Und so viel steht fest, wäre er, mit allen seinen herrlichen Anlagen, als Proletarier geboren, wäre Tausend gegen Eins zu wetten, daß er seine Anlagen niemals hätte ausbilben können und elend verhungert wäre.
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Neben Darwin fönnten wir noch Göthe und Humboldt anführen, die ebenfalls vom Kampf um das Dasein" völlig unberührt waren und ihre umfassende, harmonische und himmelragende Entwicklung wesentlich diesem Umstande zu ver= banken hatten.
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Bringe man Göthe , den reichen Patrizier, in Parallele mit Schiller , dem armen Soldatenkind, der sein ganzes Leben hin durch die Segnungen des Kampfes um das Dasein zu toften hatte - und man wird die folossalen Vortheile, welche die Gesichert heit der Existenz bietet, mit Händen greifen können.
Wie immer drehen unsere Gegner die Wahrheit um; nicht die Unsicherheit der Existenz ist es, welche die Anlagen ausbildet, Kunst und Wissenschaft fördert nur bei gesicherter. Existenz ist ein höheres geistiges Leben möglich. Und weit entfernt, den Kulturfortschritt der Menschheit zu hemmen, wird ein Gesellschaftszustand, welcher jedem Individuum eine gesicherte Existenz und die Mittel zur Ausbildung aller seiner Fähigkeiten bietet, den Kulturfortschritt der Menschheit, welcher heute dadurch, daß die ungeheure Mehrzahl der Menschen keine gesicherte Existenz und keine Möglichkeit der Ausbildung hat, mit Bleigewichter: aufgehalten wird, in außerordentlichem Grade beschleunigt.
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Es ist wie schon mehrmals im Sozialdemokrat" hervorgehoben wurde ganz gut, wenn von Zeit zu Zeit von den Genossen Berichte über vorkommende Polizeischuftereien einlaufen. Ich glaube behaupten zu dürfen, daß in feiner Gegend Deutschlands das Schmarozzerthum unter den Beamten sowohl als unter der hochlöblichen Polizei so üppig in Blüthe steht wie gerade speziell in Elberfeld .
Die Vorsehung hat uns in der Person des Oberbürgermeisters zugleich auch einen Landrath gegeben, und Jedermann weiß, was eine derartige Kreatur zu bedeuten hat. Trotzdem ist diese ausübende" Kraft geradezu machtlos gegenüber dem Troß ihrer Untergebenen. Der BolizeiInspektor Hahn, Hochstapler en gros, verdorbener Bäcker, an der Spitze von fünf Kommissaren ist trotz allen Hezzens und Spionirens nicht im Stande, fich irgendwie verdienstlich zu machen, und greifen diese Kerls zu, so greifen sie stets daneben.
Das muckerige, liberalkonservative Bürgerthum glaubt Wunder zu besitzen, und es besitzt in der That ein Stück Wunder, Polizeiwachtmeister I. Ranges. Den Pelz voll Schulden, sein Gewissen aber natürlich trotzdem rein, versteht es der Herr ganz besonders, unverfroren zu pumpen und nie zu bezahlen. Doch dieser Bauernfänger ist noch nicht der schlimmste. Die Perle von Allen ist ein verdorbener Friseurgehilfe. Nachdem er lange genug Kommisbrod verdaut, wurde er hier, wie das leider so üblich, lebenslänglich als Kommissar angestellt. Natürlich, ein Arbeiter wird nur so lange ausgebeutet, als er Kraft und Saft hat, jene ausererzirten Schmarozzer aber werden, wenn sie sich während der Drilljahre als gefügige Schergenknechte erwiesen, als invalide" entlassen und dann lebenslänglich an die Krippe gebunden, während ehr iche und fleißige Arbeiter im Alter hungern und darben müssen. Dieser verdorbene Seifenschaumschlager und jetzige Kommissar heißt Fränzel; er sei wirklich allen Patrioten empfohlen als Mitglied jener Mordsgesellenbande, zu welcher er sich nicht rechnen will. Es ist wohl kein Wirth, Metzger, Händler oder sonstiger Gewerbtreibender in seinem 4. Polizeirevier, der nicht schon von ihm bemogelt worden wäre, und die Angstmichel geben ja noch gerne, wenn sie so ein zweierlei Tuch sehen. Das Kriechen wird immer mehr Mode, und Mancher hat es wohl nöthig, denn was hat nicht der Herr Kommissar für Macht! Er darf seine lieben Bürger chifaniren, wie er will, denn die Mucker halten still.
Als vor Kurzem die Wirthe Beschwerde erhoben über die Ueberhandnahme der Tingeltangel, tam es in der durchlauchtigsten StadtrathsSitzung zu einem erregten Zwischenfalle zwischen den Stadtverordneten und dem landräthlichen Oberbürgermeister. Wie immer bei solchen GeTegenheiten wußte die Polizei, obschon in den Blättern täglich über ein Dutzend annoncirt waren, auch jetzt nicht, daß in dem gesegneten Muckerthale auf einmal über 20 Tingeltangels seien. Es mußte aber Abhilfe geschaffen werden; die Besteuerung sämmtlicher Lokale mit 15 Mart pro Tag war die erste, außerdem wurde einzelnen Wirthen die Konzession zum Konzertgeben entzogen. Das muckerige Bürgerthum war zufrieden, die Stadträthe jubelten, wieder einmal eine brave That vollführt zu haben. Allerdings eine brave That, eine kleine Anzahl, und nicht die schlimmsten, plötzlich kaput zu machen, während man gerade die unsauberften ruhig weiter duldet. Aber diese Lokale gehören zum Revier Fränzel. Und nun das Beste.
Auf der Karlstraße hier ist eine Wirthschaft Rotar, welche allgemein als H- renkneipe bekannt ist. Da sind der Herr und die Frau Kommissar Hausfreund, gehen mit den lieben" Freunden aus, reisen gemeinsam nach Köln zum Karneval und so weiter. Kommt das liebe Frauchen Fränzel's in die Wochen, so darf natürlich der nöthige Kuchen und Bor deaux nicht fehlen. Hat die Frau einen Hut nöthig, sie erhält ihn; hegt sie sonst einen Wunsch er wird erfüllt, die lieben Freunde sind die Aufmerksamkeit selbst, dafür haben sie aber auch das erhebende Bewußtsein, in ungestörter Ruhe ihrem unsaubern Geschäfte obliegen zu fönnen, wenn nur der Herr Kommissar" den Vorrang bei einem etwaigen Wechsel hat und seine Rechnung dabei findet; er sorgt dann dafür wieder auf der andern Seite, daß nicht nur Amtsrichter und Beigeordnete, sondern auch die frommen" Bürger mit vollen Börsen sich einstellen, um ein Stündchen der Erbauung" zu halten. Der überwachende Beamte sieht dann davon natürlich nichts; handelt es sich aber um die Verhaftung eines Menschen, der im Geruche der Sozialdemokratie steht, so springt dieser Lump vor Freude aus einem Wirthshaus in's andere, um die Wunder zu erzählen, die er verübt. Auch die Verhaftung Muntscher's ist nur auf sein Konto zu setzen, und obschon bis heute noch keine Anklage gegen Muntscher erhoben, so hält man denselben dennoch in Haft.
So könnte ich über diesen Fränzel noch Manches erzählen, doch dürfte Obiges für heute genügen. Nächstens werde ich Ihnen über die anderen drei Kommissare schreiben; allerdings taugen sie allezusammen nichts, aber die Krone Aller hat doch Fränzel davon getragen.
Gleichsam eine passende Ergänzung hierzu liefert folgender Brief eines Barmer Genossen:
„ Nicht nur in Elberfeld , sondern auch in Barmen, ja im ganzen„ heiligen" deutschen Reich von Säbels Gnaden macht sich die Korruption in unverschämtester Weise breit. Ein Prachtexemplar ist unter Anderen der hiesige Bolizeinspektor Voigt, dumm, wie das bei der Polizei fo Mode, schamlos, frech, wie's der Brauch in dem deutschen Nationalzuchthaus nun einmal verlangt, ein H- renjäger, wie das von einem solchen Wächter der offiziellen Reichsfittlichkeit eben zu erwarten ist. Ihm stehen die untergeordneten Kommissare würdig zur Seite. Da ist z. B. Herr Wilfing, ein hervorragender Sozialistenhezzer, der alle Wirthe und Angst
meier seines Reviers anpumpt und ihnen dann das Geld ehrlich schuldig bleibt.
Nicht viel besser sind seine Kollegen Schulz und Burchard. Und das Beispiel von Oben wuchert unten vortrefflich und weckt Nacheiferung bei den Polizisten niederen Grades. Weil die Wirthe in jeder Weise den Polizeichikanen preisgegeben sind- Dant unserer Gesetzgebung und ihrer eigenen Feigheit fressen und saufen die Polizisten, so oft und so viel
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es der Bande gefällt. Sie geben sich auch den Anschein, als ob sie bezahlen, wenn Gäste anwesend find, d. h. sie geben dem Wirthe gewöhnlich eine größere Münze und thun, als ob man ihnen herausgeben sollte. Wehe aber dem Wirthe, der nicht ebensoviel in kleiner Münze zurückgibt, als er in großer empfing; er kann sich auf Strafanzeigen aller Art, wegen Uebertretung der Polizeistunde, wegen unerlaubten Schnapsausschankes, ruheftörenden Lärmes u. dgl. sicher gefaßt halten. Und darum laffen sich die Leute von der Blutsaugerbande lieber geduldig plündern. Unsere Liberalen aber, welche diese Zustände ebensogut kennen, als wir, wen den dagegen ihr Lieblingsrezept an, das Todtschweigen, oder treiben die Heuchelei gar so weit, daß fie mit großer Entrüftung wider die russische oder amerikanische Korruption donnern und sich dabei pharisäerhaft unserer gewissenhaften Beamten rühmen. Verbrecher album" mit dieser ganzen In das Sippschaft!"
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Die ungestrafte Korruption und Brutalität unter den oberen Beamten erzeugt natürlich Bestechlichkeit und Lümmelhaftigkeit unter den niederen Organen. Solange darunter nur Sozialdemokraten oder überhaupt Arbeiter leiden, haben jene nicht nur keine Strafe zu gewärtigen, sondern im Gegentheil hängt Lohn und Beförderung vom Grade ihrer Rohheit ab. Bei der sprichwörtlichen Dummheit dieser Beamtenkategorie tommen fie natürlich bisweilen an den Unrechten und sind die ,, Richter"- es gar nicht anders geht gezwungen, um in den Augen des dummen Spießes den Schein der Gerechtigkeit zu wahren, diese„ Stützen der Gesellschaft" zu verurtheilen. Vor wenigen Wochen erst mußten in Barmen 2 Nachtwächter wegen Mißhandlung von Bürgern(„ dick und fett, ihnen fehlte wenig") zu 3 Monaten Gefängniß verknurrt werden und jetzt mußten wieder 3 Nachtwächter, welche 2 Mezgermeister in geradezu räuberischer Weise überfielen und mißhandelten, zu 4 Monaten Gefängniß verdonnert werden, blos weil sie so dumm waren, Zeugen hinzukommen zu lassen, so daß der berüchtigte Diensteid keinen Ausweg bieten konnte.
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Von Genosse Dietgen erhalten wir folgende Buschrift: Die Nr. 24 unseres Organs enthält einen Artikel über„ Arbeitslöhne und Waarenpreise", wo die alte Vorspiegelung, daß Erhöhung der Arbeitslöhne den Preis der Produkte derart steigere, daß die Arbeiterklasse nichts dabei verdiene, trefflich zurückgewiesen wird. Indessen vermisse ich dabei ein Argument, welches das interessirte Geschwätz der Mastbürger in evidentester Weise widerlegt, und das Sie gestatten wollen, nachzuholen. Angenommen, es sei wahr, was in der That nur ein Versuch ist, die Unwissenheit zu übertölpeln, angenommen, die Steigerung der Arbeitslöhne steigere den Preis der Produkte in gleichem Betrage- so ist selbst in diesem Falle noch zu erwägen, daß dieser Betrag sich auf das ganze Erzeugniß vertheilt, während die Arbeiter nur den kleinsten Theil davon kaufen und verzehren können. Die gesteigerten Löhne fließen ausschließlich in die Hände der Arbeiter, während die Produkte zum größten Theile von der höheren Sippschaft konsumirt werden. Wohl bilden die Arbeiter die große Masse der Konsumenten, und wenn die Produkte sich per Kopf vertheilten, würde auch der erheblichste Theil der Preissteigerung ihnen zu Last fallen. Aber so ist die Sache nicht. Die verhältnißmäßig kleine Zahl der Privilegirten hat einen Diese Handvoll entsetzlichen Schlund und keinen Boden im Wanst.
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Leute verzehren nicht nur ihren natürlichen Theil, sondern sind gerade darum Schnapphähne, weil sie die Rationen des Volks vorweg für sich nehmen. Die Unternehmer, deren Finanziers, Henkersknechte und Bälgetreter zwingen die Arbeiter mit der Fuchtel, Nahrung, Kleidung und Leckerbissen, Sammt und Wohnung für die Nation zu schaffen; aber Seide, Goldbrokat, Tressen, Spitzen und Paläste für die Auserwählten, und Kleienbrod, Zichorien, Hafergrüß und Baracken für den arbeitenden Plebs. Wer will nun bei diesem Sachverhalt bestreiten, daß die große Masse der erzeugten Werthe von den Herrschaften verschlungen wird. Wenn die Arbeitsklasse durch Einigkeit und vorsichtig angelegte Streits die Löhne erhöht, dann laßt das von den Gaunern
darunter
ist der kleine Theil der„ Aucharbeiter" zu verstehen, welcher den größten Theil der Produkte verzehrt nur auf die Waaren geschlagen werden sie sind selbst die Hauptkonsumenten und müssen also auch die Zeche zahlen. Ich wiederhole den Schluß des Genossen Leo:
Wenig Arbeit und hohen Lohn!
J. Dietgen. Staatssozialismus im Klassenstaat.„ Keiner hat die Nachtheile der Verstaatlichung schwerer zu empfinden", schreibt man der„ Berl. Volksztg." aus Potsdam , als diejenigen Arbeiter, die in Eisenbahnwerkstätten, auf Güterboden zc. gegen Tagelohn beschäftigt find. Davon können wir hier ein Lied fingen, das beredter nirgends wohl für diese Behauptung Zeugniß abzulegen im Stande ist. Es wird in unseren Eisenbahnwerkstätten nach und nach ein soldatisches Regiment eingeführt, das einen gewaltigen Kontrast bildet gegen eine Zeit, wo die Berlin- Potsdam- Magdeburger Eisenbahn noch eine private war. Aber abgesehen davon, so treten jetzt auch Lohnverkürzungen ein, welche die Betreffenden sehr schwer berühren. Alte Arbeiter, die fast ihr ganzes Leben auf dem Güterbahnhof gearbeitet haben und seit Jahren pro Tag 2 M. 25 Pf. Arbeitslohn bekommen, sind jetzt in ihrem Verdienst bis auf 1 Mart 50 Pfennige herab gesetzt. Man benutzt die Kräfte der Leute, solange es geht, und gibt ihnen später, trotzdem noch dieselben Anforderungen an sie gestellt werden, geringeren Lohn; ist der Mann damit nicht zufrieden, nun, dann kann er gehen. Noch viel traffer liegt aber ein Fall, der seit Wochen die Gemüther unserer Einwohner mit Entrüftung erfüllt. In der Zeit der ärgsten Reaktion haben wir schon Manches erlebt, aber daß man einen Bater für die politische Gesinnung seines selbstständigen Sohnes verantwortlich macht, dürfte denn doch noch nicht dagewesen sein, und hierin dürfte die verstaatlichte Berlin- Potsdam- Magdeburger Eisenbahn einzig dastehen." surgit
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Der nunmehr erzählte Fall, daß dem 60 Jahre alten Modelltischler Nickel, der seit 32 Jahren in der Potsdamer Maschinenwertstatt arbeitet, auf Veranlassung des Potsdamer Madai, des Herrn von Engelden, von Seiten des Oberingenieurs Turner mit Entlassung gedroht wurde, falls er nicht seinen Sohn, der an einem fortschrittlichen Blatt mitarbeitet, fentweder davon abbringe oder aus seinem Hause fortschicke und jeden Verkehr mit ihm abbreche, und daß thatsächlich dann der jüngere Nickel von seinem Vater fortzog, dieser Fall ist zwar sehr bezeichnend für das in Preußen- Deutschland herrschende System, aber er steht nicht einzig vielmehr in seiner Art da, er ist schon mehrfach in Preußen dagewesen. Darüber indeß ein andermal. Die Lohnver fürzungen interesfiren uns heute mehr, sie sind ein schlagender Beweis für die Richtigkeit unserer früheren Ausführungen, daß die Arbeiter den Kaufpreis, mit welchem der christliche Staat die jüdische"
Börse für die Verstaatlichung, gewonnen" hat, bezahlen müssen. Bei jeder Verstaatlichung noch hat die Börse, ihre hohen Gönner, sowie das attienbesitzende Publikum ganz erheblich verdient. Dieser Verdienst wird aus den Knochen der Arbeiter herausgepreßt das ist der Staatssozialismus im Klaffenstaat. Wir danken für Obft.
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- Volksparteilich demokratisches. Nicht im Bennigsen'schen„ Hannoverschen Kurier", auch nicht in der Bamberger- Laster' schen„ Tribüne", ja nicht einmal in der Eugen Richter'schen ,, Berliner Ztg.", nein, in Herrn Leopold Sonnemannn's, des großen ,, Demokraten " " Frankfurter 3eitung" finden wir in einem Leitartikel über die bevorstehenden preußischen Landtagswahlen folgenden bezeichnenden Satz:
" Besondere Ueberraschungen darf man sich von dem Ergebniß der demnächstigen Landtagswahlen nicht versprechen. Ein Rückblick zeigt, daß seit 1866 im Großen und Ganzen die Klassenwahlen stets daffelbe Resultat ergeben haben, wie die direkten Reichstagswahlen, nur daß die Sozialisten bei ersteren gar keine Chancen haben und die Ultramontanen etwas geringere, namentlich in den Städten. Es ist das insofern eine erfreuliche Erscheinung, als dadurch konstatirt wird, daß die Demagogie, sie kleidesich in die rothe oder in eine andere Farbe, nicht viel vermag und die Intelligenz sich den Massen wie dem Besitz gegenüber geltend zu machen weiß."
Wie man diesen Satz auch lesen mag, ob man nun die erfreu liche Thats a che" auf die Chancenlosigkeit der Sozialdemokratie beim Dreiklaffenwahlgesetz oder auf die geringen Aussichten für die Regierungsdemagogen bezieht, immer leuchtet aus diesem Satz die ganze Charakterlosigkeit und Bornirtheit des Bourgeoisdemokratismus heraus. Charatterlosigkeit, denn dieser Jubelhymnus gilt der erfreulichen Thatsache", daß es die königstreuen Fortschrittler und die Liberalen à la Laster- Fortenbed- Bamberger find, welche Aussicht auf einen Stimmenzuwachs bei den Landtagswahlen haben, also gerade die Parteien, für welche die Frankfurter Zeitung " sonst nur Spott und Hohn wegen ihrer schwachmüthigen Opposition hatte, und Bornirtheit, weil hier - echt bürgerlich- demokratisch dem allgemeinen Wahlrecht eine Wirkung zugeschrieben wird, die es unter der ökonomischen Herrschaft des Kapitalismus nicht hat und nicht haben kann. Es ist aber für die„ Demokratie" der Volkspartei bezeichnend, daß sie die Ursache dieser ,, erfreulichen Thatsache", der nämlich, daß beim allgemeinen Wahlrecht wie beim Dreiklassenwahlsystem der Besitz über die Intelligenz ftets den Sieg davonträgt, nicht einsteht oder richtiger nicht einsehen will.
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Die Herren Volksparteiler sehen eben die Welt durch die Brille des Besizes an, und der intelligenteste Vertreter des Kapitalismus ist ihnen der Vertreter der Intelligenz schlechtweg.
Es gibt noch Richter in Darmstadt . Schon im Rechenschaftsbericht unserer Abgeordneten ist Seite 8 zu lesen: furz, eine vollendete Schreckensherrschaft, der dieser Tage durch richterliches Urtheil( Prozeß Jahn vor dem Hofgericht zu Darmstadt am 1. Septbr. 1879) das Brandmal der Schande aufgedrückt worden ist, indem dieses Urtheil die in einem sozialdemokratischen Wahlflugblatte, zur Charakterisirung jener schmachvollen, ihres Tacitus harrenden Epoche tiefster Erniedrigung Deutschlands gebrauchte Ausdrücke als berechtigt anerkannte." Die Anklage stützte sich damals auf§ 131. Jahn wurde in allen Instanzen freigesprochen, ja selbst der Staatsanwalt, man höre und staune! beantragte Freisprechung. Als Entgeltung dafür find auch keine hessischen Richter zu Reichsgerichtsräthen degradirt worden. Heute können wir wieder eine Freisprechung melden. Wie schon früher im ,, Sozialdemokrat" erwähnt, waren die Genossen Müller( als Verfaffer), Leißler( als Drucker) und Kahres( als Verbreiter) eines Flugblattes für die Wahl Bebels in Anklagezustand gesetzt, weil in demselben gesagt war:
,, Hunderte von braven Familienvätern werden ausgewiesen, von Haus und Hof, von Weib und Kind vertrieben, weil sie nicht wie die Söldlinge der Reaktion ihre Gesinnung je nach dem Wunsch von oben ändern, sondern immer und immer wieder ihrer Ueberzeugung getreu gegen die Knechtschaft in jeder Gestalt ankämpfen."
Wiederum lautete die Anklage wegen Verstoß gegen den§ 131, den wir auch wohl unsern Paragraphen nennen könnten, und war Hauptverhandlung vor der Strafkammer des Landgerichts zu Darmstadt am 26. Juni 1882.
Der Provinzialdirektor von Marquardt, im Sinn unseres" Gesetzes Landespolizei, wurde auf Antrag der Angeklagten, natürlich mit Genehmigung des Ministeriums, als Zeuge geladen, weil Genosse Müller sich vor der Wahl vergewiffert hatte, ob die Landespolizeibehörde eine Wählerversammlung, allwo die Kandidatur Bebels empfohlen werden sollte, verbieten würde. Marquardt hatte erklärt, daß dies auf Grund von § 9 des Sozialistengesetzes geschehen müsse und auf Vorhalt der einschlägigen§§ der Verfassung resp. anderer Gesetze, bemerkte er: die seien nicht für die Sozialdemokratie da, sondern nur für die andern Parteien. Als Müller dieses Vorkommniß in Abwesenheit des Zeugen vor dem Gerichtshofe mit kernigen Ausdrücken schilderte, merkte man schon die Verlegenheit bei dem Staatsanwalt. Bei der erfolgenden Vernehmung wollte sich der Zeuge zwar so davon schrauben, Genosse Müller ruhte aber nicht, bis v. Marquardt die von ihm gegebene Interpretation zugestand, und wurde seinem Gedächtniß durch Müller gehörig nachgeholfen. Man merkte selbst bei den Richtern das Peinliche der Situation. Nicht etwa, daß wir Sozialdemokraten nicht das schon lange wüßten, bewahre, daß es von den höchsten Beamten der Provinz so offen gesagt wird, während man sich oben bemüht, gerade das, was Marquardt sagte, hinwegzuleugnen, war die Ursache der Verlegenheit. Zwei Polizeischurken waren als Belastungszeugen geladen, und als Genoffe Müller einen dieser Taugenichtse fragte, was sie eigentlich zu bezeugen hätten, da erwiderte dieser, sie wüßten gar nichts, worauf Müller ganz treffend bemerkte, es schiene ihm, als habe die Staatsbehörde die Absicht, den Angeklagten recht viel Kosten zu machen. Doch mit ihrem Nichtswissen sollten die Polizeiseelen nicht davonkommen, und wollte Genosse Müller die Gelegenheit benutzen, dieselben Spießruthen laufen zu lassen. Wie zu erwarten stand, ward aber sofort das berüchtigte„ Dienstgeheimniß" vorgeschützt.
Alles Bemühen der Angekagten und des Vertheidigers blieb erfolglos, selbst die Bemerkung Müllers, es sei für seine Vertheidigung sehr wefentlich, wenn der Gerichtshof erfahre, wie die untern Polizeiorgane den Sozialdemokraten den Fuß im Nacken haben und sie zu ruiniren suchen, selbst das Provoziren eines Gerichtsbeschlusses konnte die einmal gefaßte Entschließung der Richter nicht ändern, sie hatten genug an der Dienstgeheimnißentbindung Marquardt und wollten der Staatsanwaltschaft teine weiteren Verlegenheiten bereiten. Einen ersichtlich guten Eindruck, sowohl bei den Richtern, wie bei dem Publikum, welches aus lauter Parteigenossen bestand, machte es, als alle drei Angeklagten unumwunden er klärten, daß sie alle und jede Verantwortung für das Flugblatt übernehmen, da es nur Wahrheiten seien, die darin wiedergegeben; ja der Drucker, Genosse Leißler, erklärte sogar: er unterschreibe jetzt noch jeden Sah und wundere sich nur, daß man ihn in Anklage zustand gesezt habe.
Der Staatsanwalt schien die Sache verloren zu geben, er bat zwar um ein Schuldig, die Höhe der Strafe dem Ermessen des Gerichtshofes überlassend. Die Vertheidigung, geführt vom Rechtsanwalt Schödler, entledigte sich ihrer Aufgabe glänzend, beantragte nicht nur Freisprechung von Strafe und Kosten, sondern auch, daß die Kosten der Vertheidigung der Staatskaffe zur Last fallen.
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