Dabei lag er auf dem bloßen Boden; um ihn zum Reden zu bringen, hatte man ihm selbst den Strohsack genommen. Der Bürger­meister soll die Anordnungen seines Sekretärs gebilligt haben. Beide sind geständig, eine solche, an Rußland   erinnernde Behandlungsweise schon öfters bei ungehorsamen Schüblingen angewendet zu haben. Wenzel Tichy wurde zu 50 fl. Geldbuße, eventuell 10 Tagen Haft und in die Kosten ver­urtheilt, der Bürgermeister freigesprochen. Der Staatsanwalt hat hiegegen Berufung eingelegt und es wird die Sache an das Kreisgericht Ried verwiesen werden."

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Ist das erhört! Vier Tage lassen diese Elenden einen Proletarier, deffen ganzes Verbrechen darin besteht, arbeitslos zu sein, und den viel­leicht nur die Scham über dieses Verbrechen" abhält, die verlangte Auskunft zu geben, vier Tage lassen sie ihn hungern bis sein Magen zu schwach ist, noch etwas bei sich zu behalten. Er wird also, worüber die Presse indeß schweigt, an den Folgen dieser schmachvollen Behandlung gestorben sein. Dabei ist er nicht einmal der Erste, es liegt System in dieser Hungertortur! Die Herren Bourgeois, die über ihre Standes­genossen zu Gericht saßen, finden sie auch ganz in der Ordnung, fie sprechen den Anstifter dieser unmenschlichen Grausamkeit frei, und verurtheilen nur des Anstands halber die ausführende Person zu einer lächerlichen Geldstrafe. Es war ja nur ein heimathsloser Proletarier!

Und das ist dieselbe Gesellschaft, welche die Zivilisation" und Kultur" beständig im Munde führt, sich bei jeder Gelegenheit als Träger derselben aufspielt. Eine schöne Zivilisation fürwahr, die solche Blüthen zeitigt! Eine herrliche Kultur, deren Einfluß so veredelnd" wirkt.

Und uns, die wir solchen schmachvollen Zuständen ein Ende machen wollen, nennt man kulturfeindlich! Allerdings, dieser Kultur find wir feindlich, wir bekämpfen sie mit aller Energie, aber sie ist nur eine Afterzivilisation, nur eine übertünchte Barbarei!

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Kardorff's Laura." Erschrick nicht, lieber Leser, es ist von teinem ,, unmoralischen Verhältniß" die Rede. Im Gegentheil, die Sache ist hochmoralisch, denn Herr von Kardorff ist ein ehrenwerther Mann, obendrein ein guter Freund des deutschen   Reichskanzlers und ein eben­soguter Christ. Herr von Kardorff hat allerdings ein Verhältniß zu einer Laura, aber diese Laura ist keine verworfene Dirne, kein leichtsinniges Freudenmädchen, sondern eine segenspendende Aktiengesellschaft zum Be­triebe der Königs- und Laurahütte, die ihrem Gönner den Segen Gottes in klingender Münze in's Haus bringt. Freilich, in ihrer Jugend soll es nicht so ganz ordentlich hervorgegangen sein, man munkelt so etwas von verkrachter Gründung, von mühsam verdeckter Unterbilanz, Stelter spricht sogar in seinem Handbuch für Kapitalisten" von einem Minderwerth der Anlagen von 14,000,000 Mart, d. h. ca. 50 Prozent. Indeß das macht nichts, Laura gab in ihrer Jugend fette Dividenden, und als die­felben mager, sehr mager wurden, da schwamm ihr Gönner plötzlich gegen den Strom" und wurde Schutzöllner. Unter seiner Aegide kam die famose Zollreform zu Stande, und jetzt ist Laura wieder fröhlich obenauf. Im Geschäftsjahr 1881/82 find, wie die Börsenblätter trium­phirend melden, über 3,000,000 Mark Geschäftsgewinn erzielt worden, die Herren Verwaltungsräthe, die Landau  , die Bleichröder   und deren durchlauchtigste Freunde saden schmunzelnd die saftigen Tantièmen und Dividenden ein und bringen bei Austern und Champagner ein Hoch über das andere auf die neue Reformpolitik" aus. Die Erhöhung der Preise der nothwendigsten Lebensmittel nehmen diese braven Patrioten gern in den Kauf, die ist ja kaum fühlbar, denn die trägt das niedere Pack und das ist geduldig.

Wie es aber mit den Löhnen auf Laurahütte aussieht, darüber wird wohlweislich geschwiegen. Davon sprechen sie nicht gern, die guten Freunde des Anwalts des armen Mannes".

Im Uebrigen lese man die nachstehende Schilderung aus Ober­ schlesien   aus der Feder eines gläubigen, friedlichen Christen!

Charity begins at home, sagt der Engländer: Wohl­thätigkeit beginnt zu Hause. Davon wollen aber unsere konservativen Volksbeglücker nichts wissen.

Zu den eifrigften Anhängern des praktischen Christenthums" gehören die oberschlesischen industriellen und ländlichen Magnaten, die Reichsten der Reichen. Wie es bei diesen Ehrenmännern zu Hause aussieht, schildert ein Korrespondent der ultramontanen, Germania  " in nachfolgender Weise:

" Daß das Zusammenwohnen mehrerer Familien in einer und derselben Stube auf Sitte, Zucht und Gesundheit sehr übel einwirken muß, ist leicht einzusehen, und glaube ich dieses nicht erst nachweisen zu sollen. Dieser tadelnswerthe Nebelstand kommt am häufigsten auf den Do­minien vor, wo mit Ausnahme der Wohnung für den Acervogt, der die ihm unterstehenden Arbeiter zu drillen und zum Schweigen zu bringen versteht, fast durchweg zwei bis drei Familien von Hofearbeitern untereinander in einer engen, dumpfen, ungedielten und ungepflasterten, halb­dunklen Stube zusammengepfercht wohnen müssen, wofern diese Dominialarbeiter für einen knappen und unzureichenden Lohn, womöglich auch noch an Sonn- und Feiertagen nach Art moderner Stlaven arbeiten wollen oder müssen, solange jie jung, träftig und gesund sind. Stellt sich jedoch bei ihnen vorgerücktes Alter, Schwäche oder Krankheit ein, so gibt es weder Krankenschicht noch Altersversorgung, sondern der gestrenge Herr Rittergutsbesitzer, resp. sein Wirthschaftsinspektor, hat nichts Eiligeres zu thun, als dem armen Mann mit Weib und Kind den Abschied zu geben. Wer soll aber diese Höhlenwohnungen, wollte sagen Vorwerkswohnungen, tontroliren, da die Herren Rittergutsbesiger sehr häufig selbst Amtsvorsteher sind? Wenn irgendwo, so wäre wohl in den Dominialwohnungen der Hofearbeiter Oberschlesiens   eine gründliche, unerbittlich strenge Super­revision behuss Eruirung*) und Konstatirung obiger und ähnlicher Uebel­stände dringend nothwendig. Vielleicht würde sich bei dieser Gelegenheit herausstellen, daß sich aus verschiedenen( eigennützigen) Gründen ein Gutsbesitzer oder ein von ihm abhängiger Wirthschaftsinspektor zum Amtsvorsteheramte nicht gut eignet.( Wie der Bock zum Gärtner! Die Red. d. S.") Oder gibt es vielleicht doch in unserem schönen Vater­lande, in dem Reich der Gottesfurcht und frommen Sitten, einen Ort, wo solche Uebelstände von einem Gutsbesitzer und gleichzeitigen Amtsvorsteher gerügt, zeilich bestraft und in Folge der selbstverfügten Polizeiftrafen abgeschafft worden wären? Der Refe­rent, welcher schon wiederholt in der Lage war, solche Hofearbeiter zu besuchen und Beweise dieser Uebelstände mit eigenen Augen zu sehen und von diesen armen Leuten in einer nicht zu bezeichnenden Art(!!) beklagen hören zu müssen, kennt in dieser Beziehung keine solche Selbstantlagen von Dominial- und Amtsvorstehern. Es würde dankbar anerkannt werden, wenn der Herr Oberpräsident der Provinz Schlesien   wenigstens für Oberschlesien   bezüglich der Revision der Arbeiterwohnungen auf den Dominien ohne Rücksicht auf die betref= fenden Besitzer strenge, den Forderungen der Moralität und Gesund­heitspflege genügende Polizeiverordnungen erlassen würde. Daß es hierin noch viel zu bessern und abzuschaffen gibt, wird wohl Niemand, der diese Berhältnisse fennt, bestreiten fönnen."

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poli­

Dieser Bericht, dessen Verfasser im Grunde mehr die untergrabene Moralität und Zucht beklagt, als die schändliche Ausbeutung, welche auf den Gütern dieser christlichen" Herren im Schwunge ist, ist eine treffende Jülustration zu der heuchlerischen Sprache der volksverdum­menden christlich- konservativen Sudelblätter. Die Rebensart von den hochherzigen Aristokraten und deren jovialem Grundsaze: Leben und Lebenlassen" zeigt sich da in ihrer ganzen Verlogenheit. Leben und Leben­" leben", die Proletarier aber behandelt er schlimmer als das Vieh. Da Mätreffen und Lakaien, die läßt der edle Herr gerne heißt es: Peitschen und Beitschenlassen!", bis die Kanaille" zuſammen­

laffen, ja wohl

bricht!

*) Ermittelung.

Anm. d. Red.

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Und wie herrlich sich die liberale" Kreisordnung macht! Die Gutspolizei ist abgeschafft, es lebe der Amtsvorsteher! Das Kind hat einen andern Namen, sonst kommt's auf dasselbe hinaus. Der Gutsherr und seine Kreaturen regieren heute wie gestern. Und ob liberal oder konservativ regiert wird, das Volk rackert sich ab, darbt und wird ge­treten, bis es die ganze Ausbeutergesellschaft einmal zum Teufel jagt. Und das walte das Volk!

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Eine heitere Episode in ernster Zeit. Aus Hanau  schreibt man uns: Es wird Ihnen vielleicht etwas spät vorkommen, wenn ich heute erst berichte, daß am 14. Juni vor dem hiesigen Gericht ein sozialistischer Monstre prozeß sich abspielte. Es sollen nämlich 61 Personen gelegentlich einer vom Polizei- Kommissar Rolfs aufgelöst erklärten Versammlung, den Saal nicht geräumt haben.

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Das Drollige bei der Geschichte ist, daß 12 von den angeklagten 61 Personen seiner Zeit gar nicht im Saale   waren. Einige davon find sogar in Amerika  . Nach 21stündiger Verhandlung dieses Polizeihumbugs erfolgte übrigens to stenlose Freisprechung der sämmtlichen Angeklagten. Kommentar im Weiteren überflüssig. Nicht wahr, eine heitere" Episode? Die Anklage von 12 Personen, die nicht einmal im Saale gewesen waren, ist ungemein drollig. Das sind so königlich- preußische Scherze. Ein Bischen fr- ei, aber Könige lieben die Freiheit, für sich natürlich. Und wie die Herren so die Diener.

Bravo! Am 2. Juli haben unsere wackeren Breslauer unserem dahingeschiedenen Genossen Rappich ein großartiges Begräbniß bereitet. Ein Zug von über 1500 durchgängig mit rothen Blumen ge­schmückten Proletarier gab dem unermüdlichen Streiter für die Sache des arbeitenden Volkes das letzte Geleite und legte Zeugniß dafür ab, wie die deutsche Sozialdemokratie unter allen Umständen ihre Vorkämpfer zu ehren weiß. Ein solches Begräbniß ist eine der schönsten Demonstrationen für unsere große Sache. Es zeigt den Gegnern unsere Macht, es erhebt die Theilnehmer und übt auf die große Masse den nachhaltigsten Eindruck

aus.

Aus dem Lande der Trinkgeld Beamten. Von der schweizerisch  - österreichischen Grenze wird uns geschrieben:

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Der durch ihre Ehrenhaftigkeit ebenso wie durch ihre Genialität gleich ausgezeichneten österreichischen Polizei wird ihr eigenes Vaterland wahrscheinlich zu eng und darum geht sie jetzt auf Reisen." Trotz der obenerwähnten glänzenden Eigenschaften nämlich stehen die Resultate ihrer staatsretterlichen Thätigkeit in keinem Verhältniß zu ihren wir wollen nicht sagen Anstrengungen wohl aber Un- genirtheiten gegen die Bewohner des schönen Oesterreich. Daher beehren die braven Trink­geldpatrioten seit einiger Zeit gewisse schweizerische Postämter mit ihrer schätzbaren Anwesenheit und erkundigen" sich freundnachbar­lichst" bei dortigen Angestellten, ob nicht böse Sozialdemokraten daselbst einige Sendungen bestellen, um sie von dort über die Grenze zu bringen, welcher un- schuldigen Anfrage der noch un- schuldigere Zusatz angefügt wird, die Herren möchten, falls eine Sendung sozialistischer Schriften ankommen sollte, dies, sobald dieselbe abgeholt wird, gefälligt" anzeigen für ein, gewiß schönes" Trinkgeld, was aber von den schweizerischen Postbeamten mit einer nur in einer Republik möglichen Verworfenheit energisch abge­lehnt wurde, und zwar unter der bündigen Erklärung, daß sie von nichts wissen und weder das Recht noch die Lust dazu haben, über den Inhalt von Postsendungen Untersuchungen anzustellen und Denunziantendienste zu leisten.

Diese Mittheilung beruht durchaus auf Wahrheit, ich habe sie von einem österreichischen Grenzer", der seiner Wuth, daß die schweize rischen Postbeamten so" dumm" seien, nicht entrüftet genug Ausdruck geben konnte.

Allerdings sehr dumme" Kerle, diese Republikaner!

-Aus der Schweiz  . Die Organisation der deutschen  Sozialdemokraten in der Schweiz   nimmt einen erfreulichen Fortgang. Bekanntlich Ende 1880 gegründet, zählt sie bereits eine ganze Reihe von tüchtigen Mitgliedschaften, denen sich im Laufe der letzten Monate wieder mehrere neu angeschlossen haben. Das innere Partei­leben in den Mitgliedschaften gestaltet sich immer kräftiger und der Zu­sammenhang mit der Organisation und dem Parteiganzen durch den Verkehr mit dem Landesausschuß wird stets lebendiger. Am besten wirken hiezu, zur Anregung und Neugewinnung von Parteigenossen, agitatorische Vorträge auswärtiger rednerischer Kräfte, deren Veranstaltung und Ber­mittelung eine der Hauptaufgaben des Landesausschusses bildet. Und erfreulicherweise kann infolge der Zunahme der Organisation jetzt mehr als bisher in dieser Richtung gethan werden. So ist eben jetzt eine auf Veranlassung der betreffenden Mitgliedschaften unter Mitwirkung des Landesausschusses veranstaltete erste Reihe von Agitationsreden beendigt worden, welche Genosse Vollmar übernommen hatte.

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Vollmar sprach zum Theil vor Beginn, zum Theil nach Beendigung des Reichstages in Basel  , Genf  , Zürich  , Schaffhausen  , Frauenfeld  und Winterthur   über das umfangreiche wichtige Thema: Die sozial­politische Lage in Deutschland   und die Aufgabe der Sozialdemokratie. Es geht nicht an, die Ausführungen Vollmar's hier, sei es auch nur skizzenhaft, zu wiederholen. Nur soviel sei gesagt, daß Vollmar die Dinge mit gewohnter Rückhaltlosigkeit und Energie behandelte und auch in Bezug auf die endliche Lösung nicht hinter dem Berge hielt. Die Versammlungen waren allenthalben sehr gut, zum Theil außerordentlich zahlreich besucht und zwar sowohl( selbstverständlich in der großen Mehr­zahl) von deutschen, schweizerischen und andersländischen Parteigenossen und Arbeitern, als auch von Fremben der verschiedensten Parteistellungen. Auch die Presse war meist zahlreich vertreten und brachte zum Theil aus­führliche Berichte. Eine Anzahl größerer Blätter zeigte eine anerkennens werthe Objektivität, während allerdings andere, meist kleine Lokal- und Amtsblättchen ihren Republikanismus in ein sonderbares Licht stellten und an Verdrehung und Verläſterung mit den gesinnungstüchtigen deut­ schen   Reptilienorganen rivalisirten. Vollmar predige die schonungslose Tyrannei der Dummen und Faulen über die Intelligenten und Streb­samen" u. dergl. m. Das Charakteristischste leistete ein Schaffhauser Blatt, indem es die Bemerkung macht: die deutschen   Gegner der deut­ schen   Regierung mögen entweder ihre öffentlichen Vorträge und Reden in Deutschland   halten(!) oder wenn sie dieselben halten wollen, ihre Kritik der Verhältnisse und der Machthaber in Deutschland   so fassen, daß sie dieselben auch in ihrer Heimath öffentlich aussprechen dürfen(!!). Der saubere Republikaner  ", der dies schrieb, scheint offenbar vom Sozialistengesetz gar nichts zu wissen oder aber mit ihm einverstanden zu sein, daß er seine Wirkung für die deutschen   Sozialdemokraten bis auf die Schweiz   ausdehnen und uns auch auf dem freien Boden der Repu­ blik  " den Maulkorb anheften möchte.

Jm Uebrigen können wir nur feststellen, daß die beendigte erste Agita­tionsserie in den Kreisen der Parteigenossen und der Arbeiter allgemein den besten Eindruck gemacht hat und sowohl für die Sache des Sozia­lismus im Allgemeinen als für die deutsche Sozialdemokratie und ihre Organisation gute Früchte tragen wird. Ueberall wurden neue Mit­glieder aufgenommen, Schriften verbreitet und Sammlungen für die Opfer des Sozialistengesetzes, für den Widerstands- und Kampffonds der Partei mit gutem Erfolg gemacht. Auch liegen bereits Aufforderungen zu einer weiteren Agitationsreise von anderen Orten vor, die späterhin ihre Befriedigung finden werden. Mögen die Genossen die gegebene Anregung bestens ausnitzen und eifrig weiterbauen!

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Frankreich  . Bei den Gemeinderathswahlen vom 2. und 9. Juli find unsere Genossen zwar gegen die Kandidaten der sozialistischen   Radi­

talen unterlegen, indeß haben sie, trotzdem ihnen so vorgeschrittene und persönlich durchaus ehrenhafte Gegner gegenüberstanden, wiederum nam­haften Stimmenzuwachs zu verzeichnen. Der Kampf unserer Genossen ist ein äußerst schwieriger, auf Erfolge im Sturme dürfen sie vorläufig nicht rechnen.

Die Streitigkeiten unter ihnen, von denen wir leider schon mehrfach zu berichten hatten, haben in den letzten Wochen erfreulicherweise ganz bedeutend nachgelassen, die Diskussion über die theoretischen 2c. Differenzen wird ruhiger und sachgemäßer geführt.

Im Augenblick ist in Paris   die Wohnungsfrage eine äußerst brennende geworden. Die Bevölkerung von Paris   hat sich rapide schnell vermehrt und die Bauthätigkeit hat mit diesem Anwachsen nicht gleichen Schritt gehalten, beziehungsweise ist durch das Niederreißen großer Häuser­komplexe zum Theil paralyfirt worden. Die Hauswirthe schrauben die Miethen, namentlich der kleineren Wohnungen auf eine unerhörte Weise in die Höhe. Die Entrüftung gegen Mr. Vautour( Herr Geier!), wie das Pariser Volt diese edle Menschengattung nennt, ist sehr groß.

Natürlich fehlt es nicht an allerlei Projekten, um der Wohnungsnoth zu steuern und der Habgier des Herrn Geier" Zügel anzulegen. In der Arbeiterpresse, welche die Wohnungsfrage als ein vorzügliches Agitations­mittel für den Sozialismus ergriffen hat, herrscht auch in dieser Frage Meinungsverschiedenheit. Die Einen wollen, daß der Pariser Gemeinde­rath auf Gemeindekosten Arbeiterwohnungen, mit allem Komfort der Neuzeit( Wasserleitung, pneumatischen Uhren, Bädern 2c.) bauen lassen, an Arbeiter zum Kostenpreise vermiethen und dadurch einen Druck auf die Miethspreise ausüben möge. Die Anderen, darunter namentlich die Anhänger der Egalité", bestreiten die Wirksamkeit dieser Maßregel, die sehr leicht in ihr Gegentheil, d. h. in ein Mittel zur bequemeren Aus­beutung der Arbeiter umschlagen könne, und haben dagegen eine, allerdings weit radikalere Agitation in Szene gesetzt. Sie verlangen nämlich von der Deputirtenkammer mit Rücksicht darauf, daß die Wohnungspreise lediglich gestiegen find in Folge der Verkehrsverbesserungen und anderer Maßnahmen und Vorgänge, an welchen die Hauswirthe so unschuldig sind wie die neugebornen Kinder, eine gesetzliche Herabsetzung der Miethspreise, und zwar um 50 Prozent für alle Wohnungen über 400 Franken, von 40 Prozent für alle Wohnungen von 100 bis zu 400 Franken und von 25 Prozent für alle Läden und Geschäftsräume bis 4000 Franken. Die Tare wäre auf Grund der letzten Miethsquittungen leicht zu bewerkstelligen.

Diese Agitation, welche in Form einer Petitionsbewegung auftritt, findet lebhaften Anklang, selbst unter den Anhängern des erstgenannten Projektes. Sehr geschickt hat Genosse Guesde die verlangte Maßregel mit der irischen Pachtbill Gladstone's, für welche ein Theil der radikalen französischen   Bourgeoisie nämlich schwärmt", verglichen und diesen Schwärmern zugerufen: der einzige Unterschied zwischen der Pachtbill und unserem Verlangen ist der, daß die irischen Pächter vorher einer Reihe von besonders verhaßten Landlords und Agenten den Garaus gemacht haben, während die Pariser Miether bisher die Anmaßungen des " Herrn Geier" geduldig ertrugen. Ist es der Mangel an Gewaltthaten, dann, bitte, sagt dem Pariser Volke, wie viel Wirthe es erst umbringen muß, ehe Ihr Euch bemüßigt fühlen werdet, zu seinen Gunsten einzu­schreiten!

Einen praktischen Erfolg, d. h. ein greifbares Resultat wird diese Agitation natürlich nicht haben, die französische   Bourgeoisie wird sich schönstens hütten, in das heilige Gesetz von Angebot und Nachfrage einzugreifen, aber für die Ausbreitung der sozialistischen   Ideen wird fie von großem Nutzen sein.

Ein Vorgang, der in der sozialistischen   Bewegung wohl vereinzelt da­steht, ist noch zu verzeichnen. Der sehr beliebte radikale Deputirte von Marseille  , Herr Clovis Hughes, ein nicht unbedeutender Dichter, hat sich aus freier Initiative voll und ganz zum Programm der sozialistischen   Arbeiterpartei bekannt, sich der Disziplin derselben unter­worfen und sie gebeten, ihn als ihren Vertreter im Parlament anzusehen. Der überwiegenden Mehrzahl nach von Arbeitern gewählt, halte ich es für meine Pflicht, sagte er, die Sache der Arbeiter im Parlament zu vertreten. Gewiß ein anerkennenswerther Ausspruch!

Die Streitebewegung hat im Augenblick etwas nachgelassen. Der Schuhmacher streik dauert noch fort und wird mit großer Energie betrieben. Ferner streiken noch die Kunsttischler und die Brettschneider in Paris  .

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Aus Rumänien   erhalten wir folgende Korrespondenz:

Arme Bourgeoisie! Sie gleicht heute einer abgetragenen Hose: hat man eben das Hintertheil ausgebessert, siehe, da krachen die Kniestücke. Was thun? Man fängt das Flicken von Neuem an, aber die Hose reißt nichts desto weniger an allen Ecken und Enden. Ebenso ergeht es der Bourgeoiste. Die revolutionären Wellen steigen höher und höher, man fühlt überall das Heranbrausen der Revolution, aber die Bourgeoisie sieht und hört nichts.

Lassen Sie uns zusehen, was im Königreich des kleinen Karlchen von Gottesgnaden vorgeht.

Während des russisch  - türkischen Krieges wurde den Soldaten als Beloh­nung Antheil am Grund und Boden versprochen. Sie haben sich deshalb tapfer geschlagen, haben sich in der Ebene von Plewna   todtschießen lassen, aber das ihnen Versprochene blieb Versprochenes. Man meinte schon

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in den oberen Kreisen, die dummen Kerle von Bauern denken nicht mehr an das Versprochene, als vor einigen Wochen plötzlich die Bauern haufen­weise in Bukarest   erschienen und ohne viele Worte den ihnen ver­sprochenen Grund und Boden forderten. Die Bauern in den Dörfern blieben nicht zurück, Tausende von Unterschriften wurden gesammelt und ebensoviele Aufrufe behufs dieser gerechten Forderung verbreitet. Alles schien in ruhiger Weise zu verlaufen, aber die Regierung und ihre Helfershelfer, Bratianu an der Spize, hielten es für ihre Pflicht, mit Gewalt gegen diese Bewegung vorzugehen, die nach Bukarest   gekom­menen Bauern zu verhaften und ihnen statt des versprochenen Bodens Zellengefängniß zu geben. Als sie in der Kammer deshalb interpellirt wurde, antwortete die Regierung durch ihren Premierminister, daß die Bauern von verdächtigen Persönlichkeiten bearbeitet werden, und daß diese Bewegung nur eine krankhafte Zugluft" sei. Die Opposition war der­selben Meinung, und die Herren Volksvertreter beschlossen ohne Unterschied der Parteischattirungen, eine Kommission zur Untersuchung dieser Affäre einzusetzen. Es ist dieselbe Komödie wie im vorigen Jahre, als Regierung und Opposition für das Gesetz gegen die Ausländer( sage: Sozialisten) botirten.

Inzwischen sind strenge Befehle erlassen worden, die Bauernbewegung nach Kräften zu ersticken, das Sammeln von Unterschriften zu hinter­treiben und die sogenannten Rädelsführer hinter Schloß und Riegel zu bringen.

In den Journalen hat sich über diese Angelegenheit eine lebhafte, aber unfruchtbare Bolemit entsponnen. Die offiziellen Blätter beschuldigen die Opposition, diese Bewegung hervorgerufen zu haben, um im Trüben fischen zu können und einen Staatsstreich vorzubereiten. Die Oppositionsblätter ihrerseits beschuldigen wiederum die Regierung, daß sie den Samen der Zwietracht" unter die Bauern gefäet habe, und zwar durch ein im Bour­geoisfinne redigirtes Gesetz über den Bodenkredit.

Unterdessen macht die Propaganda unter den Bauern ungeheure Fort­schritte, die Symptome dieser Bewegung findet man in fast allen Haupt­zentren des Landes. Wenn man uns aber von ausländischen Wühlern" spricht, so ist diese Redensart schon zu sehr abgenutzt, um irgend einen Eindruck auf uns ausüben zu können. Wir Sozialisten wissen, wo der Haken steckt, und nur die dickhäutige, im Fette erstickende rumänische Bourgeoisie bemerkt es nicht.

Bei uns weiß das Volk sehr gut, daß der Grund und Boden ihm von Rechtswegen gehört, es hat den Sinn für Kollektiveigenthum, welches