Volt", so mußte es, nach dem Grundsatz der Bourgeoisökonomie, sehr bald in den Besitz der Herren Bourgeois kommen, denn wovon sollen die Proletarier sich Land kaufen oder es behaupten.

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Und Herr Parnell scheint uns ein ebenso guter Bourgeois zu sein die Verwirklichung des wie Herr Bright. Doch lassen wir das Parnell'schen Plans konnte( oder kann) günstigstenfalls nur momentane Besserung schaffen: die in förmliche Eigenthümer verwandelten Bächter würden sehr bald durch die Konkurrenz der großkapitalistischen Agrikultur erdrückt und in dasselbe Elend zurückgedrängt werden, in welchem sie jetzt versunken sind.

Deshalb war es ein großer Fortschritt, daß Michael Davitt , der tüchtigste Agitator der Landliga und, wenn auch von Bourgeoisideen angetränkelt, doch nicht ganz von ihnen durchseucht, vor Kurzem in seiner bekannten Liverpooler Rede ein weitergehendes Programm auf­stellte. Seine Ausführungen laffen sich in folgende Sätze zufammen­faffen:

,, Der Staat muß und wird der Verwalter des nationalen Grund­eigenthums werden: Farmer und Landarbeiter würden sicher sein, den vollen Ertrag ihrer Arbeit zu erhalten, und Nicht- Landarbeiter würden von aller Steuer befreit werden. Irgend einer Klasse von Menschen zu erlauben, das Land als absolutes Eigenthum zu besitzen, ist unvereinbar mit der Freiheit und Wohlfahrt der Menschheit. Der Werth des Landes entspringt dem Anwachsen der Bevölkerung und der Industrie in der Allgemeinheit und sollte daher auch dieser letzteren und nicht einer ein­zelnen Klaffe zugehören."

Unmittelbar nach seiner Liverpooler Rede reiste Davitt nach den Ver­ einigten Staaten , wo er jetzt agitirt. Obgleich sein Programm mit dem Parnell's, welches bisher das der Landliga war, unmöglich in Ueberein­stimmung zu bringen ist, so hat doch ein Bruch noch nicht stattgefunden; und Davitt, der in New- York von einem der Redakteure der New- Yorker Volkszeitung" interwiewt" wurde, bestreitet sogar, daß sein Pro­gramm mit dem Parnells in Widerspruch stehe.

Hören wir zunächst die New- Yorker Volkszeitung", die in einem Artikel betitelt 3 wei Seelen in einer Brust", über das Vor­gehen und die Stellung Davitt's sich also ausspricht: " Soweit das in Liverpool entwickelte

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Programm Davitt's von

den Agrarforderungen des Sozialismus auch entfernt ist, denn es weiß nichts von Kommunalbesig und läßt nach wie vor die Far­mer als Privat besitzer und die Landarbeiter als Proletarier bestehen, so lag doch in der Forderung der Nationalisirung des Landes an und für sich schon ein beträchtlicher Unterschied gegen den Sinn, den die Landliga- Führer unter Parnell's Hegemonie bis dahin dem Schlag­worte: the land for the people" beigemessen hatten. Parnell ver­steht darunter uneingeschränkten Kleingrundbesitz der Farmer, Davitt macht das Land zu Staats eigenthum und die Farmer zu Pächtern des Staates, d. h. des gesammten Volkes. Während also Parnell's Plan schließlich nur auf eine Substituirung der paar Hundert großen Landlords durch Tausend Kleinere hinausläuft, liegt in dem Programm Davitt's die Anerkennung des Prinzips, daß, wie das Land seinen Werth der Arbeit der Gesammtheit verdankt, so auch der Gesammtheit das Recht des Eigenthums auf das Land, d. h. das Recht der Verwaltung und der Vertheilung des Besitzes, wie es das Inter­esse der Gesammtheit erfordert, vorbehalten bleiben muß.

" In diesem Kernpunkte seiner Rede mußte Davitt mit Parnell in Widerspruch treten eine Thatsache, die Parnell selbst in seiner Inter­view" mit dem Herald"-Korrespondenten anerkennt.

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,, Anderseits trat Davitt ein anderes Dilemma entgegen. Der Staat" in Irland ist vorläufig die englische Regierung. Judem er die Ver­staatlichung des Landes befürwortete, muß er also entweder gleichzeitig mit dieser auch die nationale Unabhängigkeit Frlands fordern oder aber sich dem Vorwurfe aussetzen, er wolle die verhaßte englische Regie­rung zum einzigen irischen Landlord machen.

Während also Davitt einestheils in dem Bourgeoisflügel der Land­liga in den Geruch des Kommunismus kam, mußte er anderntheils ent­weder mit den Nationalen in Konflikt kommen oder sich als Hochverräther und Revolutionär erklären.

,, Davitt ist aber nicht nur Denker und Agitator, sondern auch prak tischer Politiker. In letzterer Eigenschaft ist es ihm vor Allem darum zu thun, eine Spaltung in der Landliga zu verhüten. Es hat fast den Anschein, als hätte er ursprünglich selbst kaum die ganze Tragweite des von ihm in die Bewegung geschleuderten Grundsatzes, wie auch den Ein­druck, den derselbe auf die Masse ausüben würde, ermessen. Nun sucht er einen Weg, um den prinzipiellen Unterschied zwischen ihm und Parnell zu überbrücken, alle anderen praktischen Schwierigkeiten, die ihm in den Weg treten, zu überwinden und die Widersprüche zu versöhnen. So kommt es denn, daß, während Barnell seine Ueberzeugung ausspricht, Davitt werde seinen Plan als unausführbar" aufgeben, Davitt die Zuversicht hegt, Barnell's Barzellenwirthschaft werde naturgemäß zur Nationalisirung des Landes führen müssen.

,, Daraus erklären sich die scheinbaren Widersprüche, die ängstliche Ab­wehr aller ,, kommunistischen Theorien" in seiner Unterredung mit uns. Es, wohnen eben zwei Seelen in seiner Brust". Der Politiker möchte Das retten, was der logische Geist des Denters umstößt und zerstört, er möchte den gewaltigen Geist bannen, den er selbst heraufbeschworen- den Geist des Sozialismus.

" Dies wird ihm aber nicht gelingen. So wie es teine Macht gibt, die den Blitz, der zur Erde herniederzuckt, wieder in die Wolke, der er ent­fahren, zurückzudrängen vermag, so kann auch eine erleuchtende Idee, nach­dem sie eine gewaltige Volksbewegung durchdrungen, weder zurückgenom­men noch verdunkelt werden.

,, Die Saat ist gefäet. Die Ernte wird nicht ausbleiben." So die Newyorker Volkszeitung".

Es ist vollkommen richtig, daß eine Versöhnung des Parnell'schen und des Davitt'schen Progammes nicht möglich ist. Eines muß dem andern geopfert werden. Gelingt es nun Davitt, selber zur vollen Klarheit zu gelangen und die Massen in Irland für seine Auffassung zu gewinnen, so wäre unserer Ueberzeugung nach die Mög­lichkeit einer radikalen und revolutionären Lösung der irischen Frage geboten.

Wie das Parnell'sche Programm die englische liberale Bourgeoisie für sich hat, so würde das rbe das Davitt'sche Programm, tonſequent ent wickelt, das englische Proletariat für sich haben. Nationa­liftrung des Landes", d. i. Rückeroberung des Landes durch und für das Volk, das ist die immer und immer wieder auftauchende Forderung des englischen Proletariats.

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Wir wollen hier die Gründe nicht untersuchen, warum in England seit dem Fiasko des Chartismus teine große proletarische Bewe­gung gewesen ist genug: die Elemente und die ökonomischen Bedingungen sind vorhanden, reichlich vorhanden, es fehlt nur und diese könnte durch der Anstoß, eine treibende Kraft, Irland geliefert werden.

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Im Rahmen einer nationalen Bewegung läßt die irische Frage" sich nun einmal nicht lösen. Wird dies vom irischen Volk begriffen, werden die Bourgeois führer vom Ruder entfernt, bietet das irische Bolt dem englischen Proletariat die Bruderhand,*) geht die irische Bewe­

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*) Auch in dieser Beziehung ist gerade Michel Davitt den übrigen Führern der irischen Landliga voraus. Ju New York hatte er sich u. A. auch gegen den Vorwurf der Allianz mit England" zu verant worten. Er that dies nach der New- Yorker Volkszeitung" mit folgenden Worten:

" Ich konstatire, daß ich in dem englischen Arbeiterstande unsern Bundesgenossen, nicht aber unsern Feind erblicke. Wenn ich bestrebt war, die Sympathien der englischen Arbeiter zu gewinnen, so that ich dies, um Bundesgenossen zu gewinnen, und zu keinem anderen Zwed."

gung in die große proletarische Bewegung über, gestaltet sie sich, vom religiösen und nationalen Krimskrams befreit, zum Klassen­tampf und wird der Schwerpunkt der Bewegung nach England verlegt, dann kann und wird der Sieg errungen werden. Vereint mit dem englischen Proletariate wird das irische Volk seine Emanzipation bewerkstelligen und gleichzeitig die Emanzipation des eng­lischen Proletariats bewerkstelligen helfen und damit, bei der dominirenden ökonomischen Position Englands, Bahn brechen für die inter nationale Vernichtung der Bourgeoisherrschaft!

-ml­

Einmal ist der Sozialismus heute in Deutschland trotz aller Verfol­gung überall in Permanenz, und die Invasion des sozialistischen Gedankens in alle Verhältnisse ist zum Theil auch Dank dem famosen Sozialreform"-Spiel eine so fortgeschrittene, daß die Parteien in allen und jeden Fragen unser Programm abwechslungsweise für und gegen anführen müssen, daß der Sozialismus immer mehr der Maßstab der Dinge wird. Das gouvernemental- konser­vativ- ultramontan- schützöllnerische Bündniß einerseits und die liberal­fortschrittlich- freihändlerische Opposition anderseits suchen sich an Fürsorge für den kleinen Mann", an Arbeiterfreundlichkeit zu überbieten( selbstver­ständlich nur auf dem Papier und in Worten), und uns muß dabei natürlicher­weise die Rolle des Sachverständigen und Kampfrichters zufallen. Jede der beiden Parteien ist gezwungen, uns zum Bundesgenossen zu suchen und ihre Argumente durch unsere Bestätigung zu stützen. Stellt ein

Ueber die gegenwärtige Stellung der Sozialdemokratie im Reichstag fozialiſtiſcher Redner die Ausbeutungssucht der schutzöldnerischen Fabri­

schreibt uns einer unserer Abgeordneten:

Im Leitartikel der Nr. 29 des Parteiorgans finde ich folgende Stelle: ,, Man frage unsere Abgeordneten! Noch nie, seit Sozialisten im deutschen Parlament sitzen, wurden sie von den verschiedenen Parteien desselben ohne Ausnahme mit so ausgesuchter zuvorkommenheit behandelt, als in der letzten Session im vierten Jahre des Ausnahmegesetzes!"

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Ich kann diese Thatsache, ihrem Sinne nach, nur bestätigen, und dürfte es die Parteigen offen intereffiren, einige Einzelheiten in dieser Richtung zu erfahren.

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Man wird sich erinnern, daß die Stellung unserer Vertreter in den ersten Jahren des Parlamentes bor 1870- als erst ein paar ver­einzelte Sozialdemokraten auf den Reichstagsseffeln Platz genommen hatten, eine verhältnißmäßig günstige war. Man betrachtete sie wie eine Art Naturwunder, amitsirte sich an ihren schwärmerischen"," gruseligen" und doch so gefahrlosen" Reden und ließ sie deshalb ziemlich zum Wort tommen.

Aber das änderte sich bald, als das Häuflein der Sozialdemokraten mit jeder Neuwahl größer wurde. Mit der eingebildeten Ungefährlich­keit" des Sozialismus hörte auch der Spaß auf, und die rothe Ecke be­fam die ganze Gewaltthätigkeit der durch die Bedrohung ihres Befitz­standes gereizten herrschenden Parteien zu foften. Das Unterbrechen, Niederfärmen und Wortabschneiden kam in Schwung und wurde das beliebteste Kampfmittel gegen den Sozialismus. Vor allem zeichneten sich in der Handhabung dieser edlen Waffen die Herren Nationalliberalen aus, die damals noch nicht an die Wand gedrückt" waren. Ihr Präsident Fordenbed gab selbst den Ton dazu an; er war das Muster eines parteiischen, die Minderheitsparteien und vor allem die Sozialdemokratie brutalisirenden Vorsitzenden. Drei unter vier Malen schnitt er unsern Abgeordneten das Wort ganz ab; konnte er es ihnen aber gar nicht verweigern, so stellte er sich, die Hand an der Glocke, drohend hinter ihnen auf und unterbrach sie bei jeder Gelegenheit unter den nichtigsten Vorwänden. Und der Troß seiner Partei zeigte sich des edlen Führers vollkommen würdig. Sobald ein sozialistischer Redner auf der Tribüne erschien, organisirte sich der wohlgeschulte Chorus, und nun begannen alle die mannichfaltigen Register der parlamentarischen Rohheit: rücksichtsloses Lautschwätzen, wiehern des Gelächter, Poltern und Trampeln, erheuchelte ,, Entrüstungs" Rufe, Zischen, Unterbrechungen aller Art und natürlichst flingende thierische Laute jeder Gattung in bunter Abwechslung zu spielen. Es war damals die Zeit, wo sich der besoffene Braun( ,, unser Braun") unmittelbar vor dem redenden Bebel aufpflanzen, ihn auf's bübischste anblöken und durch die verschiedensten Grimmassen und Zurufe systematisch zu stören und irre zu machen suchen konnte, ohne daß der edle Präsident das Geringste dagegen einzuwenden hatte und unter dem Beifall der würdigen Volksvertretung. Beleidigungen und unverschämtes Benehmen gegen sozialistische Abgeordnete waren nichts Seltenes; wollte doch u. A. ein ,, liberales" Mitglied den Sozialdemokraten sogar das Betreten des von seiner Fraktion eingenommenen Theiles des Saales verbieten und Bebel gleich einem Bedienten wegjagen. Man bezeichnete uns als vom Reichstag nur geduldete Gäste", die baldmöglich wieder hinauszuwerfen seien, und der Dirigent der ganzen Komödie nannte uns geradezu Banditen".

Und nun vergleiche man unsere heutige Stellung mit derjenigen von damals.

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In den beiden letzten Seffionen ist uns niemals das Wort wirklich abgeschnitten worden; nur ein einzigesmal machte man den Versuch dazu, der aber infolge unserer Haltung schnell wieder aufgegeben wurde. Sonst ist in jeder Diskussion Einer, bisweilen auch ein Zweiter von uns zum Worte gekommen. Und wenn der Reichstag auch noch himmelweit von einer wahrhaften, d. h. vollständigen Redefreiheit entfernt ist, so muß man doch zugestehen, daß der jetzige konservative(!) Präsident sich im Allgemeinen anständig und verhältnißmäßig unparteiisch gegen uns be nimmt. Der Reichstag aber hört unsere Redner durchweg mit großer Aufmerksamkeit und lauscht ihnen eifriger als den meisten Rednern der anderen Parteien, die sogenannten Größen" natürlich ausgenommen. Ja, es geht selten eine sozialpolitische Rede vorüber, von der nicht ein Theil auf der rechten, ein anderer auf der Linken Zustimmung fände. Die Haltung der anderen Parteien und ihrer Mitglieder im offiziellen wie im persönlichen Verkehre mit uns Gemeingefährlichen" ist zwar selbstredend eine ziemlich förmliche, aber höfliche, oft zuvorkommende. Ja, die ,, Kollegialität" geht sogar soweit, daß häufig, wenn eine Partei gegen einen unserer Anträge auftritt, ihr Führer vorher zu uns kommt und die ablehnende Haltung seiner Partei damit entschuldigt, daß dieselbe ,, auf sachliche Beweggründe, nicht auf persönliche Feindseligkeit gegen die Sozialdemokratie zurückzuführen" sei. So thaten nicht nur die Fortschritts­partei und andere kleine Gruppen, sondern selbst Herr Bamberger ( ,, Hunde sind wir ja doch") und sogar der Erzreaktionär und Zukunfts­minister Baron Minnigerode tam zu solchen Zweden schon nach der Sozialistenecke. Daß man uns bereits den Eintritt in die Kommissionen, aus denen man uns früher hinauswarf, wieder angetragen, ist schon früher erwähnt. Ja, es ist sogar der Plan aufgetaucht, die Sozialdemokraten, Volksparteiler, Elsässer u. s. w. zu gemeinsamen Oppofitionszwecken" in einen weiteren Verband zu vereinigen. Natürlich haben wir beide , freundliche" Anerbieten kurzweg abgelehnt. Anch von noch anderen Anerbieten u. dgl. ließe sich noch manches Interessante erzählen; doch ist das für den Augenblick nicht angezeigt.

Woher nun diese Wandlung? Wie kommt es, daß die parlamentarische Lage unserer Partei gerade zu einer Zeit soviel günstiger geworden, wo ein Ausnahme ,, gesetz " ihr sogar ihre Eristenz absprechen möchte? Dies aus der gewachsenen Einsicht oder aus dem geweckten An­standsgefühl unserer Gegner, sozusagen aus ihrer Gutmüthigkeit herzu­leiten, wird keinem erfahrenen Sozialisten einfallen. Die Achtung vor der von der Sozialdemokratie bewiesenen Kampfestüchtigkeit und Wider­standsfähigkeit spielt wohl mit, aber nicht an sich genommen, sondern blos insoferne sich unsere Partei dadurch als eine Macht zeigt. Die bürgerlichen Parteien wie die Regierung kennen keine ethischen, sittlichen, prinzipiellen Beweggründe, sondern haben nur Verständniß für zwei Dinge: für ihr Interesse und die thatsächlichen Machtverhältnisse. Und diese beiden Dinge sind es auch, welche uns unsere bedeutend günstigere Stellung im Reichstag verschaffen.

In einem neuern Artikel ,, Davitt, Parnell und Henry George " ent­wickelt unser New- Yorker Bruderorgan gleichfalls die Nothwendigkeit der Verlegung der Agitation auf den englischen Boden, welche erforderlich macht, daß die fenischen Attentate entmuthigt und verhindert werden, damit nicht das englische und schottische Arbeitervolk gegen das irische unnöthig erbittert werde."

Fenische Attentate und der urwüchsige Widerstand des irischen Volkes gegen die Landlords und deren Subjekte, sind, wie in voriger Nummer ausgeführt, nicht zu verwechseln.

Redaktion des Sozialdemokrat".

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kanten an den Pranger, so klatscht die liberale Linke Beifall, obwohl die freihändlerischen Arbeitgeber es natürlich um kein Haar anders machen und daher mit gebrandmarkt find; wenden wir uns gegen das man­chefterliche laissez faire und zeigen dessen Widersinnigkeit und die Noth­wendigkeit der staatlichen Ordnung der Arbeitsbedingungen, so applaudirt die staatssozialistische" Rechte, obwohl sie sich damit ebenfalls ins eigene Fleisch schneidet. Und so fort. Unsere Redner können der­malen in der That den bürgerlichen Parteien die derbsten Wahrheiten in's Gesicht sagen und ihnen nach der Reihe den Text nach Noten lesen und sind dabei noch sicher, daß ihnen abwechselnd die Hälfte der edlen Gesetzgeber laut zustimmt und sich über die Abkapitelung der anderen höchlich freut, ohne daß das Völkchen merkte, daß es der Teufel selbst beim Kragen hat. Es ist oft ein wahres Göttervergnügen, zu sehen, wie sich die beiden Parteien vor den lachenden Sozialdemokraten zu Schanden raufen und sich von den letzteren noch die Waffen dazu leihen. Und um das sonderbare Bild der mit der zunehmenden Verfolgung immer günstiger gestellten Sozialdemokratie zu vervollständigen, befindet sich nicht nur moralisch das Zünglein der Wage zwischen den gegnerischen Parteien

In den inneren Händen, sondern vielfach auch ſelbſt materiell.

In den weitaus meisten Abstimmungen der letzten Reichstagssession betrug die Mehrheit 5 bis höchstens 15 Mann, so daß die Ent­scheidung oft genug bei den bis auf's Messer bekämpften Sozialdemokraten lag. Dies war namentlich bei dem überraschenden und weiter wirkenden ersten Stoß gegen den Schutzzollschwindel( Zolltarifnovelle) der Fall, so­dann bei der bekannten Monopolresolution Lingens u. s. w., wo wir jedesmal dem Antrage zur Annahme verhalfen, welcher der Herrschsucht der Regierung und der Belastung des Volkes durch neue Steuern am verhältnißmäßig fräftigsten entgegentrat.

Warum ich mich nun über diese Dinge freue? Bin ich etwa auch von der Parlamentsfrankheit" angesteckt, die in dem ganzen reichstäglichen Thun und Treiben, in seinen erbärmlichen Schachereien und kleinlichen Winkelzügen lauter wichtige Staatsaktionen sieht und sich auf den eigenen Antheil an alledem und überhaupt auf die Zugehörigkeit zu dieser illuftren Körperschaft weiß der Henker was zu Gute thut? Oder wäre ich gar von einem kindischen Reformdusel benebelt und bildete mir lächer­licher Weise ein, daß die erhabene Sache des Sozialismus auf solch Kleinlichen Wegen groß gefördert werden könnte? Nichts weniger als das. Weiß ich doch, daß unsere Thätigkeit im Reichstag eine nur vor­übergehende und lediglich vorbereitende, wenn auch dermalen nothwendige und gutwirkende ist, daß aber die wirkliche Entscheidung nicht im Parlament fallen wird, sondern auf einem Feld, wo das sich erhebende Volt seinen Machtwillen un mittelbar zur Geltung bringen tann.

Wenn ich mich trotzdem über die erwähnte Veränderung der Lage unserer Partei in der Volksvertretung" freue, so geschieht es deshalb, weil dieselbe sowie die Stärkung unseres Einflusses nach jeder Richtung gerade zu einer Zeit erfolgt, wo die Sozialdemokratie gesetzlich" vogelfrei ist und von allen politischen und ökonomischen Hunden gehetzt wird. Vor vier Jahren verkündeten unsere blöden Feinde siegesbewußt, daß es nach 2 Jahren feine Sozialdemokratie mehr geben werde. Und heute ist die Sozialdemokratie stärker als je und man muß mit ihr wohl oder übel und mehr als jemals als mit einer vorhandenen unbeugsamen Macht rechnen und verhandeln und wird es weiter und in immer verstärktem Maße müffen.

Ich denke, dies ist wohl geeignet, uns zu befriedigen und unsere Zu­versicht auf die Zukunft zu stärken.

Sozialpolitische Rundschau.

Zürich , 19. Juli 1882. Deutschlands Schande. Aus Hannover wird uns ge­schrieben: Loges ist nicht gegen Kaution in Freiheit gesetzt worden. Der Herr Staatsanwalt hatte zwar erklärt, er werde seiner Freilassung nicht widersprechen, falls Loges auf die Revision verzichte, allein, wie sich herausgestellt hat, war das nur eine Falle. Unter allerhand Vor­wänden zog man die Entscheidung hinaus, und als die Zeit der Anmeldung der Revision verstrichen war, entschied das Landgericht natürlich in Uebereinstimmung mit dem sauberen Herrn Staatsanwalt, auf den es in solchen Fällen allein ankommt, daß die beantragte Freilassung auf 14 Tage und gegen eine Kaution von 4000 Marf nicht bewilligt werden könne, und zwar aus welchen

Gründen?

Erstens sei es auffallend, daß für Loges, der notorisch mittel­los sei das freilich konnten die Herren, welche ihn ruinirt haben, eine so hohe Summe geboten werde; das erhöhe den wohl wissen

Fluchtverdacht!!

3 weitens liege es im Interesse der öffentlichen Justizpflege, daß die Sache ihre prompte Erledigung finde.

Und drittens endlich habe die Freilassung überhaupt keinen Sinn, denn die Kinder des Loges seien ja versorgt.

Wahr ist, daß die Kinder momentan bei Freunden untergebracht sind; aber das ist doch nur ein trauriger Nothbehelf, und durch den Prozeß und die plötzliche Verhaftung sind die Verhältnisse unsers braven Ge­nossen so zerrüttet worden, daß seine Anwesenheit zu Haus, zur Abwen­dung des Schlimmsten, dringend nothwendig wäre. Jeder Mensch mit fünf Sinnen, der nur einigermaßen nachdenkt, muß das einsehen; die biederen Herren Richter nebst Staatsanwalt sehen es auch ein, doch Loges soll eben zu Grunde gerichtet werden.

Und jetzt mit den Schuldigen an den Schandpfahl! Der saubere Staatsanwalt heißt Isenbiel.

Der Gerichtshof", welcher Loges auf Kommando verurtheilte, ist die Straffammer I des hiesigen Landgerichts, und war am Tage jenes Justiz­verbrechens wie folgt zusammengesetzt:

Vorsitzender: Landgerichtspräsident Ha a te; Richter: Land­gerichtsrath Bunsen, Landrichter v. Detten, Landrichter Linden­berg; Gerichtsassessor Reiff.

Lindenberg hat seinerzeit den freisprechenden Beschluß betreffe unseres Wahlflugblattes unterzeichnet, in welchem Wahlflugblatt das Sozialistengesetz ebenfalls mit dürren Worten ein infames Geset" genannt war.( Jener Beschluß war unterzeichnet: Busse, Linden­berg, Hall, Straffammer Ha.)

Deutlicher, handgreiflicher kann der Beweis, daß die sogenannte U na b- hängigkeit der Richter" ein reiner Humbug ist, und daß unsere Herren Richter auf Kommando verurtheilen, nicht geliefert werden, als durch die Handlungsweise dieses Lindenberg, der im Früh­jahr den Ausdrud infames Sozialistengesetz" für straflos, und vier

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