das staatserhaltende, konservative Element der Gesellschaft bilden. In Wahrheit aber sind sie reaktionär, da sie jeden industriellen Fort­schritt fürchten und am liebsten nicht nur die nationalen, sondern auch die lokalen Verkehrsschranken wiederherstellen möchten.

Der Handel ist ihr natürlicher Todfeind. Mit allem Aufwand ihres fittlichen Bathos wiffen sie gegen ihn zu donnern, er ist der Urquell aller Uebel.

Je weniger der Händler das Publikum über's Ohr haut, um so ver­abscheuenswerther ist er. Es wäre unbillig, den Kleinindustriellen aus diesem Haß einen Vorwurf zu machen. Der Händler ist der Helfershelfer der Großindustriellen, mit seiner Hilfe richtet dieser sie zu Grunde. Wäh­rend sie mit den Letzteren aber die Stellung den Arbeitern gegenüber gemein haben oder wenigstens gemein zu haben sich einbilden, herrscht zwischen ihnen und den Händlern der kraffeste Gegensatz, der noch da­durch verschärft wird, daß Dank der modernen Entwickelung der Hand­werter immer mehr zum bloßen Arbeiter bezw. Werkmeister des Händ­lers wird, und noch dazu in seiner, des Handwerkers, eigenen Behausung. Man begreift daher, mit welcher Inbrunst die ganze kleinbürgerliche Welt die vernichtende Kritik, welche der Sozialismus dem Handel hat angedeihen laffen, nachbetet. Nach ihr kann in dieser Beziehung gar nicht genug geschehen. Alle Augenblick können wir von ihnen in ihrer Presse und in ihren Versammlungen den abgeschmackten Vorwurf hören, daß die jüdischen Sozialisten Marx und Lassalle das schändliche Handelskapital auf Kosten des so unschuldigen Industriekapitals geschont hätten. Der richtige Sozialismus bestehe in der Beseitigung des Han­dels, wenn der Profit des Zwischenhändlers wegfalle, dann sei die so­ziale Frage gelöst. Schade nur, daß die guten Leute, die natürlich Mary und Lassalle nur vom Hörensagen kennen, nicht auch angeben, wodurch fie den Handel ersetzen wollen. Abgesehen von einigen Utopiftereien läuft ihr richtiger Sozialismus" auf Befürwortung von allerhand Polizei­maßregeln( Verbot des Haufirhandels 2c.) hinaus.

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Diese kleinbürgerliche Welt nun ist es, welche den Kampf der Arbeiter gegen die Ausbeuterklasse in jeder Beziehung erschwert und verlängert. Ohne diese, ihrer Zahl nach ziemlich beträchtliche Zwischenklasse, wäre die wirthschaftliche Emanzipation der Arbeiterklasse mit Leichtigkeit zu bewirken, würde die Durchführung des Sozialismus auf keinen nennens­werthen Widerstand stoßen.

Es ist daher im Interesse der baldigen Erlösung des Proletariats vom Druck der kapitalistischen Ausbeutung, sowie im richtig verstandenen In­teresse der überwiegenden Mehrzahl der Handwerker selbst gelegen, daß die Weiterentwickelung der großkapitalistischen Produktion unbehindert vor sich gehen kann, oder, um mit der Provinzial- Korrespondenz" zu reden, es ist das Bestreben zu bekämpfen, die Kapitalbildung und das zu derselben gehörige Operationsfeld des Kapitals auf seinem Boden zu zerstören". Das hier gemeinte Operationsfeld des Kapitals aber ist die Börse. Die Börse, dieser Tempel des Schwindels, ist in der kapitalistischen Gesellschaft absolut unentbehrlich; fie ist die Vermittlerin der Konzentrirung des Großkapitale, dieses,, größten materiellen Hebels jeder eigentlichen Zivilisation", wie die Provinzial­Korrespondenz" sagt, und zwar sehr richtig sagt.

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Aber eifern nicht auch die Sozialdemokraten wider die Börse und den Kapitalismus? Ganz gewiß; nur thun sie dies nicht in der Absicht, um durch Schließung der Börse und Erschwerung der Kapitalbildung das niemals bestandene goldene Zeitalter wieder einzuführen, sondern sie denunziren die Machinationen der Börse und das schändliche mit der großkapitalistischen Entwickelung verbundene Ausbeutungssystem, sie weisen nach, daß alle diese großartigen Errungenschaften der modernen Zivilisation nur zu immer größerem Elend und zu immer größerer Ab­hängigkeit der weitaus größten Klaffe der Bevölkerung führen, so lange die bereits ihrem inneren Wesen nach gesellschaftlich gewordene Produk­tionsweise nicht auch in allen Beziehungen zu einer gesellschaftlichen um­gewandelt sein wird. Sie betrachten die moderne Großproduktion auf privatkapitalistischer Basis als ein Uebergangsstadium zur gesellschaftlich organisirten Produktion und bekämpfen jeden Versuch, diese Entwidelung aufzuhalten, als illusorisch und schädlich.

Mögen daher die Kleinbürger sich fittlich entrüften, daß an der Börse um Millionen gespielt wird, während sie beim Stat nur um die halben Pfennige spielen, von derartigen Gefühlsanwandlungen weiß der Sozialist, weiß der Klaffenbewußte Proletarier sich frei. Die Immoralität des Börsenspiels ist für ihn nicht größer als die Immoralität des ganzen ausbeuterischen Produktionssystems.

Mag der Ausbeuter Christian oder Jig heißen, mag Christian den JBig, oder Jig den Christian über den Löffel barbieren, das ist dem Arbeiter Nebensache, Hauptsache ist und bleibt für ihn, daß er sobald als möglich in die Lage versezt werde, Beiden, Christian und Jyig, das Ausbeu­tungshandwerk zu legen.

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Da nun die Börse und der Kapitalismus infolge ihrer expropriatorischen Thätigkeit in jeder Beziehung ihm dabei in die Hände arbeiten, die Zahl der selbständigen Existenzen von Tag zu Tag verringern, und die Armee des industriellen Proletariats im entsprechenden Grade vermehren, bis diese start genug ist, das Werk der sozialistischen Expropriation im In­tereffe der Gesammtheit zu vollziehen, so ist thatsächlich die Provinzial­forrespondenz im Recht, wenn sie entgegen dem kleinbürgerlichen Ge­schwätz der Stöcker, Schulze, Wagner und Konsorten die Beschützung der Börse und der großkapitalistischen Entwicklung als den Weg zum wahren Sozialismus proklamirt.i

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Der wahre Sozialismus, das ist der proletarische, der revolutionäre Sozialismus.

Wir haben unser Wort gehalten, wir haben der Provinzialforrespon­denz" nachgewiesen, daß sie in Bezug auf den wahren und falschen Sozialismus auf dem rechten Wege ist, wir wollen indeß, um uns nicht der Gefahr auszusetzen, von irgend einem Bismarckischen Reptil an's schmutzige Bruderherz" gedrückt zu werden, dem Blatt, in welches Bis­marc ,, noch keine Zeile geschrieben hat", noch einige Wörtlein über die Nuzanwendung des oben ausgeführten mit Bezug auf die Frage der Steuerreform widmen.

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Es ist der schamloseste Humbug, der je getrieben worden ist, wenn man dem Volke meismachen will, die höhere Besteuerung des fundirten Kapitals, also eine progressive Vermögenssteuer, sei in irgend einer Weise der Kapitalbildung hinderlich, werde irgend Jemanden, der in der Lage ist, Kapital anhäufen zu können, veranlassen, auf dieses angenehme ,, kulturs fördernde" Geschäft zu verzichten. Es wird Niemandem einfallen, darum etwa nicht Millionär werden zu wollen, weil er von seinem Einkommen danu vielleicht drei Prozent mehr zu versteuern haben würde als irgend ein armer Teufel. Der Trieb der Kapitalbildung ist allerdings kein Naturtrieb, aber er ist in der heutigen Gesellschaft ein natürlicher, durch dieselbe erzeugter Trieb. Reutier zu werden, das ist das höchste Streben einer echt bürgerlichen Seele, das durch die Strafe" einer etwas höheren Einkommensteuer in feiner Weise beeinträchtigt wird.

Wie wenig die Vermögenssteuer der Kapitalbildung Eintrag thut, zeigen die Erfahrungen des Kantons Zürich . Was hat man hier nicht alles prophezeit, als das Volk mit überwiegender Mehrheit die progres­sive Besteuerung der Vermögen votirte! Und keine von den Unglücks­prophezeihungen ist eingetroffen.*)

Und was in diesem kleinen Kanton, der noch nicht einmal den zehnten Theil des Regierungsbezirks Potsdam einnimmt, möglich war, das soll in Preußen unmöglich sein? Alberne Ausflucht! Würdig des großen Sozial­reformers", dessen praktisches Christenthum" darauf hinausläuft, die Drohnen der Geseüschaft möglichst zu schonen und alle Lasten des

*) Ein halbes Dugend Kapitalisten lief zwar im ersten Aerger davon, tehrte aber, Einer nach dem Andern, sehr bald zurück.

Staates dem arbeitenden Volfe in Form von indirekten Steuern aufzuhalsen.

Hier noch von wahrem oder falschem Sozialismus reden, heißt den Spaß denn doch zu weit treiben; da ist nur ein Wort am Blaze: In­Leo. famer Volksbetrug.

Aus der Reichshauptstadt.

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Berlin , 14. September 1882. Also des Aufruhrs" sind Pötting und Genossen" an­getlagt. Der einschlägige Paragraph des Reichsstrafgesetzbuchs(§ 115) lautet:

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,, Wer in einer öffentlichen Zusammenrottung, bei welcher eine der in den§§ 113 und 114 bezeichneten Handlungen mit vereinten Kräften begangen wird, Theil nimmt, wird wegen Aufruhrs mit Gefängniß nicht unter sechs Monaten bestraft.

Die Rödelsführer, sowie diejenigen Anführer, welche eine der in den§§ 113 und 114 bezeichneten Handlungen begehen, werden mit 3 ud chthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein."

Die oben angeführten§§ 113 und 114 lauten:

§ 113. Wer einem Beamten, welcher zur Vollstreckung von Gesetzen, von Befehlen und Anordnungen der Verwaltungsbehörden oder von Urtheilen und Verfügungen der Gerichte berufen ist, in der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerstand leistet, oder wer einen solchen Beamten während der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes thätlich angreift, wird mit Gefängniß bis zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Thalern bestraft. Dieselbe Strafe tritt ein, wenn die Handlung gegen Personen, welche zur Unter ftützung des Beamten zugezogen waren, oder gegen Mannschaften der bewaffneten Macht, oder gegen Mannschaften einer Gemeinde-, Schutz oder Bürgerwehr in Ausübung des Dienstes begangen wird."

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§ 114. Wer es unternimmt, durch Gewalt oder Drohung eine Behörde oder einen Beamten zur Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung zu nöthigen, wird mit Gefängniß bestraft." Die Angeklagten sollen sich nun gegen§ 115 im Zusammenhange mit §§ 113 und 114 vergangen haben, indem sie sich und zwar theilweise als ,, Rädelsführer" an einer öffentlichen 3 usammenrottung" betheiligten,(§ 115), welche zum Zweck hatte, die ,, Be amten" der Polizei ,, in der rechtmäßigen Ausübung ihres Amtes" durch Gewalt und Bedrohung mit Gewalt Widerstand zu leisten"; indem sie die Beamten während der rechtmäßigen Ausübung ihres Amts thätlich angriffen"(§ 113), und indem sie es unternahmen", die Beamten durch Gewalt und Drohungen zur Unterlassung einer Amtshand­lung zu nöthigen"(§ 114).

Die Haare sträuben sich Einem zu Berge, wenn man diese Häufung von Verbrechen" sieht, die ein deutscher Staatsanwalt im Bunde mit deutschen Polizisten aus einer einfachen, durch die Brutalität der Polizei provozirten Straßenkampelei denn Anderes war es nichts zurechtzubrauen gewußt hat. Natürlich kann die monströse Anklage vor der Kritik nicht bestehen, und erwarten wir deshalb mit Bestimmtheit die Freisprechung.

Allein bis es soweit kommt, können noch Monate vergehen. Wie ich höre, erwartet die Vertheidigung den Termin nicht vor Ende No­vember. Bis dahin würden die acht in Untersuchungshaft Befindlichen, die jetzt schon über zwei Monate sitzen am 13. Juli wurden fie verhaftet- über vier Monate in Untersuchungshaft zugebracht

haben.

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Der berüchtigte August", Madai's Vertrauensspitzel, derselbe, der mit Grillenberger und Frohme ein für ihn schlecht verlaufenes Renkontre hatte, ist abermals das Opfer seines Amtseifers geworden. Er glaubte nämlich am Freitag vor acht Tagen, wo die Abgeordneten Liebknecht und Diet hier waren, einen famosen Fang gemacht zu haben und gerieth mit der den deutschen Spigeln eigenthümlichen Täppig­feit" in eine Falle, aus der sich herauszuziehen ihm viel Zeit und Geld gekostet haben wird. Der unglückliche" August" wird ein andermal wohl etwas weniger eifrig sein.-

Die gegnerischen Blätter erzählen mit schmunzelndem Behagen, es sei eine Spaltung unter den hiesigen Sozialdemokraten ausgebrochen; die Einen hielten zu Ewald, die Anderen verurtheilten ihn als einen von der Regierung oder von Stöcker Gekauften. Daß die Gegner so gar nicht das Wesen unserer Partei begreifen können! Da wir zum Prinzip und zur Sache stehen und keinen Personenkultus treiben, so ist es ganz unmöglich, daß irgend eine Person eine Parteispaltung herbeiführen tann. Solange man über eine Person, die dies versuchen sollte, noch nicht im Klaren ist, können ja 3 weifel vorhanden sein,( wie das 3. B. im Falle Haffelmann's und Most's der Fall war), allein die Zweifel tönnen bei unserer Organisation nicht lange dauern, und sobald Klarheit gewonnen ist, weiß auch jeder Genosse, was er zu thun hat. Die Abträunlinge und Verräther die Hasselmann, Most, Finn, Körner und Konsorten haben sämmtlich erfahren müssen, daß ihr Einfluß in dem Moment aufhörte, wo ihr Spiel durchschaut war. So m war es in unserer ard agai Partei, und so wird es bleiben.

Statt uus Spaltungen" anzubichten, sollten die Gegner fich an der eigenen Nase zupfen, und an dem Krakehl zwischen Konservativen und Klerikalen, zwischen Henrici und Stöcker und zwischen Hänel und Richter denken. Was speziell die letztere Razbalgerei betrifft, so amüfirt fie uns höchlich. Der tapfere Eugen" bildete sich wirklich schon ein, Deutschland in der Tasche und das Finanzportefeuille unter dem Arme zu haben. An ihm ist das Sprichwort wieder einmal wahr geworden: Hochmuth kommt vor dem Fall. Hänel, der Syrupredner", läßt sich nicht. ,, an die Wand drücken", und es hängt vom Ausfall der Landtags. tagswahlen ab, ob der Hänel den Richter oder der Richter den Hänel ,, an die Luft setzen" kann. Die Spaltung ist fertig, und mit den schönen Träumen der Fortschrittler, in Bälde die stärkste Partei Deutsch­ lands zu werden, ift's auf immer vorbei. 3 is foi nad mUAT

Ich sehe, das Gericht zirkulirt, wir wollten uns an den Landtag 8- wahlen betheiligen. Von fortschrittlicher wie konservativer Seite hat man Lockrufe ertönen lassen und uns auf den Leim führen wollen es ist aber keiner hereingefallen". Die Herren Gegner mögen fich's ein fitr allemal gesagt sein lassen: Die Sozialdemokratte hott ihnen nicht die Kastanien aus dem Feuer.

Thomas.d onnat in s de de i Isis intind and # 13 de

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Sozialpolitische Rundschau.

190 da" gudnog Brid, 20. September 1882. Zürich,

Die glüdlicherweise falsche Nachricht von der tödt­lichen Erkrankung Bebels ist Ende voriger Woche für die ausländische Preffe wie es scheint zuerst in Paris zur Meldung vom bereits erfolgten Tode unseres bewährten Vorkämpfers angewachsen. So un­angenehm ein solches Gerücht jeden von uns berühren mußte, so hat es doch andererseits zu so herzlichen Sympathiebezeugungen Seitens unserer ausländischen und im Ausland weilenden Genossen Veranlassung gegeben,

daß wir nicht umhin können, denselben an dieser Stelle Namens der deutschen Sozialdemokratie unsern wärmsten Dant auszusprechen.

Die sozialistischen Tagesblätter von Paris Bataille" und" Citoyen", sowie Rocheforts Intransigeant" würdigten in langen Artikeln die Ver­dienste Bebels um die Sache der Befreiung des Proletariats, die ,, Egalité" zeigt durch einen breiten schwarzen Trauerrand an, daß sie sich mit be­troffen fühlt von dem Verluft( die entsprechende Nummer des Prole­taire" ist ausgeblieben). Unser flämisches Bruderorgan Toekomst" schreibt in seinem Nachruf: Wir haben geweint, als wir diese Nachricht er­fuhren". Ebenso bringt unser holländisches Bruderorgan Recht vor Allen" einen kurzen aber höchst sympathischen Bericht. Von polnischen Genossen in Paris geht uns ein Beileidschreiben zu, in welchem es heißt: Welch' traurige Nachricht! Er ist nicht nur ein Verlust für Deutschland, sondern für die ganze Menschheit; wir sind tief erschüttert!" Aus Lüttich erhalten wir von den dortigen deutschen Genoffen einen ergreifenden Brief, der mit einem feurigen Appell zum unermüdlichen Weiterkämpfen schließt. Die Absender, wie auch unsere Genossen in Paris, haben sofort beim Eintreffen der Nachricht an Frau Bebel tele­graphirt. Genosse Grotttau in Chicago erbat sich von uns tele­graphisch Auskunft, ob die traurige Nachricht, die das Kabel hinüber­gebracht, wirklich wahr sei. Wir waren glücklich, ihm antworten zu können, und theilen dies allen Genossen im Auslande mit, daß Bebel vollständig hergestellt ist und, falls er selbst sich nicht die zu seiner Erholung nöthige Ruhe gönnen sollte, demnächst von Rechts wegen" dazu angehalten werden wird. Er hat nämlich binnen Kurzem 4 Monate Gefängniß wegen Reichskanzler- und Bundesrathsbeleidigung abzusitzen. Hoffen wir, daß diese unfreiwillige Muße unserm Freunde gut bekommen möge!

In Egypten herrscht die Ordnung". Arabi ist niedergeworfen, und Diejenigen, welche ihm einst am lautesten zujubelten, rufen heute mit den Kouponsrittern im Bunde: Kreuzige ihn! Wir schenken den Nachrichten, welche von englischer Seite in Umlauf gesetzt werden, um den Führer der egyptischen Unabhängigkeitspartei als gewissenlosen Abenteuerer hinzustellen, keinen Glauben, die Loyalität, welche derselbe wäh­rend des Aufstandes beobachtet hat, beweist zu deutlich das Gegentheil. Eher find wir geneigt, an Verrath seitens Verschiedener aus seiner Um­gebung zu glauben, die Niederlage von Kel- el- Tebir hätte zu einer so vollständigen Auflösung sonst wohl kaum führen können. Wie dem nun auch sei, England hat gefiegt, und wir werden ja sehen, wie das libe­rale Ministerium seine Versprechungen, die es dem egyptischen Volke gegenüber abgegeben, einlösen wird.

Narren und Schufte. In Dresden tagten Mitte September eine Anzahl von Pfaffen, Adeligen, ausrangirten Militärs und Handwerkern", um anscheinend über die Judenfrage, thatsächlich aber darüber zu berathen, wie das Volt möglichst lange in Abhängigkeit und Botmäßigkeit erhalten werden könne. Zwei Thesen, welche von dem Königlich preußischen Hofpfaffen Stöder beantragt und natürlich ein stimmig angenommen wurden, charakterisiren diesen ,, Antisemiten­fongreß" für jeden denkenden Menschen zur Genüge, wenn es die Forderung völliger Rechtslosigkeit für die Juden noch nicht thäte. Diese Thesen lauten:

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These 4. Unter dem politischen Gesichtspunkte, eine Nationalität für sich und nach ihren Verheißungen bestimmt, eine Nationalität zu bleiben, durch Abstammung, Sprache und Kultur international ver­bunden, durch die Ehe untereinander, sowie durch Reinigungs- und Speisegesetze als eine Rafte charakterisirt, find die Juden als solche unfähig, organische Bestandtheile irgend eines christlichen Volkes zu bilden. Die Reforminden, obwohl in Einzelheiten abweichend, bilden doch in ihrer allgemeinen Stellung keine Ausnahme, sondern durch das Bestreben, die christliche Völkerwelt zu beherrschen und zu versetzen, eine um so größere Gefahr."

Um die Infamie dieses scheinheiligen Satzes zu verstehen, muß man wissen, daß er seine schärffte Spize gerade gegen diejenigen Juden richtet, welche alle Gebräuche, die das Judenthum als eine besondere Kaste tenn­zeichnen, bekämpfen. Man kann den Reformjuden den Vorwurf der Halbheit machen, aber der trifft ja auch die Reform christen, die Proteftantenvereinler, die auf halbem Wege stehen geblieben sind die Tendenz der reformjüdischen Bewegung ist immerhin eine befreierische, und deshalb wurden ihr auch seinerzeit von der preußischen Regierung alle nur erbentbaren Hinderniffe in den Weg gelegt. Das Reformjuden­thum bringt die Juden ohne Taufe der übrigen Bevölkerung näher, daher auch die Wuth von jüdischen Pfaffen und christlichen Rabbi's wider daffelbe.

Noch deutlicher aber spricht folgende These:

6. Unter dem sozialen Gesichtspunkte, oft Vertreter der nackten Geldmacht und Ausbeuter fremden Fleißes, an der produktiven Arbeit und den damit verbundenen sozialen Verpflichtungen wenig betheiligt, ist das moderne Indenthum in einer Epoche, welche den Streit zwischen Arbeit und Kapital bis zum Hervortreten von Umsturz­parteien herausgebildet hat, els balletbe traft feines, soziale Gefahr ersten ehr,

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Ranges, um Staatsgrundlagen negirenden bie Griftlige me Zuges an der Pflege des Revolutionsgedankens besonders Theil nimmt."

Mit echt jesuitischer Geschicklichkeit sind hier die jüdischen Ausbeuter und die in den Reihen der Kämpfer für die Beseitigung aller Aus­beutung mitwirkenden Juden wenn für Letztere überhaupt noch der Name Jude zulässig ist zusammengewürfelt. Aber leider nur zu ge­schickt, denn um so deutlicher zeigen die Ausbeuter, welche diese These angenommen haben, dabei den reaktionären Pferdefuß.

Es ist dieselbe Gesellschaft, von der es im Kommunistischen Manifest heißt:

Sie werfen der Bourgeoisie mehr noch vor, daß sie ein revolu tionäres Proletariat, als daß sie überhaupt ein Proletariat erzeugt.

In der politischen Praxis nehmen fie daher an allen Gewaltmaßregeln gegen die Arbeiterklasse Theil und im gewöhnlichen Leben bequemen fie sich, allen ihren aufgeblähten Redensarten zum Trotz die goldene Kapsel aufzulesen, und Treue, Liebe, Ehre mit dem Schacher in Schafswolle, Runkelrübe und Schnaps zu vertauschen."

Diesen vor 35 Jahren geschriebenen Worte haben wir nichts hinzuzufügen.

Der Finger Gottes. In einem konservativen Blatte leſen wir: Vor einigen Tagen fiel ein Kind in die stark angeschwollene Mulde. Vergebens suchte die verzweifelnde Mutter daffelbe den Fluthen zu ent­reißen. Das Kind trieb den Strom hinab und siehe da, als die Hoffnung schon verschwunden war, blieb es an einem überhangenden Baumzweige hängen und konnte unbeschädigt dem Wasser entrissen werden. Da hat man wieder den Finger Gottes gesehen." to d Durch einen( wohl auch auf den Finger Gottes" zurückzuführenden?) Zufall findet sich unmittelbar hinter dieser Finger Gottes"-Notiz Folgendes:

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Ein entsetzlicher Vorgang hat Trauer in viele Familien unseres Städtchens gebracht. Sieben Kinder, Knaben und Mädchen, bestiegen ein Boot, das ohne Aufsicht war, und fuhren den Fluß hinab. Sei es nun, daß die Strömung zu heftig war oder daß die Kinder das Boot in's Schwanken brachten, genug, das Boot schlug um und von den sieben Kindern konnten nur zwei gerettet werden."

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Wo war hier der Finger Gottes"? Wo hier die stereotype Vor­sehung", die über den Kindern wacht?"

Wir erwähnen dieses Beispiels, für das sich in tausend Blättern täglich ein Seitenstück entdecken ließe, einzig und allein in der Absicht, um die absolute Gebantenlosigkeit zu fennzeichnen, mit der beim Gebrauch der Religionsphrasen verfahren zu werden pflegt.

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