung eintreten. So wird man mit den Rechtskonsulenten nichts anderes erzielen, als Leute heranzuziehen, welche in Fällen, wo es sich entschieden um Ueber­griffe der Behörden handelt, den Leuten abrathen, Beschwerde zu erheben. Sie werden sich als der Polizei ergeben, vor der Uniform sich beugend, zeigen müssen. Nur die, welche Respekt vor der Obrigkeit haben und verbreiten werden, wird man unbehelligt lassen, während die übrigen tagtäglich in der Unsicherheit der Erwerbsentziehung schweben."

Aus den Ausführungen Kaysers über das Hausirgewerbe heben wir nunmehr folgende als besonders charakteristisch hervor:

" Der Gesetzentwurf beschäftigt sich weiter mit dem ständigen Gewerbebetrieb und den Hausirern, und wenn ich wieder frage, von meinem sozialdemokratischen Standpunkt aus, was wird eigentlich beschränkt? so kann man nicht behaupten, was sonst als Gegenstand der Agitation in öffentlichen Versammlungen der Konser­vativen gilt, daß das Großkapital beschränkt werde. Es wird wieder nur der kleine Geschäftsmann in seiner Betriebsamkeit, Waaren an den Mann zu bringen, ganz besonders eingeengt. Diese Betriebsamkeit soll sich eben nicht voll entwickeln.

Meine Herren, die Nothlage des stehenden Betriebs wird von uns nicht abgeleugnet. Die Zunahme der Bankrutte steht fest, aber der Gewerbetrieb leidet nicht an den Reisenden und Hausirern, sondern an ganz anderen Dingen, ich will es kurz sagen: am Kreditmangel, an den schlechten Erwerbsverhältnissen des arbeitenden Volkes und an der ganzen heutigengesellschaftlichen und wirthschaftlichen Ordnung. Diese Uebel beseitigt man nur durch eine völlige Aenderung der Wirthschaftsordnnng, nicht aber durch die größere Unterdrückung des kleinen Mannes." Meine Herren, der Entwurf hat nur nach einer Richtung hin mehr Freiheit gegeben, und da gerade, wo es zu bedauern ist. Während soust der Hausirbetrieb beschränkt wird, gestattet er z. B. von nun an das Verkaufen von Schnaps im Umherziehen. Das ist fein Fortschritt, selbst wenn es, wie es in den Regierungsmotiven heißt, einem großen Bedürfniß entsprechen sollte. Mir scheint das eine merk­

würdige Gegenüberstellung zu sein; man will weniger Geist aber mehr Alkohol bieten, weniger geistige Unterhaltung, aber mehr Besoffenheit."

,, Wenn aber im Entwurf gesagt wird, daß man schwindel­haften 3weden entgegentreten will, so wäre es selbstredend, daß ein Sozialdemokrat sagen muß, natürlich schwindelhafte Zwecke müssen überall beseitigt werden. Nun muß ich freilich sagen, daß nach meiner theoretischen Ueberzeugung vom Handel im Handel überhaupt etwas schwindelhaftes liegt, ich meine das im höheren wissenschaftlichen Sinne genommen, wie schon Marr es bezeichnet: Handel ist Prellerei", was ich Herrn Stöcker zu berücksichtigen bitte, der immer draußen in seinen Versammlungen behauptet, daß Marr nur dem Fabrikkapital, nicht dem Handelskapital entgegengetreten sei. Meine Herren, der Kaufmann hat das Prinzip, seine Waaren über ihren inneren Werth anzupreisen, er will billig einkaufen, theuer verkaufen. Dabei braucht man noch nicht zum Schwindel im gewöhnlichen Sinne zu kommen, aber zum großen Theil nimmt der Kaufmann, wenn sich Gelegenheit bietet, den größeren Gewinn, auch wenn dieser in der Sache selbst nicht liegt. Das ist das, was man Prellerei nennt, was aber der Hoflieferant nicht minder treibt, als der Hausirer, der von Haus zu Haus, von Ort zu Ort geht.

( Sehr wahr! flints.)

Meine Herren, wenn man wirklich dem Schwindel entgegentreten will, dann sage ich Ihnen gerade auf der rechten Seite, dann haben Sie einem ganz anderen Schwindel entgegenzutreten, dem Börsenschwindel, wozu Sie sich aber unfähig fühlen, da Ihre eigene Parteipresse, der ,, Reichsbote" und das Deutsche Tageblatt", in heftigen Widerstreit ge kommen sind, ob man an diese großen Finanzkreise, die auch manchmal der Regierung sehr nahe stehen, wirklich herantreten darf und ihnen Schmerz und Beschneidung bereiten kann.

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( Sehr richtig! links.)

Meine Herren, ich sage mir also, wer wirklich irgendwie den durchaus berechtigten Haufirbetrieb und das erwähne ich gerade gegenüber den sächsischen Abgeordneten- den sächsischen Weberstand in seiner schon geringen wirthschaftlichen Selbstständigkeit schützen will, der muß nachher mithelfen, daß die selbstgefertigten Waaren voll­ständig frei zugelassen werden. Aber, meine Herren, wie jetzt der Entwurf vorliegt, da kann ja kein Hausirer sicher sein, ob ihm nicht der Haufirbetrieb, seine einzige Erwerbsfähigkeit, entzogen wird. Erstens soll er sorgen für die Unterhaltung der Kinder. Wenn er den Unterhalt nicht genügend versorgt, dann wird ihm der Haufirbetrieb verboten. Nun stelle ich mir den sächsischen Weber vor, der durch die Saison und schlechte Zeiten vier Monate und länger arbeitslos ist. Er borgt sich

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um nicht zu verkommen Garn; dann arbeitet er und seine Frau mühselig, um verkäufliche Waare zu fertigen, womit sie dann über Land gehen wollen, um durch den Absatz der Waare für sich und ihre Kinder Unterhalt zu schaffen. Weil aber schlechte Zeiten waren, so fonnte nur mangelhaft für den Unterhalt der Kinder gesorgt werden. Dann kann die Polizei kommen und sagen: du darfst überhaupt nicht weggehen und ich verbiete das Umherziehen mit Waaren, und desto schwerer wird es für den Mann, etwas für den Unterhalt seiner Kinder zu thun. Man muß vielmehr umgekehrt sagen: man darf die Erwerbsfähigkeit nicht im geringsten beschränken, wenn Jemand in die Lage versetzt werden soll, einen schon nicht vorhandenen Unterhalt in höherem Maße sich zu be­schaffen.

( Sehr richtig! links.)

Meine Herren, weiter wird sogar verlangt, daß der Hausirer sich in direkter Weise um den ordentlichen Unterricht seiner Kinder kümmern soll, und wenn die Kinder nicht ordentlich unterrichtet werden, dann darf er nicht hausiren gehen. Ob man dabei voraussetzte, daß, wenn der Mann zu Hause ist, er Lehrer wird und, wenn kein genügender Unterricht vorhanden ist, er denselben ersetzt und der Lehrer der eigenen Kinder ist? Das ist nicht der Fall, das dient alles blos dazu, um dem Kleinen Weber im Erzgebirge   und sonst überall das Leben und den Er­werb recht schwer zu machen."

In dem ganzen Gesetzentwurfe sehen wir auftreten die Konzession, mag es die offene oder versteckte Konzession sein, mag sie uns er. scheinen als eine direkte Genehmigung oder als eine Entziehung der Erlaubniß, was doch immer nur eine versteckte Konzession ist. Uns ist natürlich jede Konzession etwas verwerfliches, uns erscheint sie besonders in einer Zeit, wo die freie Konkurrenz die Grundlage des ganzen wirthschaftlichen Lebens ist, als ein Verschluß für den einzelnen, Privateigenthum zu erwerben, uns erscheint sie als ein besonderes Privilegium für den einzelnen, die Beute, die sonst die herrschende Gesellschaft macht, in einem unbestimmten Theile gesichert zu erhalten, an ihr mit Sicherheit theilzunehmen. Nun, meine Herren, sehen Sie sich den Entwurf an, Sie, die Sie da draußen immer davon sprechen, daß Sie die produktiven Klassen in ihrem Er­werbe und dergleichen schützen wollen, schützen vor Ausbeutung. Wo werden durch den Entwurf irgendwo die produktiven Klassen in ihrer Ausbeutung geschützt? Umgekehrt, Sie begreifen gar nicht die Un­gerechtigkeit, die darin liegt, wenn man die Frage aufwirft: was soll aus dem Manne werden, der keine Erlaubniß erhält? Nehmen Sie an, es ist der Mann ein Haufirer, oder er war Rechtskonsulent. Das eine wird ihm entzogen, das andere wird ihm verboten; nun frage ich, was soll nun dann für den Manu weiter geschehen? Der Staat, wie wir ihn uns vorstellen, sagt: wenn das eine untersagt wird, muß man etwas anderes anweisen. Aber hier wird bloß untersagt, und dann sagt man dem Manne: nun sieh, wie du weiter fertig wirst. Hier ist so oft vom praktischen Christenthum die Rede ge­wesen, aber ist das praktisches Christenthum, daß man dem Einzelnen sagt, du darfst dieses und dieses nicht machen, und wenn er dann fragt: ja, was soll ich thun, so sagen Sie sieh, daß du fortkommst, verfehlst du dich aber gegen die Gesetze, so steht dir in Aussicht das Ar­menhaus, das Arbeitshaus oder das Zuchthaus. Ja, das steht für jeden in Aussicht, welchem die Erwerbsthätigkeit entzogen und neue Gelegenheit zum Erwerb nicht gegeben wird.

Die Polizeiallmacht wird durch den Gesetzentwurf begründet, wie ich dies schon gesagt habe, und ich betone noch einmal, indem ich zum Schlusse gelange, daß die Polizei bei ihren Konzessionen die guten Sit­ten" durchaus nicht schützt. Ich erinnere hier zum Beispiel an die säch­sische Polizei, die im Gegensatz zu dem flaren Wortlaut des Strafgesetzes noch immer Bordelle konzessionirt, und ich frage ausdrücklich, auf Grund eines solchen Vorkommnisses, ob man immer Förderung der guten Sit­ten" durch eine Polizeikonzession und Polizeierlaubniß zu erwarten hat? Die ganze wirthschaftliche Entwickelung geht gegen das Privilegium, fie geht dahin, das Privilegium durch die Freiheit zu ersetzen. Weil aber die Freiheit sehr oft nur eine Ausbeutung des Stärkeren gegen den Schwächeren ist, halten wir es für nothwendig, an deren Stelle eine soziale Organisation der Arbeit zu setzen, womit na­türlich ein solcher Entwurf wie der vorliegende nichts zu thun hat, denn er bessert nichts, er stellt nur die Polizei­allmacht fest, und wir, die wir nur eine Besserung im So­zialismus sehen, in der Freiheit, in der Ordnung, wir wollen nicht dazu beitragen, die Polizei zu stärken, indem wir den armen und kleinen Mann ihr preisgeben und ihm das Leben schwer und unerträglich zu machen suchen.

Sozialpolitische Rundschau.

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3ürich, 17. Mai 1882.

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Bravo  ! Bravo   bei den Sozialdemokraten" heißt es am Schluß des Berichtes über die Rede unseres Genossen Vollmar zum Tabakmonopol. Und wir sind überzeugt, allüberall wo die Ge­nossen einen auch nur leidlich sachgemäßen Auszug aus derselben gelesen haben werden, werden sie in den Ruf unserer Vertreter im Reichstage einstimmen und mit uns und ihnen unserem Genossen Vollmar zurufen: Bravo  !

Das war die richtige Art, mit welcher dieser angebliche Staatssozialis­mus Bismarc's von unserer Seite zurückgewiesen werden mußte! Das war die Antwort, welche auf den schamlosen Humbug vom Patrimo­nium der Enterbten" gebührte! So mußte dem Anwalt des armen Mannes" und seinen frautjunkerlichen Freunden heimgeleuchtet werden!

Mit wahrhaft vernichtender Schärfe hat Genosse Vollmar die Regie­rungsvorlage kritisirt, ohne in den sehr nahe liegenden Fehler zu ver­fallen, sein Rüstzeug aus dem Arsenal des Liberalismus und des Man­chefterthums zu holen. Nein, streng auf sozialistischem Boden sich haltend, führte er seine Hiebe gegen die Regierung. Desto wuchtiger fielen sie aber auch auf dieselbe nieder.

Es kann nicht unsere Aufgabe sein, hier eine vollständige Analyse der Vollmar'schen Rede zu geben, wir werden dieselbe vielmehr nach den steno­graphischen Berichten zur Kenntniß unserer Leser bringen, auszugsweise wird sie ohnehin den Genossen schon bekannt sein. Nur soviel wollen wir hier noch betonen, daß es uns namentlich gefreut hat, daß Vollmar auch die richtige Antwort auf die Hinweise auf das Ausland, welches das Monopol habe, ertheilte. Wenn man fortwährend vom Auslande spricht, gab er den Herren zurück, dann gilt es zunächst, andere Einrich­tungen von dorther zu holen, so von Frankreich   die Republik  , so von der Schweiz   die direkte Volksgesetzgebung! Was Tags darauf den badischen Tabakhändler Sander zu dem geistreichen Argu­ment veranlaßte: Wir brauchen keine Republik  , bei dem Brande der Hygieine Ausstellung war unser hochverehrter Kaiser einer der Ersten, welcher hinausfuhr, um zu sehen, ob er irgendwo helfen könne!

Da das Ausstellungsgebäude trotz der Anwesenheit des allverehrten Kaisers" vollständig niederbrannte, so ist der Nutzen des Letzteren aller­dings schlagend nachgewiesen.

Auf die Tabakmonopoldebatte im Großen und Ganzen einzugehen, fehlt uns sowohl der Platz als auch die Luft. Was nicht durch Dick und Dünn mit der Regierung geht, sprach sich entschieden gegen die Vorlage aus. Den Herren geht es doch wider den Strich, daß ein so bedeutender Industriezweig der Privatindustrie ohne Weiteres entzogen werden soll. Bollmar wies mit Recht darauf hin, daß dieser Grund an sich für uns nicht stichhaltig sein könnte, wenn wir überhaupt mit dem heutigen Staat unterhandeln würden, daß aber, wenn wir einmal an das Verstaatlichen" gingen, wir uns zunächst an die konzentrirten Betriebe, nicht aber an die zersplitterten halten würden, d. h. an Eisenbahnen, Bergwerke 2c. und namentlich den Großgrundbesitz. Tags darauf benutzte das der Sekundant und Nachbeter Stöcker's, der Abgeordnete Hammer­stein, zu dem ebenso plumpen wie abgebrauchten Ausfall, Vollmar habe zwar unter den zu verstaatlichenden Betrieben auch den Großgrundbesitz genannt, seltsamerweise aber nicht von dem Bankbetrieb, kein Wort von einem Reichsbankmonopol gesprochen. Es sei bekannt, daß seit Lassalle  die Sozialdemokratie niemals das eigentliche Börsenkapital angegriffen habe.

Genosse Kayser rief dem Enfant terrible der Konservativen: Das ist nicht wahr!" zu, und thatsächlich ist der Vorwurf, der übrigens den bekannten Schriftsteller Gla gau zum geistigen Urheber hat, erlogen, aber er läßt uns, offen gestanden, sehr kalt. Die Angriffe auf die Börse sind die einzige Zuflucht aller Spieß- und Kleinbürger, welche die heutige Gesellschaft der Ausbeutung beibehalten, aber gerne ihre Kon­sequenzen aus der Welt schaffen möchten, was natürlich eine Donquixoterie ist. Für uns aber, die wir das Uebel an der Wurzel ausrotten wollen, für uns hat der eine Auswuchs nur ein untergeordnetes Interesse. Fällt die kapitalistische Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, dann ist es mit Börse und Börsenschwindel ohnehin Mathäi am Letzten.

Weil wir gerade bei dem Herrn Hammerstein sind, so wollen wir noch eine Stelle aus seiner Rede zitiren, in welcher der Tölpel recht liebenswürdig aus der Schule schwazzte. In einer Philippika gegen die Volkspartei platzte er folgendermaßen los:

,, Die Armee ist ihnen zu erklusiv; Gott sei Dank, gegen demokratische Tendenzen ist sie unempfänglich. Die Herren wollen die zweijährige Dienstzeit, wir aber glauben, daß nur eine dreijährige Schulung den strammen Geist erzeugen soll, den die Armee nicht nur gegen die Feinde nach Außen, sondern auch nach Innen braucht." Offenherziger fann man in der That den Beruf unseres herrlichen Kriegsheeres" nicht konstatiren. Wir wollen uns das Wort merken. Uebrigens war Herr Hammerstein nicht die einzige komische Person in der Debatte um das Tabakmonopol. Auch die andere Seite hatte ihren unfreiwilligen Komiker. Als Hammerstein der Linken präsentirte sich der biedere Schwabe Karl Mayer von Eßlingen  . Dieser große Demokrat" leistete im Verlaufe seiner salbungsvollen Rede unter anderen folgende Blüthen( wir zitiren nach seinem Parteiorgan, der " Franks. 8tg."):

"

Die Deutschen   waren ein Volf von Stämmen, seit sie in der Geschichte auftraten, und werden ein solches bleiben, wie weit sie auch über die Welttheile sich ausbreiten und wie lange sie durch die Jahrtausende gehen."

" Hier im deutschen   Parlament darf ich wohl den Staats­männern der Reichsregierung zurufen: Lassen Sie sich begnügen an der Form(!) und an dem Grad und Maß der Einheit, welche Sie erreicht haben und welche Niemand(!!) mehr an­ficht. Sie hat die zwei Säulen, welche sie braucht: ein Recht, ein Heer, eine Ordnung und Lehre, eine Waffe, eine Fahne, ein Befeht."

Es gibt Tage für die Parlamente, wo sie auf weit hinaus der Völker Schicksale in der Hand haben. Ein solcher Tag ist heute. Die Macht verbleibe dem Reichskanzler, die Allmacht müssen wir ihm verweigern."

Und dieser Mann gilt in Deutschland   als staatsge­fährlich!

Die Vorlage wurde einer Kommission zur Durchberathung übergeben. Von unseren Abgeordneten stimmte ein Theil für die Kommission; aus welchem Grunde haben unsere Leser aus der vorigen Nummer des Sozialdemokrat" ersehen. Gegen die Kommission stimmten unseres Wissens Grillenberger, Kayser, Kräcker und Vollmar, augenscheinlich in der von Vollmar in seiner Rede zum Ausdruck gebrachten Ueberzeugung, daß es am richtigsten ist, das Tabakmonopol kurzer Hand zurückzuweisen.

Paragraph 131 spukt noch immer in Deutschland   herum und wird wohl auch noch lange herumspuken. Als unsere Ordnungsleute sich von der traurigen Thatsache überzeugt hatten, daß das Sozialisten­gesetz die Sozialdemokratie nicht todt gemacht, sondern im Gegentheil sie gekräftigt hatte, da verfielen sie in ihrer Noth auf den§ 131.§ 131 sollte Staat und Gesellschaft retten;§ 131 sollte die böse sozialdemo­kratische Brut mit Stumpf und Stiel ausrotten. Der bekannte Wolken­bruch von§ 131- Prozessen erfolgte und war besonders heftig im gemüth­lichen" Sachsen  . Was da von Staatsanwälten und Richtern geleistet worden ist, haben unsere Leser in frischem Gedächtniß. Geradezu nieder­trächtige Urtheile wurden namentlich in Dresden   zu Anfang dieses Jahres gefällt. Indeß allzuscharf schneidet nicht das bethätigte sich auch hier. Die beabsichtigte Wirkung blieb aus. Die Sozial demokratie ließ sich nicht einschüchtern oder gar todt machen; das schmachvoll Ungerechte der Erkenntnisse brachte einen Umschwung in der öffentlichen Stimmung hervor und die Herren Ordnungs­leute haben den Rückzug antreten müssen. Das Urtheil in dem Prozeß gegen Liebknecht   signalisirte die Umkehr. Wenn in diesem Prozeß mit gleichem Maße gemessen worden wäre, wie in dem Prozeß gegen Geyer, dann hätte Liebknecht, der außer auf§ 131 noch auf ein halb Dutzend anderer Paragraphen angeklagt war, mindestens drei Jahre em­pfangen müssen.

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Wie hier der§ 131 schon halb und halb aufgegeben und eigentlich bloß noch pro forma aufrechterhalten worden war, so wurde er am 10. de. vom 3 widauer Landgericht vollständig bei Seite geworfen.

Es handelte sich wieder um ein Wahlflugblatt, und zwar das für den 17. sächsischen Reichstagswahlkreis( Glauchau  - Meerane  ). Der Angeklagte ( Mar Preißer, Ausgewiesener aus Lindenau   bei Leipzig  ) hatte dasselbe verfaßt und mitunterzeichnet. In dem Flugblatt, welches u. A. ein Referat der Rede Auer's über den Belagerungszustand gab, hieß es: