" Das famose Oktobergesetz, welches Hunderttausende deutscher Staatsbürger in den Zustand der Rechtlosigkeit gebracht hat."
Dieser Bassus sollte einen Verstoß gegen§ 131 bilden. Denn, so argumentirt die Anklage, das„ Oktobergesetz" ist in aller Form Rechtens erlassen, es ist Reichsgesetz, und wurden die Sozialdemokraten von diesem Geseze betroffen, auf Grund dieses Gesetzes ausgewiesen, eingesperrt und durchsucht, chikanirt, maltraitirt, so geschieht das Alles von Rechtswegen und von„ Rechtlosigkeit" der Sozialdemokratie kann ebensowenig die Rede sein, als von der„ Rechtlosigkeit“ eines gemeinen Verbrechens, der wegen eines Diebstahls, Raubs u. s. w. seiner Freiheit beraubt wird.
Der Herr Staatsanwalt, der die Anklage ausgearbeitet hat, unterschlägt dabei nur den sehr wesentlichen Unterschied, daß der Spitzbube auf Grund eines Gesetzes verurtheilt wird, welches für alle Staatsbürger gleichmäßig gilt: die Grundbedingung des Rechts! und daß die Sozialdemokraten chikanirt, malträtirt, erilirt, ruinirt werden auf Grund eines Gesetzes, das nur für Sozialdemokraten gilt, dessen einziger Zweck es gerade ist, die Sozialdemokratie außerhalb des gemeinen Rechts zu stellen und in den Zustand der Rechtlosigkeit zu versetzen.
Zwischen Gesetz und Recht ist eben ein großer Unterschied. Zu allen Zeiten haben die Gewalthaber und herrschenden Klassen sich in den Mantel des Gesetzes gehüllt und die Rechte des Volkes durch Gesetze zu unterdrücken, durch Gesetze den Zustand der Rechtlosigkeit herbeizuführen gesucht.
Wird man etwa behaupten wollen, die Heloten in Sparta , die Sklaven des Alterthums und die Leibeignen des Mittelalters, die Christen des römischen Reiches, die Ketzer vor und während der Reformationszeit, seien im Besitz ihrer Rechte gewesen, hätten sich nicht im Zustand der Rechtlosigkeit befunden? Und doch wurden sie genau nach dem Gesetz behandelt, und auf Grund des Gesetzes geprügelt, getöpft, gepfählt, verbrannt.
-
Genug. Die Zwickauer Richter wagten sich nicht auf dieses bedenkliche Feld, aber sie sprachen Preißer frei. Er habe, so nimmt das Erkenntniß an, nicht wider besseres Wissen falsche Thatsachen behauptet, nicht die Absicht gehabt, Staatseinrichtungen zu schmähen,- feine einzige Absicht sei gewesen, die Zwecke der Wahl zu fördern.
Es fällt uns nicht ein, richterlichen Erkenntnissen eine allzuhohe Bedeutung beizulegen; indeß diese Motivirung ist doch von einer gewissen Wichtigkeit und Tragweite. Man muß bedenken, wie die sächsischen und auch andere Richter sich bisher durch ein gemeines sophistisches Kunststückchen über das wider besseres Wissen"( oder genauer:„ wissend, daß erdichtet oder entstellt") hinweggesetzt hatten. Mit dieser sächsischen Richtertradition haben nun die Zwickauer Richter gebrochen.
Zweifellos werden in den noch ausstehenden§ 131- Prozessen von anderen Gerichten auch wieder andere Entscheidungen gefällt werden, es ist aber immerhin erwähnenswerth, daß sich in Sachsen Richter gefunden haben, die gegen den Unfug der bisherigen landesüblichen Richterpraxis protestiren.
Mit welcher fabelhaften Geschwindigkeit die Konzentration des Kapitals in den Vereinigten Staaten von Amerika vor sich geht, zeigt eine vor Kurzem in englischen Blättern veröffentlichte Statistik. Nach derselben ist der Reichste unter den Reichen Herr Vanderbilt in New- grt. Dieser Eisenbahn -, Land-, Schlot c. Baron wird auf gegen 300 millionen Dollars ( 1 Dollar 4 Mart 25 Pfennige) Vermögen Werth", sagt der geschätzt. Er besitzt 65 Millionen Dollars in Vereinigten Staaten - Anleihen( Bonds), 50 Millionen Aktien der New- York - Centralund Hudson River- Eisenbahn, sowie 50 Millionen Aktien anderer Eisenbahn- Gesellschaften. Ferner einen kolossalen Grundbesitz sowohl in Newyork als auch im Innern des Landes. Herr Vanderbilt, fügen die Blätter bewundernd hinzu, kann verschiedene Rothschild's aufkaufen und bleibt doch immer noch der reichste Mann der Welt.
Amerikaner
-
Und dieses kolossale Vermögen hat die Familie Vanderbilt in zirka 30 Jahren zusammenge- spart! Der Fall, schreibt die, Whitehall Review", steht ohne Gleichen da in der Geschichte. Wir glaubens auch. Nach Vanderbilt folgen in der Liste der Geldprotzen:
Jay Gould , gleichfalls berüchtigter Eisenbahngauner, 100 Millionen Dollars; Mackay, der Silberminenbesitzer, Macher der Agitation für die vertragsmäßige Doppelwährung", 50 Millionen; Crocker 50 Millionen; John Rockafeller, Petroleumritter aber fein Petro
-
Yeur 40 Millionen; C. P. Hunting on 20 Millionen; D. O. Mi118 20 Millionen; Senator Fair 30 Millionen; Ex- Gouverneur Stanford 40 Millionen; Russel Sage 15 Millionen; J. R. Keene 15 Millionen; S. J. Tilden 15 Millionen; E. D. Morgan 10 Millionen; Samuel Sloan 10 Millionen; Garrison 10 Millionen; Cyrus W. Field 10 Millionen; Hugh J. Jewett 5 Millionen; Sidney Dillon 5 Millionen; David Dow 8 5 Millionen; J. D. Navarro 5 Millionen; John W. Garrett 5 Millionen; W. B. Astor 5 Millionen.
Soweit die Liste, die indeß durchaus nicht erschöpfend ist. Die Zahl der amerikanischen Geldfürsten ist noch weit größer. Und diese fabelhafte Reichthums- Akkumulation wird durch die enorme Einwanderung in Amerika noch von Tag zu Tag gesteigert. Denn direkt und indirekt kommt dieselbe in erster Linie den Kapitalmagnaten zu Gute. Direkt, indem sie die Ursache einer rapiden Steigerung der Bodenpreise ist, indirekt, indem die Mehrzahl der Einwanderer den Lebensstand der amerikanischen Arbeiter herabdrückt. Schon jetzt finden wir in den zahllosen Streifberichten, welche unsere amerikanischen Bruderorgane melden, einen immer größeren Prozentsatz von Streiks zur Abwehr von Lohnreduktionen, und die meisten auf Lochnerhöhung abzielenden Streiks sind im Grunde auch nichts anderes, denn sie sind entweder hervorgerufen durch die enorme Steigerung der Preise oder durch das Ausbleiben der sonst im Frühjahr üblichen Lohnerhöhungen.
Auf diese Weise trägt der Auswandererstrom, den Europa jetzt jährlich nach Amerika entsendet, nur dazu bei, die kapitalistische Wirthschaft mit all' ihren Folgen auf die Spitze zu treiben, so daß über kurz oder lang ein tolossaler Krach drüben unvermeidlich wird. Dann wird der Auswandererstrom stocken oder vielleicht gar seinen Lauf zurücknehmen, d. h. der Moment gekommen sein, wo der europäische, speziell der deutsche Arbeiter vor der Alternative steht: Hungertod oder Revolution! Steht aber die Alternative einmal so, dann ade Ihr Glückspilze des heiligen preußisch- deutschen Kaiserreichs!
-
Und der Moment ist näher als es die Meisten sich träumen lassen. Schon hält es für die Einwanderer drüben schwer, Arbeit zu finden, immer deutlicher zeigen sich die Vorboten der nahenden Geschäftskrisis, ein noch so geringfügiger Anlaß im entscheidenden Moment genügt, und der Krach ist da!
Darum, so sehr wir auch mit der„ New- Yorker Volkszeitung" die Auswanderung aus Deutschland bedauern, so sehr wir überzeugt sind, daß dieselbe zunächst eine wesentliche Verschlechterung der Lage der ameritanischen Arbeiter im Gefolge haben wird, und so sehr wir ferner mit ihr wünschten, daß die deutschen Arbeiter ihr ganzes Augenmerk ausschließlich auf die Verbesserung ihrer Lage in Deutschland richteten, so fönnen wir ihren Pessimismus doch nicht theilen. Wir müssen eben mit den Verhältnissen rechnen, und da dieselben, Dank der Kurzsichtigkeit und Habgier unserer Gegner, eine Entwicklung im wirklich reformatorischen Sinne immer mehr ausschließen, unsere Aufgabe darin suchen, die Geister, allen Angstmeiern zum Trozz, vorzubereiten auf den revolutionären Gang der Ereignisse.
Für den Konflikt: Riesenhafte Konzentration des Kapitals einerseits
und wachsendes Massenelend andererseits, gibt es nur eine Lösung: die soziale Revolution!
- Der permanente Mord. Zweiundsechzig Proletarier sind wiederum erschlagen worden, erschlagen im Dienste des Kapitals, auf dem Schlachtfelde der Industrie. Auf der Zeche Pluto bei Wanne haben schlagende Wetter eine fürchterliche Explosion zur Folge gehabt, der 23 Bergleute unmittelbar zum Opfer fielen, weitere 39 erstickten infolge des Einathmens der giftigen Gase, theils sofort, theils bald nach stattgehabter Beförderung an die Erdoberfläche. Ein Theil der Letteren wäre noch zu retten gewesen, wenn ärztliche Hilfe zur Zeit beschafft worden wäre. Aber trotzdem binnen 15 Minuten aus dem nächstgelegenen Orten ( Gelsenkirchen 2c.) Aerzte genug hätten beschafft werden können, ließ man die Verunglückten doch fünf Stunden ohne Hilfe.
Die Presse ist natürlich eiligst bei der Hand gewesen, die Grubenverwaltung von jeder Verantwortung freizusprechen. Die Zeche Pluto ſei eine der bestverwalteten, ein wahres Muster von Sorgfalt. Nur der böse Kohlenstaub sei Schuld, daß die Explosion so entsetzliche Folgen gehabt habe. Daß man aber bei guter Ventilation die bekannte Gefährlichkeit des Kohlenstaubes erheblich mildern, ja nahezu vollständig aufheben kann, wird wohlweislich ignorirt. Einige Blätter waren sogar infam genug, ohne jeden Anhaltspunkt die Arbeiter zu verdächtigen, als habe einer von ihnen durch Deffnen der Lampe seinen und seiner Genossen Tod verschuldet.
" 1
"
Beim Begräbniß der Opfer der kapitalistischen Ausbeutung werden natürlich wieder die Pfaffen von Gottes unerforschlichem" Rathschluß" und ähnlichem Eiapopeia gefchwefelt haben. Und daß die Kameraden der Gefallenen sich noch immer damit einlulen lassen, das ist fast noch trauriger als der entsetzliche Tod ihrer Brifoer.
Ein kluges Amtsgericht. Wir haben bis jetzt noch nie Anlaß gehabt, deutsche Gerichte zu loben. Heute aber müssen wir eine Ausnahme machen. Das Amtsgericht zu Men den in Westphalen hat in einem Prozeß gegen den Bäcker Heitmann, welcher einen Kanzleidietar Namens Edelherr mit„ Herr Gerichtsrath" angeredet, und deshalb wegen Beleidigung von dem Edelherr verklagt worden war, die Anrede:„ Herr Gerichtsrath" als eine Beleidigung erkannt, und den Bäcker Heitmann in eine Geldstrafe verurtheilt. Der Titel„ Gerichtsrath" ist also ein Schimpfwort, wie ein deutsches Gericht festgestellt hat. Angesichts der Schandthaten, welche deutsche Gerichtshöfe, das Reichsgericht an der Spitze, in den letzten Jahren gegen die Sozialdemokratie verübt haben, müssen wir dem Mendener Amtsgericht unsere vollste Billigung und Zustimmung aussprechen, und finden es ganz gerechtfertigt, daß der Kanzleidietar Edelherr den Titel: Gerichtsrath als eine schwere Beleidigung ansah. Er hat gezeigt, daß es auch außerhalb der Reihen unserer Partei in Deutschland noch Leute gibt, die Ehr gefühl haben. Oder sollte Herr Edelherr etwa ein Sozialdemokrat sein?
Beiläufig: Wenn die Bezeichnung Herr Gerichtsrath" als Beleidigung mit einer Geldstrafe gebüßt wird, welche Strafe muß dann auf die Bezeichnung Herr Reich 8 gerichtsrath gesetzt werden?
-
-
Der einäugige Wolff ist am 11. Mai hinter doppelt verschlossenen Thüren selbst die anwesenden Referendare mußten den Saal verlassen wegen Erpressung zu einem Jahr Gefängniß und einem Jahr Ehrverlust verurtheilt worden. Als einziger Belastungszeuge figurirte der berüchtigte Polizeirath Krüger. Wolff hatte diesem seine Memoiren" zum Verkauf angeboten und zwar das hübsche Sümmchen von 20,000 Mark verlangt. ,, Werth" müssen sie es übrigens gewesen sein, denn soviel wurde festgestellt, daß Wolff von Krüger bereits 1000 Mark baar und weitere Versprechungen erhalten hatte. Der Gerichtshof hat ferner auf„ Vernichtung" der Wolff'schen Memoiren" erkannt.
"
Um welche Infamien der preußischen Polizei muß dieser Mensch gewußt haben!
Und sicherlich wird nicht nur Herr Madai froh sein, daß Wolff seine Drohung, die Memoiren zu veröffentlichen, vorläufig nicht ausführen kann! Auch die Gesinnungsgenossen" des Herrn Wolff werden froh sein, daß ihr guter Freund hinter Schloß und Riegel sitzt!
"
Hurrah vier Rönige!" telegraphirte Wilhelm zuriid, als er die Nachricht von der Geburt seines Urenkels erhielt. Wir möchten die Versicherungsgesellschaft sehen, welche die Kronen der vier Könige", von der des Urgroßpapa's bis herunter zu der urenklichen( lettere etwa 1930 anno domini) versicherte! Was man anno domini 1930 wohl von den Hohenzollern in den Schulbüchern lesen wird?
Der„ Tr. Ztg." wird aus Constanz geschrieben:„ Ein echt christlich freigeistiges Richterthum waltet in unserem ,, Eldorado des Strohmeyerschwindels" seit länger als Ende März d. J. in einem besonders interessanten politischen Rechtsfalle":
,, Auf Denunziation eines kaum 16jährigen Burschen, welcher kleiner Diebereien und besonderer Verlogenheit gerichtlich wiederholt überführt ist, wurde nämlich hier der Magazinier des Engroshauses Müller u. Schlizweg, ein gewisser C. Weber, still, arbeitsam und durchaus unbescholten, plötzlich vor ca. neun Wochen von der Arbeit weg verhaftet, weil er im Verdacht der Verbreitung sozialistischer Schriften stehen soll.
-
„ Der Manu erkrankte nun während der Untersuchungshaft, da er die Gefängnißkost nicht ertragen kann, weshalb sein Prinzipal wiederholt Freilassung gegen Bürgschaft beantragte. Weber hat außerdem eine schwangere Frau und drei Kinder, die er als ausgezeichneter Bediensteter ganz wohl ernährte und ist im Geschäfte schwer zu entbehren. Fluchtverdacht liegt nicht vor, als einziger Komplice" figurirt der 16jährige Denunziant. Trotzdem wird Weber Mangels genügender Beweise fortgefeßt, sozusagen auf Geständniß in Haft behalten, frank und außer Stande, Beweise zu seiner gänzlichen Entlastung herbeizuschaffen.
Weib und Kinder mögen indeß sehen, woher Brod und Miethe kommen, bis die hiesige Staatsanwaltschaft und der Herr Untersuchungsrichter zu dem klaren Bewußtsein ihrer offenbar bodenlosen juridischen Unfähigkeit gelangt sein werden. Dem Prinzipale des Weber soll die Staatsanwaltschaft erklärt haben:„ Ein verflucht harter Kopf, wir haben zwar Beweise, daß er es ist, aber er gesteht nicht, Wochen und dennoch kein Gerichtstag, das ist sein! deshalb kann er nicht entlassen werden." Beweise seit nahezu zehn
,, Die totale Unfähigkeit eines im Kulturkampf durch und durch korrumpirten richterlichen Streberthums muß solche Blüthen treiben. Notorische Gründer schlimmster Art, wie der liberale Erbürgerkönig Strohmeyer, pflegen indeß im Schutze allerhöchster Partner überführt und unbestraft ihren strebsamen Erwerb, worüber ich demnächst eingehend Interessanteftes berichten werde. In politischer Berserkerwuth vernichten diese gedrillten Rechtsattentäter indessen selbst ihre eigenen Parteigänger. Weber soll nämlich ein eifriger und treuer Anhänger von Kaiser und Reich gewesen sein. Wie lange noch!?"
Diese Schilderung aus loyaler Feder spricht für sich selbst. Wir haben bloß unser Amen!" hinzuzufügen.
-
"
Aus Großenhain schreibt uns ein Genosse: Unsere Wahlbeherrschten, haben sich gespalten und stellen zwei Kandidaten auf, einen aussichten sind sehr günstige. Die Konservativen, welche bisher den Kreis Finanzrath a. D. Namens Schickert, und einen Rittergutsbesitzer Namens Klopfer. Kandidat der Fortschrittler ist Baumeister Kämpfer aus Leipzig , für den sie viel agitiren, wodurch aber nur uns Gelegenheit gegeben wird hervorzutreten. Der Wahltag ist auf den 22. ds. festgesetzt. Vor
aussichtlich gibt es eine Stichwahl, in die entweder ein Konservativer oder der Fortschrittler mit unserem Geyer kommt, und in der wir die beste Hoffnung haben, zu siegen.
Soeben erfahre ich, daß unser Herr Amtshauptmann auf Grund des Sozialisten gesetzes alle Geldsammlungen für Wahlzwecke verboten hat. Nach einer Entscheidung des Reichsgerichts ist nun zwar ein solch generelles( allgemeines) Verbot unzulässig und ungesetzlich, allein was nützt uns das! Wer dem amtshauptmännischen Ukas zuwiderhandelt, wird trotzdem bestraft, und das von Rechtswegen; und falls wir es der Mühe werth hielten, an eine höhere Instanz zu gehen, würde die Aufhebung doch zu spät kommen das heißt, wenn die Wahl vorüber ist. Das sind die schandbaren Zustände, wie sie das Sozialistengesetz geschaffen hat. Daß der Herr Amtshauptmann die Theilnahme an einer Reichstagswahl für ein um stürzlerisches Beginnen im Sinne des Sozialistengesetzes erklärt, ist um so interessanter, als dieser Herr selber nach Kräften für dieses umstürzlerische Beginnen agitirt freilich im Interesse eines konservativen Kandidaten.
-
-
-
"
-
Desterreich. Wie der Kulturstaat" Desterreich den südslavischen Bergvölkern 3ivilisation" bei bringt. Während die österreichischen Blätter nur von den Gräuelthaten der Aufständischen und den Heldenthaten der eigenen Truppen zu erzählen wissen, nimmt sich in Wahrheit die Sache oft anders aus. Ein serbischer Genosse schreibt uns über die Zustände auf dem Kriegsschauplaze:
"
,, Am 17./29. April ist der vierte konzentrische Angriff der Desterreicher heldenmüthig zurückgeschlagen worden. Die Krivoschijaner trieben die österreichischen Truppen bis zu den Festungen Dworitschko und Zdviola zurück. Die Defterreicher haben vandalisch Häuser und Kirchen zerstört. Aus Plevlje schreibt man der„ Samouprava ":„ Die Desterreichischen griffen die Insurgenten( Herzegowiner) am Berge Ljubitschne an. Als diese sahen, welcher Uebermacht sie gegenüberstanden, zogen sie sich zurück. Die Oesterreicher aber feuerten mit Gewehr und Kanonen rücksichtslos auf die auf der Flucht begriffenen Wehrlosen, auf Greise, Frauen und Kinder, von denen viele der Rachsucht der Kulturträger zum Opfer fielen.
"
Die fliehenden Insurgenten wandten sich der montenegrinischen Grenze zu. Während sie dorthin über den Fluß Tara übersetzen wollten, wurde unausgesetzt auf sie geschossen, so daß ihrer 56 ertranken. Der Montenegrische Hauptmann 3 iwka, der die Gräuelthaten mitansah, trat dann über die Grenze und machte dem weiteren Gemezzel Halt. Gleich zeitig mit ihm nahte sich der türkische Pascha Mahmut Bajrowits, und Beide retteten verschiedene noch am Leben befindliche Herzegowiner von der Grausamkeit der verheßten österreichischen Soldaten. Ziwka selbst sah zwei Kinder an einem Baume aufgehängt.
,, Ein Bauer, welcher den Desterreichern in die Hände fiel und von ihnen für einen Insurgenten gehalten wurde, ist auf fürchterliche Weise von ihnen lebendig verbrannt worden.
,, Aus dem Bericht der Aufständischen geht hervor, daß die Oesterreicher sieben Dörfer mit 524 Häusern niedergebrannt und dabei 203 Frauen, Kinder und Greise ermordet haben.
,, 56 österreichische Soldaten, welche die Aufständischen gefangen genommen haben, sind von ihnen, ohne daß ihnen der geringste Schaden zugefügt worden wäre, wieder freigelassen worden.
-
Soweit der uns zugegangene Bericht. Mag er auch im Ganzen die Sache etwas einseitig darstellen, so ist doch so viel sicher, daß die Defter reicher gegen die unglücklichen Völker, welche so heldenmüthig für ihre Unabhängigkeit kämpfen, mit rücksichtsloser Brutalität vorgehen, daß die Soldaten bis zur Verthierung aufgehetzt werden und daß die österreichischen Berichte vom Kriegsschauplatz nicht viel mehr Anspruch auf Glaubwürdigkeit haben, als das berühmte Wort: Alles ist gerettet!" Der Wiener Ringtheater- Prozeß geht nun endlich zu Ende. Welch' ein Bild verrotteter und verluderter Polizei- und Büreaukratenwirthschaft hat er zu Tage gefördert! Knechtische Unterwürfigkeit der niederen Polizei- und Sicherheitsorgane nach obenhin, bodenlose Unfähigkeit oben. Das ist die alte infame Protektionswirthschaft, wie sie in Desterreich und auch anderswo traditionell ist. Das Volk aber wird in schändlichster Weise geknebelt und bei jeder Gelegenheit brutal daran gemahnt, daß es absolut kein Recht hat, in Desterreich, dem Rechts- und Verfassungsstaat.
-
-
In ganzen Distrikten Böhmens herrscht entsetzlicher Nothstand, die Weber in Asch und an der ganzen Nordgrenze hin sind dem Hungertode nahe, die Verzweiflung unter ihnen ist so groß, daß die Regierung selbst ,, Unruhen fürchtet". Und was ist das Heilmittel? Soldaten, und immer wieder Soldaten!
Wird denn nicht endlich einmal ein reinigender Blizz hinabfahren in die stickige Athmosphäre, welche sich im Lande der Habsburger angehäuft hat? Zeit wär's!
Serbien .„ König" Milan erlebt nicht viel Freude an seinem Volke. Auf seiner Rundreise behufs Wahlhumbug ist er an verschiedenen Orten mit sehr unsanfter„ Begeisterung" empfangen worden, an anderen hat er es vorgezogen, sich der Liebesbezeugungen seines Volkes gar nicht erst auszusetzen, sondern machte vor der Stadt kehrtum.
In Belgrad ließ er, um die Opposition zu verhöhnen, das bekannte Schmähstück„ Rabagas" aufführen. Das Volk und die Studenten aber verstanden keinen Spaß, sondern machten, als die Anspielungen auf der Bühne zu deutlich wurden, dem Ding ein Ende, der Ruf: ,, Es lebe die Republik !" brauste durch den Saal, und Milan mußte mitsammt seiner frischen Königswürde aus dem Theater nach Hause flüchten. Diesen rohen Naturvölkern fehlt in der That auch jedes Verständniß für das ,, höhere" Gottesgnadenthum.
Irland . Zwei Tage bevor das Attentat in Dublin ganz Europa " in Entsetzen und Entrüstung versetzte, hat im Städtchen Ballina in der Grafschaft Mayo ein unverschämter englischer Polizeichef Ball bei einem anläßlich der Illumination zur Fei der Freilassung der Führer der Landliga entstandenen Tumult ohne Weiteres auf das Volk schießen laffen fünf Kinder und zwei Erwachsene fielen dem Uebermuth des rohen Patrons zum Opfer. Das„ gebildete" Europa findet das ganz in der Ordnung.
-
Das in unserem Leitartikel gekennzeichnete Unterdrückungsgesetz gibt der englischen Regierung das Recht, in unruhigen Distrikten besondere Gerichtshöfe einzusetzen, die ohne Zuziehung von Geschwornen ihre Urtheile fällen können. Auch der Polizei werden weitergehendere Befugnisse, als sie bisher hatte, ertheilt. Um der Thätigkeit der ameri kanischen Fenier in Irland ein Ziel zu setzen, kann sie die Ausweisung von Ausländern, von denen die öffentliche Ruhe gestört wird, vornehmen. Dem Vizekönig von Irland sind ebenfalls die weitgehendsten Vollmachten in Bezug auf die Unterdrückung geheimer Gesellschaften und„ aufreizender" Journale übertragen worden.
Wie man sieht, eine Kriegserklärung in bester Form. Es fehlt nur noch ein Schritt bis zur Proklamirung des Standrechtes.
Bei der ersten Berathung dieser Unterdrückungsbill haben nur die anwesenden Irländer dagegen gestimmt, indem sie dem Parlament zuriefen, daß es auch die Verantwortung für die Folgen derselben werde zu tragen haben. Die Vertreter der Trades- Unionisten, die Herren Burt und Broadhurst, scheinen sich feige gedrückt, wenn nicht gar für die Bill gestimmt zu haben, die, wie jede Ertraschurkerei, von Herrn Harcourt vertreten wurde.
Amerika. Aus Scranton ( Pennsylvanien) wird uns geschrieben:„ Es wird vielleicht für viele Leser des„ Sozialdemokrat" von Interesse sein, etwas über die Verhältnisse in Amerika zu lesen, umsomehr, da Viele eine ganz falsche Anschauung über dieselben hegen und