kassen- und Unfallversicherungsentwürfen durchaus nicht einverstanden sind, so ist es aber im höchsten Interesse der Arbeiter gelegen, wenn diese Entwürfe so schnell als möglich einer eingehenden Debatte unterliegen. Manche in denselben enthaltenen Gedanken sind entschieden zu verwerthen, besonders die gegenseitige Verpflichtung der Krankenkaffen. Dann aber können auch Verbesserungsvorschläge zu den Gesetzentwürfen in ausgiebigfter Weise gestellt werden. Aus dem Verhalten der wahrhaft" Liberalen aber geht hervor, daß dieselben trotz ihrer arbeiterfreundlichen Phrasen lediglich darauf bedacht sind, die gegenwärtigen Zustände beizubehalten und somit der Ausbeutung der Arbeiter jeden Vorschub zu leisten.
Die Monopolberathung in zweiter Lesung hat durch das Eingreifen Otto's des Streitsüchtigen" in weiteren Kreisen großes Inter | reciten groines Tuters effe erregt. Alle Parteien haben in die Debatte eingreifen können, da man volle vier Tage zur Erledigung des Gegenstandes brauchte. Es war eine Luft, zu hören, wie der„ todtmüde" Reichskanzler die Herren Liberalen und Fortschrittler abkanzelte und in bekannter Unverschämtheit sich selbst als den einzig wahren Repräsentanten des Volkes hinstellte.
Ungemein lahm waren die Entgegnungen der Abgeordneten Bamberger und Richter. Beide verhimmelten nunmehr zum tausendsten Male den äußeren Reichskanzler, während sie ihrer Unzufriedenheit mit dem inneren Reichskanzler nur matten Ausdruck verliehen.
Für so einfältig kann man diese beiden Leute doch nicht halten, daß sie nicht wissen sollten, daß gerade durch die Verherrlichung des äußeren Bismarck der jetzige innere so geworden ist, wie er ist. Diesem Gedanken gab Genosse Hasenclever( aus dessen Rede wir in nächster Nummer die bemerkenswerthesten Stellen zum Abdruck bringen werden. Anm. d. Red.) ganz besonders Ausdruck, indem er unter großer Heiterkeit des Hauses erklärte, daß jeder Mensch das Resultat seiner Erziehung sei, und daß die Liberalen durch ihr fortwährendes Bücken und Ducken sich diesen Reichskanzler erzogen hätten, und zwar zu einem Halbgott, der fie nunmehr mit Keulenschlägen trattire.
Uebrigens ist es auch ungemein albern, die äußeren" Verdienste Bismarcks in den Himmel zu erheben; der Mensch hat lediglich Glück gehabt. Wäre bei Königgräß die preußische Armee geschlagen worden, und es war nahe daran, so würden dieselben Liberalen denselben Bismarck einen Esel nennen, die ihn von da ab gleich einem Gözzen verehrt haben.
Der sozialistische Redner erklärte, daß die Sozialdemokraten gegen das Tabakmonopol stimmten, weil dasselbe nicht sozialistisch sei, wäre es sozialistisch, so würden sie, trotzdem Bismarck es darbiete, natürlich für dasselbe stimmen.
Auf den Appell Bismarck's an den Patriotismus des Reichstags, erwiderte Hasenclever, daß der Kanzler das Vaterland mit der gegenwär tigen Reichsregierung verwechsele. Das Vaterland liebten auch die Sozialdemokraten, um so mehr, je unglücklicher und geknechteter es sei, aber ein Reich, in dem Ausnahmegesetze, Militarismus, Polizeiwirthschaft, kurzum völlige Reaktion herrschen, sei kein Vaterland, sondern eine Rabenmutter für die solchermaßen Geächteten und Geknechteten. Mit Polizeiwirthschaft aber würde man nimmermehr die Menschen zum Patriotismus erziehen.
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Bim Bam- Bamberger hatte mit großem Pathos die Erklärung abgegeben, durch die Ablehnung des Monopols schützten die Liberalen ein Stück bürgerlicher Freiheit dieser selbe Mensch will die bürgerliche Freiheit schützen, der für das Sozialistengesetz gestimmt hat. Diese freche Anmaßung wies Hasenklever mit der Erklärung zurück, daß Bamberger sich nur versprochen habe, es müsse anstatt bürgerlicher Freiheit heißen: bürgerliche Ausbeutung.
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Die ganze Berathung des Monopols war eine für die Sozialdemokratie äußerst nützliche und interessante: tertius gaudet wenn sich zwei in den Haaren liegen, freut sich der Dritte. Und dieser Dritte, die Sozialdemokratie, gab solcher Freude auch genügenden Ausdruck.
Da über den Antrag der Monopolkommission nach der endgiltigen Verwerfung des Tabakmonopols noch besonders abgestimmt werden mußte, war es nothwendig, daß die sozialdemokratische Fraktion auch zu diesem rag Stellung nahm. Mußte man sich nun dafür entscheide daß unter den gegebenen Verhältnissen für den Antrag zu stimmen war, so war es doch angesichts der Fassung desselben dringend geboten, dieses Votum zu motiviren. Ein Blick auf den Antrag der Monopolkommission bekannter unter dem Namen Resolution Lingens"
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wird
1) Den Gesezentwurf, betr. das Reichstabakmonopol, in allen seinen Theilen§§ 1-72, abzulehnen;
2) zu erklären:
Daß nach der erst durch Gesetz vom 16. Juli 1879 erfolgten Erhöhung der Tabakstener eine weitere Belastung und Beunruhigung der Tabakindustrie um so mehr unstatthaft erscheint, als die vorhandenen und in Zunahme begriffenen Einnahmen, sowohl im Reiche als auch in den Einzelstaaten, bei angemessener Sparsamkeit voraussichtlich Mittel bieten, die öffentlichen Be dürfnisse zu befriedigen und bestehende Mängel in der Steuerund Zollgesetzgebung auszugleichen."
Unsere Vertreter einigten sich über folgende Erklärung, die im Namen der Fraktion von Geiser verlesen wurde:
In Bezug auf den Kommissionsantrag erklären wir: daß wir für den ersten Theil desselben, der das Reichstabaksmonopol einfach ablehnt, ohne Vorbehalt und Zusatzbemerkung stimmen Tönnen.
Den zweiten Theil des Kommissionsantrags können wir jedoch nicht anders als unter ausdrücklichem Vorbehalt annehmen. Der Passus, daß sowohl im Reiche als in den Einzelstaaten, bei angemessener Sparsamkeit hinreichend Mittel zur Befriedigung der öffentlichen Bedürfnisse vorhanden seien, stimmt mit unseren Anschauungen nicht überein. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß es sich keineswegs allein darum handeln sollte, unter Beibehaltung der herrschenden Regierungsgrundsätze verhältnißmäßig geringfügige Ersparnisse zu machen, sondern durch Aenderung des Systems die gegenwärtigen Staatsausgaben im großen Maßstabe zu beschränken, hauptsächlich dadurch, daß der herrschende Militarismus durch ein volksthümliches Wehrsystem ersetzt wird. Ferner sind wir der Ansicht, daß zur Befriedigung der öffentlichen Bedürfnisse Mittel gehören, über deren Umfang von vornherein nicht geurtheilt werden kann, die wir aber bewilligen würden, wenn wir von der Ehrlichkeit und Zweckmäßigkeit der betreffenden Maßregeln überzeugt wären. Dabei halten wir für nothwendig, zu betonen, daß wir unter Befriedigung der öffentlichen Bedürfnisse die radikale Aufhebung des Masserelends durch Beseitigung der tapitalistischen Produktion und unter wirksamen Bürgschaften der politischen und pers sönlichen Freiheit verstehen.
Wir stimmen trotz dieser Ausstellung für den ganzen Kommissionsantrag, weil er die Grundlage, welche sich die Regierung für ihre fogenannten Reformen gewählt hat, das Monopol, auf das entschiedenste ablehnt; weil er sich, wenn auch nur andentungsweise, gegen die Mittel zur Ausführung dieser Maßregeln: die gesammten indirekten Steuern, fehrt, die wir gleichfalls als ungerecht und gemeinschädlich verwerfen; und weil wir in ihm überhaupt ein Mißtrauens votum gegen das ganze bisherige Regierungs. system erblicken.
Am Freitag, am letzten Sigungstage, fam auch die Jnterpellation Grillenberger wegen der Spigelei gegen die sozialistischen Abgeordneten zur Sprache. Dieselbe lautete:
„ Geschieht es im Auftrage der Reichsregierung oder der Kgl. preußischen Regierung, daß die sozialdemokratischen Mitglieder des Reichstages, sowie mit ihnen verkehrende Personen durch geheime Agenten der Berliner Polizei in der zudringlichsten Weise
auf Schritt und Tritt verfolgt und überwacht werden? Und was gedenkt die Reichsregierung zu thun, um die Würde des Reichstages und die betreffenden Mitglieder des Hauses gegen dies Behandlung zu schützen?" Grillenberger zog in seiner bekannten Manier ganz gehörig vom Leder und geißelte mit fräftigen Worten die niederträchtige Art und Weise, mit der er und seine sozialistischen Kollegen von Madai's Spürhunden auf Schritt und Tritt verfolgt, abgeschnüffelt und belästigt werden. Er drohte ganz offen mit rücksichtslofer Selbsthilfe, wenn dieses standalöse Treiben nicht ein Ende nehme.
Herr von Bötticher, als Regierungsvertreter, wußte von gar nichts und erwartete den Gegenbeweis. Die Reichsregierung hat einen Auftrag, die sozialistischen Abgeordneten zu verfolgen, nicht gegeben, ich kann daher dem Herrn Interpellanten mur rathen, einen solchen Mann einmal zur Feststellung seiner Persönlichkeit zu veranlaffen and eventuell bei der preußischen Polizei bezw. Regierung im Instanzenweg Beschwerde zu führen. Diese lendenlahme Antwort wurde von Lasker ( Liberal ), Günther( Fortschritt) und Frohme als in jeber jeder Beziehung angenügend bezeichnet, und von allen drei Rednern die Spigelei scharf verurtheilt.
Buttkamer, der Vorgesetzte und Mitschuldige Madai's, hatte es vorgezogen, während der ganzen Debatte über diesen Gegenstand, sich in irgend einem Nebenraum des Hauses zu verkrümeln, erst als sie vorüber war, erschien er wieder. Das Resultat war übrigens das gleiche. Er und seine Helfershelfer waren ganz gehörig blosgestellt worden, und durch sein Fernbleiben hat er nur sein schlechtes Gewissen dokumentirt. Die unverblümte Drohung unserer Genossen, sich eventuell selbst zu helfen, hat übrigens doch gefruchtet. Am Tage nach der Debatte hielten sich die Madai'schen Schweißhunde in respektvollster Entfernung. Die Sozialdemokratie kann mit dem Verlauf der gegenwärtigen Seffton zufrieden sein.
Unsere Vertretung im Reichstage.
glaube, daß, wenn einmal der Gegenstand behandelt wird, man immerhin die Frage aufwerfen muß, ob der Bundesrath überhaupt eine Auskunft verweigern durfte oder nicht, und ich glaube, das bestreiten zu dürfen. Es handelt sich gegenwärtig um kein Gesetz; es wurde nichts anderes gethan, als daß man die Vermittelung des Bundesraths angerufen hat. Bei der Verhandlung dieses Gegenstandes vom 14. Januar 1882 erklärte der Herr Staatssekretär v. Schelling, daß es dem hohen Hause gewiß zustehen würde, sich eine Auskunft zu erbitten, wenn irgendwie die Deforgniß vorläge, daß der Immunität( Inverletzlichkeit) der Abgeordneten durch die Verhaftung des Abgeordneten Dietz zu nahe getreten sei". Diese Auskunft ist erbeten worden durch die Form des Beschlusses des Reichstags; eine Auskunft ist aber durch den Beschluß, den der Bundesrath gefaßt hat, gar nicht gegeben worden, er hat uns seine Vermittelung versagt; und daß der Immunität des ganzen gesetzgebenden Körpers nahe getreten ist, das glaube ich später noch durch die detaillirte Darstellung des Vorgangs beweisen zu können.
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Wenn man sich die Thatsachen vergegenwärtigt, so muß man sich sagen, daß es schon die Würde des Reichstags erfordert, diesen Gegenstand näher zu erörtern, und daß eben aus der Behandlung heute der Grund gefunden werden kann, späterhin bestimmte Anträge zu formuliren. Man glaubt so oft die Würde des Reichstags verletzt, wenn Mitglieder die Auszählung beantragen, wenn Kommissionen nicht lange genug über Regierungsentwürfe verhandeln; ich halte es aber für weit schlimmer an der Würde des Reichstags gefehlt, wenn man den einzelnen Abgeordneten, ohne Rechtsgründe zu haben oder überhaupt ohue nach den Bestimmungen der Verfassung sich zu richten ,. plötzlich verhaftet und ihn so verhindert, seiner Pflicht, hier an den Sitzungen Theil zu nehmen, nachkommen zu können.
Der§ 31 der Reichsverfassung ist im vorliegenden Fall verlegt worden und er schafft kein Privileg für den einzelnen Abgeordneten, sondern für den ganzen Reichstag. Er soll eben ein Schutz gegen Vergewaltigung während der Sitzungsperiode sein, und dieser Schutz ist gewiß ſehr gering.
Ich erlaube mir nur beiläufig zu bemerken, daß wir den einzigen Arbeiterabgeordneten des Zentrums, den Abgeordneten Stöbel, vermissen müssen, weil er im Gefängniß gehalten wird auf sign Grund eines rechtskräftigen Erkenntnisses, und daß die sonst so starke Partei des Zentrums sich noch nicht veranlaßt gesehen hat, irgend etwas für die Freilassung ihres Gesinnungsgenoffen zu thun, damit er mitarbeiten fann und die Ansichten der katholischen Arbeiter rein hervortreten.. Außerdem find ja unsere Privilegien im Vergleich zu denen des Reichstanzlers außerordentlich gering; wir fönnen furz vor und nach der Session verhaftet und eingesperrt werden; wir können nicht, wie der Reichskanzler, das eine Mal hinter den Beamtenposten, das andere Mal hinter den Militärposten uns verstecken, um uns vor Prozessen zu wahren.
Im Nachstehenden geben wir aus verschiedenen Reden unserer Abgeordneten Auszüge nach dem stenographischen Bericht, da für vollständigen Abdruck derselben uns der Raum mangelt.
Am 9. Juni nahm bei Gelegenheit des Antrages Schmidt auf Herabsetzung der Zölle für Westgarn Genosse Stolle Gelegenheit, die ganze neue Wirthschaftspolitit Bismards zu tenn zeichnen.
Wir entnehmen seiner Rede folgende Stellen:
- Meine Herren, es ist sogar von einem anderen Redner, es war der Abgeordnete Leuschner( Eisleben ), damals kühn behauptet worden, daß durch dieses neue Wirthschaftssystem des Herrn Reichskanzlers sogar die Arbeitslöhne gestiegen wären. Dieser Herr führte unter anderem an, und zwar aus dem Bericht des Bochumer Vereins für den Bergbau und die Stahlfabrikation, daß die dortigen Arbeitslöhne vom Jahre 1877, wo sie 912 Mart betrugen, im Jahre 1881 auf 960 Mt. Durchschnittslohn gestiegen seien.
Dieser Bericht hat nun auch einzelne meiner Freunde veranlaßt, sich bei den Arbeiten des dortigen Werks zu erkundigen, ob denn wirklich ein so gewaltiger Ausschwung eingetreten ist und ob eine Verbesserung der Arbeiterverhältnisse eingetreten sei, und hat man gerade das Gegentheil erfahren, wenn auch zugestanden werden muß, daß ein etwas größerer Export stattgefunden hat. Aber zunächst muß mit vollem Recht konstatirt werden, daß der Arbeitslohn nicht um einen Pfennig besser geworden ist. Man hat da, wo die Arbeiter im Hüttenwerke im Tagelohn standen, eine oder zwei Stunden mehr Arbeitszeit auferlegt. Da wo sie auf Stüd arbeiteten, hat man so zu sagen etwas mehr Arbeitskraft aus den Arbeitern herausgepreßt. Der Arbeitslohn hat im Jahre 1878/79 pro Kopf 802 Mark betragen, dagegen im Jahre 1881/82 884 Mart. Nun, meine Herren, durch die Ueberanstrengung der Arbeiter ist es natürlich möglich geworden, daß ein paar Mark mehr verdient worden sind, aber die Stunden hat er nicht besser bezahlt bekommen; ebenso ist der Lohn für die Stückarbeit nicht beffer geworden, nur hat der Arbeiter mehr Stückarbeit liefern müssen, ähnlich wie der Manufakturarbeiter im sächsischen Erzgebirge . Jm vorigen Jahre hat der Reichstag eine Erhöhung des Eingangszolles auf fertige Webwaaren angenommen. Als dies bekannt wurde, setzten die Arbeiter eine leise Hoffnung darauf; fie glaubten, daß auch für sie eine Zeit kommen werde, wo ihre Lage sich verbessern würde. Aber die Ar beiter haben sich schwer getäuscht. Man hat die Stücke, die früher eine Länge von 70-80 Ellen hatten, jetzt auf 112-120 Ellen hinaufgeschraubt; man hat zwar für das Stück ungefähr eine Mart mehr Lohn gezahlt, aber wenn man in Betracht zieht, daß die Stücke um 30 bis 40 Ellen länger geworden sind, hat sich der Arbeitslohn nicht verbessert, sondern im Gegentheile noch verringert.
Nun, meine Herren, in Anbetracht dieser Thatsachen ist vollständig bewiesen, daß diese neue Wirthschaftspolitik nicht im Stande ist, unsere Verhältnisse dauernd zu verbessern, auch nicht im kleinsten Maße zu verbessern, wenn man die gesammte Lage in's Auge faßt. Wohl ist hier und da in einzelnen Branchen ein kleiner Aufschwung eingetreten, aber was soll das heißen dem großen Ganzen gegenüber, wenn so viele andere Branchen leiden! Wir haben auch bis jetzt, und namentlich durch die jenige Richtung, die der Schutzzollpolitik zugethan war, einen Interessenfampf im schlimmsten Sinne des Wortes erlebt. Noch bei der zweiten Lesung hier hat man erleben müssen, daß ein Abgeordneter, der zugleich Ritterguts befizer und Großfabrikant ist, wohl für eine Verringerung des Eingangszolles auf Hartgarne stimmte, aber gegen die Verringerung des Schmalzzolles stimmte, damit seine Arbeiter, die nicht in der Lage find, fich theure Butter kaufen zu können, doch theures Schmalz kaufen müssen; gerade mit seiner Hilfe ist der Antrag auf Verringerung des Schmalzzolles zu Falle gekommen. Nun, ich kann ja den Namen nennen, es war der Herr Abgeordnete Leuschner( Sachsen ). Seine Wähler, die zu Hunderten im Weberstande zu suchen sind, werden sich bei ihm dafür bedanken.
Ich will nur noch einen Punkt herausgreifen, den der Herr Abgeordnete Leuschner( Eisleben ) angeführt hat. Der Herr Abgeordnete sagte, die hohen Getreidepreise, die wir in den letzten Jahren hatten und zum Theil noch haben, stehen nicht im geringsten Zusammenhange mit dem Zoll, sie sind Folgen von Mißernten und es kann in der That nicht als richtig angesehen werden, wenn diese Verhältnisse immer und immer wieder dazu benügt werden, die Schuld von der Erhöhung der Preise auf den so unschuldigen Zoll zu schieben.
Nun, meine Herren, wenn also der Zoll nicht die hohen Getreidepreise gebracht hat, wie kommt denn direkt dieser Zoll der Landwirthschaft zur Hilfe? Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Schutzölle werden niemals unserer Landwirthschaft helfen, im Gegentheil werden durch sie alle Artikel, die der Landwirth für sich und seine Familie braucht, vertheuert, so daß, wenn er selbst durch die Getreidezölle einen Nutzen bekäme, er auf der anderen Seite viel mehr zahlen muß. Ja, man kann sagen, daß die Thatsachen Alles widerlegt haben, was bis jetzt an Lobreden über die neue Wirthschaftspolitik gehalten worden ist. Ich kann aus voller Ueberzeugung sagen, daß, wenn man
man gril no fich brechen wirklich unsere Zustände dauernd beſſern will,
mit unserem jetzigen politischen und wirthschaftlichen System. Soll es wirklich anders werden, dann, meine Herren, muß ein gründlicher Umschwung geschehen, ſonſt sind unsere Reden nichts, ist unsere Arbeit ein Flickwerk und wird auch immer ein Flick wert bleiben.
Der Fall Diet" fam am 10. Juni auf's Neue zur Sprache, und zwar war es Genosse Kayser, der bei dieser Gelegenheit eine Lanze gegen den Bundesrath und, die deutschen Richter einlegte. Folgende Stellen scheinen uns die bemerkenswerthesten, da wir die Einzelheiten über die Verhaftung von Dietz als bekannt voraussetzen:>
Der Antrag, welcher von den Herrn Abgeordneten Hasenclever eingereicht ist, ging dahin, daß die Auskunft des Bundesraths über den Beschluß des Reichstags wegen Verhaftung des Herrn Abgeordneten Diez eine unvollständige sei, und daß verschiedenes vom Reichstage Beschlossenes nicht die gehörige Erledigung durch den Bundesrathsbeschluß gefunden habe. Ich
Der Fall Diez erfordert auch deshalb ganz besondere Erwägung, weil das ganze Verfahren, wie es damals gerichtlich erhoben wurde, niebergeschlagen werden mußte. Der Vertreter der Bundesregierung, Herr von Bötticher, hat uns damals gesagt, es müßte Hochverratha vorliegen, eine solche plöbliche Verhaftung tönne bei einer gewöhnlichen Verlegung des Ausnahmegesezes gar nicht eintreten. Es hat sich aber thatsächlich nur gehandelt um eine Verbreitung verbotener Druckschriften, und es hat sich herausgestellt, daß überhaupt gar keine strafbare Handlung vorliegt, daß einfach der Leichtsinn eines Amtsrichters, dienicht genügende Prüfung des vorliegenden Materials, der sogenannten„ Ueberführungsstücke", dahin geführt hat, daß mitten während einer Reichstagssession ein Reichstagsabgeordneter durch eine Verfügung eines noch obendrein nicht kompetenten Richters in Haft gehalten wurde.
Es fehlt nun völlig an einer Auskunft des Bundesraths, ob der Herr Reichskanzler irgendwie einen Versuch gemacht hat, die Sache zu prüfen, ob nicht disziplinarisch oder strafrechtlich gegen den Stuttgarter Amtsrichter eingeschritten werden müffe. Der Herr Staatssekretär von Schelling ist seinerzeit von soviel Rechtsgefühl getragen gewesen, hier ausdrücklich zu sagen, daß die Frage geprüft werden müßte, ob die Verhaftung nach§ 31 zulässig wäre oder nicht, und er hat dann beigefügt:
Und wenn der Amtsrichter, der den Haftbefehl erlaffen, gegen das Gesetz gefehlt hat, dann ist der Disziplinarweg oder strafgerichtliche der geeignete, der von dem Gesetz geforderte Weg.
Das ist das, was der Herr Staatssekretär uns als Vertreter des Bundesraths erklärte, und darum können wir uns nicht mit der Auskunft befriedigt erklären, die gegeben worden ist. Die gewöhnliche Abehnung des Beschlusses genügt nicht; es hätte uns gesagt werden müssen: was ist geschehen, hat der Amtsrichter recht verfahren, oder mußte eine disziplinarische oder Strafhandlung gegen den Amtsrichter eintreten?
Ich werde nun, da ich weitere Ausführungen nicht machen kann, und das ganze Haus sich bei dieser Frage seiner Zeit durch den Beschluß um Auskunft interesfirt hat, der ja fast mit zwei Drittel Majo rität angenommen worden ist, einen selbständigen Antrag einbringen, und ich hoffe dann nicht nur auf die Unterstützung für den Antrag sondern ich hoffe auch noch, daß er trotz unserer schwierigen Geschäftslage hier zur Verhandlung kommen wird.
So wie ich jetzt beschränkt bin, ist es unmöglich, das wichtige Inter effe, welches das ganze Haus an diesem Fall hat, genügend erörtern zu können, ich glaube nur das eine muß noch hervorgehoben werden, daß der Reichstag sehr wohl ein Interesse daran hat, die heut zu Tage fo ungeheuer start auftretende Anmaßung des deutschen Richter standes etwas zu dämpfen, diripisy
( sehr richtig!)
und wenn der Fall Diez dazu beiträgt, dann entspringt aus diesem nicht nur ein Vortheil für den Schutz unserer Privilegien, sondern für die ganze Nation, weil hoffentlich unsere Richter daraus ler' nen, bescheidener und gefeßmäßig aufzutreten.
( Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)
Präsident: Ich kann nicht zulassen, daß der Herr Abgeordnete den deutschen Richterstand beschuldigt, nicht gesetzmäßig zu verfahren; ich muß den Herrn Abgeordneten wegen des bezüglichen Ausdrucks zur Ordnung rufen.ba:80
dr Sozialpolitische Rundschau.
doubts and 3 trich, 21. Juni 1882. Proletarier, vergeßt Eure Todten nicht
Mit diesem Mahnruf wollen wir die heutige Rundschau beginnen. Es sind die Junikämpfer von Paris , deren wir am Jahrestage ihrer Niedermezelung mit denselben Gefühlen gedenken, welche uns erfüllten, als wir zum ersten Male von denselben erfuhren. Mit Bewunderung und Liebe gedenken wir Eurer, Ihr tapferen Proletarier, die Ihr Euer Leben kühn in die Schanze schlugt, um die Republik , welche Ihr in den Februartagen des Jahres 1848 erkämpft, und der Ihr drei Monate des Elends geopfert hattet, zu einer wirklichen, zu einer sozialdemokratischen zu gestalten. Ihr saht Euch getäuscht, verrathen von der Bourgeoisie, die durch Euch an's Ruder gekommen war. Sie hatte ihr Ziel erreicht, ste saß im Sattel und beeilte sich, Euch den Fußtritt zu geben, Euch zu sagen: ich brauche Dich nicht mehr! Da erfaßte Euch Verzweiflung, noch einmal stiegt Ihr auf die Barrikaden, aber Eure Feinde hatten wohl gewußt, was sie thaten, sie hatten den Kampf vorbereitet, und die Sol daten der„ Ordnung" marschirten, aufgehetzt durch geflissentlich verbreitete Lügen, tampfluftig gegen Euch, Ihr Soldaten der Verzweiflung". Drei Tage wehrtet Ihr Euch heldenmüthig, bis Ihr besiegt am Boden lagt, mit Euch die Republik . Eure Feinde wateten triumphirend in Eurem Blute, mit teuflischer Grausamkeit mißhandelten sie Diejenigen von Euch," die ihnen lebend in die Hände gefallen waren. Deportation und Bagno waren das Schicksal Eurer Ueberlebenden.spiti po puldin Eine Ermahnung aber sei uns Euer Gedenktag, daß Eure Niedermegelung noch nicht gefühnt ist. Eure Mörder deckt zwar großentheils gleichfalls das Grab, aber die Klasse, welche Euch ermorden ließ, welche nach Verlauf taum eines Menschenalters in der blutigen Maiwoche das entsetzliche Morden in verstärkter Auflage wiederholte, die Bourgeoisie,
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