tischen Vergehen und Verbrechen, die ihrer Natur nach nur Partei­Sache sind.

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Was ein Diebstahl, ein Mord ist, läßt sich zur Noth allgemein giltig definiren. Was ein politisches Vergehen oder Verbrechen ist, läßt sich üherhaupt nicht definiren. Was der herrschenden Partei oder Richtung mißfällt, ist politisches Vergehen oder Verbrechen jede andere Defini­tion ist eitel Schwindel und Heuchelei. Da nun aber was der einen Partei miß fällt, der andern Partei ge fällt, so hängt es ausschließlich von der Parteistellung und Anschauung des Richters ab, was ein poli­tisches Vergehen oder Verbrechen ist, und was nicht.

Fürst Bismarck mit seiner antibürgerlichen Wirthschafts- und Sozial­politik ist selbstverständlich der Bourgeoisie nicht nach dem Geschmack; während sie früher, solange Bismard ihr Göze war, eine Bismarck­beleidigung für ein größeres Verbrechen hielt, als eine Majestätsbelei­digung, erblickt sie heute in einer Majestätsbeleidigung etwas durchaus Gerechtfertigtes und die Bismarckbeleidiger werden freigesprochen, gerade wie Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre jeder Gegner der reaktionären" Regierungen von den Schwurgerichten und häufig auch von den Berufsrichtern freigesprochen wurden.

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Nur darf der Bismarckbeleidiger kein Sozialdemokrat sein. Sozialdemokratische Gesinnung ist unter allen Umständen straf­bar; selbst wenn fie der Bourgeoisie das Vergnügen bereitet, sich in einer Bismarckbeleidigung Luft zu machen.

So ist es dennoch durchaus logisch und natürlich, daß die von Bour­geoisideen durchseuchten Richter den Sozialdemokraten Liebknecht wegen der nämlichen Handlung verurtheilt haben, die ihnen bei den Bourgeois: Dohrn, Munkel, Mommsen u. s. w. straflos und ganz in der Ordnung erschienen ist.

Unsere Justiz ist eben keine Rechtsprechung, es ist mehr oder weniger verhüllte Klassenjustiz, eine mehr oder weniger verhüllte Form des Klaffentampfes!

Unsere Vertretung im Reichstage. Rede des Genossen Hasenclever vom 14. Juni 1882 über das Tabakmonopol.

Nach dem stenographischen Bericht.

Abgeordneter Hasenclever: Meine Herren, schon bei der ersten Berathung hat der sozialistische Redner erklärt, daß wir gegen das Monopol stimmen werden. Der Herr Abgeordnete Richter( Hagen ) hat nun vor einigen Tagen gesagt, daß wir eigentlich dem Monopol zu­stimmen müßten; blos aus Abneigung gegen den Reichskanzler würden wir dagegen stimmen. Der Herr Abgeordnete hat nicht Recht. Wir stimmen neben einigen anderen Gründen hauptsächlich deshalb gegen das Monopol, weil es eben nicht sozialistisch ist; denn wäre es sozialistisch, würden mir keinerlei Bedenken tragen, für dasselbe zu stimmen, auch wenn Fürst Bismard es ist, der es darbietet. Wenn der Herr Reichs­tanzler mit seinen staatssozialistischen Plänen, die er uns vorlegt, die Absicht hätte, die Interessen der Arbeiter zu wahren er erklärte ja heute, er sei der Vertreter der Massen so würden wir dem schon zustimmen. Aber dem ist nicht so; wundern muß man sich vor allen Dingen dabei darüber, daß das eine Wörtchen, welches auf die Interessen­wahrung der Arbeiter hinzielte, welches vorher so oft bei den Wahlreden gebraucht wurde: das Monopol solle das Patrimonium der Enterbten sein, der Ertrag des Monopols sollte für die Arbeiter, für die Alters­versorgung derselben angewendet werden, aus dem Monopolentwurfe weggeblieben ist. Auch kein Redner der rechten Seite oder vom Regie­rungstische hat dessen Erwähnung gethan. Ja, meine Herren, vor den Wahlen sagte man den Arbeitern: die Erträgnisse des Monopols sollen für euch verwendet werden; und hoffte dabei die Arbeiterstimmen zu fangen; so hat man bei der Masse der Arbeiter allerdings kein Glück gehabt, jedoch einzelne Zigarrenarbeiter z. B. in Hamburg haben aller­dings erklärt, daß wenn die Erträgnisse des Monopols zur Linderung der Leiden des Arbeiterstandes verwendet werden sollten, dasselbe dann allerdings einen sozialistischen Beigeschmack erhalte, und man für dasselbe zu stimmen habe.

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Das Monopol ist aber schon deshalb nicht sozialistisch, weil die Er­träge im fistalischen Interesse allein verwendet werden sollten, während überall, wo eine sozialistische Assoziation oder ein Staatsunter­nehmen auf sozialistischer Grundlage eingerichtet werden soll, die erste Grundbedingung sein muß, die Erträguisse den Arbeitern in gerechter Vertheilung zukommen zu lassen. Darin liegt, meine Herren, der große Unterschied zwischen dem Bismarckschen Sozialismus und unserem Sozialismus.

Wenn nun der Fürst Reichskanzler zu gleicher Zeit darauf aufmerksam machte, daß er solchen Sozialismus immer treiben würde, wie in jener Zeit, als die preußische Regierung die Bauern emanzipirt hat, so ist doch der Unterschied zwischen Tabakmonopol und Bauern­emanzipation wahrlich ein ungemein großer, und der Vergleich hinkt gewaltig. Wenn wir auch gern anerkennen, daß in der Bauern­emanzipation ein Stück Sozialismus liegt, da eine große Klasse der Bevölkerung von den Banden der Leibeigenschaft erlöst wurde, so ist doch das Tabakmonopol nicht die Konsequenz von solchem Sozialismus, son­dern diese Konsequenz wäre die allgemeine Arbeiteremanzipa­tion. Wenn der Herr Reichskanzler auf diesem Wege vorginge, dann würden wir gar keine Abneigung gegen ihn haben, wir würden ihm gerne folgen; er wäre aber dann wirklicher Sozialist und kein Bis­marckischer Sozialist.

Meine Herren, der Herr Abgeordnete von Kardorff hat erklärt, wenn das Monopol dem Arbeiter das Rauchen erschwere, so sei das eine gute Erziehung, denn der Arbeiter könne durch die Beseitigung von Lurus­ausgaben ein Viertel seines Einkommens ersparen aber außer einigen liberalen sogenannten Nationalökonomen haben sich die Männer der Wissenschaft für die Richtigkeit des sogenannten ehernen ökonomischen Lohngesezes erklärt. Ich will dafür drei Gewährsmänner nennen, einen liberalen, das ist der englische Dekonom Rikardo, einen Sozialdemokraten, das ist Lassalle , den der Herr Reichskanzler gerne zum Gutsnachbar haben wollte, und der dritte ist der Herr Rodbertus , der doch auch als Nationalökonom eine hervorragende Stellung in konservativen Kreisen einnimmt, und den auch jedenfalls Herr von Kardorff kennt oder tennen muß.

( Zuruf: Das frägt sich!)

Diese drei Männer, und, wie gesagt, fast die ganze nationalökonomische Wissenschaft hat sich über die Tragweite des ehernen Lohngesetzes geeinigt; dieses Gesetz aber regelt den Lohn nach den landesüblichen Bedürfnissen der Arbeiterklasse, und wenn nun nach Herrn Kardorff die Leute ein Viertel des Lohnes durch Vermeidung von Luxus ersparen sollten so eine 3- Pfennigzigarre, was das für ein Lurusgegenstand ift! tritt nach und nach die Thatsache ein, daß dieses Viertel Ersparniß ein­fach dem Unternehmer zugute fommt, und die Arbeiter haben ein Viertel weniger Lohu.

( Sehr richtig! links.)

ach, dann

Das hätte Herr Kardorff bedenken sollen; wenn die Arbeiter ihren Lurus" einschränken, dann werden sie auf das Niveau solcher Völker­schaften herabgedrückt wie die chinesischen Kulis, die in Amerika arbeiten, wie die Italiener , die im südlichen Frankreich fortwährend von den französischen Arbeitern ihrer wenigen Bedürfnisse halber und mit Recht bekämpft werden, und wir werden noch größeren Rothstand im Lande haben und nach Herrn Kardorff's Theorie immer ärmer werden. Es wird dadurch, daß die Bedürfnisse in der Weise noch beschränkt werden, weil die Arbeiter jetzt schon viel zu wenig zum Leben haben, Industrie und Handel immer mehr geschädigt, da die große Masse des Volkes durch ihr Verzehren, ihren Konsum allein, die Produktion aufrecht erhalten fann.

Meine Herren, von Herrn Kardorff will ich gleich zu Herrn Bam- berger springen. Herr Bamberger hat mit ziemlich großem Pathos

er redet gewöhnlich nicht pathetisch vorgestern erklärt, daß sie, die Herren Liberalen, durch Ablehnung des Monopols ein Stück bür gerlicher Freiheit schützen wollen. Herr Bamberger ist sonst von allen Manchesterleuten, die ich kenne, der alleroffenste und allerehrlichste;

er sagt und hat uns hier im Reichstag oft genug gesagt: wie jetzt das ganze wirthschaftliche Getriebe geht, so muß es sein, dadurch haben wir die schönste aller Welten, für den Einen oder Andern allerdings ist es traurig, wenn er bedrückt wird, aber dieser Eine oder Andere kann auch wieder einmal wohlhabend werden und umgekehrt ein oder der andere Wohlhabende wieder arm; darin, in diesem Konkurrenzkampfe aber liegt die Bedinguiß der Kultur und Zivilisation. Ja, meine Herren, wenn Herr Bamberger nach dieser seiner gewohnten Offenheit vor­gestern gesprochen hätte, dann würde er bei dieser Gelegenheit das Wort bürgerliche Freiheit" nicht gebraucht haben. Ein Stück bürgerlicher Freiheit wird durch die Ablehnung des Monopols nicht beschützt, aber es wird dadurch ein Stück privater bürgerlicher Ausbeu­tung in der heutigen Gesellschaft geschützt.

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( Sehr richtig! links.)

Darin liegt doch ein großer Unterschied, derlei Ausbeutung aber ist feine bürgerliche Freiheit. Auch Herr Bamberger hat für das Sozialisten­gesetz gestimmt, dadurch aber hat er ein Stück bürgerlicher Frei­heit vernichtet. Gewöhnlich nennt man alles das bürgerliche Freiheit", welches den persönlichen Intentionen entspricht, das persön­liche Wohlergehen heißt Volkswohl, die persönliche Freiheit Volks­freiheit. So hätte Herr Bamberger den Ausdruck, bürgerliche Freiheit" umschreiben müssen.

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Doch weiter! Wenn Sie sich die Agitation gegen das Monopol ins Gedächtniß rufen, so erinnern Sie sich, daß von den liberalen Parteien bemängelt worden, daß nur 11 Mark Durchschnittslohn pro Woche auf die Monopolarbeiter männliche, weibliche und jugendliche sind ge­meint kommen sollen. Wenn Sie aber die gegenwärtige private Tabakindustrie betrachten, so bekommen in dieser die Arbeiter längst feine 11 Mart im Durchschnitt. Aber ich bin weit davon entfernt, den Arbeitern zu rathen, daß sie deshalb für das Monopol sich erwärmen sollen, da ich weiß, daß die Regierung diesen Lohnsatz gar nicht inne halten kann. Auch muß ich erklären, daß ich zu dieser Regierung, be­sonders wie sie jetzt zusammengesetzt ist, nicht das geringste Vers trauen habe. Bei einem solchen Lohnsazze, der ja auch nicht einmal genügend zu nennen ist, würden die Erträgnisse des Monopols auf die Dauer zusammenschrumpfen, und da das Monopol lediglich dem fiska­lischen Interesse dienen soll, so kommt es der Regierung ja nur darauf an, recht viel Erträgnisse für den Staat respektive die Regierung zu er­zielen. Ich glaube deshalb, daß die 11 Mart, die im Monopolentwurf angesetzt worden sind, zu hoch angesetzt worden sind.

Die Regierung hätte aber, wie schon gesagt, diese Lohnhöhe nicht beibehalten können. Das aber steht fest, daß jetzt im Durchschnitt in ganz Deutschland der Lohn einer Zigarrenarbeiterfamilie, also Mann und Frau, oder aber eines Zigarrenarbeiters und einer Wickelmacherin auf 15, allerhöchstens auf 16 Mart sich beläuft, das wäre nur 7-8 Mark für die Person, also noch nicht 11 Mark. Also diese Privat­industrie, das Stück bürgerliche Freiheit, was Herr Bamberger schützen will, ist auch nicht gerade zu loben vom Arbeiterstandpunkte aus. Das Monopol ist nicht schön, aber die Privatindustrie und die Verhältnisse in der Privatindustrie haben wahrlich auch viele Flecken und Makel. Wenn trotzdem die Zigarrenarbeiter den Verlockungen des Monopols in heroischster Weise Widerstand geleistet haben, wie ja auch die Petition von 80 oder 90,000 Unterschriften, die lediglich durch Zigarren­arbeiter aufgebracht sind, beweist, dann müßten die Beschützer der Privat­industrie fich auch dankbar den Arbeitern gegenüber erzeigen; ja, meine Herren, Sie sollten( nach links) Ihren liberalen Tabakfabrikanten auch sagen, daß dieselben etwas tiefer bei der Lohnzahlung in die Tasche zu greifen hätten, damit wenigstens im Durchschnitt für ganz Deutschland die Lohnhöhe erreicht würde, die die Herren vom Regierungstische den Zigarrenarbeitern im Monopolentwurf versprochen haben. Das wäre eine gute Agitation von Ihrer Seite und das würde zeigen, daß Sie es mit Ihrer Volksfreundschaft auch ein Bischen ernster nehmen, als dies durch Redensarten allein bestätigt werden kann.

Weitergehend stimme ich den Behauptungen liberalerseits zu, daß die Monopolarbeiter politisch abhängig von der Regierung würden, und nach der bekannten Erklärung des Herrn Minister von Puttkamer bin ich überzeugt, daß, wenn die Leute sozialdemokratisch wählten, fie sofort aus den Monopolwerkstätten entlassen würden,

( Zuruf selbstverständlich!)

und zwar wäre das dann auch ein zutreffender Grund, der die Leute ohne Entschädigung aus Brod und Arbeit brächte. Die Zigarrenarbeiter in Deutschland sind aber nun fast alle Sozialdemokraten. Da würden, Sie( zum Regierungstisch gewendet) gar keine Arbeiter für die Monopol­werkstätten erhalten können oder Sie müßten mit lauter Sozialdemo­fraten arbeiten!

( Heiterkeit.

An diese Konsequenz haben weder Herr von Puttkamer, Fürst Bismard und auch Herr von Mayr nicht gedacht.

Jusom( Zuruf: die machen sich neue Arbeiter!)

Das würde doch wohl zu lange dauern. Doch ich glaube, wie gesagt, daß die politische Abhängigkeit der Zigarrenarbeiter allerdings in hohem Maße stattfinden würde. Aber wie sieht es denn jetzt eigentlich aus? Es kommt nämlich auch bei der Privatindustrie vor, daß, wenn auch die Herren Fabrikanten selbst es nicht sagen, sie durch ihre Meister und Obermeister den Arbeitern sagen lassen: wenn ihr sozialdemokratisch wählt, macht euch nur auf etwas gefaßt. Es wird aber nicht direkt mit Arbeitsentlassung gedroht; das wäre ja brutal, sähe bei Liberalen und Fortschrittsleuten auch eigenthümlich aus, aber die Arbeiter haben ein feines Gefühl und merken, wohin solche Aeußerung zielt. So wird bei den Wahlen von der liberalen Bourgeoisie, um den alten Ausdruck wieder einmal zu gebrauchen, ebensogut gesündigt, als von der konser­vativen Regierung. Ob aber die Regierung die Arbeiter zwingt, fonser­vativ zu wählen, oder ob Sie( nach links) die Leute zwingen, liberal zu wählen, ist doch schließlich ganz einerlei dem sozialdemokratischen Arbeiter gegenüber. Ich will Ihnen da eine sehr hübsche Illustration zum Besten geben. Einer meiner Parteifreunde stand in der Wahl mit einem Sezes­sionisten und einem Konservativen im Kampfe. In einer Fabrik erklärte öffentlich der Meister: wer für den Sozialisten stimmt es war bei

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der ersten Wahl, wo die drei Herren zusammen konkurrirten, der wird entlassen. Nun tam aber der Sozialdemokrat nicht mit dem Sezessionisten, sondern mit dem Konservativen in die engere Wahl, und derselbe Obermeister erklärte nun im Auftrage des sezessionistischen Fabri­fanten: wenn ihr jetzt nicht den Sozialdemokraten wählt, werdet ihr entlassen.

( Heiterkeit.)

Ja, meine Herren, das ist wörtlich wahr; aber bedenken Sie, wie ein derartiges Verfahren die Korruption ins Volk trägt! Das ist ein Schachern mit den Stimmen, mit der Ueberzeugung und ist wahrlich ebenso schlimm, als wenn Herr Buttkamer seine Beamten dazu zwingen will, nach seinem Sinne zu wählen. Sorgen Sie( links) deshalb auch dafür, daß vor Ihren eigenen Thüren auch einmal rein gekehrt wird. ( Sehr gut! rechts. Zuruf.)

Herr Löwe, Sie meine ich persönlich nicht. Sagen Sie Ihren libe­ralen Fabrikanten: behandelt eure Arbeiter menschlich, faßt tiefer in eure Taschen, achtet die Ueberzeugung eurer Arbeiter, die eben so gute Men­schen sind, wie Ihr. Angesichts des Heroismus, mit dem die Zigarren­arbeiter gegenüber den Verführungstünsten der Regierung gekämpft haben, sollten sie dankbar sein.

Meine Herren, es hat der Herr Reichskanzler von Byzantinismus ge­sprochen, wie vor dem Volke die Fraktionen sich beugen müßten, um wieder gewählt zu werden. Der Herr Abgeordnete Richter hat darauf ganz richtig geantwortet, der schlimmste Byzantinismus wäre der, der nach anderer Richtung ausgeübt werde. Das ganze Auftreten des Herrn Reichskanzlers beweist, daß er sich sehr hoch und mächtig fühlt; aber wer ist Schuld daran? Jeder Mensch ist das Resultat seiner Erziehung, und Sie da( links), meine Herren, haben den Herrn Reichskanzler zu diesem Selbstgefühl erzogen.

( Rufe: Sehr wahr!)

and ton

Meine Herren, Sie sind es gewesen, jezt müssen Sie darunter leiden. ( Zuruf.)

Sie alle( links) find es mehr oder weniger gewesen, die den Herrn

Reichskanzler zum Halbgott gemacht haben durch Ihr fortwährendes Sichbeugen. ( Große Heiterkeit.)

Der sterbliche arme Mensch ist dann zu bedauern, wenn später dieser Halbgott mit der Keule kommt. Aber Sie müssen sich jetzt diese Keulen­schläge gefallen lassen.

( Heiterkeit.)

Wenn man sich also einen Halbgott erzieht, muß man auch über die Brügel nicht murren, die derselbe im Gefühl seiner Allgewalt austheilt. ( Erneute Heiterkeit.)

So ist es, meine Herren von der Linken!

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Ich will mich nun wieder zur rechten Seite wenden. Ich habe mich besonders gewundert über einen Ausspruch, den heute der Fürst Reichs­fanzler gethan hat, indem er meinte, daß in ganz Preußen keine Familie wäre, daß kein Haushalt wäre, welcher weniger als 140 Thaler Ein­nahme jährlich habe. Der Herr Abgeordnete Richter hat nach der einen Seite schon ganz treffend erwidert und auf die ländliche Bevölkerung hingewiesen, mich also dessen überhoben; aber ich will einen andern Einwand hier machen. Als, es war am 25. Mai 1873, die Abänder­ung über das Klassensteuergesetz im preußischen Abgeordnetenhause vor­geschlagen und genehmigt wurde, haben wir die weltbekannte Rede des damaligen Vizepräsidenten des preußischen Staatsministeriums, des Herrn Camphausen, zu verzeichnen. Damals stand Herr Camphausen mit dem Fürsten Bismard auf sehr vertraulichem gutem Fuß; es war noch nicht der kleine Zwiespalt zwischen den beiden Herren ausgebrochen. Herr Camphausen erklärte also als Vertreter der preußischen Regierung, daß durch die Annahme der Regierungsvorlage 7 bis 8 Millionen Menschen von der direkten Steuer befreit würden. Damit wurde anerkannt, wenn man die Familie zu drei bis vier Personen rechnet, daß es über zwei Millionen Haushalte in Preußen gab, die weniger Einkommen hatten als 140 Thaler. Sollte sich das jetzt so gebessert haben? Im Jahre 1878 hat man gesagt: der Freihandel hat alles verschlechtert! Also muß - das es 1878 schlechter gewesen sein als 1873. Seit 1878 haben sich können selbst die Herren auf der Rechten nicht anders sagen die Verhältnisse in Preußen auch nicht so gebessert, daß die Bevölkerung viel mehr Einkommen hätte, und man kann daher wohl die Behauptung sich erlauben, daß, um etwas rofig in Bezug auf die Nothwendigkeit neuer indirekter Steuern zu malen, der Herr Reichskanzler sich an die früheren Erhebungen nicht mehr erinnert hat. Wenn wir aber unsere Untersuchungen in der Lohnfrage und in dem Volkseinkommen hier mit­theilen würden und das wird ja bei anderen Gelegenheiten des Näheren geschehen können, dann werden Sie erfahren, daß ganze große Kreise eristiren, in denen die Arbeiterfamilien im Durchschnitt wöchentlich nur 5 Mark haben. Um an Schlesien zu erinnern, so habe ich, bezüglich der dortigen Webergegenden, noch zu hoch gegriffen. Dort find Familien, die lediglich zur Miethe wohnen, die kein Häuschen, kein Gärtchen haben und von einem Durchschnittslohn von wöchentlich 4,30 Mart bis 4,80 Mark vollständig leben müssen. Das macht aber noch lange nicht die Summe von 140 Thalern aus, sondern ungefähr 300 bis 320 Mart. Es hat einer der Herren Vorredner schon betont, daß das abgeschlossene Wesen unserer bureaukratischen Elemente je höher fie gestellt sind, desto abgeschlossener sind sie Schuld darau ist, daß in jenen Kreisen so wenig Verständniß für die Lage des Volks zu finden ift. Darum wäre es gut, wenn jene Herren einmal den Harun al Raschid spielen möchten oder mit Sozialdemokraten auf Agitationsreisen gehen wollten; dann würden sie das Volkselend und die Volksnoth richtig

tennen lernen. b. Buttkamer schüttelt mit dem Kopf.)

( Herr v.

Das ist allerdings kein großes Vergnügen, Herr Minister! Meine Herren, als der Herr Reichskanzler heute Ihnen mit großem Pathos erklärte, daß er die Massen vertrete gegenüber der Minorität, sagte er gleich darauf, er erkenne dadurch das Prinzip der Majorität an, der Ackerbauer nämlich, aber er wolle auch das Prinzip der Intelli­genz, der Städte, und dann noch das Prinzip des Einflusses der Wohlhabenheit mit anerkennen. Die großen Massen sind aber arm, und wenn man nun das Prinzip des Einflusses der Wohlhabenheit anerkennt, dann ist man meiner Meinung nach nicht ein guter Vertreter der armen und enterbten Klassen, der Masse des Volks.

Meine Herren, auch hat der Reichskanzler erklärt, daß die Klassen­steuer und die Kopfsteuer eine barbarische Einrichtung sei. Dabei hätte er sich bei Lassalle, den er ja, wie ich schon sagte, sich als Gutsnachbar wünschte, Raths erholen sollen und würde dann erfahren haben, was denn die indirekten Steuern eigentlich seien. Lassalle hat das in seiner berühmten Rede die indirekten Steuern" tlar auseinander­gesetzt, daß die indirekten Steuern, besonders auf Lebensmittel u. s. w. gelegt, genau wie die Kopfst euer wirken,

( sehr richtig! links)

und ich glaube, es wird das nicht bestritten, von der Wissenschaft wenigstens bis jetzt nicht. Wenn aber die indirekten Steuern wie die Kopffteuer wirken, so sind sie doch auch nach dem Ausspruch des Herrn Reichskanzlers eine barbarische Einrichtung, und dafür er­kläre ich dieselben hiermit.

Wenn dann Fürst Bismard behauptete: während die indirekten Steuern eine gleichmäßigere gerechtere Vertheilung der Besteuerung in sich selbst tragen den Nachsatz habe ich mir nicht notirt, dann möchte ich doch auf ein ganz einfaches Beispiel aufmert­sam machen, und zwar ein recht altes will ich herausgreifen, das wirkt unter Umständen drastischer. Die Naturforscher haben ausgerechnet, daß eine Familie von fünf Köpfen ungefähr einen Zentner Salz im Jahre braucht; der Zentner Salz wird aber mit 6 Mark besteuert, es zahlt also eine Arbeiterfamilie 6 Mark Salzsteuer jährlich. Rothschild und Fürst Bismarck , die vielleicht hundert Mal und noch viel mehr reicher sind, als ein niederer Lohnarbeiter, bezahlen aber auch nur 6 M. Salzsteuer, ich glaube sogar eher noch weniger, weil die Armen ihre Speisen mehr salzen müssen, da sie viele Kartoffeln essen müssen, die bekanntlich das meiste Salz bei der Zubereitung erfordern. Wie man da von einer gerechten Vertheilung der Steuern sprechen kann, und wie man das sogar als Anwalt des armen Mannes", als Vertreter der Massen" aussprechen kann, das ist mir unbegreiflich. Es wäre jeden­falls vom Standpunkt des Vertreters der Massen" und des Anwalts des armen Mannes" viel besser, anstatt der indirekten Besteuerung die direkte, die progressive Einkommensteuer vorzuschlagen, die dann aber auch so zugespitzt werden müßte, daß sie nach oben mit aller Schärfe wirkt. Meine Herren, wenn man sagt, daß Herr Rothschild drei Millionen Einkommen jährlich hat was wäre denn daran ge­legen, wenn der Staat zwei Millionen davon für sich nähme?

( Heiterkeit.)

Hat der Mann denn mit einer Million nicht übergenug? Ich würde eine Million nicht aufzehren können. Auch Fürst Bismarck würde bei einer solchen progressiven Einkommensteuer nicht gut wegkommen, er würde auch vielleicht einige hunderttausend Mark zahlen müssen von den Erträgnissen seiner Güter und seinem Gehalte; das wäre eines Au­walts des armen Mannes" würdig, solche Vorschläge zu machen. salisiled end( Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ich komme nun zum Schluß. Fürst Bismarck hat an den Patriotismus appellirt in seiner vorgestrigen Rede und hat in war­men Worten an die liberale Seite des Hauses sich gewandt. Er hat dabei erklärt, daß die Kopfsteuer und die Klassensteuer die Auswanderung beförderten. Ich glaube, Fürst Bismarck hat Patriotismus, Vater­landsliebe verwechselt mit Liebe zur heutigen Regierung. Das Vaterland, je mehr es in Noth und Bedrängniß ist, liebe auch ich, lieben auch wir. Auf die Bemerkung des Fürsten Bismarck, daß die Klassensteuer viele Leute dazu treibe, dem Lande den Rücken zu kehren, erwidere ich, daß viel mehr Personen, und zwar mit die besten Söhne des Vaterlandes, vertrieben werden durch das politisch reaktionäre Regiment, welches jetzt in Deutschland herrscht.

( Sehr wahr!)

Ich glaube, auch das deutsche Militärsystem trägt mit zu der Auswan­derung bei; in jeder Zeitung lesen wir, daß man alljährlich einer großen Anzahl verschwundener Rekruten steckbrieflich nachstellt. Dann liegt eine Hauptursache zur Auswanderung in der Polizeiwirthschaft, die jetzt in Deutschland in der unerhörtesten Weise herrscht, so daß viele Leute gern dem Vaterland den Rücken kehren. Aber glaubt

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