Monate später für eine Majestätsbeleidigung erklärt, die mit vier Monaten Gefängniß geahndet werden muß! Das Wort„ infam" hat in diesen vier Monaten seine Bedeutung nicht geändert; was sich aber geändert hat, ist die Ueberzeugung" der Herren Richter. Damals war der Befehl zum Verurtheilen nicht gegeben, und jetzt war er gegeben das ist die einfache Lösung des Räthsels. Und da verlangt man noch von uns Achtung vor dem deutschen Richterstand!
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Leider ist es bisher nicht gelungen, eine Abschrift des Erkenntnisses zu erlangen. Das Gericht ist gesetzlich nicht verpflichtet, ein schriftliches Urtheil auszufertigen; und da die Richter alle Ursache haben, einen Vergleich mit dem früheren Urtheil in Sachen des Wahlflugblattes zu scheuen, so wird das Urtheil gegen Loges wohl kaum an das Tageslicht kommen. is
Loges, der durch die Perfidie der Staatsanwaltschaft um die Revi sion geprellt worden ist, befindet sich körperlich recht leidend; trotzdem ist ihm die Erlaubniß zur Selbstvertöftigung, nicht gewährt worden, und muß er die unverdauliche, fast ungenießbare Gefangenentoft effen, was für ihn, wenn absitzen soll, ſehr leicht den er die ganze Strafzeit in dieser
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Tod zur Folge haben könnte! Politische Prozesse sind überhaupt prinzipiell zu verurtheilen; wenn sie aber einmal für nothwendig erachtet werden, dann erheischt es der simpelste Anstand, daß man die politischen Verbrecher" wenigstens nicht wie gemeine Verbrecher behandelt, sondern ähnlich wie Kriegsgefangene, da der politische Kampf ja that sächlich ein Kriegszustand ist. In den meisten Kulturländern ist dies auch wirklich der Fall, namentlich in Frankreich . Im Intelligenz staat" Preußen, der sich auf seine Bildung so viel zu Gute thut, ist das anders da wird der politische Verbrecher als gemeiner Verbrecher behandelt, und wo möglich noch schlimmer.
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Pfui über solche Zustände! Pfui über die Vertreter solcher Zustände! Daß die Genossen hier empört sind über diese Abscheulichkeiten, das brauche ich nicht zu versichern. Man will uns einschüchtern, und man säet nur die Drachenfaat des Haffes.
Die Partei verliert dabei nicht. Im Gegentheil. Nur weiter so!
Korruption und Fäulniß an allen Ecken und Enden. Aus Leipzig schreibt man uns: Sie wissen, ich bin kein Optimist, und traue unseren Richtern und unserer Polizei so ziemlich Alles zu. Das hatte ich aber nicht erwartet, daß man Taute verurtheilen könne. Und noch dazu auf drei Monate wegen Verlegung des§ 130. Dieser Paragraph lautet: nist
,, Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu 200 Thalern, oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft."
Das corpus
Es liegt doch auf der Hand, daß dieser Paragraph nur auf Solche Anwendung finden kann, die selber irgend eine Handlung begehen, welche eine Anreizung zu Gewaltthätigkeiten im Sinne des Gesetzes bedeutet. Wohlan, betrachten wir den Fall" Taute's. delicti ist das schon mehrmals erwähnte„ Eingesandt" in Nr. 9 des " Sozialdemokrat"( unterzeichnet„ ein alter Kämpfer".) Dieses„ Eingefandt" ist unzweifelhaft eine„ Handlung", welche Taute begangen hatdenn er hat sich aus freien Stücken, muthig wie er ist, dazu bekannt. Aber wo steckt in diesem„ Eingesandt" eine Aufreizung zu Gewalt thätigkeiten"? Man suche mit der schärfsten Lupe und dem besten Vergrößerungsglas, und man wird eine derartige Anreizang" nicht finden.
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Und das Leipziger Gericht hat sie auch nicht gefunden, obgleich es an Mühe es wahrhaftig nicht hat fehlen lassen. Aber es besitzt jedenfalls einen finureichen Kollegen, der sich von gewissen Hochverrathsprozessen her erinnerte, daß schon in der ausgesprochenen Sympathie mit„ hochverrätherischen" Handlungen etwas Hochverrätherisches enthalten sei. Und da war man denu auf dem richtigen Weg. Hat Taute auch nicht selber zu ,, Gewaltthätigkeiten" angereizt, so hat er doch rückhaltlos seine 3ustimmung zu der Sprache und dem Inhalt des Sozialdemo frat" ausgedrückt, und da der„ Sozialdemokrat" notorisch(!!) zu„ Gewaltthätigkeiten" im Sinne des§ 130, anreizt", so hat Taute, indem er durch diese seine Zustimmung sich mit der ,, Anreizung" zu„ Gewaltthätigkeiten" einverstanden und mit dem Sozialdemokrat" solidarisch erklärte, wenn auch nicht direkt doch indirekt(!) zu„ Gewaltthätigkeiten" angereizt, und, muß ergo verdonnert werden.
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Sie glauben, ich mache einen schlechten Spaß? suche durch Uebertreibung unsere Gerichte lächerlich und verächtlich zu machen?
Fällt mir nicht ein. Zu übertreiben ist überhaupt gar nicht möglich, denn die Herren von Richter leisten in praxi schon das Mögliche und sogar das Unmögliche. Kurz, ich mache weder einen schlechten Spaß, noch übertreibe ich: ich zitire einfach die Entscheidungs gründe des Erkenntnisses, kraft dessen Taute vor einigen Tagen zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt worden ist!
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Dieses Urtheil zeigt, wie vollständig der Richterstand durch politische Prozesse torrumpirt wird. Eine Schuldfrage, eine Rechtsfrage existirt nicht von dem Moment an, wo der Angeklagte sich als Gegner des Staats und der Gesellschaft, als deren Vertreter der Richter auf seinem Richterstuhle sitzt, bekannt hat die Schuld besteht darin, daß er politischer Gegner ist; ihn zu verurtheilen ist nicht blos ein Recht, sondern sogar Pflicht, und die juristische Aufgabe des Richters ist einzig: der Verurtheilung die richtige Form zu geben, sie in den Mantel des Gesetzes zu hüllen. Und kinderleicht das. Das Strafgesetzbuch ist ja ein famoses Profuftesbett tann immer so verlängert oder verkürzt werden, daß der„ Patient" hineinpaßt, und wird er dabei auch verstümmelt oder zu Tode gerect.
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welche schmachvolle Farce ist doch die Justiz in einer Gesellschaft und einem Staate, die auf der Verneinung alles Rechts und aller Gerechtigkeit beruhen! Und Justiz" heißt doch auf deutsch :„ Gerechtig teit". Der Kontrast zwischen Wort und Sa che bringt die infame Heuchelei, die heutzutage im sozialen und politischen Reiche" sich auf dem Thron spreizt, zu drastischer Anschaulichkeit. Die Justiz, dem Namen nach Gerechtigkeit, ist in Wirklichkeit die Umkehrung der Gerechtigkeit, ein Hohn auf Recht und Gerechtigkeit. Apitsch, Künzel und Lauschte sitzen noch immer!
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Am Sonntag hat sich der berüchtigte Reichsverein für Sachsen " glücklich aufgelöst das einzige vernünftige, was er je gethan. Im Attentats delirium des Schandjahres 1878 von unserer nationalliberalen Klique gegründet, um eine Vereinigung aller Ordnungsparteien gegen die Sozialdemokratie zu bilden, ist er in den Bankrout dieser Klique hingerissen worden, und hat das Zeitliche gesegnet. Um den Tod zu verbergen, haben die„ Macher" Stephany und ein halb Dutzend ähnlicher Ritter von der traurigen Gestalt ein ,, nationalliberales" Kränzchen errichtet, in welches der„ Reichsverein"„ aufgehen" soll. Nun tödter als todt kann man nicht sein, und ob das Ding nun„ Reichsverein" heißt oder nationalliberales" Kränzchen( den offiziellen Titel habe ich vergessen) ist ganz Wurst. Todt ist todt. Der Nationalliberalismus mit Allem, was drum und dran, hängt läßt sich durch kein biblisches und unbiblisches Wunder mehr ins Leben zurückrufen, am wenigsten durch ein Wunder des Herrn Bennigsen, der ficherlich kein Herenmeister ist. Der Nationalliberalismus ist keine Partei mehr, er ist bloß noch ein Cadaver, und ein Cadaver, der nicht gut riecht. Freilich, die Leichname von Feinden riechen immer gut, meinte jener französische König.
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Von unserem„ nationalliberalen" Ring gelegentlich vielleicht mehr zur Abwechslung, die doch dem Sprichwort zufolge sein muß". Es gibt da manches Spaßige und Erbauliche. Für heute nur, daß eine der
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journalistischen Säulen des Leipziger Nationalliberalismus in einem hiesigen Blatt leider ohne Namensnennung der gemeinsten Schwindeleien und Revolverpraktiken geziehen wird. Da der Herr sich wohl hütet, seinen Namen zu nennen, so sei erwähnt, daß der Erzhallunke Leonhard gemeint ist, ein Lumpazius, dem Liebknecht schon vor zehn Jahren gerichtlich nachwies, daß er ein Gauner niederster Sorte und aus dem Postdienst wegen gemeiner Betrügereien entlassen ist. Das hinderte natürlich unsere biederen Nationalliberalen im Allgemeinen und die brave Redaktion des Leipziger Tageblattes" im Besonderen nicht, diesen Leonhard als Parteisäule und selbstverständlich als „ Gesellschaftsstüte" beizubehalten. Wie der Herr so der Knecht und wie der Knecht so der Herr!
Wie lange noch? Den Zeitpunkt, wo die hohen und allerhöchsten Herrschaften zur Erholung von den„ Anstrengungen"( Bällen, Soireen 2c.) des Winters in die Bäder eilen, hat Herr Madai für den geeignetsten gehalten, wiederum eine Anzahl ehrlicher Arbeiter, meist Familienväter aus Arbeit und Eristenz heraus auf die Landstraße zu werfen. Eine ganze Serie von Ausweisungen ist wiederum verfügt" worden. Der Pascha von Berlin fühlt das Bedürfniß, zu demonstriren, daß er sich um die öffentliche Meinung, welche das Sozialistengesetz und insbesondere den Ausweisungsparagraphen längst verurtheilt hat, den Teufel scheert, sein Wille, seine Laune ist ihm Gesetz. Wie lange noch? Einer der Ausgewiesenen, der Maurer Gustav Lanke, soll ver schwunden sein. Wehe seinen Mördern, wenn er den Tod gesucht! Genosse Sendig, Maschinenbauer, wurde, weil er bei den Bertiner Arbeitern sehr beliebt ist, 24 Stunden vor Ablauf der Ausweisungsfrist per Schub aus Berlin heraustransportirt. Bei der Abreise der übrigen Verheiratheten suchte die Polizei durch allerhand niederträchtige Chikanen eine Demonstration der sie zur Bahn begleitenden Genossenes hatten sich gegen tausend Arbeiter, jeder mit einer rothen Nelke im Knopfloch eingefunden- zu verhindern. Durch Lösung eines Billets nach der ersten Station( Lichterfelde ) wußte aber ein großer Theil derselben das Polizeimanöver zu nichte zu machen. Energische Ansprachen wurden gehalten, die empörten Proletarier sprachen es offen aus, daß dieser Schandwirthschaft nur auf gewaltsamem Wege ein Ende gemacht werden könne, und wenn Herr Madai sich etwa einbildete, durch seine Ausweisungen und Verhaftungen die Berliner Arbeiter eingeschüchtert zu haben, dann hat ihm das überaus muthige Verhalten der waderen Demonftranten gezeigt, daß er sich mit dieser Ausicht gewaltig auf dem Holzwege befindet.
Merkt's Euch, Arbeiter! In Bismarc's Leibblatt, der „ Norddeutschen Allgemeinen", finden wir in der Nummer vom 10. Juli an hervorragender Stelle folgenden Erguß aus der schutzöllnerischen Volkswirthschaftlichen Korrespondenz" abgedruckt:
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„ Welches sind denn die sozialpolitischen Abenteuer, gegen welche die Fabriksindustrie Front zu machen und sogar den Preis des Schutzzollsystems an die Freihandelspartei zu zahlen haben soll? Auf dem Gebiete der Sozialreform stehen bis jetzt doch nur die Gesetzentwürfe über eine Arbeiterunfallversicherung und über die obligatorische Einrichtung von Arbeiterkrankenkassen zur Verhandlung, Gesezentwürfe, deren Prinzip letzterer Zeit unter dem Drucke der öffentlichen Meinung auch vom Liberalismus afzeptirt wurde, und bei denen es sich im Wesentlichen doch um nichts anderes handelt als um eine von Rechts- und Klugheits wegen gebotene Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen. Letzteres Bestreben als sozialpolitische Abenteuer" zu bezeichnen, ist nur erklärlich bei einer politischen Partei, welche sich in eine Regierungsoppofition um jeden Preis verbissen hat. Die Industriellen jedoch, wenigstens die Mehrzahl derselben, dürften den in Rede stehenden Gesetzesentwürfen denn doch ein anderes, besseres Verständniß entgegenbringen. Sie dürften dieselben weniger als politische Parteifrage, als vielmehr aus dem Standpunkt ihres eigenen Wohlergehens und des Wohlergehens ihrer Arbeiter beurtheilen, dann aber auch zum Schluß kommen, daß es geradezu thöricht wäre, das Entgegenkommen und den starken Arm der Regierung zur Verbesserung der Lage der arbeitenden Klasse, welche am Ende doch auch ihrem fünftigen Fabritsbetriebe zu Gute tommen würde, von sich zu weisen und dadurch gleichzeitig die Arbeiterbevölkerung sich noch mehr zum Feinde zu machen. Denn mag die Sozialdemokratie sich heute auch noch so sehr als Gegner der Unfallversicherung und obligatorischer Krantentaffen aufspielen, dieses ist gewiß, daß die Ablehnung der Vorlagen im Reichstage von eben dieser Sozialdemokratie als ein Beweis mehr für die Behauptung gebraucht werden würde, daß die Arbeiterbevölkerung vom Kapitalismus auch nicht das Mindeste zur Verbesserung ihres Looses zu erwarten habe und nichts helfen könne, als die Vernichtung desselben."
Um diese Standpauke ihrem vollen Werthe nach würdigen zu können, ist es nöthig, hinzuzufügen, daß sie sich indirekt gegen das Direktorium des Zentralverbandes der Industriellen" richtet, welches sich von der „ Volkswirthschaftlichen Korrespondenz" der Staatssozialisterei wegen losgesagt hat.
Die Herren Schutzzöllner haben nämlich ihr Schäfchen ins Trockene gebracht und wollen, großprotig wie diese Schornsteinbarone nun einmal sind, von dem Feigenblatt, mit welchem die famose Zollreform vor dem Bolte ausgestattet werden sollte, nichts wiffen. So unschuldig dieses Feigenblatt, die Bismarck 'sche Sozialreform", an sich auch ist, so paßt dieselbe den Herren schon deshalb nicht in den Kram, weil sie ihr heiliges, angebornes Ausbeuterrecht in Zweifel stellt. Und nun kommt die„ Volkswirthschaftliche Korrespondenz" und hinter ihr her die„ Norddeutsche Allgemeine" gewackelt und beweist ihnen zum hundertsten Male, daß ja die ganze Sozialreform eine so unbedeutende, so wenig am Stand der Dinge ändernde Maßregel sei, so lediglich von Klugheitswegen" diktirt, als es nur je eine gab. Natürlich fehlt bei keinem dieser Nachweise die Phrase von der Fürsorge für das Wohl der Arbeiter, die Herren Industriellen wissen ja sehr gut, wem mit dieser Phrase Sand in die Augen gestreut werden soll.
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Klugheitsrücksichten" sind die wahren Motive für die Bismarc'schen Reformen, nicht die vielgepriesene Fürsorge für den armen Mann". Diese Fürsorge" ist in Wahrheit nichts anderes als die Furcht vor dem armen Mann, die Furcht vor der Sozial
demokratie.
Wenn also aus der Berathung der Bismarck 'schen Projekte wirtlich etwas einigermaßen Nennenswerthes für die Arbeiter herauskommen sollte, so ist dies einzig und allein die Folge der festen, entschlossenen Haltung der Sozialdemokratie.
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Viehfutter für Menschen!„ Als zu Anfang des Leipziger Belagerungszustandes," schreibt uns ein dortiger Genosse,„ die Ersten auf der Liste ausgewiesen wurden, verlangten die Ausgewiesenen vom Stadtrath zu Leipzig , daß er wenigstens für ihre Familien sorge, worauf der Stadtrath Wolf antwortete, sie sollten nur ruhig gehen, hier sei noch Niemand verhungert! Daß es aber nicht weit vom Verhungern ist, das beweist folgende Thatsache: In dem 20 Minuten von Leipzig entfernten Dertchen Schleußig wohnt der früher im städtischen Krankenhause beschäftigt gewesene Siechknecht Rommel. Derselbe kauft die Speisereste aus dem Krankenhause und der Kaserne in Schloß Pleißenburg und pflegte dieselben bisher als Schweinefutter zu verwenden. Doch in neuerer Zeit scheint der Mann dahinter gekommen zu sein, daß dieses Schweinefutter auch noch für arme Menschen genießbar sei, und verkauft er dasselbe nun in Portionen an die armen Leute in Schleußig und Umgegend, welche noch froh sind, wenn sie es bekommen, und mißgestimmt nach Hause gehen, wenn es nichts gibt.
Da soll man noch sagen, daß hier Niemand verhungere, wenn der Mensch seinen Hunger mit Schweinefutter aus einem schmutzigen Faffe stillt! Der Verkäufer sagt freilich, er gebe nur das Kasernenfutter für die Menschen aus, das aus dem Krankenhause bekämen die Schweine;
aber wer kann dies kontroliren? Und wie leicht können durch solche Manöver nicht Krankheiten unter die Menschen gebracht werden!"
Daß Menschen in der heutigen Gesellschaft Schweine- und Hundefutter bekommen, ist noch ein großes Glück, für welches sie den trefflichen Weltordnung dankbar zu sein haben. Wie viele gibt es, die froh wären, wenn sie solch' Futter hätten! Betrachte Jemand einmal heutzutage die Viehställe und wohne der Fütterung bei. Dann besuche er die Wohnungen des Proletariats während der Essenszeit und stelle Vergleiche an. Er wird sofort finden, daß das Vieh durchschnittlich ungleich beffere Wohnung und Nahrung hat, als die arbeitenden Klassen. Und zwar sprechen wir da nicht von Ausnahmen, sondern von der Regel, vom Durchschnitt. Der Klassen, Militär- und Polizeistaat bringt das mit sich."
Und da gibt es noch gewissenlose Subjekte, welche diesen herrlichen Staat sobald als möglich umstürzen wollen!
- Eine heilsame Lektion. Während die Selbstmorde im Militär, diese leider summen und doch so beredten Anklagen gegen den preußisch deutschen Militärmoloch, sich in unerhörter Weise häufen, wird uns aus der urpreußischen Festung Erfurt ein Faktum gemeldet, welches jeden Gegner der menschenherabwürdigenden Militärdreffur mit Freude erfüllen muß: Thatkräftiger Widerstand der ,, Gemeinen" gegen einen berufsmäßigen Leuteschinder, Auflehnung des unterdrückten Selbstbewußtseins gegen die herrliche Subordination Kriegsartikeln und Henkerparagraphen zum Trozz.
Lassen wir nunmehr unserem Berichterstatter das Wort:
allen
Am 30. Juni hatten die Landwehrleute hier Felddienstübung mit vollständigem Gepäck. Zurückgekehrt nach der hiesigen Martinskaserne und vom Regimentskommandeur zum Abtreten kommandirt, wollten sie, ermüdet vom Dienst, ihrer Wege gehen, als ihnen der Lieutenant von Hahn, ein richtiger dummer Junge, der kaum die Schulbank abgesessen hat, mit höhnischem Lachen Halt gebot und sie noch 22 Minuten ,, Griffe machen" ließ. Infolge der übermäßigen Anstrengung brachen 3 Mann entkräftet zusammen, von denen einer, ein Vater von mehreren Kindern inzwischen verstorben ist. Als nun mehrere Landwehrleute ihren ohnmächtigen Kameraden zu Hilfe sprangen, da versuchte der rohe Bursche ihnen unter den unverschämtesten und gemeinsten Schimpfreden die Waffen abzunehmen, weil sie es gewagt hatten, ohne seinen Befehl aus der Front zu treten. Jetzt endlich riß den Leuten die Geduld, und wie ein Mann drang die ganze Mannschaft mit Kolbenstößen auf ihren Peiniger ein, welcher unter dem Gejohle und Hurrahrufen der Landwehrleute schleunigst das Hasenpanier ergriff. Vor der Kaserne wurde der Bursche von Zivilpersonen nach Gebühr empfangen. Maurer warfen von nahegelegenen Bauten mit Steinen nach ihm, und wenn der rohe Patron auch leider noch viel zu gut davon gekommen ist, so hat er doch eine Lektion empfangen, an die er noch einige Zeit zu denken haben wird.
Unsere Brüder im Soldatenkittel haben aber gezeigt, daß auch unter der eifernen Disziplin das Ordrepariren ein Grenze hat!"
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Das wollen wir meinen! Die Herren mögen nur immer auf die Macht ihrer Bajonette rechnen, sie werden eines Tages mit Schrecken erfahren, wie sehr sie sich verrechnet haben. Je strammer" die Disziplin, um so energischer werden sich die Mannschaften, wenn jene einmal einen Riß bekommt, gegen ihre Beiniger wenden und ihnen in eindringlichster Weise den Beweis dafür liefern, daß man die Bajonette zu Allem gebrauchen kann, blos nicht dazu, sich darauf zu setzen.
Belohnte Tugend. Das biedere Reichsgericht hat sich nachgerade durch seine Erkenntnisse in politischen Prozessen so seiner ehrenwerthen Mission gewachsen, sich so unübertrefflich im Verdonnern Bismarck , sich mit der Domizilirung desselben in Leipzig vollständig ausaller mißliebigen Elemente gezeigt, daß die deutsche Reichsregierung, d. h. gesöhnt hat und nunmehr mit Eifer daran geht, ihm in der Pleißestadt einen würdigen Palast zu bauen. Nun sage uns aber Niemand, daß die Tugend nicht schon auf Erden ihren Lohn findet.
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In Sachen des Parteifongresses gehen uns von verschiedenen Orten Zuschriften zu, die wir der Kürze halber hier summarisch wiedergeben:
,, Die Stuttgarter , sowie überhaupt die zur württembergischen Organisation gehörigen Orte, sind in überwiegender Mehrheit der Ansicht, daß ein Partei Kongreß in diesem Jahre nothwendig
wäre."
Derselben Ansicht sind die Genossen in Karlsruhe ,,, indem, hervorgerufen durch verschiedene Vorkommnisse in unserer Partei, eine Masse Stoff zu sichten ist."
Die Mainzer Genossen erachten die Abhaltung eines Kongresses und zwar noch im Laufe des Jahres für unumgänglich nothwendig, um die in der Partei schwebenden Differenzen zu beseitigen, insbesondere aber die bezüglich der einzuhaltenden Partei- Taktik noch bestehenden verschiederen Ansichten durch Kongreßbeschluß zur Erledigung zu bringen." Die Genossen in Genf sind gleichfalls für die Abhaltung des Kongresses in diesem Jahre, und zwar behufs
1. Erledigung der Taktikfrage.
2. Eventueller Abänderung des Parteiprogramms. ( Die Genossen werfen die Frage auf, ob nicht die Forderungen an die heutige Gesellschaft ganz zu streichen seien, da sich uns seit dem Sozialistengesetz die Ueberzeugung aufgedrängt hat, daß die herrschende Gesellschaft auch nicht die geringste unserer Forderungen realisiren wird.")
3) Regelung bestimmter Fragen der Agitation( S. Hamburger Antrag in Nr. 20 des Sozialdem.")
Für den Fall, daß der Kongreß nicht stattfindet, wünschen die Genfer Genossen Darlegung der Gründe im Parteiorgan.
Die Londoner Genossen senden uns folgende einstimmig angenommene Resolution:
Jn Erwägung, daß auf dem Kongreß der deutschen Sozialdemokratie, abgehalten im Jahre 1880 in Wyden, beschlossen wurde, daß jedes Jahr ein Kongreß stattfinden solle, jedes dritte Jahr ein solcher aber statt finden müsse.
In fernerer Erwägung, daß bereits zwei Jahre verflossen sind, bohne daß ein Kongreß stattgefunden hat,
beschließt die heutige Versammlung des Kommun. Arbeiterbildgs.Vereins London , 49 Tottenham Street: den Sekretär aufzufordern, geeigneten Orts das Verlangen zu stellen,
daß noch in diesem Jahre ein Kongreß einberufen werde, welcher über planmäßige Agitation und Organisation, schriftlich wie mündlich, beschließt, ferner die Haltung des Parteiorgans fanttionirt, die Regelung eines Partei- Archivs in die Hand nimmt und das Verhalten einiger unserer Abgeordneten zur Sprache bringt.
In dieser Resolution ist bereits der Frage des Parteiarchivs gedacht. Auch hierzu liegen noch mehrfache Zuschrifen vor. Zunächst erklären sich die Genfer Genossen mit unsern bezüglichen Ausführungen in Nr. 8 des ,, Sozialdem." einverstanden und versprechen„ die Sache nach besten Kräften fördern zu helfen".
Seitens der württembergischen Genossen wird die Schaffung eines Parteiarchivs allerseits als wünschenswerth anerkannt.
Die Genossen in Nowawes hoffen, daß das Archiv bald zu Stande kommen wird. Sie befürworten ferner die baldigste Herausgabe zeitgemäßer Broschüren, Agitationsschriften und Flugschriften in packender allgemein verständlicher Darstellung, können aber eine Umarbbitung oder Beseitigung der Lassalle'schen Schriften nicht befürworten. Ferner halten auch sie die Abhaltung eines Parteifongresses für nothwendig.
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