ist noch immer am Ruder, die Republit, für die Ihr Euer Leben hingabt, in der es keine Herrscher mehr und keine Beherrschte, teine Ausbeuter und teine Ausgebeutete gibt, die Republik , in der die Worte Freiheit, Gleich­heit und Brüderlichkeit keine Lüge find, diese Republik gilt es noch immer zu erringen. bolsid

Und daß wir im Kampf für diese Republik nicht nachlassen, alle Opfer, die er uns auferlegt, freudig tragen, dazu begeistert uns Euer Gedächt­niß, hr, siegenden Geschlagenen!"

- Ja, unsere Sache ist unbesiegbar, unüberwindlich die Sache des Proletariats. Ob man, wie in Frankreich , seine Vorkämpfer niedermezzelt, ob man sie, wie in Deutschland , in Noth und Elend hin­ausjagt, immer treten kühn und unverzagt neue Streiter in die Lücken, immer wieder sehen sich unsere Gegner einer neuen, kampfbereiten Armee gegenüber. Die Nachrichten, welche uns aus dem gefährdetsten Punkte in Deutschland , aus Berlin , zugehen, erfüllen uns mit hoher Begeiste­rung, mit freudiger Siegeszuversicht. Unsere waderen Genossen in Berlin find unverzagt auf dem Posten und wo immer sie nur können, legen ste furchtlos Zeugniß dafür ab, daß sie fest und unerschrocken zur rothen Fahne halten.

Am Sonntag, den 11. Juni, sollte im Saale des Handwerkervereins eine allgemeine Versammlung der vereinigten Gewerkschaften stattfinden, um die bekannte Resolution zu Gunsten des Normalarbeitstages zu be­rathen. Schaarenweise strömten die Berliner Arbeiter nach der Sophien­straße, denn schon hatte sich das Gerücht verbreitet, daß unsere Abgeord­neten in der Versammlung anwesend sein würden. Aber auch der Vor­stand des Handwerkervereins hatte so etwas gemerkt und daher echt liberal! beschlossen, seinen Saal nicht herzugeben, sondern zum Schuße deffelben Polizei requirirt, die auch sofort, und zwar in berittenen und unberittenen Exemplaren, zur Stelle war. Die Arbeiter fanden das Lokal verschlossen, aber sie machten nicht Kehrtum, sondern in kaum einer halben Stunde hatten sich mehr als fünftausend Menschen in der Sophien­und Rosenthalerstraße angesammelt. Und als unsere Abgeordneten Frohme, Grillenberger, Kayser, Liebknecht und Voll­mar erschienen, da brachen die Massen, unbekümmert um geheime und uniformirte Polizei, in ein mächtiges, Hoch die Sozialdemo tratie!" aus. Die zwei größten Lokale der Rosenthalerstraße waren im Augenblicke von unseren Genossen besetzt, und alsbald ertönten die Marseillaise und andere sozialistischen Lieder. Wir halten aus! riefen die Arbeiter unseren Abgeordneten zu, wir laffen Euch nicht im Stich! Und als es Zeit zum Scheiden war, geleiteten sie sie bis zur Droschke Vollmar muß bekanntlich fahren und schieden von ihnen unter fortgesetzten Hochs!

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Der Eindruck war auf alle Betheiligten ein überwältigender, die Baffanten auf der Straße- es war Sonntag und in Folge der Eröff nung des Schüßenfestes sehr belebt sammelten sich gleichfalls in er­heblicher Zahl an und gaben ihr Erstaunen und vielfach auch ihre Sym­pathie deutlich zu erkennen, die Lokalberichterstatter sprachen einstimmig von einer großen sozialdemokratischen Demonstration"- mit einem Wort, unsere Berliner Genossen haben wieder einmal gezeigt, daß sie, wo es darauf ankommt, wacker ihren Mann stellen.

Und wir glauben im Namen aller aus Berlin Ausgewiesenen und Hinausgemaßregelten, aller Derer, welche in Berlin mitgewirkt, zu sprechen, wenn wir der wackeren Besatzung in der Hauptstadt des deutschen Reiches ein dreifaches Hoch! zurufen.

Bravo , Ihr unerschrockenen Mitstreiter!

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Eine historische Erinnerung. Also die Stein- Harden­berg'sche Gesetzgebung bezüglich der Bauernemanzipation war Sozialismus, meint Bismard! Daß diese Analogie nur mittels eines Mißbrauchs des Wortes Sozialismus möglich ist, ist in unserem Leitartikel nachgewiesen worden, wir wollen uns nicht weiter damit beschäftigen. Aber die Eman­zipation der Bauern war zu ihrer Zeit unzweifelhaft etwas Gutes, und darum ist es ganz interessant, an die Umstände zu erinnern, unter denen fie damals vor sich ging. Wenn Bismarck sich nämlich heute freut, daß es so gekommen ist", so war das seiner Zeit durchaus nicht die Ansicht seiner Standesgenossen. Die preußischen Junker waren damals gar nicht erfreut, daß es so gekommen war, sie boten vielmehr Alles auf, um die Bauernemanzipation zu hintertreiben, und als ihnen das nicht gelang, sie wenigstens so viel als möglich zu beschränken, den Bauern und dem Staat dabei das Fell über die Ohren zu ziehen. Mit dem Einen geben, dem Andern nehmen" hatte es nämlich seine ganz eigene Bewandtniß; so wie Bismarck die Geschichte hinstellt, ist sie nämlich nicht hergegangen, die Bauern haben für ihre Emanzipation" ganz gehörig blechen müssen. Aber sie wurde doch bewerkstelligt. b

Nehmen wir das Faktum hin und fragen wir lieber: unter welchen Umständen wurde sie bewerkstelligt?

Die Antwort lautet: Infolge der französischen Revolution und Jena !

Die französische Revolution hatte den mächtigen Anstoß gegeben, in Frankreich war die Emanzipation der Bauern auf revolutionärem Wege erfolgt, unter dem Rufe: Friede den Hütten, Krieg den Palästen!" hatten die wackeren Jaques den Seigneurs" so eindringlich die Noth­wendigkeit ihrer Emanzipation gepredigt, daß diese entweder ganz und gar davonliefen oder, um im Lande bleiben zu können, hochherzig" auf ihre Privilegien verzichteten. Es waren zum großen Theile die befreiten Bauern, die das reaktionäre Europa , welches die Ordnung" in Frank­ reich wiederherstellen wollte, zum Lande hinaustrieben, sie bildeten die Kerntruppen der Napoleon'schen Armeen, und sie waren es, welche im Jahre 1806 bei Jena die preußische Armee, welche noch immer von dem Ruhme Friedrich's II., von den glorreichen Siegen bei Roßbach und Leuthen zehrte, so total in die Pfanne hauten, daß es mit der ganzen Herrlichkeit des herrlichen Kriegsheeres" total vorüber war.

Erst nachdem es bei Jena geschlagen war, und auch da noch sehr widerwillig, ließ sich das preußische Königthum herbei, die Bauerneman­zipation in die Hand zu nehmen. aba godognel

Wir sind Bismarck sehr dankbar, uns diese Thatsache in's Gedächtniß gerufen zu haben, in einer Rede, deren steter Refrain darauf hinauslief: Nur die Hohenzollern haben ein Herz für das Volk!

Aus Leipzig , 16. Juni, schreibt man uns: Der Belagerungs­zustand ist todt, es lebe der Belagerungszustand! wird in wenigen Tagen, wenn das erste Jahr des Kleinen" herum ist, die Losung sein. Alle Gefahr für den kleinen" ist glücklich beseitigt. Der Staat, das heißt der Belagerungszustand, ist gerettet Dank der staatsretterischen Thätigkeit unferes Richter's und unserer Richter.

Von der Erbärmlichkeit des Ha as habe ich bereits erzählt. Enders und Rauscher sind der denunziatorischen Verlogenheit dieses Lumpen zum Opfer gefallen. Die Sache hat aber vor dem Gerichte( noch ein recht hübsches Nachspiel gehabt. Auf die Denunziation des Haas hin wurde ein hiesiger Schriftsetzer angeklagt, Geld für Parteizwecke gesammelt und den Sozialdemokrat" verbreitet zu haben. Zum Glück hatte aber der Haas seine Denunziation so ungeschicht gemacht, daß er selbst mit­angeklagt werden mußte. Der Prozeß, welcher vor etwa 14 Tagen zur Berhandlung kam, hatte nun kuriosen Verlauf. Der Haas verwickelte sich in allerlei Widersprüche, kompromittirte die Polizei entsetzlich, indem er beichtete, daß er Geld von ihr für denunziationen erhalten habe fland 4 Mark ein, was wohl nicht Alles ist indeß, unsere Polizei zahlt mitunter sehr schlecht); kurz, ritt sich und seine Polizeigönner so herein, daß das Gericht den Denunzianten wegen verbotenen Sammelns zu 4 Wochen Gefängniß verurtheilte, den Denunzirten dagegen freisprach.

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Hatte das Gericht in diesem Falle der staatsrettenden Polizei nicht die gewünschten Handlangerdienste geleistet, so zeigte es sich acht Tage später des Vertrauens der Polizei um so würdiger. Es handelte sich um

die auf Grund von Privatdenunziationen und Polizeischnüffeleien gegen die Parteigenoffen Künzel, Lauschte und Apisch erhobene An­flage des Geldsammelns für Parteizwecke. Die Geldsammlung wurde un­umwunden eingeräumt. Aber das Geld war für die Familien der Aus­gewiesenen gesammelt worden, und das ist denn doch nichts Strafbares. Soweit sind wir noch nicht. Leider beging einer der Angeklagten, der sich der Nothwendigkeit, den Zweck der Geldsammlungen scharf zu präzi­firen, nicht genügend bewußt war, die allerdings unverzeihliche Unvorsich­tigkeit, im Verhör zu sagen, der Ertrag der Sammlung sei für die Ausgewiesenen statt für die Familien der Ausge wiesenen bestimmt gewesen. Und hieran klammerten sich Ankläger, Schöffen und Richter, und alle drei Angeklagten wurden schuldig befun­den und Künzel und Lauschke je zu 2, Apitzsch zu 1 Monat Gefängniß

verurtheilt.

Natürlich haben die Verurtheilten appellirt, das wird ihnen jedoch sehr wenig helfen; jedenfalls werden sie, sobald ihre Haftzeit zu Ende ist, aus Leipzig und Umgegend ausgewiesen, d. h. in ihrer Existenz rui

nirt werden.

Die Thatsache dieser Verurtheilung kennzeichnet so recht die Nichts­würdigkeit unserer herrschenden Zustände und Personen.

Ich sage ausdrücklich und wohlüberlegt: Personen. Denn es ist absolut nothwendig, daß wir die Zustände persönlich nehmen und uns auch an die Personen unserer Verfolger halten. Doch nun zur Verurtheilung.

Weshalb erfolgte dieselbe?

Weil nach Feststellung" des Gerichtes für die Ausgewiesenen Geld gesammelt worden war. Das gesammelte Geld sollte zu ihrer Unterstütung verwendet werden. Daß sie, richtiger: viele von ihnen, der Unterstützung bedürftig sind, ist unzweifelhaft. Viele der Aus­gewiesenen sind notorisch durch ihre Ausweisung existenzlos gemacht, in das größte Elend versetzt worden. Wer diese Unterstützungsbedürftigen unterstützt, erfüllt eine einfache Menschenpflicht. Und für die Erfüllung dieser Menschenpflicht 1 Monat, 2 Monate Gefängniß! Und das in einem Staate, der sich Rechtsstaat und chriftlicher Staat" schimpft; zu einer Zeit, wo das praktische Christenthum" von der Reichsregierung und auch speziell von der sächsischen Regierung zum leitenden Staatsgrundsatz proklamirt worden ist.

Zwischen den Worten und Thaten, welcher Kontrast! Läßt die niederträchtige Verlogenheit unserer heutigen Staats- und Gesellschafts­ordnung sich drastischer zum Verständniß bringen!

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Sage man nicht: Die Richter sind unschuldig, sie waren an das Gesetz gebunden. Richtet Euren Zorn gegen das Gesetz!" Gegen das Gesetz richtet sich allerdings der Zorn, aber nicht aus­schließlich und nicht in erster Linie. Die Gesetze fallen nicht vom Himmel. Sie sind das Werk von Menschen Menschen, welche die heutige Welt­ordnung vertreten, unsere Unterdrücker und Ausbeuter sind. Und die Richter gehören ihrerseits zu der heutigen Weltordnung! Es ist wahr, daß sie für die Gesetze nicht direkt verantwortlich und daß sie in ihrem Urtheilsspruch an die Gesetze gebunden sind. Allein ebenso wahr ist, daß der Richter auch über dem Gesetze steht und demselben, wenn es seinem Menschen und Rechtsgefühl widerstreitet, durch Frei­sprechung oder mildes Urtheil die Spize abbrechen kann. Auf dem Richterstuhl soll nicht geist und herztödtender Buchstabenglaube fizzen, sondern vor Allem: Menschen- und Rechtsgefühl.

Und Urtheile, wie das gegen Künzel, Lauschke und Apitsch treten Menschen- und Rechtsgefühl mit Füßen.

Genug der Belagerungszustand muß verlängert werden, und man brauchte Gründe".

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Ein weiterer Prozeß schwebt gegen einen der ältesten und treuesten Genossen: Taute, der angeklagt ist, für den Sozialdemokrat" einen Artikel geschrieben zu haben.

Man sieht Polizei und Richter sind hier sehr thätig. Herr Richter, aus Chemnitz , läßt es an Eifer nicht fehlen. An Stelle des humanen Nienhold( Nachfolger des unglücklichen Bausch, dem das Sozialisten­gesetz zum Sargnagel wurde) ist ein rücksichtsloser Streber, Namens Hohlfeld, zum Kriminalkommissar ernannt worden, ein Individuum, deffen Feigheit nur durch seine Verfolgungswuth übertroffen wird. Kurz, Herr Richter thut sein Möglichstes, um die infamen Berliner und Chemnitzer Polizeipraktiken nach Leipzig zu importiren.

Der Mann hat auch Erfolg. Wir wollen ihm im Vertrauen mittheilen, daß der Sozialdemokrat", der hier vor Verhängung des Belagerungs­zustandes 189 Abonnenten hatte, heute deren 340, also beinahe die doppelte 3a hl, hat! Noch ein Jahr des Kleinen" und wir wer­den Herrn Richter falls er bis dahin nicht verflossen ist mit 600 aufwarten.

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Brauchen wir es noch zu erwähnen? Die sächsische Regierung ist beim Bundesrath um die Erlaubniß eingekommen, den ,, Kleinen" über Leipzig und Umgegend verlängern zu dürfen, und der Bundesrath, nett wie immer, hat ihr diese Erlaubniß bereitwilligst er­theilt.

Die Dynastien sind es heute, welche den Reichsgedanken hochhalten, jagt Bismard. Er hat Recht. Sie fressen ihm aus der Hand und apportiren auf Kommando. Es find wohldressirte Hu- ldſpender.

- Ein Reichstagsabgeordneter ohne Obdach. Gegen keinen unserer Genossen werden die Ausweisungsparagraphen in so scham­loser Weise gehandhabt als gegen unsern Genossen Max Kayser . Aus Dresden , aus Chemniz, aus Zwickau , aus Leipzig , aus seinem Wahlkreise Freiberg - Hainichen , von Ort zu Ort hatte man in Sachsen unsern Genossen auf Grund der verrotteten sächsischen Polizeigesetze verwiesen, als er sich schließlich nach Breslau wendete, wo seine Familie wohnt. Aber siehe da, noch während er im Reichstage fizzt, erhält er einen Liebesbrief der Breslauer Polizei, wonach er auf Grund des§ 22 des Sozialistengesetzes auch aus Stadt und Bezirk Breslau ausgewiesen wird. Dieser famose Paragraph lautet:

Gegen Personen, welche sich die Agitation für dle in§ 1, Absatz 2 bezeichneten Bestrebungen( sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische) zum Geschäfte machen, kann im Falle einer Verurtheilung wegen Zuwiderhandlungen gegen die§§ 17-20 ( Theilnahme an einem verbotenen Verein, Sammlungen? c.) neben der Freiheitsstrafe auf die Zulässigkeit der Einschränkung ihres Aufenthalts erkannt werden."

Da die Verfügung in der Zeit, während welcher Kayser seinen Pflichten im Reichstag nachlam, erlassen wurde, so scheint der Polizeipascha von Breslau anzunehmen, das diätenlose Sizen im Reichstage sei ein Ge­schäft. Ob diese polizeiliche Denkweise dem Sinn" des§ 22 entspricht ist übrigens eine sehr müßige Frage. Derselbe stellt die Auslegung dem' Belieben der Polizei anheim, von Sinn oder Unsinu kann also feine Rede sein, sondern lediglich von der niederträchtigen Anwendung eines niederträchtigen Gesetzes.

So mag denn Genosse Kayser seine Odyssee durch das deutsche Reich weiter antreten, vielleicht findet er noch in Mecklenburg oder Schaum­ burg- Lippe , den verrufensten Reaktionsländchen, die Unterkunft, welche ihm die Rechts" staaten verweigern.

Also doch! Genosse Bebel ist am 15. Juni in Dresden thatsächlich wegen Bundesrathsbeleidigung, begangen durch Verächtlichmachung des Sozialistengesetzes, zu zwei Monaten Ge­fängniß verurtheilt worden. In den Urtheils grinden" heißt es: ,, Greift man ein Gesetz an und bedient man sich dabei verächt­lichmachender Ausdrücke, so beleidigt man, auch ohne eine gesetzgebende Körperschaft namhaft zu machen, den Gesetzgeber, als welcher sich im vor­liegenden Falle der Bundesrath qualifizirt 2c."

Nach diesem famosen Erkenntniß wäre in Zukunft jede Gesetzeskritik in Deutschland unmöglich gemacht.

Bezeichnenderweise befindet sich unter den Machern dieses Erkenntnisses auch der saubere Herr Mangold . Bebel hatte diesen konservativen Agitator, der ein gegen ihn gerichtetes, überaus gehässiges Wahlflug­blatt unterzeichnet hatte, als nicht unbefangen" zurückgewiesen, der Ge­richtshof Mangold aber doch zugelassen, weil derselbe das Flugblatt ,, unbesehen" ein Landgerichtsrath! unterschrieben habe. Eine recht hübsche Juustration des obigen Rechtsspruches"!

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Das staatsgefährliche Reichsgericht. In Han nover ist die dort erscheinende Zeitschrift Haus und Welt" wegen Abdrucks eines Erkenntnisses des Reichsgerichtes verboten worden.

Der Wiederabdruck solcher Säße", heißt es im Verbot ,,, ist geeignet, Unzufriedenheit bei den Lesern zu erregen und die Eintracht der Bevöl­terungsklassen zu gefährden."

C'est un Comble! Das ist der Gipfel polizeilicher Unverfrorenheit. Das Gesindel hat nicht einmal soviel Scham, einen anständigen Grund für seine niederträchtigen Handlungen vorzuschieben. Jeder beliebige Vorwand ist ihm recht, und der Umstand, daß in dem Erkenntniß des Reichsgerichts eine Stelle aus einem Wahlaufruf wiedergegeben war, genügte ihm, nicht nur die betreffende Nummer zu konfisziren, sondern das wegen seiner unabhängigen Haltung ihm mißliebige Blatt vollständig zu unterdrücken.

So schäbig dieser Vorwand auch ist, so ist er eben doch nichts anderes als ein Vorwand. Haus und Welt" wurde in Arbeiterkreisen start gelesen; ohne manchesterlich zu sein, kritisirte es scharf die Bismarck'schen Steuerprojekte das genügte. Es mußte verboten werden.

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In der Tabatmonopolfrage hat sich wieder einmal recht deutlich gezeigt, daß unsere großen" politischen Parteien vollkommen unfähig sind, der jezigen Reaktionswirthschaft wirksam zu steuern. Nach­dem sich die Majorität durch ihre Vertreter in der Kommission fast ein­stimmig zu einem Mißtrauensvotum gegen das Bismarck 'sche System aufgeschwungen hatte, verlor fie plötzlich, als ihr die Konsequenzen dieses Beschlusses klar wurden, den Muth, und brach eigenhändig ihrem Mißtrauensvotum die Spitze ab. Das Monopol wurde zwar mit überwältigender Majorität abgelehnt, und dadurch Bismarck eine schwere Niederlage beigebracht, aber vor den Folgen der Niederlage durch die Feigheit und Charakterlosigkeit seiner Gegner bewahrt.

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Unsere herrschenden Klaffen sind nicht einmal mehr im Stande, die einfachsten Grundsätze der bürgerlichen Freiheit zu verwirklichen und die absolutistischen Gelüste eines verbohrten Junkers unschädlich zu machen. Der Kehraus wird nur durch die Sozialdemokratie erfolgen können.

Von den Anträgen unserer Reichstagsabgeord neten die Grillenberger'sche Interpellation zählt nicht als Antrag- konnte nicht einer mehr zur Verhandlung kommen. Nach Ablehnung des Tabatsmonopols war der Reichstag nicht mehr zusammenzuhalten. Alle diese Anträge der Liebknecht'sche auf Abschaffung aller Ausnahme­gesetze steht an der Spitze sämmtlicher Privatanträge gelangen nach der Vertagung, in der Reihenfolge wie sie gestellt worden sind, zur Verhandlung.

Stieber im Reichstage. In neuester Zeit sind, wie der Abgeorduete Dr. Dohrn am 16. Juni im Reichstage konstatirte, im Zimmer der Wahlprüfungskommission mehrmals höchst wichtige Wahlakten zeitweilig verschwunden, die, wie konstatirt wurde, in der Zwischenzeit den Regierungsfreisen zur Einsicht vorgelegen haben müssen. Wir sind darüber in keiner Weise entrüftet, der Brief- c.- Diebstahl wird in Preußen Deutschland seit Jahren mit immer größerer Schamlosigkeit betrieben, so daß es durchaus heilsam ist, wenn die schuftige Diebsbande endlich da einbricht, wo ihr schimpfliches Gewerbe bisher beschönigt, ja ganz offen gebilligt wurde. Also nur immer so weiter, Ihr königlich preußischen Spigbuben!

Das verfluchte Einmaleins! Herr Bitter, der Nach­folger Hobrecht's, ist den Weg aller preußischen Finanzminister gegangen. Trotz besten Willens war es ihm nicht möglich, die großartigen Steuer­pläne seines genialen" Herrn und Meisters gegen das verfluchte Ein­maleins zu vertheidigen, weshalb er mittels eines kräftigen Fußtrittes aus dem Ministerium hinausspedirt wurde. Wie es heißt, soll Monopol­mayr sein Nachfolger werden. Der hat in der Kommissionsverhandlung gezeigt, daß er vor nichts zurückschreckt, namentlich wenn er sein gehöriges Quantum Hofbräu" hinter die Binde gegossen hat.

Gelingt auch diesem das Kunststück nicht, größere Einnahmen zu er­zielen und dabei noch den Erekator abzuschaffen, so geben wir seinem Herrn und Meister den Rath, ein Ausnahmegesetz gegen die gemein­gefährlichen Bestrebungen der vier Spezies" zu beschließen und alle Rechen­bücher in Deutschland zu verbieten! Versuchen Sie es einmal, Durch­laucht, find ja sonst auch nicht blöde!

Prinz Karl von Preußen , der sich jüngst das Bein ge­brochen, wird in verschiedenen Zeitungen als großer Raucher vor dem Herrn dargestellt. Gewöhnlich raucht er zwanzig Zigarren im Tage und manchmal drei zu gleicher Zeit aus einer Spitze mit drei Oeffnungen. Diese Prinzen, sagt hierzu die Bataille", sind doch stets über die anderen Sterblichen erhaben. Prinz Karl zum Beispiel ist schon gar kein Mensch mehr, sondern ein preußischer Rauchfang.

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Preßfreiheit in der bürgerlichen Gesellschaft. Da die Londoner Freiheit" nach den letzten Anklagen in ganz London keinen Drucker finden konnte, der den Druck nicht den Satz!- ihres Blattes übernehmen wollte, so hat sie ihr Weitererscheinen vorläufig ein­stellen müssen. Diesem Schicksal ist natürlich jedes Blatt ausgesetzt, welches sich die Ungnade der Kapitalherren zuzieht und über keine eigene Druckmaschine verfügt!

Oesterreich. Wozu die Polizei gut ist. Die Affaire der unglücklichen jungen Schauspielerin Dama in Dalmont, welche von dem Grafen Coudenve verführt, dann sammt ihrem Kinde verlassen wurde und in Folge dessen sich den Tod gab, bildet jetzt hier das all­gemeine Gesprächsthema. Daß der Herr Graf sich scheute, eine Miß­heirath" einzugehen, ist seine Sache; vielleicht hatte er Recht, ein ehren­haftes Mädchen paßt nicht hinein in die durch und durch korrupte Aristo­tratie Desterreichs. Aber der edle Graf begnügte sich nicht damit, das Mädchen zu verführen; er wollte sie auch entehren.

Und zu diesem Zwede diente ihm die Polizei. Noch vor der Entbindung im Herbst vorigen Jahres bekam Fräulein Dalmont eine amtliche Vorladung von einem Polizeikommissär in Döbling , und als es diesem nicht gelungen war, durch brutale Drohungen seinen 3wed zu erreichen, erfolgte eine weitere Vorladung vor den Polizeirath Landsteiner, dessen Fahrlässigkeit und Feigheit beim Ringtheaterbrande den Tod von 380 Menschen zur Folge hatte.

Dem wehrlosen Mädchen gegenüber legte der edle Hüter von Sitte und Recht" eine ganz andere Energie und Kourage an den Tag. Ju seinem Bureau, in voller Uniform, also als Amtsperson, und nicht, wie man beschönigen möchte, als" guter Freund" der gräflichen Familie, suchte er durch alle möglichen Mittel von dem Mädchen eine schriftliche Erklärung dahingehend zu erpressen, daß Graf Coudenhove nicht der Vater ihres Kindes sei. Dafür bot er ihr 4000 Gulden.

Fräulein Dalmont schreibt darüber in ihrem letzten Willen: Bevor ich diese Reise antrat, ließ mich Graf Franz von einem Polizeikommissar in Döbling vorladen, der mich beleidigte, so daß ich gezwungen war, mich zu meinem Schutze an einen Advokaten zu wenden. Dann in Wien vor Herrn Landsteiner , der in der Form zwar viel artiger war, vielschroffer aber in der Sache selbst.