Sozialpolitische Rundschau.
Zürich , 23. August 1882. - Also doch! In der nationalliberalen„ Magdeburger Zeitung", der begeisterten Freundin des Sozialistengesetzes und aller gegen die Sozialisten angestrebten Verfolgungen, lesen wir über die Verhaftung des Direktors des Berliner Zellengefängnisses folgenden charakteristischen Artikel:
,, Großes Aufsehen machen überall die übrigens noch nicht einmal beglaubigten Mittheilungen von der Verhaftung des Direktors des Berliner Bellengefängnisses. Solche Verhaftungen, die wieder zur Freilassung führen, nachdem sich die völlige Unschuld der Geschädigten herausgestellt hat, kommen oft, gar oft, vor, und es geht nicht Jedem so gut, wie Herrn von Falckenstein, daß er so rasch nach seiner Verhaftung wieder freigelassen wird; gar Mancher muß vielmehr Wochen und Monate lang büßen, ehe er seine Freilassung wieder erhält. Von Vielen, die unschuldig verurtheilt werden und unschuldig in Gefängnissen und Zuchthäusern fizzen mögen, wollen wir gar nicht reden. Großer Lärm wird blos gemacht, wenn das Unglück auch einmal einen Beamten trifft, und doch liegt gerade darin eine Art von schreiendem Trost, daß die oft so schreienden Unvollkommenheiten menschlicher Gerechtigkeitspflege auch einmal vor Denen nicht halt machen, welche durch ihre Stellung gegen solche Mißgriffe mehr als Andere gesichert zu sein scheinen.
Wir verstehen darum auch nicht, wie man dem Amtsrichter, welcher die Verhaftung und bald darauf die Freilassung jenes Berliner ZuchtHausdirektors und des Direktors des Zuchthauses von Zelle anordnete, so große Vorwürfe aus seinem Verhalten machen kann, wie dies von Seiten einiger Blätter geschieht. Eher würde man, wenn hier überhaupt etwas zu loben wäre, die Unbefangenheit loben müssen, mit welcher er verfuhr, und daß bei ihm kein Ansehen der Person in seinen Maßnahmen stattfand. Er muß geglaubt haben, einen guten Anhalt für die Schuld der beiden Beamten zu besitzen, und ordnete deshalb, wie es feine Praxis sein wird, sofort die Verhaftung an. Als sich herausstellte, daß die Schuldbeweise, wie nach einigen Zeitungsmittheilungen jet verlautet, gefälscht seien, verfügte er wieder die Freilassung.
In diesem speziellen Fall scheint uns also durchaus nichts Auffälliges, nichts, was eine Rüge verdiente, zu liegen. Auch verstehen wir es nicht, weshalb man in einigen Blättern einen so starken Ton darauf legt, daß ,, jeder persönliche Ausdruck des Bedauerns"( nämlich seitens der verfügenden Stelle) bisher fehle. Da sind Andere schon schwerer durch unglückliche Fehlgriffe heimgesucht worden und bekommen doch weder eine moralische noch eine materielle Vergütung! Auch die angekündigte Beschwerde des Geschädigten über seine Behandlung durch die Polizei wird das, woran uns allein gelegen sein kann, nämlich eine prinzipielle, ganz allgemeine Behandlung dieser Frage kaum veranlassen. Was Tausenden passirt und zu fruchtlosen Klagen Grund gibt, ist auch einmal einem Beamten widerfahren. Das ist Alles. Es ist ein Unglück, ein sehr bedauerliches Unglück, aber es ist eins, worüber, wie gesagt, schon gar Manchem das Herz gebrochen und der Glaube an eine sittliche Weltordnung verloren gegangen ist, ohne daß viel Aufhebens davon gemacht wurde.
Oder wird dieser spezielle Fall, weil er eben einmal ein Streiflicht auf manche Dinge, die nicht immer so sind, wie sie sein sollten, geworfen, doch vielleicht nicht ganz ohne Früchte bleiben?"
Hier darf man wirklich einmal sagen: Kommentar überflüssig.
Wohlerzogene Knaben sind diese Hirsch- Dunkerschen Gewerkvereinler, das ist ebenso unlängbar wie die Bescheidenheit ihres Herrn und Meisters. Dem kleinen Veilchen gleich blithen ihre Vereine in Berlin bekanntlich nur im Verborgenen, nur wenn die Klaffenbewußten Arbeiter der Millionenstadt in irgend einer Weise für die Verbesserung der Lage des gesammten Proletariats eintreten, da treten auch die gelehrigen Schüler des Herrn Hirsch schleunigst an die Deffentlichkeit, um der Welt die erfreuliche Thatsache zu berichten, daß es wirklich noch Arbeiter gibt, welche die Hand, die sie eben noch gepeischt, in aller unterthänigsten Ergebung demüthig füffen. Man lese nur die nachstehende, von der fortschrittlich- liberalen Presse mit innigem Behagen tolportirte Notiz:
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Die deutschen Gewerkvereine haben sich gegenüber der von den Berliner Fachvereinen beschlossenen Petition an den Reichstag um Einführung eines gesetzlichen Normalarbeitstages zu folgender Resolution geeinigt:„ Die Regelung der Arbeitszeit im Sinne der allmählichen Verkürzung ist eine unerläßliche( also doch!) Bedingung des förperlichen, geistigen und sittlichen Wohls der Arbeiter, insbesondere des gesunden Familienlebens und der politischen Bildung, und liegt nachweisbar zugleich im Interesse der Unternehmer, als Schutzmittel gegen die verderbliche Ueberproduktion und Schleuderkonkurrenz. Daber(!) erklären sich die deutschen Gewerkvereine mit aller Entschiedenheit für die allgemeine Herbeiführung einer geregelten fürzeren Arbeitszeit durch freie Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeiter; fie verwerfen dagegen den gefeßlichen 3 wangsnormal? arbeitstag als Eingriff in die persönliche Freiheit und als undurchführbar und gemeinschädlich ohne gleichzeitige Garantie der Arbeit und des Normalarbeitslohnes."
Welch wunderbare Logik! Die Verkürzung der Arbeitszeit ist eine unerläßliche Bedingung des körperlichen Wohles der Arbeiter, und daher verwerfen wir die gesetzliche Durchführung dieser unerläßlichen Bedingung und überlassen es der freien Verein barung, d. h. der Gnade der Herren Ausbeuter, diese unerläßliche Bedingung zu erwirken. Gute Kinder, nicht wahr?
Aber sie haben noch einen weit triftigeren Grund, den gesetzlichen Normalarbeitstag zu bekämpfen. Diese in der Schweiz ſeit Dieſe in der Schweiz ſeit Jahren bestehende Einrichtung ist nämlich, nach Ansicht der braven Zöglinge Mar Hirsch's, undurchführbar(!) und gemeinschädlich(!) ohne gleichzeitige Garantie der Arbeit und des Normalarbeitslohnes. Der Herr Anwalt scheint wirklich sehr verschlafen gewesen zu sein, als er diesen Satz verfaßte. Uebrigens müßte man eigentlich aus dem Schlußſatz der Erklärung folgern, daß, da die Bertürzung der Arbeitszeit, unerläßlich", die gesetzliche Herbeiführung derselben ohne Garantie der Arbeit und des Normalarbeitslohnes gemeinschädlich und undurchführbar" ist, Herr Hirsch und seine Heerde nunmehr auch für letztere Postulate eintreten. Weit gefehlt! Der Schlußsatz ist nur oratorische Phrase, die Herren bekämpfen auch die Garantie der Arbeit und den Normalarbeitslohn, weil sie die Frei heit beeinträchtigen. Alles für die Freiheit der Ausbeuter! Herr Mar Hirsch singt diese Melodie vor und seine Massen" singen fie gehorsam nach. Denn sie sind keine bösen Sozialisten, sondern wohlerzogene Knaben!
Welche erfreuliche Erscheinung in so böser Zeit!
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war die Bewegung in eine gefährliche Stagnation gerathen; daher es eines fräftigen Impulses zur Wiedererweckung bedurfte. Wie gesagt, die Ehre gebührt jenen Leuten, daß sie dem Stein den Anstoß gaben, um wieder in's Rollen zu kommen. Jetzt endlich, nach Verlauf von 10 Jahren, kann man sagen, daß die Bewegung festen Fuß gefaßt hat. Wohl mag die Zahl der Anhänger früher größer gewesen sein, wohl hat unser Organ unter Pio's Aegide einmal eine doppelt so große Anzahl Abonnenten gehabt als jetzt aber trotzdem war die damalige Bewegung eigentlich nur ein Strohfeuer, welches, sobald die Nahrung
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Recht dazu, gerade wie sie hie und da ein Recht zum Betteln an Kirchenthüren geben. Sie haben ebensowenig Schamgefühl wie die Bettler; sonst würden sie sich nicht von Anderen ernähren lassen ohne Entgelt. Und sobald die arbeitende Menschheit sich gewöhnt, Gerechtigkeit statt Barmherzigkeit zu fordern und zu erzwingen, wird sie auch die Zinsen, Dividenden und Reingewinne als Almosen verpönen.
in den Berſonen Bio und Geleff ſich unsichtbar machte, so gut wie Barteigenossen! Vergeßt der Verfolgten
erlosch. Es bedurfte langer, ausdauernder Arbeit von Seiten der Leute, welche jetzt die Stützen der Bewegung sind, um einen kräftigen, anhaltenden Brand in's Land zu schleudern. Daß die Bewegung Fortschritte macht, beweisen schon unsere alljährlichen Feste zur Feier des dänischen Grundgesetzes: was wir in langen Jahren nicht vermocht haben, glückte dieses Jahr; wir setzten nämlich einen Zug durch Kopenhagen in Scente, an welchem einige 20 Vereine mit 31 rothen Fahnen theilnahmen. Neulich hatten wir eine öffentliche Diskussion mit Wm. Fleuron, welcher sich erlaubt hatte, unser hiesiges Organ„ Sozial Demokraten ", weil es das Prinzip:„ Jedem Arbeiter der volle Ertrag seiner Arbeit", in„ Der Egoist" umzutaufen; sein Grundsatz sei:„ Ein Jeder soll arbeiten nach Bedarf und genießen nach seinen Bedürfnissen." Dabei hatte er selbst 8 Tage früher einen jeden Arbeiter, welcher nicht den vollen Ertrag seiner Arbeit verlangen wollte, für einen Schlingel" erklärt! Im Verlaufe der Diskussion, welche unser braver Genosse T. Andersen eröffnete, mußte Fleuron die Waffen strecken und erklären, daß es Dummheit sein würde, die gewaltsame Revolution als Alpha und Omega aller sozialistischen Weisheit aufzustellen. Vor wenigen Tagen hatten wir eine bedeutungsvolle Versammlung auf der Insel Amager, welche Versammlung hauptsächlich auf die Matrosen berechnet war, und mit der wir einen durchschlagenden Erfolg erzielten. Genoffe Hördum kritisirte auf das Schärffte die unverantwortliche Weise, auf welche die Schiffsrheder ihre schwimmenden Särge" auf's Meer hinausschicken, wodurch hunderte von Menschen gemordet werden. An der Hand der Statistik zeigte er, daß in einem Zeitraum von 5 Jahren beinahe 400 Schiffe mit 600 Menschenleben verloren gegangen seien. Die dänischen Schiffsrheder sind so gewissenlos, daß sie alte englische Schiffe, welche in England kassirt würden, aufkaufen und dann in's Meer gehen lassen. Ein Redner bemerkte, daß die„ königlichen" Schiffe auch nichts weiter seien als schwimmende Särge", so sei z. B. das Postdampfschiff " Freja" in dem Grad verfault, daß man den Finger durch die Seitenwände stoßen könnte. Und ein solches Schiff gebraucht man zum Transport von Passagieren! R. B.
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Belgien . Genosse De Paepe ist ohne Kaution auf freien Fuß gesetzt worden. Der radikale Deputirte Janson hat seine Vertheidigung übernommen. Duverger, der sich glücklicherweise auf dem Wege der Besserung befindet, legt bei seinen Aussagen keinerlei Groll gegen De Paepe an den Tag. Man erwartet allgemeine Freisprechung des Letzteren.
Der Cercle l'Etincelle( der Funke) in Verviers theilt per Zirkulär mit, daß sein Organ, die„ Perseverence" nicht erscheinen könne, weil die Buchdruckereibesitzer den Druck desselben verweigern. Das ist die Preßfreiheit unter der Herrschaft des Privateigenthums!
Frankreich . Die Gleichheit vor dem Gesetz unter der Republif. Sobald die heilige Ausbeuterfreiheit in Frage tommt, verstummen alle die hochtönenden Phrasen von Gleichberechtigung der Staatsbürger 2c., und der Klassencharakter der heutigen auf Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beruhenden Gesellschaft tritt in seiner brutalen Nacktheit zu Tage. Das hat kürzlich das Exekutivkomite der streikenden Tischler in Paris erfahren. Eine gewisse Frau Patrice hatte eine Deputation ihrer Arbeiter, welche eine Lohnerhöhung von 10 Cts. pro Stunde verlangten, nicht nur rundweg abgewiesen, sondern auch die Mitglieder dieser Deputation sofort aus der Arbeit entlassen. Als Antwort darauf erklärte das Exekutivkomite diese Firma in Verruf, d. h. forderte die Kollegen auf, solange nicht dort in Arbeit zu treten, bis den Arbeitern ihr Recht geworden. Die liebenswürdige Dame aber hatte nichts Eiligeres zu thun, als das Exekutivkomite wegen Eingriffs in die Freiheit der Arbeit“ zu verklagen und neben einer Gefängnißßtrafe eine Entschädigung von nicht weniger als 5000 Fr. zu verlangen! Die Verhandlung fand am 4. August, die Urtheilsverkündigung am 9. August statt. Trotz ausgezeichneter Vertheidigung seitens unseres Genossen John Labusquière wurden die Mitglieder des Komite's jeder zu 15 Tagen Gefängniß und insgesammt zu 600 Fr. Entschädigung an Frau Patrice verurtheilt. Letzterer wurde außerdem das Recht zugesprochen, auf Kosten der Arbeiter das Urtheil in drei Zeitungen zu veröffentlichen; jedes dieser Inserate darf bis zu 200 Fr. toften!
Wenn aber in Roanne sich 11 Ausbeuter verabreden, nicht einer Handvoll, nein Tausenden von Arbeitern die Löhne plötzlich herabzusetzen und denen, die sich nicht sofort fügen, ihre Werkstätten insgesammt zu verschließen, dann findet sich kein Staatsanwalt und kein Richter, der vom Eingriff in die Freiheit der Arbeit zu sprechen wagt! Alle diese Geſetze„ zum Schuße der Freiheit der Arbeit“ erweisen sich in der Praxis als nichts Anderes als Gesetze gegen die Freiheit der Arbeiter.
Gegenwärtig schwebt auch so ein Arbeitergesetz in der Luft und zwar das Gesetz über die syndicats professionelles"( Gewertvereine). Da strengen die Herren Gesetzgeber in der Kammer und im Senat ihren ganzen Scharfsinn an, unter dem Schein eines durchaus„ freisinnigen" Gesetzes den Arbeitern jede ernste Wahrung ihrer Interessen zu erschweren. Während die Herren zur Erleichterung ihrer Ausbeutung sich mit Vorliebe billige Arbeitskräfte aus dem Auslande kommen lassen - so beträgt die Zahl der in Frankreich angestellten italienischen Arbeiter mehr als 300,000 sollen die organisirten Arbeiter nicht das Recht haben, fremdländische Arbeiter in ihre Komite's zu wählen fie müssen nämlich gegen die fremden Agitatoren beschützt" werden. Man sieht, überall die gleiche Heuchelei!
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Ueber die Vorgänge in Monceau les Mines in nächster Nummer.
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Aus Amerika . Almosen. Die Summe, welche jährlich in den Vereinigten Staaten in Gestalt von Dividenden kapitalistischen Kompagnien ausbezahlt werden schreibt die ,, Newyorker Volkszeitung"
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beläuft sich auf mehr als zweitausend Millionen Doll. Rechnet man den Minderwerth des Kapitals hinzu, welchen der Zensus von 1870 angibt und welcher nicht von kapitalistischen Kompagnien ausbezahlt, sondern von einzelnen Privatkapitalisten aus ihren Geschäften bezogen wird, so waren es damals über 3000 Millionen Dollars reiner Profit, welchen die Arbeiter der Vereinigten Staaten den Kapitalisten als Almosen in einem Jahre bezahlten, und welcher in diesem Jahre wohl 6000 Millionen Dollars betragen wird. Rechnet man, daß die Kapitalisten in Gestalt von Almosen an Arme, Arbeitsunfähige zc. jährlich sechzig Millionen Dollars bezahlten was weit über die Wirtlichkeit hinausgeht, so ist dieses gewöhnlich allein so benannte Almosen immer erst ein Prozent gegenüber dem von Arbeitern an Ka
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Dänemark . Aus Kopenhagen erhalten wir folgende Zuschrift:„ Die Parteibewegung am hiesigen Ort macht erfreuliche Fortschritte, nicht allein dadurch, daß unsere Versammlungen in der Regel sehr gut besucht sind, sondern auch dadurch, daß unser dänisches Parteiorgan, Sozial- pitalisten entrichteten Almofen, welches freilich diesen Namen nicht führt. Demokraten " unter seiner neuen Redaktion es verstanden hat, sich eine achtunggebietende Stellung sowohl unter den andern Breßorganen als auch im täglichen politischen wie sozialen Leben überhaupt zu verschaffen. Wenn ich ehrlich sein will, so muß ich einräumen, daß die Kampagne Brix Fleuron einen wesentlichen Theil zu dieser Wandlung beigetragen hat, denn bevor jene Leute ihren Feldzug gegen uns begannen,
Wir leben ja in einer Gesellschaft der babylonischen Sprach- und Begriffsverwirrung. Warum sollten die Dividenden und Reingewinne nicht Almosen heißen dürfen? Sie sind nicht erarbeitet und verdient; sie sind ein Geschenk, zwar an Leute verliehen, welche es nicht nöthig haben. Aber darnach, ob Bettler ein Almosen nöthig haben, wird ja auch nicht gefragt. Sie verlangen es wie die Bettler und die Gesetze geben ihnen ein
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und Gemaßregelten nicht!
Korrespondenzen.
Hanau , im August. In dem ganzen zahllosen Heere der erniedrigten Wesen stehen teine niedriger als Diejenigen, welche in unserer Stadt den Beruf" haben, als wohlbestallte Polizeibeamte über Gesetz, Ordnung und Moral zu wachen. Das ist eine Thatsache, die als unbestritten bezeichnet werden darf. Längst haben sie, nach guter Anleitung ,, von Oben", gelernt, den Sozialisten gegenüber jedes Mittel, Hinterlift, Intrigue, Brutalität, Lüge und Meineid in Anwendung zu bringen. Ihr Gebahren ist ein von völliger Hirnlosigkeit zeugendes blindes Wüthen, das seinen Höhepunkt erreicht, so oft bei der Hezjagd gegen die Sozia listen ein Dorn fie in das faule Fleisch gestochen. Wir wollen diesen Kerlen noch an den Kragen gehen wie der Teufel!" So sprach im Bewußtsein seines hohen Berufes" vor einiger Zeit einer unserer Polizeier Namens Bürmann. Da der Teufel seine Herrschaft in der Hölle übt, im Reiche der ausgesuchtesten Niedertracht, so ist er allerdings in Preußen auch ganz an seinem Plaze. Leider aber besteht in dem höllischen Rechtsstaate" Preußen das verkehrte Verhältniß, daß die ehrlichen Leute zu Sträflingen gemacht werden, während ihre Beiniger, mit dem Stempel der Verworfenheit an der Stirne, sich„ Diener der Gerechtigkeit" schimpfen und bei all ihren gegen uns gerichteten Satansfunktionen sich auf gesetzliche Autorität" berufen.
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Ueber die neuesten dieser Satansfunktionen nun ist Folgendes zu registriren: Ende April ds. Js. meldete der Cigarrenmacher Lamm auf hiefigem Polizeibureau eine öffentliche Versammlung der Tabak- und Zigarrenarbeiter zum Zwecke der Besprechung des Tabakmonopols an. Commissär Naumann jedoch erklärte dem Anmelder rund heraus, aus der Versammlung könne nichts werden, denn da werde doch jedenfalls auch „ der Frohme" kommen, und der dürfe„ auf Befehl des Herrn Landraths" nun und nimmermehr hier sprechen. Herr L. war frevelhaft" genug, gegen diese gesetzmäßige" Eselei Returs bei der Regierung in Kaffel einzulegen, und diese ein strenges Urtheil der öffentlichen Meinung fürchtend, dekretirte, daß der Versammlungsanmeldung stattzugeben sei. So fand denn die Versammlung am 17. April in den Sälen zur Reichskrone statt und den Befehl des Herrn Landraths" verletzend erschien der Frohme" und referirte. Ihm zur Seite faßen als„ Abgeordnete der Obrigkeit" Polizeikommiffär Rolfs und vorerwähnter Schuhmann Bürmann. Der Referent mochte etwa eine halbe Stunde gesprochen haben; er zitirte den bekannten Ausspruch des konservativen Reichstags Harlekins v. Ludwig, betr. das Vagabundenthum, da brach das Verhängniß herein: langsam und unsicher, die Blicke furchtsam auf die Masse gerichtet, erhob sich Monsieur Rolfs und erflärte die Versammlung für geschlossen. Ein Sturm der Entrüftung brauste dem„ Helden" entgegen; Frohme wandte sich an ihn und erklärte, er protestire gegen diesen Akt der Willkür, die Auflösung sei durch nichts gerechtfertigt und werde er dagegen Rekurs ergreifen. Rolfs erwiderte er folge lediglich seinen Instruktionen". Ein Versammlungsbesucher, Genosse Graebener, wandte sich an den Vorsitzenden mit der Aufforderung, sich diese Auflösung nicht ruhig gefallen zu laffen. Dann ging die Versammlung unter Hochrufen auf die Sozial demokratie und den Referenten sowie unter Pfui- und sonstigen schmeichelhaften Rufen auf die Polizei auseinander.
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Held Rolfs und sein Schildknappe Bürmann schwuren den Urhebern diefer öffentlichen Blamage, Frohme und Gröbener, grimmige Rache. Ha, das war so eine günstige Gelegenheit, den Sozialisten Eins am Zeuge zu flicken, jetzt oder nie galt es, dem Büttelsystem zu einer richterlichen Anerkennung durch Maffenverurtheilung zu verhelfen! Also, frisch d'rauf, gelogen und gefälscht! ,, Bürmann, lieber Bürmann" sagt Rolfs jezt beweisen Sie Ihren Scharffinn. Und Bürmann nimmt mit pfiffigem Lächeln ein Adreßbuch zur Hand;( buchstäblich wahr!) zwar war es das von Anno 1880, aber das bemerkte der Wackere gar nicht in seiner Aufregung. 65 Mann schreibt er sich da heraus und die Liste der Angeklagten erster Serie ift fertig. Alsbald wurden denn die beneidenswerthen Träger dieser Namen mit der Anklage beglückt, den Bestimmungen des§ 15 des preußischen Versammlungsgesetzes entgegen sich nach erfolgter Auflösung der Versammlung nicht sofort entfernt zu haben.
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Die am 29. Mai stattgehabte Verhandlung dieser Antlage gestaltete sich für Rolfs und Bürmann zu einer recht hochnothpeinlichen, für die Angeklagten und das Auditorium, ja selbst für die Richter, zu einer außerordentlich beluftigenden Prozedur. Zunächst ergab sich, daß von den 65 Angeklagten an die 30 gar nicht in der aufgelösten Versammlung gewesen waren. Sechs weitere Angeklagte befinden sich schon seit Jahren in Amerika . Der Richter schüttelte, während Publikum und Angeklagte in ein schallendes Gelächter ausbrachen, den Kopf und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Der scharffinnige Bürmann aber stand da, in Angstschweiß gebadet, vor Erregnng und Verlegenheit hochroth glühend, seine frühere Gauner- Physiognomie in ein Armsünder- Geficht verwandelt, wie ein begoffener Pudel. Adreßbuch- Olmal" raunt ihm eine Stimme aus den Reihen der Angeklagten zu, und er fährt zusammen, als hätte ihn eine Tarantel gestochen. Ja, ja, das Adreßbuch hatte ihm einen bösen Streich gespielt, dem Zengen" Bürmann. Und sein Kommissär, der Zeuge" Rolfs, biß fich vor Erregung die Lippen blutig. Im strammen preußischen Kommis Schritte hatten Beide den Sizungssaal betreten, Bilder des Jammers wankten sie hinaus, als der Richter verkündete, daß abgesehen von den gar nicht in der Versammlung Gewesenen, gegen welche die Anklage nicht aufrecht erhalten wurde fämmtliche Angeklagte von Schuld und Koften freigesprochen seien. Dieselben mögen fich für die gehabte Mühe trösten mit dem Gedanken, daß Hanau nunmehr einen„ A dreßbuch Kriminal Olmal" im Original habe.
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..Verzweifeln wir nicht", sagte Bürmann zu Held Rolfs, noch ist nicht Alles verloren. Wir haben ja Frohme und Graebner noch!" Dem war nun allerdings so, die hatten" sie noch! Ersterem hatten ste Majestätsbeleidigung, Schmähung und Verhöhnung von Staatseinrich tungen, Beamtenbeleidigung 2c., Letzterem eine Aufforderung zum Ungehorsam gegen Anordnungen der Obrigkeit" auf den Hals gelogen. Herr Staatsanwalt Schumann war so gefällig, diese Lügen zu vertreten. Die Verhandlung beider Anklagen fand am 26. Juli vor der Strafkammer des Landgerichts hierselbst statt. Frohme führte seine Vertheidigung selbst, Graebner's Vertheidigung führte Herr Justizrath Osius. Gegen Frohme blieb übrigens nur die Anklage wegen ,, Beamtenbeleidigung" aufrechterhalten. Begangen sollte dieselbe sein durch die an Rolfs gerichtete Erklärung, daß er zur Auflösung der Versammlung nicht berechtigt sei. Der Angeklagte wies nun zunächst nach, daß Rolfs sich allerdings einer geradezu unerhörten Gesetzesverletzung schuldig gemacht habe. Angeklagter habe lediglich in Wahrung berechtigter Interessen gehandelt, als er gegen die Auflösung Protest erhob und dieselbe einer kurzen, aber scharfen Kritik unterzog. Der als Zeuge erschienene Rolfs erklärte, vom Landrath den Auftrag" erhalten zu haben, die Versammlung aufzulösen, wenn es ihm scheine, daß sozialistische Grundsätze darin erörtet würden. ( Forts. folgt.)
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Aus der Pfalz . Wenn die Macher des Sozialistengesetzes glaubten, es habe dasselbe, wenn feinen weiteren, so doch wenigstens den Nutzen, das sozialistische Feuer auf seinen ursprünglichen Herd zu beschränken, so ist ihnen unsererseits schon verschiedentlich demonstrirt worden, daß sie sich darin gründlich getäuscht haben, und mit jedem Tage häufen sich die Beweise. Dem Wauwau des Sozialistengesetzes werden mit der Zeit die Zähne stumpf, wir wissen so gut wie früher für unsere Sache zu wirken, ob sie es nun eingestehen oder nicht, unsere Staatsretter müssen einsehen, daß sie ihr Pulver umsonst verschoffen haben.